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Veröffentlicht am 16.04.2022

Woher komme ich, wohin gehe ich?

Die Fremde
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Einen Roman über sich selbst und ihr nächstes Umfeld, ihre Familie, hat die Italienerin Claudia Durastani verfasst. Zumindest stimmt der Rahmen - die Tochter taubstummer Eltern ist gemeinsam mit ihrem ...

Einen Roman über sich selbst und ihr nächstes Umfeld, ihre Familie, hat die Italienerin Claudia Durastani verfasst. Zumindest stimmt der Rahmen - die Tochter taubstummer Eltern ist gemeinsam mit ihrem Bruder in Italien und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen, als Erwachsene hat sie sich London als Wahlheimat ausgesucht.

Doch für mich scheint sie lebenslang - zumindest bis jetzt, als Mitte der 1980er Geborene hat sie hoffentlich noch viele Jahre vor sich - eine Suchende zu sein, eine Getriebene, die durch die komplizierten und komplexen Eltern - zeitweise scheint es, dass die Taubstummheit das Geringste war, was sie ausmachte - nicht zur Ruhe fand bzw. findet. Und natürlich auch durch die Lebensumstände.

Sie ist kein Flüchtling, aber ihr Lebensstil ist nicht weit entfernt von dem der Flüchtenden. Ihre Eltern werden darstellt als ziemlich schrilles Paar, das da zueinander findet.Claudias Vater ist stets Mittelpunkt jeder Gesellschaft ungeachtet seiner Einschränkungen, sie machen sich gegenseitig unglücklich, schon lange, bevor sie sich trennen.

Claudia. Ist es sie selbst, die sie uns vorstellt, oder einfach eine beliebige Frau, deren Erfahrungen in einigen Aspekten mit den Ihrigen überein stimmen? Da sie ihr Werk als Roman bezeichnet, kann sie im Prinzip derart Beliebiges einbringen - denn ein Roman bedeutet Fiktion in Gegensatz zu einem Sachbuch, das reale Fakten präsentieren sollte. Jedenfalls wird diese Claudia als Person dargestellt, die sich mehr und mehr in sich selbst verliert. Eine Suchende. Keine Findende.

Ein Roman, der mir immer rätselhafter wurde, den ich zudem als wenig unterhaltsam empfand. Wenn ich doch wenigstens einen Gewinn daraus gezogen hätte. So jedoch bleibt es für mich ein sehr verwirrendes Werk, das ich nicht weiter empfehlen möchte.

Veröffentlicht am 08.04.2022

Mein Maserati fährt 210

Schallplattensommer
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Das trifft auf Alina Bronskys Maserati definitiv nicht zu. Ihr Maserati ist nämlich ein junges Mädchen, das Fahrrad fährt.

Wenn sie denn Mal nicht ihrer Oma im Imbiss helfen muss, was sehr ...

Das trifft auf Alina Bronskys Maserati definitiv nicht zu. Ihr Maserati ist nämlich ein junges Mädchen, das Fahrrad fährt.

Wenn sie denn Mal nicht ihrer Oma im Imbiss helfen muss, was sehr selten der Fall ist.

Trotzdem macht sie die Bekanntschaft von Caspar und Theo, die zur frisch her gezogenen Familie gehören, einer Familie, der es mehr als gut geht. Denkt Maserati. Und teilweise stimmt es auch, zumindest im Vergleich zu ihr, deren Leben tatsächlich noch nie auf Rosen gebettet war.

Was viel mit ihrer Mutter zu tun hat, aber nicht nur.

Normalerweise mag ich Alina Bronsky und habe auch nur selten ein Problem damit, dass sie Dinge nicht zu Ende erzählt oder gar nur andeutet.

Hier allerdings war es mir des Guten viel zu viel. Es ging soweit, dass ich gleich mehrfach den Faden verlor. Auch konnte ich mir kein Bild machen von keiner der Figuren. Ob es daran lag, dass mir zu wenig Informationen vorlagen? Oder waren es die falschen? Keine Ahnung, jedenfalls war irgendwo der Wurm drin, zumal der Roman von seinen Figuren lebt.

Veröffentlicht am 28.02.2022

Unwirklich und nicht schlüssig

Das verschlossene Zimmer
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Marie hat einen Vater, der sich aufopferungsvoll um sie kümmert - er ist Arzt in einem großen Krankenhaus, dennoch findet er jeden Abend Zeit, für sie zu kochen und sich auch sonst eindringlich ...

Marie hat einen Vater, der sich aufopferungsvoll um sie kümmert - er ist Arzt in einem großen Krankenhaus, dennoch findet er jeden Abend Zeit, für sie zu kochen und sich auch sonst eindringlich um sie zu kümmern. Mehr noch, als um seinen Beruf und in dem geht er wirklich auf.

Doch er hält sich sehr zurück, was die Vergangenheit angeht. Marie kann fragen und fragen, doch so richtige Antworten erhält sie nicht. Weder in Bezug auf seine Vergangenheit, noch - was Marie noch viel mehr interessiert - auf die ihrer Mutter.

Anderen Menschen gegenüber verhält er sich tolerant, verständnisvoll und duldsam. Daher ist Marie sowohl erstaunt als auch befremdet, dass er etwas gegen ihre Heirat mit dem Juden Ben, schon seit Kindertagen der Mann ihres Lebens hat. Und sie wählt einen ausgesprochen ungewöhnlichen und zugleich gefährlichen Weg, um ihr Ziel zu erreichen.

Unwirkliche Geschichten zu ernsten, ja tragischen historischen Themen können etwas ganz Besonderes, kunstvoll gearbeitetes sein, durch das man das Wesen des Ereignisses oder der Epoche noch einmal neu bzw. von einer anderen Seite aus entdeckt. Gute Beispiele sind für mich "Die Bücherdiebin" und "Der Junge im gestreiften Pyjama".

Hier hingegen strahlt Protagonistin Marie eine seltsame Naivität aus. Ihre Aktionen - allen voran der Übertritt zum Judentum sind mutig, aber komplett undurchdacht und damit ausgesprochen gefährlich. Sowohl für sie selbst als auch für andere.

Leider kann ich den Roman dadurch nicht so recht ernst nehmen - stellenweise kommt es mir vor, als ob die Autorin selbst einige der Ereignisse, Umstände und Fakten, von denen sie erzählt, nicht umfassend verstanden hat. Meiner Ansicht nach kann man durch die Lektüre dieses Romans einen komplett falschen Eindruck von der beschriebenen Zeitspanne, dem Jahr 1939, erhalten.

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Veröffentlicht am 14.01.2022

Not my cup of tea!

Der fürsorgliche Mr. Cave
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Ein Familienvater, nämlich Terence Cave, verliert seinen Sohn und das ist längst nicht der erste Verlust eines nahestehenden Menschen in seinem bisherigen Leben. Er trauert zwar um ihn, investiert ...

Ein Familienvater, nämlich Terence Cave, verliert seinen Sohn und das ist längst nicht der erste Verlust eines nahestehenden Menschen in seinem bisherigen Leben. Er trauert zwar um ihn, investiert jedoch seine gesamt ihm verbliebene Kraft in das Beschützen seiner Tochter Bryony. Bryony, die ihm aufgrund ihrer vielseitigen Begabung, der von klein auf mit dem Vater übereinstimmenden Interessen, soll es an nichts mangeln.

Und da junge Menschen - Bryony ist zu diesem Zeitpunkt knapp 15 Jahre alt - nun einmal dazu neigen, Fehler zu begehen, will er sie davor bewahren. Um jeden Preis. Auch um den, dass Bryony und deren Oma Cynthia, Terences Schwiegermutter, ihn für wahnsinnig halten.

Und glauben Sie mir, es dauert wirklich nicht lange, bis es dazu kommt!

Ehrlich gesagt, ist dieser Roman für mich eine herbe Enttäuschung. Ich habe mich sehr auf Matt Haigs Neuerscheinung in deutscher Sprache gefreut und dann sowas! Auch wenn Terence Cave ganz klar unter einer traumatischen Belastungserkrankung leidet, sollte es ihm klar sein, dass er viel zu weit geht. Um Klartext zu reden, stalkt er nämlich seine Tochter und das nicht zu knapp.

Hier läuft also jemand frei herum, der längst in ärztliche Behandlung gehört - und es ist nicht so, als ob es niemanden in seinem Umfeld gibt, der das nicht hätte merken können.

Ich habe leider schon sehr früh die Lust an dieser Lektüre verloren und musste mich zwingen, weiterzulesen. Immer in der Hoffnung, es gäbe eine raffinierte Entwicklung in welche Richtung auch immer. Nun, lassen Sie sich überraschen, ob es zu einem Happy End kommt oder nicht - eine literarische Explosion ist dies nicht. Bisher mit großem Abstand das schwächste Buch unter den mir bekannten Werken eines eigentlich großartigen Autors!

Veröffentlicht am 03.12.2021

Schwere Zeiten

Die Übersetzerin
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Schwere Zeiten sind es, die Hedy im Jahre 1940 (und den darauffolgenden) auf der Kanalinsel Jersey durchmacht: diese ist nämlich unter deutscher Besatzung und Hedy ist eine hierher geflohene ...

Schwere Zeiten sind es, die Hedy im Jahre 1940 (und den darauffolgenden) auf der Kanalinsel Jersey durchmacht: diese ist nämlich unter deutscher Besatzung und Hedy ist eine hierher geflohene Wiener Jüdin.

Sie hat es dort sehr schwer, die Bewohner werden zunächst ausgehungert und sie als Dazugekommene erst recht. Es ist auch ihre Bedürftigkeit, die sie dazu treibt, eine Stelle als Übersetzerin bei den Deutschen anzunehmen - wohlgemerkt unter Angabe ihrer jüdischen Herkunft.

Dort verliebt sich Kurt in sie, Kurt, der unbedingt Ingenieur werden wollte und seine Ausbildung unterbrechen musste, um in diesen auch für ihn sinnlosen Krieg zu ziehen. Es gelingt ihm, Hedy für sich zu gewinnen.

Dies ist eine Beziehung, die meiner Ansicht nach nur auf Körperlichkeiten beruht, zumindest wird sie so dargestellt - leider. Daher hatte ich irgendwann gar keine Lust mehr, Hedy Geschicken zu folgen - diese waren nur sehr oberflächlich dargestellt.

Gerade, weil der Roman auf einer wahren Geschichte beruht, hatte ich Großes erwartet und wurde sehr enttäuscht. Aus meiner Sicht lohnt sich diese Lektüre kein bisschen, Hedy wird hier zu einer gierigen Schlampe degradiert, was sie wirklich nicht verdient hat. Und über die Hintergründe auch anderer Personen erfährt man so gut wie gar nichts, auch nicht über Hedys Leben in Wien. Schade, ich hatte mir so viel davon versprochen!