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Veröffentlicht am 29.09.2017

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Stille Machtergreifung
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Der Autor Hans-Henning Scharsach ist wegen seiner FPÖ-kritischen Sachbücher bekannt.

In diesem Buch widmet er sich nicht einer einzelnen Person wie bei „Strache – im braunen Sumpf“ sondern den Mitgliedern ...

Der Autor Hans-Henning Scharsach ist wegen seiner FPÖ-kritischen Sachbücher bekannt.

In diesem Buch widmet er sich nicht einer einzelnen Person wie bei „Strache – im braunen Sumpf“ sondern den Mitgliedern einer Einrichtung, die im Laufe der Geschichte eine Wandlung durchlaufen hat - nämlich den „Burschenschaften“.

Ein kleiner historischer Diskurs:

Diese Studentenverbindungen sind ursprünglich in Deutschlands, Österreichs und Schweizer Universitäten entstanden und der Zusammenschluss der „Bursenbewohner“. Die „Burse“ von lat. „bursarius“ ist im Mittelater die Wohngemeinschaft der Studenten in einer Universitätsstadt. Daher wird der Begriff Burschenschaft im 18. und 19. Jh. häufig mit der „Studentenschaft“ gleichgesetzt.
Sogar nach der Gründung der „Urburschenschaft“ 1815 nach dem Ende der Napoleonischen Kriege bzw. dem „Wartburgfest“ 1817 sind noch immer alle Studenten gemeint.

Erst dem Bestreben die Deutschen Lande zu einem „Großdeutschland“ zu formieren, erfahren die Burschenschafter ihre politische Bedeutung. Diese „Deutschnationalen“ Ziele haben die meisten, im Gegensatz zu anderen Studentenverbindungen, bis heute nicht verloren.

Doch zurück zu „Stille Machtergreifung“.

Rund um den Parteiobmann der FPÖ Heinz-Christian Strache sammeln sich jede Menge Burschenschafter, meist aus Schlagenden Verbindungen. Die wenigen Parteifunktionäre, die einer solchen Vereinigung nicht angehören, weil sie etwa Frauen sind, werden stillschweigend entfernt. Die zwei, drei Frauen in der FPÖ oder deren Abspaltungen, die sichtbar sind, sind ebenfalls Mitglied einer Mädelschaft.

Der Autor zeigt auf, wie eng verflochten die einzelnen Mitglieder mit dem rechten Gedankengut sind.
Scharsach analysiert penibel die Methoden, mit denen die, oft mit der derzeitigen Regierung unzufriedenen, Bevölkerung eingelullt und manipuliert wird. Mit fremdenfeindlichen Parolen wird den Menschen in Österreich ein Szenario suggeriert, das so nicht existiert. Da wird auch munter jede Statistik gefälscht.

Die meisten Menschen sind der Propaganda der Blauen hilflos ausgesetzt, da sie weder die Zeit noch den Willen haben, sich damit auseinander zu setzen. Selbst Gebildete gehen diesen Menschenfängern auf den Leim. Es heißt ja, wenn eine Falschmeldung oft genug wiederholt wird, kann man sie sogar (als In-Verkehr-Bringer) selbst glauben, aber wahrer wird sie dadurch nicht.

Dies wird im Kapitel „Die Taktik des Populismus“ deutlich.

Vor dem Szenario „Was droht unter einer FPÖ-Regierung“ erinnere ich an die schwarz-blaue Regierung (1999- 2003 und 2003-2007). Die Machenschaften zahlreicher Mitglieder dieser Regierung beschäftigen nach wie vor die Österreichischen Gerichte.

Meine Meinung:

An manchen Stellen schimmert die persönliche Meinung des Autors ein wenig zu stark in den Vordergrund durch. Hier wäre ein wenig mehr Sachlichkeit wünschenswert gewesen.

Interessant und aufschlussreich ist die persönliche Geschichte über die Wahlentscheidung von Scharsachs Großmutter.

Wer sich mit den Mechanismen der politischen Propaganda beschäftigen möchte, dem sei das Buch von Dr. Alexandra Bleyer
„Propaganda als Machtinstrument. Fakten, Fakes und Strategien – eine Gebrauchsanleitung“ empfohlen.

Fazit:

„Stille Machtergreifung“ ist ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Ein humorvoller Krimi aus Österreich

Tod eines Surfers
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Clemens Holzbauer, Frauensammler, Surfer und Versicherungsagent (in dieser Reihenfolge), wird tot in seinem Ferienappartement im fiktiven Örtchen Schilfern aufgefunden.
Mit der Aufklärung sind Frau Oberst ...

Clemens Holzbauer, Frauensammler, Surfer und Versicherungsagent (in dieser Reihenfolge), wird tot in seinem Ferienappartement im fiktiven Örtchen Schilfern aufgefunden.
Mit der Aufklärung sind Frau Oberst Doktor Luise Pimpernell und Inspektor Roman Grümpl betraut.

Schnell stellt sich heraus, dass es Legionen von Blondinen und eifersüchtigen Freunden oder Ehemänner gibt, die ein Motiv für einen Mord an dem feschen Surfer haben.

Doch auch einige windige Machenschaften gemeinsam mit dem Bürgermeister von Schilfern, lassen an mörderische Beweggründe
Denken.

Erst ein Hinweis des Nachbarn von Holzbauer in Wien, gibt der ganzen Sache den entscheidenden Anstoß: Eine knackige Blondine mit einem silbernen Golf und einem Neusiedler Kennzeichen mit einer Null, ist häufig bei Clemens gesehen worden.

Na dann! Auf geht’s! Unglaublich wie viele Autos dieses Typs, dieser Farbe und mit einer Null im Kennzeichen in Schilfern zugelassen sind. Auf Pimpernell und Grümpl wartet eine Menge Arbeit.

Das mühsame Klinkenputzen hat letztendlich Erfolg, doch ist danach in Schilfern nichts mehr wie vorher.

Meine Meinung:

Mit Fr. Dr. Oberst Luise Pimpernell hat die Autorin, die selbst am Neusiedler See lebt, eine unkonventionelle Ermittlerin geschaffen. Sie ist nicht mehr ganz jung, pfeift auf Konventionen und Modediktate. Sie kennt hier am Neusiedler See Land und Leute recht gut und weiß daher, wie sie mit den einzelnen Bewohnern umgehen muss um Antworten auf die drängendsten Fragen zu bekommen.

Anders als in vielen Krimis geht es hier gemütlich zu. Keine hysterische Hektik, sondern peinlich genaue Recherche, die manchmal ein wenig eintönig wirkt. Aber der normale Polizeialltag ist eben hin und wieder auch fad und mühsam.

Der Schreibstil ist leicht und flüssig. Für alle jene Leser, die in den Dialektausdrücken nicht ganz so firm sind, gibt es zu Beginn ein ausführliches Glossar der gängigsten Ausdrücke. Am Ende des Buches finden sich einige typische Gerichte der Burgenländischen Küche.

Die Krimihandlung ist in die wunderschöne Landschaft rund um den Neusiedler See eingebettet.

Neben der eigensinnigen Pimpernell und dem arbeitssamen Grümpl gibt es viele Charaktere, die Ecken und Kanten haben sowie den einen oder anderen, der in jedem x-beliebigen Dorf in Österreich oder Deutschland leben könnte. Freunderlwirtschaft im Dunstkreis des Bürgermeisters ist ein altbekanntes Problem.

Mit dem erdigen Humor, der durchaus stellenweise dunkelschwarz ist, wächst die Frau Oberst ihren Lesern ans Herz.


Ich hätte locker noch 200 weitere Seiten lesen mögen.

Fazit:

Wer eine ungewöhnliche Ermittlerin abseits der üblichen Ermittlerinnen kennen lernen möchte, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich diesem Krimi 5 Sterne und hoffe auf eine baldige Fortsetzung.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Ein opulenter historischer Roman

Die schöne Insel
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Die Autorin entführt uns in ein Dickicht von unterschiedlichen Kulturen, von traditionellen Ehrbegriffen und tiefen Gräben selbst zwischen in China ansässigen Völkern. Die einen finden das Füße einbinden ...

Die Autorin entführt uns in ein Dickicht von unterschiedlichen Kulturen, von traditionellen Ehrbegriffen und tiefen Gräben selbst zwischen in China ansässigen Völkern. Die einen finden das Füße einbinden der Frauen als höchst erotisch, die anderen verabscheuen dies als Barbarei.

In diesem dritten Teil der Shanghai-Trilogie tritt die Familie Huntigdon stark in den Hintergrund. Die Autorin spinnt eine spannende Geschichte rund um die russisch-stämmigen Anastassia
und die hübsche Chinesin Clio, die aus einem Bordell flüchtet.

Die beiden Frauen reisen mit dem fortschrittlich gesinnten Händler Felix Hoffmann nach Formosa, um ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Anastassia verdingt sich als Lehrerin und bringt in der Missionsstation den chinesischen Kindern die englische Sprache bei. Clio wird von ihrer Liebe zu Nobu, einen Formosa-Chinesen, der auf Befehl seiner Familie, eine Japanerin heiraten soll, eingeholt.

Werden Clio und Nobu zusammenkommen? Und welchen Weg wird Anastassia einschlagen?

Meine Meinung:

Wieder ein opulentes Sittengemälde aus dem Fernen Osten um 1900. Unterschiedliche Welten prallen aufeinander. Durch die schön geschliffenen Worte und eleganten Sätze ist es ein Genuss, dieses Buch zu lesen.

Fazit:

Gut recherchiert und fesselnd erzählt. Dafür gebe ich gerne 5 Sterne und hoffe auf einen eventuellen 4. Teil.

Veröffentlicht am 30.07.2017

Das Berlin der 1920er Jahre

Das Café unter den Linden
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Dieses Buch ist das dritte der Autorin Joan Weng, das in den angeblich „Goldenen Zwanziger Jahre“ spielt. Anders als in den beiden Krimis („Feine Leute“, „Noble Gesellschaft“), in dem ein breites Spektrum ...

Dieses Buch ist das dritte der Autorin Joan Weng, das in den angeblich „Goldenen Zwanziger Jahre“ spielt. Anders als in den beiden Krimis („Feine Leute“, „Noble Gesellschaft“), in dem ein breites Spektrum von Berlin gezeigt wird, fokussiert sich hier alles in dem kleinen Bereich rund um die „Künstlerkolonie“ der verarmten Adeligen Hans von Keller.

Die Hauptfigur ist Fritzi, die aus einem kleinen Dorf in Südbayern stammt, und mit ihrer Schreibmaschine (eine Orga Privat, die eine nicht unbedeutende Rolle spielt) und einem Empfehlungsschreiben just an die Türe von Hans von Keller klopft. Aus dem anfänglich schüchternen, ja ein wenig provinziellen jungen Tippfräulein, wird in kurzer Zeit eine selbstbewusste Frau die mit humorvollen, aber auch (tief) treffenden Bemerkungen den einen oder anderen Mann in seine Schranken weist.


Wir begegnen Figuren aus den beiden Krimis, unter anderem Graf Sawicki oder Carl von Bäumer.

Meine Meinung:

Der Autorin ist es wieder fabelhaft gelungen, die Welt der Zwanziger Jahre wieder auf erstehen zu lassen. Gut herausgearbeitet ist die Doppelmoral dieser Zeit. So ist es durchaus legitim, eine Zweitfamilie zu haben, wenn nur der schein gewahrt bleibt. Siehe Ludwig von Keller, der mit der reichen Grete verheiratet ist, aber mit der ehemaligen Köchin gleich drei Kinder hat.

Auch Pauline Kinski ist ein Kind dieser Zeit: Sie sucht verzweifelt einen Ehemann (am besten verarmt und/oder schwul), damit sie ungeniert das Verhältnis zu John Gable, dem jüdischen Sänger aus einfachstem Milieu, weiter pflegen kann.

Gut herausgearbeitet sind die Charaktere. Der ewig zweifelnde Hans, die beiden Homosexuellen Rosa und Wlad und auch John Gable, der immer das haben will, was anderen gehört.

Sehr interessant ist auch die Wandlung von Fritzi vom „Landei“ zur selbstbewussten jungen Frau.

Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Die Auflösung des Rätsels, was Wlad treibt, während er angeblich die Fische im Aquarium beobachtet, hat mir ein lautes Lachen entlockt.

Ich mag die Geschichten der Autorin, weil sie penibel recherchiert sind und der „Geschichtsunterricht“ subtil herüberkommt.

Fazit:

Ein toller Roman, der das Flair Berlins und seine verlogene Moral authentisch wiedergibt.

Veröffentlicht am 26.07.2017

Gefährliche Botendienste

Im Namen des Paten
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Lupino Severino, ehemaliger Polizist und nunmehriger Privatermttler, kann von seinem Job nicht wirklich leben. Daher führt er, perfekt Wienerisch sprechend, Touristengruppen durch Venedig. Derzeit quetschen ...

Lupino Severino, ehemaliger Polizist und nunmehriger Privatermttler, kann von seinem Job nicht wirklich leben. Daher führt er, perfekt Wienerisch sprechend, Touristengruppen durch Venedig. Derzeit quetschen sich viele Gruppen durch die Lagunenstadt, doch das Trinkgeld und das Interesse der Leute sind dürftig.
Da kommt Lupino der Auftrag, Kurier zu spielen und einen Datenstick nach Grado zu bringen, gerade recht. Doch er weiß noch nicht, dass sich damit sein Leben von Grund auf ändern wird.
Bombenanschläge, Entführung und eine heiße Herdplatte – mit all dem wird Lupino konfrontiert. Er begegnet einer liebestollen Österreicherin, die ihn zeitweise aus der sprichwörtlichen Schusslinie nimmt.

Wem kann Lupino noch trauen? Wer steckt hinter den Anschlägen? Gelten sie ihm persönlich oder dem USB-Stick?

Zahlt sich der Auftrag wirklich aus? Denn Lupino wird so ziemlich alles verlieren, was ihm lieb und teuer ist.

Meine Meinung:

Der Krimi weckt Sehnsucht, die Obere Adria zu besuchen, vielleicht ein wenig gemächlicher.
Gerhard Loibelsberger hat einen temporeichen Mafia-Krimi geschaffen, der auch ein paar leicht skurrile Stellen aufweist.