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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2022

Ein mitreißendes Familienepos über drei Generationen hinweg

Über Carl reden wir morgen
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Die Brugger-Familie, sie betreibt eine Hofmühle in einem kleinen Dorf, irgendwo im Österreichischen, schon seit langer Zeit. Carl, der Namesgeber dieses Familienepos, er steht für die jüngste Generation ...

Die Brugger-Familie, sie betreibt eine Hofmühle in einem kleinen Dorf, irgendwo im Österreichischen, schon seit langer Zeit. Carl, der Namesgeber dieses Familienepos, er steht für die jüngste Generation in dieser Geschichte. Aber es ist sein Großvater Anton, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Anfang macht. Er hat die Mühle gerade übergeben bekommen und setzt so die Brugger Tradition fort. Seine Schwester Rosa hingegen sucht ihr Glück als Hausangestellte in der Stadt. Sie träumt von Freiheit und bekommt schlechte Behandlung und Demütigung, bis hin zum Missbrauch. Als Antons Frau stirbt, kehrt sie, von ihrem Bruder zur Hilfe gerufen, in die Enge ihres Heimatdorfes zurück und kümmert sich fortan um die nächste Brugger-Generation, Antons nun mutterlosen Kinder. Und das Leben geht weiter. Irgendwann übernimmt der Sohn Albert die Familienmühle und startet zudem den Versuch, ein Kaufhaus in dem kleinen Ort zu etablieren, was auch, trotz Zweifel aus der eigenen Familie, gelingt. Als seine Frau wählt er Anna, eine Zugereiste aus der Stadt, für die das Dazugehören zu einer in mehr wie einer Hinsicht schwierigen Angelegenheit wird. Und dann sind wir endlich angekommen, bei Carl, über den dann wirklich noch viel zu sagen ist, morgen. Er bildet zusammen mit seinem Zwillingsbruder Eugen, der später nach Amerika auswandert und den Geschwistern Gustav und Elisabeth die nächste Generation der Bruggers.
Wenn man diesen Stammbaum vor Augen hat, kann man sich vorstellen, welcher Berg an Geschichten, eingebetet in die tatsächliche Geschichte zu der jeweiligen Zeit, hier auf die Leser wartet. Dramatisch ist schon ein sehr präsenter Begriff, über alle Generationen hinweg. Hier nehmen Schicksale ihren Lauf. Personen handeln und die Geheimnisse dahinter, man erfährt erst sehr viel später das Warum. Und das ist nicht ohne. Was gerade gegen Ende dieses, doch wahrscheinlich auf Fortsetzung angelegten Buches ans Licht kommt, das kann einem schon ein wenig den Atem nehmen, so dass man sich am liebsten wegdrehen würde. Aber das funktioniert natürlich nicht, denn dieses so packend geschriebene Werk, auch literarisch sehr vorzeigbar, es umgibt jede einzelne Person mit einer solchen Präsenz und einer Intensität der Gefühle, dass es unmöglich ist, sich dem zu entziehen. Und dazu kommt, die Autorin, sie wertet nicht über ihre Protagonisten. Sie erzählt einfach, wie es ist, die Zeit, die Menschen, das Leben.
Ein tolles Buch, das alles hat, was es braucht, um zu Recht herausgehoben zu werden aus dem 'Alltäglichen'. Und das nicht ganz abgeschlossene Ende, es ist als Einladung zu verstehen, auch einer Fortsetzung wieder die Tür zu öffenen. Ich bin auf jeden Fall erneut dabei.

Veröffentlicht am 15.05.2022

Eine Kindheit mitten in den Troubles und noch viele Jahre mehr

Amelia
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Die achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. ...

Die achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. Was macht man, wenn man in einem Umfeld aufwächst, in dem Menschen gegeneinander kämpfen, mit Waffengewalt, in dem Bomben Zerstörung bringen, Häuser abgefackelt werden und es täglich Tote zu beklagen gibt. Man lebt darin, man lebt damit. Anfangs empfindet man nur Angst und sucht Schutz bei den Erwachsenen, aber diese können dem Kind diesen Schutz nicht geben. Und so nimmt man es an, das, was passiert und versucht trotzdem, schöne Empfindungen zu erleben, sich das Glück mit allerkleinsten Dingen, für kurze Zeit, selbst zu schenken.
Anna Burns, die spätere Booker Prize Gewinnerin (Milchmann, 2018), erzählt hier in ihrem Debütroman von 2001, von einem solchen Leben, mitten im Nordirlandkonflikt, im Zeitraum von 1969 bis zum Jahr 1996, zwei Jahre, bevor ein 'Waffenstillstand' dem Grauen für die Bevölkerung ein Ende setzte. Sie schreibt auf, was passiert, in der Abgeschlossenheit dieses Kriegsgebiets, schonungslos. Sie erzählt von Menschen, die zu Gewalttätern werden, gegen 'den Feind', bis hin zum Tod, von sexuellen Greueltaten, von Übergriffen, bei denen der Gegner gar keiner ist, davon, wie die menschlichen Sitten verrohen und wahlweise einem allumfassenden Hass oder der vollständigen Abstumpfung gegen die einst hochgehaltenen Werte von Anstand und Ehre weichen. Und die Lichtblicke dazwischen, die werden immer weniger, sehr bald gibt es sie nicht mehr. Und die Autorin, sie sorgt dafür, dass wir als Leser gezwungen sind, hinzusehen. Einfach umdrehen und davonlaufen ist keine Option. Der Roman beeindruckt durch eine Art Erbarmungslosigkeit und eine Radikalität, alles genauso zu zeigen, wie es ist. Burns weicht in ihrer Darstellung keinen Schritt zurück, einfach weil es ihr genauso richtig scheint. Und ich als Leser akzeptiere das.
Das Buch ist gut, nicht bzgl. eines einzelnen Aspekts, es ist einfach gut. Und schwer zu verdauen, noch lange danach.

Veröffentlicht am 13.05.2022

Schüchtern, 13 und ein Vampir im Garten, aber es wird besser

Wie man 13 wird und die Nerven behält (Wie man 13 wird 5)
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Chester ist 13 Jahre alt und ziemlich schüchtern. Freunde hat er keine. Das einzige, was andere an ihm interessant finden, ist seine bionische Handprothese, das allerbeste Modell auf dem Markt. Seine Eltern ...

Chester ist 13 Jahre alt und ziemlich schüchtern. Freunde hat er keine. Das einzige, was andere an ihm interessant finden, ist seine bionische Handprothese, das allerbeste Modell auf dem Markt. Seine Eltern haben dafür so ziemlich alles Geld, das sie hatten, ausgegeben, damit Chester, der ohne linke Hand auf die Welt gekommen ist, alles machen kann, was er auch mit einer eigenen Hand hätte tun können. Dann eines Nachts, entdeckt er eine Art Geist vor seinem Fenster, der ihn ganz grimmig anschaut. Das wiederholt sich dann auch in der nächsten Nacht und Chester ist das schon nicht ganz geheuer. Zufällig erfährt er von einem Vortrag, in dem es darum geht, wie man Geister wieder los wird und er geht hin. So wirklich hilfreich ist das dann nicht, aber er lernt dort Marcus und Tallulah kennen, die Vampirjäger sind und ihm auf jeden Fall helfen wollen. Und dann ist da auch noch Holiday, die er gleich richtig gerne mag und sie ihn anscheinend auch.
Das hört sich doch gar nicht schlecht an, für den Anfang eines spannenden Vampirabenteuers und mit den neu gewonnenen Freunden als Beistand, was soll da schon schiefgehen. Also, ehrlich gesagt, eine ganze Menge. Denn da muss man Vampire und Halbvampire unterscheiden und wer hier böse ist und wer gut, das ist auch nicht ganz klar. Und dann gibt es auch noch die Mobber aus der Schule, die denken, mit dem schüchternen Chester kann man es machen. Kann man ja auch, erst einmal. Aber das ändert sich dann auch in der Geschichte.
Das Buch macht richtig Spaß und obwohl es ja um so gruselige Gestalten wie Vampire geht, ist das alles total spannend, aber so ganz oberschlimm gruselig wird es eigentlich nicht. Das liegt auch daran, dass Chester mit der Zeit immer mehr an sich selbst glaubt und sich den Dingen mutig entgegen stellt. Und das ist ganz wichtig, damit die Geschichte ja vielleicht gut ausgeht.
Und wenn ihr das Buch zu Ende gelesen habt, dann seid ihr auf jeden Fall auch gewappnet, wenn bei euch mal so ein übelgelaunter Geist auftaucht. Und das ist doch sehr beruhigend, oder?

Veröffentlicht am 10.05.2022

Eine Affenhitze und eine echte Leiche, frisch in der Urzeit

Affenhitze (Kluftinger-Krimis 12)
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Bereits zum 12. Mal ist Kommissar Kluftinger und sein Team sozusagen im öffentlichen Einsatz unterwegs und diesmal wird es richtig heiß. Die Gebeine eines Urzeitaffen rufen sogar das Erscheinen des Ministerpräsidenten ...

Bereits zum 12. Mal ist Kommissar Kluftinger und sein Team sozusagen im öffentlichen Einsatz unterwegs und diesmal wird es richtig heiß. Die Gebeine eines Urzeitaffen rufen sogar das Erscheinen des Ministerpräsidenten auf den Plan, aber es sind dann doch andere Knochen, ziemlich frisch und inklusive einer Leiche, die Kluftinger nötigen, sich trotz der echten Affenhitze, an die Arbeit zu machen. Der Tote war zu Lebzeiten nicht sehr beliebt, Motive für alles mögliche, vielleicht ja auch Mord, gibt es genug und das Feld der Verdächtigen ist schon fast unübersichtlich groß. Der Herr Kommissar macht sich also, ganz allgäuerisch und vor allem natürlich nach Original Kluftinger Art ans Werk und da es auch privat einiges abzuklären gibt, kommt hier garantiert keine Langeweile auf.
Natürlich wird man auch dieses Mal von der Geschichte und seinen Protagonisten nicht enttäuscht, denn wo Kluftiner draufsteht, ist auch Kluftinger drin. Vielleicht kommt einem alles noch ein wenig schräger und humoriger vor und wenn man hier neu ist, innerhalb der großen 'Allgäuer Original'-Leserschaft, könnte man schon den Eindruck bekommen, dieser Ermittlertrupp ist nicht der klügste. Aber das täuscht, schließlich gibt es am Ende ja ein überzeugendes Ergebnis, das gar nicht so offensichtlich um die Ecke kommt. Und der Faktor Unterhaltung, dafür gibt es auf jeden Fall wieder eine glatte Eins.
Also, viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Kluftinger dann, auf ein Wiedersehen.

Veröffentlicht am 09.05.2022

Den inneren Aufruhr nimmt man an jeden Ort mit und trotzdem eine interessante Lebensepisode

An der Grasnarbe
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Die junge Noa hat mit Ängsten und Panikattacken zu kämpfen, die so gravierend sind, dass sie in ihrem Leben nur noch schwer funktionieren kann. Ihre Hoffunung setzt sie auf einen zeitweisen Wechsel von ...

Die junge Noa hat mit Ängsten und Panikattacken zu kämpfen, die so gravierend sind, dass sie in ihrem Leben nur noch schwer funktionieren kann. Ihre Hoffunung setzt sie auf einen zeitweisen Wechsel von umtriebiger lauter Stadt aufs Land. Und so versucht sie sich als freiwillige Helferin auf einem abgelegenen Gehöft im Süden Frankreichs. Dort bauen Ella und Gregor, die ebenfalls Deutsche sind, vorwiegend Gemüse an und halten Schafe. Es sind vergleichsweise einfache Verhältnisse, in denen die beiden zusammen mit ihrer 11-jährigen Tochter Jade leben, viel Arbeit mit bescheidenem Ertrag und der Klimawandel hat auch hier bereits zu Veränderungen geführt, die das Ergebnis ihrer Schufterei weiter schmälern. Hier also sucht Noa Ruhe und Linderung für ihre psychischen Probleme. Sie ist zögerlich, ängstlich in der neuen Umgebung, aber wird herzlich willkommen geheißen und man gibt ihr den Raum, den sie braucht. Sie fügt sich schnell in die Arbeitsabläufe ein und die erfrischend direkte und fordernde Tochter sorgt in ihrer leicht verzogenen Art dann auch für etwas Lebendigkeit, die Noa ganz gut tut.
Die Geschichte ist sehr ruhig und etwas 'niedergedrückt' erzählt, sozusagen angepasst an Noas Person, die, durch die ständige Fokussierung auf das jeweils nächste, was sie tut und die Art, ihre Umwelt zu beobachten, versucht, alles beherrschbar zu halten und so auch mit der nächsten Panikattacke fertig zu werden, wenn sie denn dann über sie hinwegzurollen droht. Ihre Person ist zwar nicht das alleinige Thema dieses Romans, da gibt es sehr viele Dinge, die Erwähnung finden und lebens- und umweltaktuell auch bei jedem von uns Einzug gehalten haben, aber bei keinem dieser Bereiche bleibt der Roman wirklich stehen, um ihn näher zu beleuchten. Also denkt man, Noa, sie ist es, die wir jetzt wirklich kennenlernen, sie verstehen, das Warum, eine Entwicklung zu einem Wohin. Aber auch das bleibt weitgehend aus. Und so entschließt man sich, sie einfach hinzunehmen, diese auf so besondere, literarisch anspruchsvolle Weise erzählte Geschichte, als Sequenz eines Lebens, in die die Protagonisten, mit Noa vorneweg, eintreten und dann am Ende einfach weitergehen, zum nächsten Versuch auf, vielleicht Erfüllung, Glück?
Mich hat dieses kleine besondere Werk schon sehr positiv 'mitgenommen' und dann zurückgelassen, mit vielen Fragen und der Möglichkeit, die eigenen Gedanken weiterzuspinnen.
Wobei, ein Fazit hat diese Geschichte, ganz konkret, doch für uns parat. Vor sich selbst davonzulaufen, funktioniert nie!