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Veröffentlicht am 03.12.2023

Leichte Krimiunterhaltung für Zwischendurch

Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung
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MEINE MEINUNG
Bei dem kurzweiligen Krimi „Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung“ von Pierre Martin, einem deutschen unter Pseudonym schreibenden Bestseller-Autor, der vor allem durch seine Provence-Krimi-Reihe ...

MEINE MEINUNG
Bei dem kurzweiligen Krimi „Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung“ von Pierre Martin, einem deutschen unter Pseudonym schreibenden Bestseller-Autor, der vor allem durch seine Provence-Krimi-Reihe um »Madame le Commissaire« bekannt ist, handelt es sich bereits um den zweiten Band seiner humorvollen Wohlfühlkrimi-Reihe. Angesiedelt ist diese in Südfrankreich mit den wundervollen Schauplätzen Villefranche-sur-Mer und Cap-Ferrat.
Im Mittelpunkt der unterhaltsamen Krimi-Reihe steht der charmante Bonvivant Lucien Comte de Chacarasse, der ein Bistro im südfranzösischen Villefranche-sur-Mer leitet und ansonsten als sprichwörtlicher Lebemann die schönen Seiten des Lebens in vollen Zügen genießt. Allerdings ist er nach dem Tod seines Vaters gemäß seiner Familientradition verpflichtet in dessen Fußstapfen zu treten und entgegen seiner Überzeugung als Auftragsmörder zu arbeiten. Mit allerlei Tricks und cleveren Täuschungsmanövern versucht er seine Aufträge auch ohne zu morden auszuführen. Zum Glück kann Lucien er auf die tatkräftige Unterstützung von Francine, der attraktiven Sekretärin und Geliebten seines verstorbenen Vaters zählen…
Der Autor hat sich für seinen liebenswerten Protagonisten und Auftragskiller wider Willen erneut einen originellen und ziemlich verzwickten Auftrag einfallen lassen, den er geschickt und vor allem unblutig zu lösen versteht. Die abwechslungsreiche Handlung ist zwar nicht allzu realistisch und schreitet eher gemächlich voran, doch sorgen vor allem humorvolle und skurrile Episoden sowie der lockere Erzählstilstil für Abwechslung und gute Unterhaltung. Insgesamt hätte ich mir allerdings etwas mehr Spannung und einige unerwartete Wendungen gewünscht. Wie es für regionale Krimis typisch ist, spielen natürlich die kulinarischen Genüsse der provenzalischen Küche und das stimmungsvoll eingefangene südfranzösische Lokalkolorit mit dem französischen 'Savoir-vivre'. Die Schilderungen der Schauplätze und des wundervollen Settings an der französischen Riviera lassen zudem ein schönes Urlaubs-Feeling aufkommen. Auch das turbulente Privatleben des überaus gutherzigen Antihelden Lucien kommt zwischendrin nicht zu kurz.
Die verschiedenen Charaktere sind insgesamt interessant, aber etwas klischeehaft angelegt und hätten ruhig mehr Tiefgang vertragen können. Gelungen ist aber neben der sympathischen Hauptfigur Lucien vor allem die liebenswerte, schwerhörige Haushälterin Rosalie, die für einige nette Schmunzelmomente sorgt. Auch die clevere Francine ist wieder für einige Überraschungen gut und unterstützt Lucien bei seinen Aufträgen wo es nur geht. Ein kurzer Gastauftritt von Madame le Commissaire aus einer früheren Krimi-Reihe von Pierre Martin ist überdies als Running Gag eingebaut.
Man darf gespannt sein, wie es mit Lucien Comte de Chacarasse und der geheimnisvollen Francine in der Fortsetzung dieser charmanten Cosy-Crime-Reihe weitergehen wird.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch wird von Schauspieler Wolfram Koch erneut sehr überzeugend eingelesen. Mit seiner ruhigen, angenehmen Stimme und angemessenem Sprechtempo setzt er die Handlung abwechslungsreich und mitreißend um. Auch humorvolle Passagen gelingen ihm mit dem gewissen Augenzwinkern. Gekonnt schlüpft er in die Rolle des charmanten Lebemanns Lucien und lässt seinen eigenwilligen Charakter lebendig werden. Insgesamt ein nettes vergnügliches Hörerlebnis!
FAZIT
Ein unterhaltsamer Wohlfühlkrimi - mit viel Humor, einem liebenswertem, gutherzigen Auftragskiller und tollem südfranzösischen Lokalkolorit!

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Veröffentlicht am 17.11.2023

Spannender Nachkriegskrimi

Helle Tage, dunkle Schuld
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MEINE MEINUNG
Der fesselnde Kriminalroman „Helle Tage, dunkle Schuld“ von der deutschen Autorin Eva Völler ist der viel versprechende Auftakt einer neuen historischen Krimi-Reihe rund um den Kriminalbeamten ...

MEINE MEINUNG
Der fesselnde Kriminalroman „Helle Tage, dunkle Schuld“ von der deutschen Autorin Eva Völler ist der viel versprechende Auftakt einer neuen historischen Krimi-Reihe rund um den Kriminalbeamten Carl Bruns, der für die Abteilung Kapitalverbrechen im Essener Polizeipräsidium arbeitet. Angesiedelt ist die Handlung im Ruhrgebiet um 1948 erst wenige Jahre nach Kriegsende.
In ihrem Spannungsroman ist Eva Völler eine abwechslungsreiche und fesselnde Mischung aus interessanten Einblicken in die deutsche Zeitgeschichte, packender Krimihandlung und zarter Liebesgeschichte gelungen.
Als Aufhänger hat sich die Autorin eines realen Verbrechens angenommen, das in den letzten Märztagen des Jahres 1945 nur wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Essen verübt wurde. In einer Nacht und Nebelaktion wurden damals mindestens 35 osteuropäische Zwangsarbeiter von der Gestapo erschossen und in einem Massengrab verscharrt.
Der Autorin ist es hervorragend gelungen, viele historische Fakten und Hintergrundinformationen in die spannende Krimihandlung einzuflechten. Zugleich zeigt sie anschaulich die vielfältigen Verstrickungen der Polizei in die skrupellosen Machenschaften der Nazi-Schergen und die nur unzureichende Aufarbeitung der verübten Gräueltaten durch die Alliierten nach dem Krieg auf – insbesondere die laxe Handhabung der Entnazifizierung in Justiz und Polizei ist ein dunkles Kapitel der deutschen Zeitgeschichte.
Gekonnt nimmt uns die Autorin mit ins Ruhrgebiet der Nachkriegszeit und vermittelt ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zustände. Sehr facettenreich portraitiert die Autorin die ausgebombte Ruhrgebietsstadt Essen unter britischer Besatzung, in der Hunger, Armut, knapper Wohnraum und Kriminalität den Alltag bestimmen, der Schwarzmarkt bis zur Währungsreform floriert. Geschickt lässt Völler uns auch an der Stimmungslage der notleidenden Bevölkerung Menschen im besetzten Nachkriegsdeutschland teilhaben, die der Zukunft mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen und mit der Aufarbeitung der Vergangenheit noch längst nicht abgeschlossen haben.
Völler gelingt es hervorragend, das Lokalkolorit des Ruhrgebiets mit anschaulich geschilderten Schauplätzen einzufangen, und sorgt mit den geschickt eingestreuten Dialogen im Kohlenpottdialekt für ein authentisches Flair.
Dank des angenehmen und lebendigen Schreibstils wird man schnell in die fesselnde Krimihandlung hineingezogen, die ausgezeichnet in den historischen Kontext eingebettet ist.
Die Ermittlungen zum rätselhaften Tod der Mutter eines flüchtigen SS-Verbrechers, der zunächst ein ganz alltägliches Verbrechen vermuten lässt, führen Carl Bruns bald schon auf die Spur zu einem einige Jahre zurückliegenden grauenvollen Verbrechen. Schon bald überschlagen sich die Geschehnisse und bringen Carl bei seinen vielfältigen Nachforschungen nicht nur an seine persönlichen Grenzen, sondern lassen ihn auch an seinen Loyalitäten zu den Kollegen aus eigenen Reihen zweifeln und rücken ihn schließlich ins Fadenkreuz des Mörders. Die Autorin hält für uns einen komplexen Fall mit vielen Ansatzpunkten zum Miträtseln bereit, die allerdings im Mittelteil durch die im Vordergrund rückende Liebesgeschichte zwischen Carl und seiner alten Jugendliebe Anna leider deutlich an Schwung verliert. Nach einigen überraschenden Wendungen nimmt dann aber die Handlung enorm an Tempo und Spannung auf und gipfelt in einem sehr fesselnden Showdown. Die überraschende Auflösung des aufwühlenden Falls ist rundum stimmig und hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen.
Völler versteht es, ihre Figuren, vielschichtig und lebensnah zu zeichnen. Hervorragend hat mir die sympathische Hauptfigur Kriminalinspektor Carl Bruns gefallen, der wegen seiner jüdischen Wurzeln während der NS-Zeit nicht als Polizist arbeiten durfte und nun wieder mit seinen alten Kollegen im Dienst ist. Sehr glaubwürdig wird dargestellt wie durch den Fall sein ganzes Leben und seine moralischen Prinzipien völlig auf den Kopf gestellt werden. Ebenfalls der Charakter von Krankenschwester Anna mit ihrem dunklen Geheimnis ist sehr facettenreich und glaubwürdig gezeichnet, so dass ihre Handlungen für mich sehr nachvollziehbar waren.
Ich würde mich sehr freuen, wenn es bald eine Fortsetzung der viel versprechenden Krimireihe gibt und neuen Fall für Kriminalinspektor Carl Bruns.
FAZIT
Ein spannender historischer Kriminalroman im Nachkriegsdeutschland des Ruhrgebiets - mit einem sympathischen Ermittler, erschütterndem zeitgeschichtlichen Hintergrund und stimmig eingefangenem Zeitkolorit!

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Interessante Fortsetzung der historischen Eifel-Trilogie

Perlenbach
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MEINE MEINUNG
Nachdem die deutsche Autorin Anna-Maria Caspari mit dem gelungenen Auftakt ihrer historischen Eifeltrilogie „Ginsterhöhe“ dem Eifeldorf Wollseifen ein literarisches Denkmal gesetzt hat, liegt ...

MEINE MEINUNG
Nachdem die deutsche Autorin Anna-Maria Caspari mit dem gelungenen Auftakt ihrer historischen Eifeltrilogie „Ginsterhöhe“ dem Eifeldorf Wollseifen ein literarisches Denkmal gesetzt hat, liegt nun mit ihrem neuen Roman „Perlenbach“ der zweite Band vor, der diesmal im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt.
Dieser stellt somit nicht die direkte Fortsetzung des ersten Bands dar, sondern erzählt eine zeitlich vorgelagerte Vorgeschichte, die ebenfalls in dem Bauerndorf Wollseifen sowie in dem kleinen Tuchmacher-Städtchen Montjoie, dem heutigen Monschau, angesiedelt ist. Daher kann man die beiden Teile der Trilogie problemlos unabhängig voneinander lesen.
Der in drei Abschnitte unterteilte historische Roman spielt zwischen den Jahren 1865 bis 1905 und deckt eine Zeitspanne von 40 Jahren ab. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, sorgsam recherchierte historische Hintergrundinformationen mit ihrer fiktiven Handlung zu verweben und zeichnet ein stimmiges Bild des damaligen Lebensalltags und der gesellschaftlichen Zustände in jener Zeit der Widersprüche. Sehr anschaulich führt sie uns die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in der kargen, ländlich geprägten Eifel zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel ihrer Hauptfiguren und Familien vor Augen.
Mühelos tauchen wir in die aus abwechselnden Perspektiven geschilderten Geschehnisse der Vergangenheit ein. So lernen wir nicht nur den jungen Bauernsohn Wilhelm aus Wollseifen kennen, der Jacob - dem kränklichen Sohn des Tuchfabrikanten in Montjoie - im Winter Gesellschaft leisten darf, sondern auch die clevere und recht eigensinnige Arzt- und Nachbartochter Luise kennen und nehmen Anteil an der unbeschwerten engen freundschaftlichen Bindung zwischen den Kindern, deren sozialer Status kaum unterschiedlicher sein könnte.
In der abwechslungsreichen Handlung erzählt Caspari die bewegende Geschichte der drei Kindheitsfreunde, deren ungewöhnliche Freundschaft schließlich auf eine harte Probe gestellt wird. Zwischen den Kapiteln sind kurze in Kursivschrift verfasste, fragmentarische Tagebucheinträge von Luises Gouvernante Friederike eingefügt, die aus einer gewissen Distanz das Geschehen kommentieren. Zudem dokumentieren sie nebenbei das gesellschaftliche und politische Weltgeschehen in Kurzfassung und geben uns mit der genauen Datierung einen groben historischen Überblick.
Schrittweise folgen wir den ereignisreichen Lebensgeschichten von Wilhelm, Jacob und Luise im Wandel der Zeiten. Wir erfahren von ihren Träumen von einer besseren, selbst bestimmten Zukunft und ihrer Hoffnung den gesellschaftlichen Zwängen der damaligen Zeit und ihrem vorbestimmten Lebensweg entrinnen zu können. Eindrücklich zeigt die Autorin jedoch auch auf, wie sehr ein jeder von ihnen gefangen ist in den rigiden Standeshierarchien, überkommene Konventionen und tradierten Rollenbildern und für sein Glück gegen vielfältige Widerstände ankämpfen muss.
Geschickt hat die Autorin auch viele geschichtlich interessante Informationen zu zur Arbeit im Bleibergwerk, dem Bau der Erfttalsperre oder dem Niedergang der Tuchherstellung in ihre Handlung eingewoben. Ausführlich geht sie auch auf die Rolle der Frau in jener Zeit ein und thematisiert die den beginnenden Kampf der Frauen um Gleichberechtigung und Frauenrechte.
Die einfühlsame, vielschichtige Zeichnung der verschiedenen Charaktere bis hin zu den verschiedenen Nebenfiguren ist der Autorin gut gelungen. Sie werden recht lebensecht mit all ihren Charaktereigenschaften beschrieben und auch ihre Entwicklung wirkt weitgehend glaubhaft und wirklichkeitsnah, so dass man sich gut in ihre Lage und Gefühlsleben hineinversetzen kann. Ab einem Punkt konnte ich allerdings Wilhelms unbesonnenes Verhalten wenig nachvollziehen, was ihn mir im weiteren Verlauf leider wenig sympathisch machte.
Schade auch, dass die wir die bewegenden Schicksale der Hauptfiguren im Ausklang nur noch in einer Art Kurzabriss erleben und viele interessante Aspekte weitgehend ausgeblendet bleiben, gerne hätte ich vor allem Luise noch weiter begleitet. Ich bin sehr gespannt, zu welcher Zeit der Abschlussband der Eifeltrilogie angesiedelt ist und welchen Nachkommen bekannter Figuren wir dort begegnen werden.
In ihrem Nachwort „Die gute alte Zeit …“ erläutert die Autorin schließlich noch eingehender die historischen Hintergründe ihres Romans. In ihrer Danksagung fasst sie zudem ihr Quellenmaterial zusammen und gibt einen kurzen Einblick in ihre Recherchen.
FAZIT
Ein abwechslungsreich und einfühlsam erzählter historischer Roman über das Leben im ausgehenden 19. Jahrhundert und die bewegende Geschichte dreier Kindheitsfreunde auf der Suche nach ihrem Lebensglück.
Ein interessantes, gut recherchiertes Zeitdokument über das Armenhaus Eifel!

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Ungewöhnlicher Roman

Die Lügnerin
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MEINE MEINUNG

In seinem neuen Roman „Die Lügnerin" erzählt der deutsche Bestseller-Autor Friedemann Karig eine ungewöhnliche und höchst mysteriöse Geschichte über eine pathologische Lügenerzählerin, die ...

MEINE MEINUNG

In seinem neuen Roman „Die Lügnerin" erzählt der deutsche Bestseller-Autor Friedemann Karig eine ungewöhnliche und höchst mysteriöse Geschichte über eine pathologische Lügenerzählerin, die sich mit Wahrsagerei, Betrügereien, Schwindeleien und Täuschungen durchs Leben bringt und behauptet, dass sich ihre Geschichten stets irgendwann bewahrheiten. Ein wahrhaft fesselndes, aber auch anstrengendes Verwirr- und Gedankenspiel rund um Scharlatanerie, glückliche Fügungen und verhängnisvolle Prophezeiungen entfaltet sich, das uns mit reichlich Stoff zum Nachdenken zurücklässt!

Im Mittelpunkt des Romans steht die charismatische Ich-Erzählerin und Protagonistin mit ihrem Alisa-Namen Clara Konrad, die uns in immer neuen Ansätzen und mit nebulösen Andeutungen ihre Biografie und Lebensbeichte nahebringt und doch mit ihrer wahren Identität stets vage und rätselhaft bleibt. Da wir über sie keine zusätzlichen Informationen zu ihrem Innenleben, ihren Gedanken oder Emotionen erfahren, müssen wir uns mit dem zufrieden geben, was sie über sich preisgeben möchte. Geschickt spielt der Autor mit uns, denn schon bald kommen Zweifel an ihren Geschichten auf und hält ein ums andere Mal erstaunt inne, um zu ergründen was hinter ihrem eigenartigen Spiel stecken mag. Je mehr man den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen hinterfragt, desto unberechenbarer und bizarrer erscheint die Protagonistin.
Angelegt ist der Roman in unchronologisch erzählten, miteinander verwobenen Handlungssträngen, die mich mit ihrem eigentümlichen Schreibstil auf Anhieb fesseln konnten. In einem Haupthandlungsstrang, der ausschließlich aus kursiv geschriebenen Dialogen in prägnanter, nüchterner Sprache besteht, erzählt die Protagonistin, die mit ihrer multiplen Persönlichkeit einen psychisch labilen Eindruck hinterlässt, ihrer Therapeutin in unterschiedlichen Sitzungen ihre Geschichten und Episoden aus ihrem Leben. Äußerst spannend ist es, die Interaktion zwischen den beiden mitzuerleben und ihre allmähliche Annäherung zu verfolgen. Am Beispiel der Therapeutin erlebt man hautnah mit, wie leicht man sich als Zuhörende einfangen lässt und einer halbwegs plausiblen Erzählung Glauben schenkt. Dank ihrer manipulativen Suggestionskraft gelingt es der faszinierenden Protagonistin, letztlich jeden für sich einzunehmen und Vertrauen aufzubauen, so dass schließlich auch erfundene Geschehnisse als Wahrheiten durchgehen. Sie versteht es mit ihrer großen Empathie hervorragend, Ängste, heimliche Wünsche und Hoffnungen der Menschen aufzugreifen und ihr Gegenüber geschickt zu lenken. Nach und nach fließen Fakt und Fiktion, Wahrheiten, Lügen und sich selbsterfüllende Prophezeiungen ineinander. Irgendwann ist nicht nur die Therapeutin in einem schillernden Lügengebäude gefangen und dem Sog der alternativen Realitäten erlegen. Doch auch ihr dämmert es allmählich, dass es wichtig ist, die Hintergründe der Manipulationen zu ergründen und sich als Teil einer größeren Inszenierung zu begreifen.

Am Ende des Romans sieht man sich etwas ratlos dem gesamten Handlungsverlauf gegenüber und hinterfragt so manche mutmaßliche Gewissheiten, zu denen man gelangt ist. Vieles bleibt wenig greifbar bei dem gewählten recht offenen Ausklang und lässt mich doch sehr verwirrt und nachdenklich in Bezug auf die Intentionen des Autors zurück.

FAZIT

Ein ungewöhnlicher und höchst mysteriöser Roman über eine pathologische Lügenerzählerin und die Macht von Lüge, Täuschung und alternativen Realitäten!

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Bewegende Frauenschicksale

Marschlande
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MEINE MEINUNG
In ihrem neuen bewegenden Roman „Marschlande“ widmet sich die in Deutschland lebende Bestseller-Autorin Karla Kubsova zweier interessanter Frauenschicksale, die trotz der vielen dazwischenliegenden ...

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen bewegenden Roman „Marschlande“ widmet sich die in Deutschland lebende Bestseller-Autorin Karla Kubsova zweier interessanter Frauenschicksale, die trotz der vielen dazwischenliegenden Jahrhunderte erstaunlich viele Parallelen aufweisen und von Ungerechtigkeit und Ungleichheit geprägt sind. In ihrem Roman erzählt die Autorin über zwei Frauen, die in den Fallstricken ihrer Zeit gefangen sind und jede auf ihre Art versucht sich von diesen zu befreien.
Heute wie damals, so führt uns die Autorin anschaulich und ernüchternd vor Augen, erfahren Frauen alltäglich Ausgrenzung, Unterdrückung, Willkür und Ungerechtigkeiten, die nachhaltige Auswirkungen auf ihre Lebensgeschichten und ein selbstbestimmtes Leben haben.
Der lebendige, eindringliche Schreibstil der Autorin ist sehr ansprechend und lässt sich angenehm lesen. Die Verwendung des Marschländer Platts in vielen Dialogen vermittelt zudem ein tolles authentisches Flair
Angesiedelt ist der Roman in den titelgebenden Marschlande, einer im Südosten Hamburgs gelegenen, überaus fruchtbaren Landschaft, die zusammen mit den benachbarten Vierlanden zum Urstromtal der Elbe gehörte und heute der „Gemüsegarten Hamburgs“ genannt wird. Hervorragend haben mir insbesondere die eindrucksvollen, atmosphärisch dichten Natur- und Landschaftsbeschreibungen der einzigartigen Marschlande und der unterschiedlichen Handlungsorte gefallen, die mich hautnah den Zauber und die Unerbittlichkeit der Natur haben spüren lassen
Der Roman ist auf zwei unterschiedlichen, einander abwechselnden Zeitebenen angelegt, die fast 500 Jahre Abstand zueinander haben. Gekonnt verwebt die Autorin die im Mittelalter angesiedelte Handlung rund um die beklemmende Lebensgeschichte der historisch verbürgten Persönlichkeit Abelke Bleken mit den fiktiven Geschehnissen rund um die Protagonistin Dr. Britta Stoever in der Gegenwart zu einer mitreißenden und bewegenden Geschichte. Durch einen Wechsel der Handlungsstränge und den verschiedenen Schauplätzen wird der Spannungsbogen allmählich gesteigert. Sehr informativ und fesselnd war für mich insbesondere der sorgsam recherchierte historische Handlungsstrang, der uns in eine längst vergangene Welt eintauchen lässt, und mich mit seiner Intensität zunehmend in den Bann gezogen hat. Hierin erzählt die Autorin die ergreifende und auf Tatsachen basierende Geschichte der einfachen, alleinstehenden Bäuerin Abelke Bleken, die Mitte des 16. Jahrhunderts in den Hamburger Marschlanden nach dem Tod der Eltern allein einen großen Hof geführt hatte, durch die Allerheiligenflut im Jahr 1570 in Not geriet und enteignet, als Hexe wegen Schadenszauber verklagt und im Jahr 1583 verbrannt wurde.
Im Erzählstrang der Gegenwart haben wir Anteil am Leben von Britta, einer Geografin und Mutter, die kürzlich mit ihrer Familie von Hamburg in die Marschlande gezogen ist und sich dort einzuleben versucht. Eher zufällig stößt sie auf die jahrhundertealte Sage über die sonderbare Einzelgängerin und „Hexe“ Abelke Bleken und entdeckt schon bald Unstimmigkeiten in den tradierten Erzählungen. So beschließt sie schließlich eingehendere Recherchen zu Abelkes tragischer Biografie anzustellen. Sehr anschaulich hat die Autorin Brittas eindrucksvolle Suche nach den Hintergründen für Abelkes trauriges Schicksal herausgearbeitet, der als alleinstehende, unabhängige Bäuerin mit einem stattlichen Hof von den Obrigkeiten und missliebigen Nachbarn übel mitgespielt wurde. Je mehr Britta bei ihren Nachforschungen übe diese „vergessene Frau“ und die damaligen Machtstrukturen herausfindet, desto mehr wird sie sich auch über ihr eigenes Leben und die Gründe für ihre zunehmende Unzufriedenheit mit ihrer privaten Situation im Klaren.
Hervorragend ist der Autorin die einfühlsame, vielschichtige Figurenzeichung ihrer Protagonistinnen gelungen, die lebendig und glaubhaft wirken. Ein besonderes Highlight war für mich die liebevoll und authentisch ausgearbeitete Figur von Abelke Bleken, eine bemerkenswerte, charakterstarke Frau, die ihrer Zeit um einiges voraus war. Auch die aufschlussreichen Einblicke in das historische Umfeld sind sehr lebendig und stimmig veranschaulicht und hielten etliche lehrreiche Episoden sowie neue Erkenntnisse zum damaligen Leben in den Hamburger Marschlanden und den vielfältigen Regeln der ständischen Gesellschaft für mich bereit. Nicht ganz erreichen und durchgängig fesseln konnte mich allerdings der Handlungsstrang in der Gegenwart mit Britta und ihrer Familie, deren Verlauf bisweilen etwas ereignislos glatt und zu konstruiert wirkte.
Abgerundet wird der Roman durch ein interessantes Nachwort, in dem die Autorin ausführlich auf den historischen Kontext und die zu Abelke Bleken überlieferten historischen Fakten ein, die sie im Rahmen ihrer fundierten Recherchen zusammenstellen konnte.
So ist diese beklemmende, nachdenklich stimmende Geschichte auch eine Hommage an Abelke Bleken und die unzähligen Menschen, die Opfer von Verfolgung, Enteignung, Willkürakten der Obrigkeiten oder der Hexenverfolgung wurden. Sie weckt auf jeden Fall auch den Wunsch mehr über die unzähligen „vergessenen Frauen“ in unserer Region und ihre tragischen Schicksale zu erfahren und ihr Andenken zu bewahren!

FAZIT
Ein eindrucksvoll erzählter, bewegender Roman, der zum Nachdenken anregt und noch länger nachwirkt!

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