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Veröffentlicht am 29.10.2017

Auf der Suche nach Glück

Durch alle Zeiten
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„Durch alle Zeiten“ ist Helga Hammers erster Roman. Für ihr Debüt hat sie sich viel Zeit gelassen, denn mit 77 Jahren ist sie keine jugendliche Autorin. Genau wie ihre Protagonistin Elisabeth wurde sie ...

„Durch alle Zeiten“ ist Helga Hammers erster Roman. Für ihr Debüt hat sie sich viel Zeit gelassen, denn mit 77 Jahren ist sie keine jugendliche Autorin. Genau wie ihre Protagonistin Elisabeth wurde sie 1940 geboren. Doch ihr Leben unterscheidet sich von dem ihrer Heldin.

Elisabeth kommt aus einem österreichischen Alpendorf. Nach einer Kindheit in Armut, gelingt es der hübschen Elisabeth, ihr Elternhaus zu verlassen und zur Haushaltsschule zu gehen. Mit 17 verliebt sie sich in Niklas, der aus gutem Haus stammt und ihr ein besseres Leben bieten könnte. Indes bleibt sie nur ein Abenteuer für ihn. (Erst Jahre später werden die beiden sich wiedersehen und dann nicht mehr voneinander loskommen.)

Nach dem Desaster mit Niklas packt Elisabeth der Ehrgeiz, dem Leben nun alles abzuverlangen, was es ihr bietet. Sie geht als Kindermädchen nach London, beginnt ein Verhältnis mit Ariel, ihrem Arbeitgeber, und ist schwanger, als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach Österreich zurückkehrt.

Die Verhältnisse zwingen sie, die nicht als uneheliche Mutter gebrandmarkt werden will, sich auf die Suche nach einem Vater für das ungeborene Kind zu begeben. Martin, ein Nachtwächter in der Lodenfabrik ihrer Tante, glaubt, mit Elisabeth nun endlich eine liebende Frau gefunden zu haben, hingegen wahrlich ist er nur Mittel zum Zweck. Und die Idylle, die sie sich beide ersehnen, stellt sich nicht ein. Das Dasein bleibt hart und armselig...

Nach einigen Jahren verliebt Elisabeth sich in Richard, ihren Cousin, und wieder wird sie schwanger. Es folgt erneut eine Trennung, nachdem Martin erschütternd erfahren muss, dass er weder der Vater von Franz noch der des zweiten Kindes ist. Als Geschiedene mit nunmehr zwei Kindern bleibt Elisabeth nur ein Ausweg: Sie heiratet den vermögenden Bauern Josef. Erst nach der Hochzeit offenbart sich Josefs wahrer Charakter – er ist ein Säufer und schlägt seine Frau.

Ist das das Glück, das Elisabeth sich erträumt hat?

Helga Hammer erzählt in zwei sich abwechselnden zeitlichen Handlungssträngen. Der erste setzt mit der Geburt des dritten Kindes ein und wird bis zur Gegenwart fortgeführt, während der andere die Kindheit und folgenden Jahre beleuchtet.

In dichter, klarer und unsentimaler Sprache, die fast ein wenig antiquiert anmutet, schildert die Autorin ein Leben auf dem Land, das aus heutiger Sicht so fremd erscheint, dass die Situation, in der sich Elisabeth befindet, gerade für junge Menschen nicht oder schwer verständlich ist. Eine Frau mit wechselnden Partnern passt nicht in das Bild, zumindest nicht in dem damaligen Zeitrahmen. In der modernen Welt gehören sich auflösende Beziehungen fast schon zum guten Ton und bleiben mehr oder weniger unbeachtet. Allerdings nicht in den Fünfigerjahren. Dabei basieren Elisabeths Erlebnisse auf der Biografie einer Freundin, sind aber in weiten Teilen fiktiv.

Elisabeths Geschichte berührt durchaus, obwohl die junge Frau nicht unbedingt mit Sympathie punktet. Sie ist in eine Welt hineingeboren, die von harter Arbeit und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist, und muss sich in diesem Umfeld durchsetzen, um dem Leben etwas Glück abzutrotzen. In wenigen seltenen Momenten ist dies von Erfolg gekrönt. Und obwohl Elisabeth für vieles selbst Ursachen gesetzt hat, verlernt sie „Durch alle Zeiten“ nicht das Träumen und die Hoffnung, eines Tages wahrhaft glücklich zu sein. Das imponiert, wenngleich ihre manchmal doch auch rücksichtslose Art erschüttert. Elisabeth lebt mit ungezügelter Leidenschaft und unverhältnismäßig: drei Kinder von drei verschiedenen Männern, die auch charakterlich sehr unterschiedlich sind.

Insgesamt geht Helga Hammer sehr respektvoll mit ihrer Protagonistin um, sie nimmt sie so, wie sie ist, ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Sie macht deutlich, dass das Leben kein Wunschkonzert ist und dass es für einen ungetrübten und wertfreien Blick einer gewissen Lebenserfahrung bedarf.

Veröffentlicht am 08.09.2017

Und du kommst auch drin vor

Und du kommst auch drin vor
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Kim Josephine gehört zu den 15-Jährigen, die einem Buch nichts abgewinnen können und Lesen für überflüssig halten. Damit steht sie nicht alleine da, und als ihre Klasse zu einer „Läsung“ gehen ...

Kim Josephine gehört zu den 15-Jährigen, die einem Buch nichts abgewinnen können und Lesen für überflüssig halten. Damit steht sie nicht alleine da, und als ihre Klasse zu einer „Läsung“ gehen soll, ist nicht nur sie irritiert, sondern alle stöhnen: „Iiih, was sollen wir da? Bücher lesen?“ (Seite 6) Und es kommt noch schlimmer. Wider Erwarten ist Kim gefesselt von dem, was die Autorin da vorliest, und kann kaum glauben, was passiert: Leah Eriksson schreibt doch tatsächlich über sie und ihre Familie und noch ein paar andere, die sie kennt. Beispielsweise ihren Mitschüler Jasper, und der kommt im Buch nicht gut weg. Das passt Kim gar nicht, und so beschließt sie, das das Schicksal geändert werden muss. Was liegt da näher, als die Autorin selbst darum zu bitten. Erst einmal höflich, dann mit etwas mehr Druck...

Alina Bronsky trifft in "Und du kommst auch drin vor" mit ihrer ungezwungenen frischen Darstellung gut den Ton, wenn sie ihre Protagonistin Kim aus ihrer Sicht erzählen lässt. Die Fünfzehnjährige erscheint zwar auf den ersten Blick nicht unbedingt sympathisch, um sie gleich ins Herz zu schließen. Auch wird schnell klar, dass sie nicht nur mitten in der Pubertät steckt, sondern zudem recht selbstbezogen und oberflächlich, ist, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie nimmt andere Menschen kaum zur Kenntnis, es zählen vor allem ihre Sorgen und Nöte. Wobei trotzdem eine gewisse Unsicherheit spürbar wird, weswegen die Freundschaft zu Petrowna von großer Wichtigkeit ist. Jedoch schafft es Kim im Verlauf der Handlung, nicht mehr der typische, ein wenig schlichte Teenager zu sein. Sie öffnet und entwickelt sich und gewinnt an Format und lernt auf bemerkenswerte Weise, dass sie das Leben erst verändert, wenn sie sich selbst ändert.

In ihrer Geschichte thematisiert Alina Bronsky neben Freundschaft, Familie, Trennung, Engstirnigkeit und Eigensucht das Erkennen von Weitsicht, Hingabe und Begeisterungsfähigkeit. Sie schreibt mit einem Augenzwinkern und stellt das Geschehen und die Figuren überspitzt dar. Dabei lässt sie nicht nur ihre jugendliche Protagonistin in einen Spiegel schauen. Vielmehr zeigt sie mit einem Schmunzeln, dass auch die Erwachsenen menschlich und fehlerhaft sind. Und dass eine Autorin wie Leah Erikson nicht immer nur Charme versprüht, sondern mit den Unzulänglichkeiten des Alltags zu kämpfen hat. Deren Weigerung, den eigenen Roman zu korrigieren und deren Anmerkung, Kim würde nur rumsitzen und alle anklagen, ohne auch nur einen Finger zu rühren, statt eine eigene Handlung zu erfinden, treiben Kim an und lassen sie aktiver werden, ja letztlich das Ganze mit anderen Augen sehen.

Das Leben bekommt nicht nur für Kim eine neue Bedeutung. Denn ihre Freundin Petrowna, die ihre Intelligenz unter einen rauen Schale versteckt und einerseits zu unterscheiden vermag, was die wichtigen Dinge ausmacht, sich aber andererseits wünscht, jemand anders zu sein, nämlich lieber reich und langweilig, als arm und spannend, intensiviert ihre Talente.

Obwohl das Ende überraschend schnell und mit einer plötzlichen Wendung daherkommt, ist die Lektüre des Buches auch Interessierten fernab des anvisierten Lesealters zu empfehlen, weil sie einem mit einer ungewöhnlichen, gleichwohl unterhaltsamem Idee ein paar amüsante und außerdem nachdenkenswerte Momente beschert.

Veröffentlicht am 23.07.2017

Ein Wildblumenwiese mit Disteln

Wildblumensommer
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Schon einmal erhielt Zoe eine Nachricht, die ihr Leben veränderte. War es vor 14 Jahren der Tod ihres Bruders Chris, der sie aus der Bahn geworfen hat, ist es nun ein Aneurysma in ihrem Kopf.

Doch bevor ...

Schon einmal erhielt Zoe eine Nachricht, die ihr Leben veränderte. War es vor 14 Jahren der Tod ihres Bruders Chris, der sie aus der Bahn geworfen hat, ist es nun ein Aneurysma in ihrem Kopf.

Doch bevor sie die Entscheidung trifft, ob sie sich operieren lässt, reist sie zurück nach Penderak in Cornwall, jenem Ort, mit dem sie neben Unglück zugleich die große Liebe verbindet. Jack. Hier will sie dem Tod ihres Bruders auf dem Grund gehen und endlich herausfinden, warum dieser gestorben ist.

So nimmt sie Kontakt zu Rose auf, nicht nur Jacks Schwester, sondern einst auch ihre beste Freundin. Als dreifache alleinerziehende Mutter stemmt Rose einiges, und da sich die Gelegenheit bietet, während Zoe in Roses Haus wohnt, fährt diese nach London für eine Zeit ohne Kinder und die alltäglichen Sorgen.

Was Zoe bei ihrer Rückkehr nicht bedacht hat, ist, dass Jack wieder in Penderak lebt. Nach Jahren in Kanada baut er sich hier eine neue Existenz für sich und seinen Sohn William auf.

Das Wiedersehen ist nicht euphorisch. Zu tief sitzen die Gefühle, die nicht frei von Enttäuschung, Wut und sogar Hass sind. Aber ist auch die Liebe auf immer verloren?

Indes lernt Rose in London Simon kennen, einen smarten, erfolgreichen und ledigen Anwalt. Was zunächst wie ein Flirt beginnt, entwickelt sich mit der Zeit zu mehr. Es gibt nur ein Problem: Rose hat Simon nicht offenbart, dass sie drei Kinder hat...


Kathryn Taylor erzählt in „Wildblumensommer“ eine Geschichte, die auf den ersten Blick leicht daherkommt, jedoch durchaus über tiefer gehende Probleme und Momente verfügt, ohne schwer zu wirken. Der Leser findet schnell ins Geschehen, denn die Autorin hat einen gefälligen Schreibstil, der sich angenehm liest, allerdings manchmal etwas bedächtig ist. Sie bindet die bezaubernde Landschaft Cornwall ein, stellt diese aber nicht in den Vordergrund. Ihr gelingt es einfühlsam, die Dimension der Ereignisse und die unterschiedlichen Empfindungen ihrer Protagonisten darzustellen. Besonders die zwiespältigen Gefühle von Zoe und Jack können erlebbar nachvollzogen werden.

Dabei ist offensichtlich, dass die Tragik des Todes von Chris, den nach wie vor ein Geheimnis umgibt, nicht nur das bisherige Leben von Zoe und ihrer Familie veränderte, sondern auch das von Jack.

Während Zoe es in der Vergangenheit unterdrückt hat, sich mit den damaligen Begebenheiten auseinanderzusetzen und dem Verlust zu stellen, ja die Erinnerungen weggeschoben hat, so dass in den letzten Jahren das Verdrängen zu einer Normalität geworden ist, hat Jack in Kanada - betroffen von der scheinbaren Ablehnung durch Zoe - versucht, diese seinerseits zu vergessen, seine Verbitterung überwunden und recht schnell eine Familie gegründet. Ihr Wiedersehen öffnet alte Wunden...

Dadurch, dass neben den Erlebnissen von Zoe außerdem die von Rose geschildert werden, nimmt die Autorin etwas Last von Zoes Schultern und setzt ein Gegenstück zu ihr in den Mittelpunkt des Geschehens. Und Rose punktet von Anfang an durch ihr bodenständiges, einfühlsames Wesen und ihre herzliche und natürliche Art und Weise, sich um andere zu kümmern, ein Gespür für Menschen zu haben, mit Sympathie. Daneben macht Simon bereits zu Beginn den Eindruck, keinesfalls oberflächlich und vielmehr ehrlich an Rose interessiert zu sein. Ihre Beziehung erscheint harmonisch und selbstverständlich und steht gleichwohl auf dem Prüfstand, weil Rose ein bzw. drei entscheidende Argumente verheimlicht…

"Wildblumensommer" hat den Charme eine blühenden Wiese, in der auch Disteln verborgen sind. Er zeigt, dass das Schicksal immer seinen eigenen Weg zum Glück geht.

  • Einzelne Kategorien
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  • Gefühl
  • Handlung
Veröffentlicht am 19.04.2017

Guides - Die erste Stunde

Guides - Die erste Stunde
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Wollt ihr mal was Abgefahrenes hören?

„96 Prozent von dem ganzen Zeug im Universum ist dunkles, unerklärliches Irgendwas.“

Ist euch egal? Aber was sagt ihr, wenn von diesem dunklen, unerklärlichen Irgendwas ...

Wollt ihr mal was Abgefahrenes hören?

„96 Prozent von dem ganzen Zeug im Universum ist dunkles, unerklärliches Irgendwas.“

Ist euch egal? Aber was sagt ihr, wenn von diesem dunklen, unerklärlichen Irgendwas irgendwas in einem gigantischen, zylindrischen Raumschiff kurz in Iowa aufsetzt, dann zweihundertfünfzig Meilen nördlich von Minnesota entlangschlittert und nebenbei 18.000 Menschen tötet?

Nicht sagt ihr da. Doch das ist noch nicht alles...

Hi, ich bin übrigens Alice Goodwin, 17 Jahre alt und zur Hälfte eine Navajo. Von meiner Mum habe ich die dunkle Hautfarbe und das schwarze Haar geerbt. Leider ist sie gestorben, als ich acht war. Es ist traurig, aber wahr: Hätte sie weniger geraucht, wäre sie bestimmt noch am Leben. So habe ich nur noch meinen Dad, der bei der NASA arbeitet. Sein Job ist der eingentliche Grund, warum ich hier in Minnesota gelandet bin. Genauso wie dieses Raumschiff mit Aliens. Denn mein Vater soll das Schiff untersuchen, und deshalb musste ich das sonnige und vor allem warme Florida gegen Wind und Kälte im mittleren Westen eintauschen.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sich meine Begeisterung in Grenzen hält. Auch wenn ich meinen Vater liebe, finde ich es ätzend, dass er mich ins Internat dieser – zugegeben exklusiven, wenn auch sehr „weißen“ – Minnetonka-Schule für Begabte und Talentierte steckt, weil er vierzwanzig Stunden am Tag arbeiten wird. Dabei wäre ich gut allein klargekommen, mit Bluebell, meinem BMW 550i Gran Turismo, meiner Kreditkarte und einem Lieferservive mit chinesischem Essen irgendwo in Minnesota.

Ehrlich, ganz so schlimm ist es hier nicht. Rachel und Brynne, meine Mitbewohnerinnen sind nicht nur sehr nett, sondern außerdem sehr begabt und sehr talentiert, die eine in Mathematik, die andere in Naturwissenschaften. Und gibt es da noch Kurt, was so deutsch klingt wie mein Bluebell. Tatsächlich ist er ein in Amerika aufgewachsener Inder und legt ziemlich viel Wert auf Respekt, Anstand und Würde, wenn man schon das Glück hat, reich zu sein. Ungewöhnlich, aber irgendwie amüsant.

Zurück zu den Aliens: Ihr könnt euch sicher denken, was hier nach der Landung los ist. Auch wegen der getöteten Menschen. Und dann erst seitdem sich das Schiff geöffnet und einen Blick auf die Aliens freigegeben hat, die erstaunlicherweise wie wir Menschen aussehen, nur mit sehr, sehr blasser Haut und einer Sprache, die wir nur mit Hilfe von Übersetzungscomputern verstehen. Sie nennen sich Guides und sagen, dass sie in Frieden und als Lehrer kommen. Ob wir ihnen glauben können?

Und noch ein weiterer aufregender Fakt: Zwei von ihnen sind jetzt bei uns in der Schule untergerbacht - Suski und Coya, Bruder und Schwester, und wenn man es so sehen will, sind sie so etwas wie die königliche Familie der Aliens.

Ich will nicht vergessen zu erwähnen, dass meine Freunde und ich das Raumschiff auf Wunsch meines Vaters betreten haben. Die Erinnerung daran ist verstörend. Weil irgendwas nicht stimmt. Plötzlich sind weitere Raumschiffe da, und sie schießen und jagen unsere neuen Freunde und damit uns. Wir müssen fliehen, nichts ist mehr einfach, nichts ist mehr dasselbe, und nirgends sind wir sicher. Unser Abenteuer beginnt...

******

Robison Wells erzählt eine Geschichte, die nicht nur aktionsgeladen, mythisch und rätselhaft daherkommt, manchmal erschreckend und trotzdem mit einer beschwingten Note ausgestattet ist, sondern vor allem mit dem erfrischend modernen Witz seiner Erzählerin Alice Goodwin punktet.

Alice ist eine auffallende Persönlichkeit und erscheint auf den ersten Blick sehr von sich überzeugt, weil sie viel Wert auf Statussymbole wie ihren BMW legt. Zudem ist sie darauf bedacht, was andere von ihr halten. Sie verfügt allerdings über einen Sarkasmus, der ungewöhnlich für eine 17-Jährige ist. Gerade diese ironischen Anmerkungen sorgen bei den jungen Guides Suski und Coya für Unverständnis und damit für einige komische Momente.

Der Autor gönnt seiner Heldin außerdem eine kleine Romanze, die wohltuend dezent und sanft in den Ablauf eingebettet wird und dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Insgesamt muss die Darstellung der jugendlichen Protagonisten als gelungen angesehen werden. Darüber hinaus geht es nicht nur um die Frage „Was wollen die Aliens?“, sondern die Außerirdischen erhalten einen Hintergrund und eine Geschichte. Mit Suski und Coya bekommen die Aliens sogar Gesichter und Stimmen und eröffnen dem Leser hiermit Verständnis für die Guides. Lediglich bei der Zeichnung der wirklichen Gegenseite greift der Autor auf Steriotypen zurück.

Als ein weiteres (kleines) Manko des Romans stellt sich das Ende dar. Während Robison Wells die Handlung langsam aufbaut und mit geschickten Zwischenspielen den Leser bei der Stange hält, nimmt das Geschehen ordentlich Fahrt auf und steuert rasant auf den Höhepunkt zu. Auf diese Weise wirkt es allerdings sehr gehetzt. Ein paar Seiten mehr zum wichtigen Aspekt der Mythologie der Anasazi bzw. ancestral puebloans und damit der Kultur der First Nation hätten zu einem befriedigenderen Leseerlebnis beigetragen.

So bleibt es bei einem gut konstuierten Science-Fiction-Abenteuer, in der jugendliche Helden mit Charakter agieren und sich Aktion, witzige und nachdenkenswerte Dialoge sowie ein Hauch von Romatik die Waage halten. Eine Empfehlung auch für Leser, die sonst keine Fans von Science Fiction sind.

Veröffentlicht am 10.03.2017

Die Tochter des Fechtmeisters

Die Tochter des Fechtmeisters
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Als einzige Tochter des Rostocker Fechtmeisters Fritjoff Nykrantz führt Clarissa 1608 ein behütetes Leben, das ihr aber auch Vorteile gewährt. Sie darf fechten und an der Seite ihres Vaters auf die Reise ...

Als einzige Tochter des Rostocker Fechtmeisters Fritjoff Nykrantz führt Clarissa 1608 ein behütetes Leben, das ihr aber auch Vorteile gewährt. Sie darf fechten und an der Seite ihres Vaters auf die Reise ins ferne Frankfurt gehen, wo die Meisterschaft der Fechtbrüder stattfinden. Auf dieser Reise lernt Clarissa nicht nur neue Menschen und ihren Vater kennen, sondern erlebt Abenteuer, von denen sie im beschaulichen Rostock keine Ahnung hatte.

Sabine Weiß hat ein Händchen für historische Romane, wie sie mit "Die Tochter des Fechtmeisters" erneut beweist. Durch umfangreiche Recherche des historischen Hintergrundes gelingt der Autorin eine intensive Verknüpfung der fiktiven Geschichte und Figuren mit einst real existierenden Gegebenheiten und Personen. Hier werden einerseits die Streitigkeiten im Dunstkreis des Kaisers und andererseits die religiösen Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern des katholischen und protestantischen Glaubens, die zehn Jahre später im Dreißigjährigen Krieg münden werden, dargelegt. Zudem führt Sabine Weiß den Leser in die Welt der Fechtkunst. Dabei ist fachliche Anteil des Fechtens im Roman hoch. Ein legitimer Aspekt, sichert diese Ausführlichkeit doch der Geschichte ihre Lebhaftigkeit und versieht sie mit einem gewissen Reiz.

Die Autorin thematisiert neben dem Recht der Menschen auf freien Glauben auch Werte wie Freundschaft, Liebe, Kameradschaft, menschliches und ehrenvolles Verhalten. Denn "Ehre ist nicht nur eine Frage des Standes. Ehre ist eine Sache des Herzens.“ (Seite 368)

In dem zeitlich und örtlich versetzten Geschehen sind außerordentlich viele Personen eingebunden, die sich mittels Register im Blick halten lassen. Sie alle werden unterschiedlich präsentiert und erfahren differenzierte Darstellungen, die teilweise eine Zuordnung in "gut" und "böse" möglich machen, im Verlauf der Handlung überraschen, enttäuschen oder Zweifel verursachen. Durch die zahlreichen Figuren wirkt die Schilderung allerdings manchmal etwas überfrachtet und unruhig.

Die titelgebende Protagonistin Clarissa ist schön, lebhaft, stark, jedoch auch mit einem gewissen Eigensinn und einer rührenden Naivität und Arglosigkeit versehen, die sie möglicherweise heil durchs Leben bringt. Sie teilt die Begeisterung ihres Vaters für das Fechten, und im Haus ihrer Eltern hat sie die Möglichkeit, Teil dieser Welt des Vaters zu sein. Sie sieht das Fechten als eine Ertüchtigung, die den Körper stärkt und den Geist zur Ruhe bringt. Aber töten will sie niemanden. An sich ist Clarissa harmoniebedürftig und möchte mit jedermann gut Freund sein möchte.

Auf der anderen Seite steht Leander. Sein Dasein als Vagant ist ein freies und vielleicht auch von einer gewissen Romantik geprägt, gleichzeitig bedeutet es doch ebenso Rechtlosigkeit, Hunger, keine Bleibe, Unrast und Unruhe und mit dem Alter auch Schwierigkeiten, das Leben auf der Straße zu meistern. Trotz aller Kümmernisse, die sein Vater verursacht, hält Leander zu ihm, versucht, ihm beizustehen, ihn auf den richtigen Weg zu bringen. Erst als erkennen muss, dass scheitern wird, entscheidet er sich, seinen eigenen Weg zu gehen und sein Leben so zu leben, wie er es für richtig hält...

Sabine Weiß hat eine abenteuerliche und emotionale Geschichte geschrieben, die einem nicht nur eine Zeit des Umbruchs näher bringt, sondern daneben an der Begeisterung fürs Fechten teilhaben lässt.

4,5 Sterne

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