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Veröffentlicht am 23.08.2022

Wunderbares Buch

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
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Die Freundinnen vom Strandbad (Band 1) - Wellen des Schicksals
Julie Heiland

Drei junge Teenager lernen sich in der Deutschen Demokratischen Republik, am Strandbad Müggelsee, Berlin kennen. Sie retten ...

Die Freundinnen vom Strandbad (Band 1) - Wellen des Schicksals
Julie Heiland

Drei junge Teenager lernen sich in der Deutschen Demokratischen Republik, am Strandbad Müggelsee, Berlin kennen. Sie retten einem Mann gemeinsam vor dem Ertrinken und obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, sind sie seit diesem Tag unzertrennlich.

- Betty wohnt in einem Plattenbau, ihre Mutter ist Alkoholikerin und ihr Vater seltenst Daheim. Ihr großer Traum ist es, eine berühmte Schauspielerin zu werden. Für diesen Traum würde sie alles machen ...
- Clara und ihre Familie sind '‘Unangepasste'' und nicht Mitglied der Partei. Diese Familie ist der DDR ein Dorn im Auge. Ihrem Vater ist es verboten als Pfarrer zu praktizieren und Clara darf nicht, obwohl sie Klassenbeste ist, studieren. Sie träumt davon Kosmonautin zu werden. Doch für diesen Traum müsste sie Mitglied der Staatssicherheit werden und ihre Eltern verraten oder über die Grenze gehen.
- Martha wohnt mit ihren linientreuen Eltern und Bruder in einem freistehenden Haus. Obwohl der Vater ‚nur‘ ein Postbeamter ist, besitzen sie ein Auto. Martha leidet darunter, dass ihre beiden Freundinnen so wunderschön sind und sie ''eher durchschnittlich'' aussieht. Des Weiteren ist sie intelligent und wegen ihrer angepassten Art, stehen ihr in der DDR alle Möglichkeiten einer Karriere offen. Doch ihre Familie scheint ein Geheimnis zu haben oder warum darf sie nicht in das Arbeitszimmer ihres Vaters? Und haben ihre Freunde recht? Arbeitet ihr Vater für die Stasi?

Abwechselnd, in drei Erzählsträngen, begleiten wir die drei Protagonistinnen in den 50er und 60er Jahren der DDR.
Besonders ergreifend fand ich die Beschreibungen am Tage des Mauerbaus. '‘Die mauern uns bei lebendigem Leib ein’’, schrie eine Frau weiter vorn. (S.569)

Julie Heiland hat es wunderbar verstanden, Geschichte und Fiktion zu verbinden. Auch wenn es kleinere Längen gab, möchte ich hier, einem weiteren Stück Zeitgeschichte, meine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.
4 / 5 Sterne und ich freue mich auf den 2. Teil, der auch bereits im Ullstein Buchverlage erschienen ist.

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Veröffentlicht am 30.06.2022

Kyōto und Posie

Eine Rose allein
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Hier kommt ein kleines, feines und poetisches Buch:

Eine Rose allein
Muriel Barbery

Rose reist zur Testamentseröffnung ihres Vaters von Paris nach Kyōto.
Ihren Vater hatte sie zu Lebzeiten nie kennengelernt. ...

Hier kommt ein kleines, feines und poetisches Buch:

Eine Rose allein
Muriel Barbery

Rose reist zur Testamentseröffnung ihres Vaters von Paris nach Kyōto.
Ihren Vater hatte sie zu Lebzeiten nie kennengelernt. Einst hatte ihre französische Mutter in Kyōto eine Liebesaffäre mit einem Japaner und kehrte mit einem Baby unter dem Herzen zurück nach Frankreich.

Rose ist Botanikerin, aber sie sieht schon lange keine Blumen mehr. Das Leben hat sie hart gemacht, sie ist wütend und jetzt, mit 40 Jahren, hat sie das Gefühl noch nie gelebt zu haben.

Paul, der belgische Assistent ihres Vaters, nimmt sie freundlich in Empfang und zeigt ihr das wunderschöne Kyōto.
Ganz langsam kommen sich Rose und Paul näher …

Barbery lässt uns in das wunderschöne Kyōto eintauchen. Sie beschreibt die Tempel, Flora und Fauna in einer poetischen Sprache und lässt uns an der kleinen, zarten Liebesgeschichte teilhaben.

„Ich dachte, es gehe nur darum zu überleben, aber vielleicht muss man sterben, um wiedergeboren zu werden“ (S.184)

Meine Meinung:
Mir hat das kleine Buch sehr gut gefallen, aber ich muss dazu sagen, dass ich bereits in Kyōto war. Da der jeweilige Name des Tempels und Zen-Gartens genannt wurde, wusste ich immer sofort, wo die Protagonistin sich befindet und so konnte ich ein weiters Mal durch die Zen-Gärten wandern und träumen.

Fazit:
Grosse Leseempfehlung für alle, die Poesie lieben und für diejenigen, die schon immer nach Kyōto wollten oder es bereits waren.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 06.06.2022

Sehr gute Hörunterhaltung

Barbara stirbt nicht
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Barbara stirbt nicht
Alina Bronsky,
gelesen von Thomas Anzenhofer


Walter Schmidt ist empathielos, ein Stiesel, ein Muffel, ein Patriarchat, intolerant und ein Rassist. Eines Morgens wacht er auf und ...

Barbara stirbt nicht
Alina Bronsky,
gelesen von Thomas Anzenhofer


Walter Schmidt ist empathielos, ein Stiesel, ein Muffel, ein Patriarchat, intolerant und ein Rassist. Eines Morgens wacht er auf und sein erster Gedanke ist, dass es nicht wie gewohnt nach Kaffee richt, wie es sollte. Stattdessen findet er Barbara im Bad, wo sie auf dem Boden liegt. Er macht ihr ein paar Vorwürfe, wischt ihr das Blut von der klaffenden Kopfwunde und bringt die völlig unterkühlte Barbara wieder ins Bett.
Da Barbara auch die nächsten Tage keine Anstalten macht aufzustehen, muss er wiederstrebend und fluchend lernen wie man Kaffee kocht. Für den Haushalt war immer Barbara verantwortlich. Die Küche hat er nie betreten, überhaupt, für Frauensachen ist er nicht zuständig!
Irgendwann taucht sein Sohn auf, der sich Sorgen um seine Mutter macht und sie ins Krankenhaus bringen will, aber Walter weist ihn zurück, denn Barbara war nie krank.
Die Wochen vergehen ohne das Barbaras Gesundheitszustand sich verbessert. Ganz langsam beginnt Walter, mit Hilfe eines YouTube-Kochvideos kochen zu lernen und findet sogar Gefallen daran. Ob er sich zum Ende des Buches verändert hat, müsst ihr selber herausfinden.


Ein Buch, dass mich (Nähkästchen auf) an meine eigene Kindheit erinnert. Noch heute isst mein Vater nicht, wenn ihm keiner den Teller auffüllt (Nähkästchen wieder zu).
Mich hat das Buch zwischendurch wirklich aufgeregt: Walter, der seit 54 Jahren verheiratet ist und immer erklärt, dass Barbara ja nicht seine erste Wahl war und er sie nur geheiratet hat, weil sie damals schwanger war. Das keiner der Kinder gerne kommt, merkt er gar nicht. Diese mangelnde Selbstreflexion … grrr .. hat mich ganz wahnsinnig gemacht.
Aber genau das wollte die Autorin bewirken und ich habe dem Sprecher des Hörbuchs, deren Stimme perfekt passt, wirklich gerne zugehört.
Ein gutes Buch, auch wenn der Protagonist ein wahrer Unsympath war.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Gutes Buch

Die Entflohene
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Die Entflohene
Violaine Huisman,
aus dem Französischen von Eva Scharenberg

TW: Vergewaltigung, Abtreibung, Suizid, Vernachlässigung von Kindern, Tabletten- und Alkoholmissbrauch.

„Maman hatte alle möglichen ...

Die Entflohene
Violaine Huisman,
aus dem Französischen von Eva Scharenberg

TW: Vergewaltigung, Abtreibung, Suizid, Vernachlässigung von Kindern, Tabletten- und Alkoholmissbrauch.

„Maman hatte alle möglichen Verhaltensstörungen, man hätte sie auch gut in Form einer Liste von Krankheitsbildern porträtieren können: Schizophrenie, Mythomanie, Kleptomanie, Alkoholismus, abwechselnd Depressionen und Hysterie. Sie konnte überdreht sein oder niedergeschlagen, essen wie ein Scheunendrescher oder fast verhungern, sie war in jeder Beziehung extrem.“ (S.49)

Violaine Huisman schreibt hier eine Hommage auf ihre wunderschöne, aber exzentrische Mutter Catherine („Maman war eine der schönsten Frauen der Welt. Das sagten alle, die sie in ihren Glanzzeiten erlebt hatten und ihre Schönheit war für sie selbst mindestens genauso fatal wie für ihre Männer und Frauen, die ihr verfielen.“ S.11), eine Frau, die einer Naturgewalt glich. Eine Ehefrau, die ihre drei Ehemänner hinterging oder selbst betrogen wurde. Eine Mutter, die ihre Kinder zwischen fanatischer Liebe und abstoßender Gleichgültigkeit behandelte: „Seht zu, wie ihr zurecht kommt!, das war der ewige Refrain ihrer Litaneien, sie sagte, wir sollen uns verpissen und nicht dauernd angeschissen kommen, wir sollten mal damit aufhören, auf die ganze Welt zu scheißen, wir sollten endlich kapieren, dass sie sich einen Scheiß für die Fragen und Sorgen verhätschelter fauler Gören interessierte. Seht zu, wie ihr zurechtkommt, ihr kotzt mich an mit euren bescheuerten Problemen! Das war aber nicht das Ende von Mamans Beschimpfungen, in der Regel fingen sie so erst an. (S.12)

Die Autorin teilt ihr Buch in drei Teile auf:
- Im ersten Teil sind Violaine und ihre ältere Schwester Teenager in Paris und sie erzählt im Rückblick, ein wenig durcheinander, jedoch absolut verständlich, wie es zu Catherines Einweisung in die Irrenanstalt kam und wie die Mädchen währenddessen herumgeschoben wurden. „Weihnachten war immer eine Qual, aber in diesem Jahr war es nur ein Martyrium, und ich konnte und kann immer noch nicht fassen, dass wir so tun mussten, als würden uns die Geschenke gefallen, weil wir Papa nicht kränken durften, ihm gefiel es, und wir durften ihn nicht verärgern, wir hatten nur ihn und waren nicht bereit, uns zu Waisen zu erklären, deshalb bemühten wir uns mitzuspielen, zu lächeln und danke zu sagen und möglichst vor Freude zu strahlen, damit Papa uns nicht in einem Wutanfall hinauswarf.“ (S.18)
- Im folgenden Teil wird ganz chronologisch das Leben Catherines von der Geburt an bis zur Einlieferung beschrieben. Mit allen Höhen und Tiefen lernen wir sie kennen und auch ein bisschen hassen.
- Im letzten Teil ist Violaine erwachsen und lebt seit zehn Jahren in den Vereinigten Staaten („ … es müsse mir gelingen, mein Leben zu leben, das, was sie mir an Leid und traumatischen Erfahrungen zugemutet habe, sei zu viel gewesen, ich müsse fortgehen, um mich woanders entfalten zu können, nicht auf den Trümmern ihres Schmerzes, nicht auf den Mienenfeldern unserer Vergangenheit, sondern in einem Land der Zukunft, in einer neuen Stadt. S. 221) und bekommt einen Anruf von ihrer Schwester, der sie zwingt noch einmal nach Paris zurückzukehren.

Huisman hat hier einen kraftvollen und imposanten Roman geschrieben. Auch wenn an Fäkalsprache nicht gespart wurde, so ist der Sprachstil fast immer auf hohem Niveau. Diverse Male habe ich zurückgeblättert, da ich dachte mich verlesen oder etwas verpasst zu haben. Ein autobiografisches Romandebüt, welches mich berührt hat..
Eine Leseempfehlung für diejenigen, die keine schwachen Nerven haben und französische Literatur lieben.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Die leichte Schreibweise täuscht über ein tiefgründiges Buch hinweg

Die Geschichte von Kat und Easy
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Die Geschichte von Kat und Easy
Susann Pásztor

Susann Pásztor schreibt ihren Roman auf zwei Zeitebenen;
- 1973: Kat und Easy, Teenager, leben in einem kleinen Dorf und sind beste Freundinnen. Easy ist ...

Die Geschichte von Kat und Easy
Susann Pásztor

Susann Pásztor schreibt ihren Roman auf zwei Zeitebenen;
- 1973: Kat und Easy, Teenager, leben in einem kleinen Dorf und sind beste Freundinnen. Easy ist der Hingucker des Dorfes, während Kat immer in ihrem Schatten steht. Sie erleben den ersten Sex, experimentieren mit Drogen und Alkohol und verlieben sich in den selben Mann. Nachdem dieser zu Tode kommt, trennen sich ihre Wege.

- 46 Jahre später treffen sich die beiden Frauen auf Kreta wieder und stellen fest, dass viel Unausgesprochenes zwischen ihnen steht. Erst nach und nach kommt die ganze Wahrheit ans Licht.
„Es wimmelt nur so von Rollenklischees hier, und auch ich war eins mit meiner gekränkten Eitelkeit, nach all den Jahren immer noch nichts anderes als die Freundin vom schönsten Mädchen zu sein.“ (S.105)

Susann Pásztor hat hier ein sehr realistisches Buch geschrieben. Es geht um die erste Liebe und ihrer Verletzlichkeit, um kleine Lügen, die ein ganzes Leben verändern können.

Der leichte Schreibstil liess mich schnell ins Buch finden und auch wenn mir beide Protagonistinnen nicht übermäßig sympathisch waren, fliegt man förmlich durch die Seiten. Die Tiefe des Buches wurde mir erst am Schluss deutlich.
Von mir eine klare Leseempfehlung
4 Sterne

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