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Veröffentlicht am 31.03.2024

Familienkonstellationen

Die Dämmerung (Art Mayer-Serie 2)
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Der unorthodox arbeitende Art Mayer und seine schwangere Kollegin Nele Tschaikowski müssen den bizarren Mord an einer prominenten Wohltäterin aufklären. Schnell richtet sich der Verdacht auf die unberechenbare ...

Der unorthodox arbeitende Art Mayer und seine schwangere Kollegin Nele Tschaikowski müssen den bizarren Mord an einer prominenten Wohltäterin aufklären. Schnell richtet sich der Verdacht auf die unberechenbare Tochter des Opfers, doch Art hat seine Zweifel.

Wie beim ersten Band 'Der Morgen' um das sympathische Ermittlerduo fällt auch hier das Cover mit der grellen Farbgebung, dem abgebildeten Motiv und dem schwarzen Schnitt auf, es passt sehr gut zur Serie und auch zum Inhalt. Auf der privaten Ebene wird die Geschichte um Art und um Nele weiter erzählt, der neue Krimifall gibt Rätsel auf. Nele hadert mit ihrer Schwangerschaft und weiß nicht, wie sie in Zukunft Kind und Karriere vereinbaren soll. Ihre kriminalistischen Fähigkeiten leiden etwas unter diesen Zweifeln, ich bin gespannt, wie der Autor es für Nele im nächsten Band beruflich weitergehen lässt. Art muss Rücksicht auf seinen Diabetes nehmen und findet fast jeden Tag das Nachbarkind Milla in seiner Wohnung vor, dessen verschwundene Mutter er finden will. Dass die Alltagsprobleme der Protagonisten erzählt werden, macht die vielschichtigen Charaktere realistisch und noch glaubwürdiger. Die Dialoge zwischen Art und Milla sorgen für humorvolle Momente.

Auch in dieser Geschichte gibt es eine zweite Zeitebene, die ebenso wie Perspektivwechsel zur Spannung beiträgt. Die glaubhaft geschilderte Ermittlungsarbeit wird erschwert durch Social Media-Kommentare, Fake News und parteipolitische Intrigen. Mordmotiv und Täter bleiben lange unklar, wodurch die Spannung durchgehend erhalten bleibt. Die Handlung ist geschickt konzipiert und gesellschaftspolitisch aktuelle Themen wie Klimaaktivisten oder knappe Ressourcen auch bei der Polizei werden gekonnt eingebunden.

Marc Raabe schreibt lebendig, bildhaft und packend. Dieser düstere Thriller hat mir wieder sehr gut gefallen. Viel zu schnell war das Buch zu Ende und ich freue mich schon auf den nächsten Band.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.11.2023

Wenn Verzweiflung zum Handeln zwingt

Stunde um Stunde
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Ein verzweifeltes Elternpaar, dessen 5jährige Tochter Tilly vor zwei Jahren spurlos verschwunden ist, dringt in ein forensisches Labor der Strafverfolgungsbehörden ein, nimmt Geiseln und droht mit der ...

Ein verzweifeltes Elternpaar, dessen 5jährige Tochter Tilly vor zwei Jahren spurlos verschwunden ist, dringt in ein forensisches Labor der Strafverfolgungsbehörden ein, nimmt Geiseln und droht mit der stündlichen Vernichtung von DNA-Beweismaterial, falls der Fall um ihre Tochter nicht wieder aufgenommen wird.

Das Buch beginnt 'vier Tage vorher', als der aufgeflogene Undercover-Ermittler Charlie Hoskins schwer verletzt aus dem Meer gezogen wird. 'Zwei Tage vorher' verliert die junge Lynette Lamb noch vor ihrem ersten Einsatz ihren Job bei der Polizei von Los Angeles.
Die beiden Ermittler tun sich zusammen, um herauszufinden, was mit Tilly passiert ist. Lamb will unbedingt Polizistin sein und Hoskins muss seine in den letzten fünf Jahren gesammelten Beweise vor der Vernichtung im Labor retten, wenn seine Arbeit nicht umsonst gewesen sein soll.

Der spannende Thriller hat drei Erzählperspektiven, die sich meist nach einem Cliffhanger abwechseln und sich perfekt ergänzen. Hoskins und Lamb ermitteln, wobei die junge Lynette ihr Talent im Laufe der Geschichte unter Beweis stellt, Chief Saskia Ferboden vom LAPD, die zwischen allen Stühlen sitzt, egal, welche Entscheidung sie für ihr Vorgehen gegenüber den Geiselnehmern trifft, und die Geisel Gary Bendigo, Leiter der Labore, der versucht, am Leben zu bleiben. Alle Charaktere überzeugen, sie sind glaubhaft und authentisch, auch der Zeitdruck und die bedrohliche Atmosphäre werden deutlich. Hierzu passt ebenfalls das düstere Cover mit der zerbrochenen Ampulle.

Candice Fox schreibt bildhaft und packend, es ist schwierig, eine Lesepause einzulegen. Die Dialoge zwischen Hoskins und Lamb sind teilweise humorvoll/ironisch und auch die telefonischen, lange vergeblichen Versuche, einander zu finden, die Hoskins und seine Lebensretterin unternehmen, empfand ich bei dem hohen Erzähltempo als willkommene Auflockerung.
Mich hat 'Stunde um Stunde' gut unterhalten und ich empfehle das Buch trotz einiger brutaler Szenen gern Lesern von Krimis und Thrillern weiter.

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Veröffentlicht am 14.10.2023

Zweifel und Geheimnisse

Frau Morgenstern und der Abgrund
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Violetta Morgenstern, pensionierte Lehrerin, und der Ex-Söldner Miguel Schlunegger leben immer noch im Untergrund, verstecken sich vor ihrem früheren Arbeitgeber, dem Tell-Ministerium, und verdienen ihren ...

Violetta Morgenstern, pensionierte Lehrerin, und der Ex-Söldner Miguel Schlunegger leben immer noch im Untergrund, verstecken sich vor ihrem früheren Arbeitgeber, dem Tell-Ministerium, und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Auftragsmorden.
Wobei Violetta diesmal im ersten Fall doch Zweifel kommen hinsichtlich einer Liquidation und auch gesundheitliche Zipperlein machen ihr zu schaffen. Sie hadert mit dem Altwerden. Ihrem Partner Miguel sagt sie aber nichts davon, der ihr seinerseits auch nicht erzählt, was ihm schlaflose Nächte verursacht.
Gemeinsam recherchieren die Beiden pro bono zu einem Mord, dessen Spuren zurück in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts führen. Hierbei glänzt die kreative Frau Morgenstern ausgesprochen bewundernswert wieder durch ihre genaue Beobachtungsgabe und grandiose Schlussfolgerungen, und die irre Geschichte entwickelt sich zum spannenden Krimi.

Wie auch in den Vorgängerbänden um Frau Morgenstern und Miguel Schlunegger ist die Figurenzeichnung bei aller Skurrilität glaubhaft, die Protagonisten sind ausgesprochen menschlich. Marcel Huwyler unterhält mit schwarzem Humor, absurden Einfällen und äußerst bildhaften witzigen Vergleichen und amüsanten, sprachgewandten Wortspielen und -Neuschöpfungen. Die oft spöttischen Sticheleien und schlagfertigen Dialoge zwischen Violetta und Miguel sind einfalls- und geistreich, lustig und machen das Lesen zum großen Vergnügen. Schweizerdeutsche Ausdrücke sorgen für Lokalkolorit und mir unbekannte Wörter verstehe ich in ihrem Zusammenhang.
Dieser fünfte Band ist unabhängig von den Vorgängern lesbar, trotzdem empfehle ich, auch andere Band der Reihe gelesen zu haben, um die Hintergründe und die Entwicklung der beiden sympathischen, doch eigenwilligen Protagonisten besser verstehen und nachvollziehen zu können, vom bisher entgangenen Lesespaß ganz zu schweigen.

Mir hat die Geschichte wieder sehr gut gefallen - bis auf das Ende, das mich mit vielen Fragen und großer Ungeduld auf den nächsten Band warten lässt.

Veröffentlicht am 07.10.2023

Eine berührende Geschichte vom Sterben und vom Leben

Die Löffelliste
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Die Pflegefachfrau Karin Kaufmann ist an einem Tiefpunkt angekommen und will ihrem Leben ein Ende setzen. Auf dem Dach des Krankenhauses trifft sie allerdings auf den todkranken Reto Rösti, der dort immer ...

Die Pflegefachfrau Karin Kaufmann ist an einem Tiefpunkt angekommen und will ihrem Leben ein Ende setzen. Auf dem Dach des Krankenhauses trifft sie allerdings auf den todkranken Reto Rösti, der dort immer noch regelmäßig raucht. Die Beiden kommen ins Gespräch und beschließen, sich gemeinsam davon zu machen, zuerst einmal nach Sankt Moritz. Dort erstellt Reto eine Liste mit Dingen, die er vom geliebten Ort aus noch unternehmen will, bevor er 'den Löffel abgibt'.

Erzählt wird aus Karins Ich-Perspektive, wodurch ich der Protagonistin sehr nah kommen und ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen konnte. Blanca Imboden zeichnet die Protagonisten glaubwürdig und authentisch und vermittelt nicht nur beim Abarbeiten der Löffelliste auch viel Wissenswertes und Überraschendes über St. Moritz, so dass ich der Geschichte ganz gebannt gefolgt bin. Die Autorin hat einen Monat als Writer in Residence in Sankt Moritz verbracht und u.a. der reale Gemeindepräsident Christian Jott Jenny spielt im Roman eine Rolle, was ich ungewöhnlich finde. Der Schreibstil ist eingängig, sehr angenehm zu lesen, die Erzählung um die allmähliche Genesung von Karins Seele einerseits und Retos nahenden Tod andererseits ist mit scheinbarer Leichtigkeit gleichzeitig ernst, humorvoll und berührend. Die bildhaften Beschreibungen Graubündens und des Engadins machen Lust auf eine Reise nach St. Moritz.
Es werden auch gesellschaftliche Themen angesprochen wie der Pflegenotstand oder die schwierige Lage von Einheimischen in einem teuren und beliebten Nobel-Urlaubsort.

'Die Löffelliste' zeigt, wie wichtig Freunde sind, trifft auch an traurigen Stellen immer den richtigen Ton, spendet Trost und macht Mut. Sehr gut passt auch das freundliche gelbe Cover zur Geschichte. Raffaels Putten machen neugierig auf den Zusammenhang mit St. Moritz und der „erledigt“-Haken statt eines i-Punkts beim Titel ist ein schöner, augenzwinkernder Einfall.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen und vergebe 4,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 25.09.2023

Wolf Haas ganz persönlich

Eigentum
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Wolf Haas schreibt über seine Mutter, eine Frau, die sich selbst als ewiges Opfer sah, wenn sie erzählte. Sie wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, sie starb mit fast 95 und Haas schildert ihr Leben. ...

Wolf Haas schreibt über seine Mutter, eine Frau, die sich selbst als ewiges Opfer sah, wenn sie erzählte. Sie wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, sie starb mit fast 95 und Haas schildert ihr Leben. Erzählungen aus ihrer Perspektive, authentisch und im ihr eigenen Sprachstil wiedergegeben, die er abwechselnd mit seinen eigenen, oft assoziativen Überlegungen und Kommentaren niederschreibt, auch mit der Angst im Hinterkopf, die Erinnerungen der Mutter nie mehr loswerden zu können. Zu oft hat sich ihm die rhetorische Trias eingeprägt, die die Mutter meisterlich beherrschte. Trotz Arbeit, Arbeit, Arbeit und sparen, sparen, sparen blieb ihr der Erwerb von Eigentum verwehrt, ihr lebenslanger großer Kummer.
Haas verbringt während der letzten drei Tage seiner Mutter viel Zeit bei ihr im Pflegeheim und trotz ihrer Demenz gelingt es ihm immer wieder, zu ihr durchzudringen. Seine Erzählung zeugt von Respekt und Liebe, ist aber auch eine Auseinandersetzung mit der Kindheit als Sohn dieser Mutter. Haas reflektiert seine Prägung, sein Tun, sein Leben, arbeitet sich an der Mutter ab, erzählt auch von seinen eigenen Erinnerungen. Dabei schreibt er feinsinnig humorvoll, bewegend, mit scheinbarer Leichtigkeit, pointiert und lässt teilhaben am Leben der Marianne Haas, das sicherlich dem Leben vieler Menschen ihrer Generation ähnelt, wie Geschichten aus meiner eigenen Familie vermuten lassen.

Das Cover ist außergewöhnlich, es sieht aus wie gebrauchtes Packpapier mit einem auffälligen Stempel und passt perfekt zum Buch. Unter dem Schutzumschlag kommt überraschend die Zeichnung eines alten Handys zum Vorschein, dessen Bedeutung für den Autor am Ende des Romans klar wird und mich abschließend berührt. 'Eigentum' zeigt eine sehr persönliche Seite des Autors, die ich gern kennengelernt habe.