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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.09.2023

Eine Giftmischerin in London...

Die versteckte Apotheke
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Die Versteckte Apotheke von Sarah Penner, übersetzt von Julia Walther, hat meinen momentanen Lesegeschmack gut getroffen. Wir haben hier:
- Unterschiedliche Zeitebenen: eine historische und eine moderne ...

Die Versteckte Apotheke von Sarah Penner, übersetzt von Julia Walther, hat meinen momentanen Lesegeschmack gut getroffen. Wir haben hier:
- Unterschiedliche Zeitebenen: eine historische und eine moderne Komponente
- Drei Frauen, deren Leben sich nach und nach miteinander verbinden
- Einen geheimnisvollen Ort als Ankerpunkt und ein Geheimnis, das aufgedeckt werden muss
feministische Themen
- Langsames, für viele bestimmt fast schon langweiliges Tempo

Worum geht es? Im London des 18. Jahrhunderts geht das Gerücht um, dass es eine Apothekerin gibt, die Frauen in Not hilft – und mittels giftigen (tödlichen) Arzneien Auswege aus gewalttätigen Ehen bietet. Knapp 200 Jahre später stößt die Historikerin Caroline auf die „versteckte“ Apotheke und deckt nach und nach die Geheimnisse dieses Ortes auf.

Was man definitiv nicht erwarten darf ist ein packender Rache-Thriller mit einem weiblichen Serienkiller. Das ist überhaupt nicht der Fall. Auch die Einordnung als Fantasy ist nicht so wirklich gegeben; eher ein wenig vager, magischer Realismus. Für mich, als Fan von ruhigen, zurückgenommenen Geschichten, war es in dem Fall aber genau das Richtige. Das Buch war angenehm zu lesen, die Protagonistinnen waren mir sympathisch, das Setting interessant. Außerdem stehe ich ja eh auf alles, was mit Pflanzen und Insekten zu tun hat - großer Pluspunkt für die Rezepte am Ende des Buches. Themen wie häusliche Gewalt, Schwangerschaftsabbrüche und toxische Beziehung/Manipulation wurden nuanciert miterzählt.

Teilweise braucht man aber zu viel "suspension of disbelief", denn einige Zufälle sind komfortabel und die Figuren haben sich dem Plot recht wohlwollend verhalten. Die Atmosphäre hätte dichter sein können. Zuletzt hatte diese Lektüre nicht ganz so den emotionalen Nachhall, den ich z.B. nach dem Beenden von „Die Unbändigen“ von Emilia Hart, ebenfalls bei HarperCollins erschienen, verspürt habe. Die moralischen Fragen, die mit der Figur der Giftmischerin aufgeworfen wurden, wurden nicht allzu tiefgehend ergründet, aber ehrlich gesagt habe ich das hier auch nicht erwartet.

Ich habe insgesamt 4 Sterne vergeben. Für mich war es ein gutes Debüt, bei dem ich gut unterhalten wurde. Ich mochte das Spiel mit den verschiedenen Zeitebenen; dieses Buch kam einfach zur richtigen Zeit.

Vielen Dank an HarperCollins für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Wunderbares Debüt mit ein paar World-Building-Schwächen

Amberlough – Stadt der Sünde
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Ein rasanter Spionagethriller, inspiriert von der queeren Szene und dem Kabarett der 20er Jahre, in dem das Land kurz vor der Übernahme durch die Faschisten steht - wen diese Prämisse interessiert, der ...

Ein rasanter Spionagethriller, inspiriert von der queeren Szene und dem Kabarett der 20er Jahre, in dem das Land kurz vor der Übernahme durch die Faschisten steht - wen diese Prämisse interessiert, der sollte jetzt die Ohren spitzen, denn Amberlough bietet genau das 😼

Ich fange mal mit dem an, was mich am meisten begeistert hat: Die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander!

Cyril DePaul, ein Spion mit einer dramatischen Vergangenheit, der nach seinem letzten Auftrag zur Schreibtischarbeit verdammt ist, aber viel zu gerne in einem - manchmal etwas zu zwielichtigen - Cabaret verkehrt.
Aristide Makricosta, der Zeremonienmeister des Cabarets, ebenso zwielichtig wie das Cabaret selbst, schmuggelt unter den Augen korrupter Polizisten diverse Waren nach Amberlough.
Und dann ist da noch die Burlesque-Tänzerin Cordelia Lehane, eine schlagfertige Amberlinerin, die sich mit viel Charisma durch das harte Leben in der Stadt schlägt.

Alle Charaktere haben mehr Dreck am Stecken als eigentlich okay ist, aber man liebt sie trotzdem. Ihre Dialoge waren oft mein Highlight beim Lesen - so wortgewandt und flott geschrieben! Und es war unglaublich herzzerreißend, wie die drei immer tiefer in die Verschwörungen der faschistischen Partei hineingezogen wurden. Ich habe so unglaublich mit ihnen mitgefiebert.

Außerdem: Ich würde dem Buch keinen “Romance”-Stempel aufdrücken, aber die schwule Beziehung zwischen Cyril und Aristide spielt eine tragende Rolle im Plot. Und hui, es geht in diesem Buch definitiv heißer und expliziter her, als ich zunächst erwartet habe!

Kritik habe ich leider trotzdem, denn der “Secondary-World”-Aspekt hat mich stellenweise sehr irritiert. Das World Building ist ganz klar an verschiedene europäische Städte und die Weimarer Republik angelehnt, nutzt aber andere geographische Dimensionen.

So fühlte ich mich oft verloren bei Szenenwechseln, wenn z.B. eine Figur von einem Ort zum anderen reiste, oder auch bei den Namen der Städte, Gebäude und Familiennamen, die teilweise französisch, englisch oder deutsch inspiriert waren. Auch die Darstellung von Kultur und Ethnizität war durch diese starke historische Anlehnung teilweise schwer nachzuvollziehen.

Aber: Alles in allem fand ich “Amberlough” einen sehr lesenswerten ersten Band, den ich schnell verschlungen habe, mit wunderbaren Charakteren, einer spannenden Handlung und unglaublich interessanten Prämissen. Ich vergebe 4 ⭐, da ich dank der tollen Figuren gut über die Schwächen hinweg sehen konnte. Wenn ihr Anarchie Déco von J.C. Vogt mochtet oder euch dieser historische Ansatz und das Setting interessiert, solltet ihr Amberlough eine Chance geben.

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 02.08.2023

Mit poetischer Sprache auf der Suche nach Antworten

Zweistromland
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Zweistromland von Beliban zu Stolberg ist einer dieser schmalen, literarischen Romane, die durch poetische Sprache und viel Introspektion das Thema von transgenerationalem Trauma, Schweigen und dem inneren ...

Zweistromland von Beliban zu Stolberg ist einer dieser schmalen, literarischen Romane, die durch poetische Sprache und viel Introspektion das Thema von transgenerationalem Trauma, Schweigen und dem inneren Drang nach Antworten bearbeiten.

Dilan ist als Tochter kurdischer Aleviten in Norddeutschland aufgewachsen und arbeitet jetzt als Juristin in Istanbul. Sie lebt mit ihrem schwedischen Mann in einem alevitisch geprägtem Viertel in der Stadt, doch nach dem Tod ihrer Mutter und mit dem Beginn ihrer Schwangerschaft kommen ihr immer wieder kleine Erinnerungsschnipsel hoch und sie kann nicht mehr anders, als auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte zu gehen - nach Amed, die heimliche Hauptstadt der Kurd*innen, in der zur Zeit der Erzählung ein Städtekrieg herrscht.

Was mich ein klein wenig gestört hat, war der große Zeitsprung zwischendurch - ich mochte es zwar sehr, wie man Dilans Familie und Freunde kennengelernt hat, in einem Sommer im Jahr 1999, aber ich fand es etwas langatmig und dieser Part hat mich insgesamt etwas rausgerissen.

Insgesamt habe ich mich Dilan durch ihre unaufdringliche, fast schon passive, sehr ruhige Art nah gefühlt und fand es total bereichernd, mit ihr auf diese so wichtige Reise zu gehen. Durch ganz dichte Beschreibungen konnte ich mir die verschiedenen Stationen dieser Reise bildlich vorstellen. Und am Ende zu sehen, wie Dilan die Spirale des Schweigens langsam und schmerzhaft aufbricht - nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihr ungeborenes Kind - war unglaublich wertvoll.

Vielen Dank an Netgalley und den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Zündelnde Idee, aber leider etwas zäh und viel Infodump

Silberne Geister
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Silvia Moreno-Garcia schafft es einfach immer, innerhalb kürzester Zeit richtig coole Figuren einzuführen, die ich sofort fühlen kann. Gepaart mit einer originellen Idee und interessantem Setting funktionieren ...

Silvia Moreno-Garcia schafft es einfach immer, innerhalb kürzester Zeit richtig coole Figuren einzuführen, die ich sofort fühlen kann. Gepaart mit einer originellen Idee und interessantem Setting funktionieren ihre Bücher meist für mich. Doch hat dieser Mix bei “Silberne Geister”, übersetzt von Frauke Meier, bei mir gezündet? 🔥

Ich würde sagen: Ja, aber mit ein paar Abstrichen.

Wie auch schon in den bisherigen Büchern, die ich von SMG gelesen habe, war ich wirklich sofort im Setting drin. Wir befinden uns nämlich in den 90er-Jahren in Mexiko und begleiten Montserrat, eine Toningeneurin im Filmbusiness, und ihren Jugendfreund Tristán, einen in Vergessenheit geratenen Schauspieler, der inzwischen nur noch Animationsserien synchronisiert. Eines Tages bekommen die beiden das Angebot, einen kultigen Horrorfilm zu vollenden, der angeblich mit einem Fluch belegt sein soll - und von da aus entspinnt sich ein Geflecht aus Intrigen über Okkultisten und den Geistern von Nzis…

Neben dem wirklich cool gemachten Setting waren die beiden Protagonist
innen wieder ein Highlight für mich. Sie haben beide Ecken und Kanten, verworrene Lebensumstände, Vorlieben und Abneigungen, sind echt gar nicht mal so sympathisch, aber es hat mir riesigen Spaß gemacht, ihnen durch die Geschichte zu folgen. Außerdem strotzt das Buch nur so vor Referenzen und Verneigungen zu Kultfilmen des Genres, was dem Ganzen eine interessante Metaebene gibt.

Der Horroranteil hat für mich aber nicht wirklich funktioniert. Schade, denn Okkultismus und Spiritismus in Popkultur finde ich faszinierend. Ich mochte zwar, wie behutsam mit den problematischen Seiten des Themas umgegangen wurde (als langjährige Hoaxilla_podcast - Hörerin kamen mir einige Stellen bekannt vor, hehe). Aber puh, streckenweise war es mir einfach zu viel Infodump. Auch wenn sich SMGs Schreibstil leicht lesen lässt, war es mir ein wenig zu zäh und zu lang, um mich wirklich zu gruseln.

Ich vergebe 3,5 Sterne - bin aber umso gespannter, was uns Genre-Chamäleon Silvia Moreno-Garcia zukünftig bietet.

Vielen Dank an den Verlag / das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 29.02.2024

Rasante Lektüre!

Yellowface
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Ich habe eine zwiespältige Meinung zu Yellowface von R.F. Kuang, übersetzt von Jasmin Humburg, denn einerseits habe die Geschichte rund um die weiße Autorin June „Juniper Song“ Hayward, die einer Autorin ...

Ich habe eine zwiespältige Meinung zu Yellowface von R.F. Kuang, übersetzt von Jasmin Humburg, denn einerseits habe die Geschichte rund um die weiße Autorin June „Juniper Song“ Hayward, die einer Autorin of Colour, Athena Liu, das Manuskript stiehlt und es als ihr eigenes ausgibt, verschlungen! Zwischendurch hatte ich den Satz „it sucked me in like a juicy twitter drama“ im Kopf, denn so hat sich das Lesen angefühlt – witzig, denn das Buch hält den Twitter-Dramatiker:innen ganz schön den Spiegel vor. Andererseits hatte Yellowface aber nicht ganz den Nachhall, den ich mir erhofft hatte.

Ich habe erwartet, dass das Thema der kulturellen Aneignung und Ausbeutung von Diversität erkundet wird – wer darf welche Geschichten schreiben? Welche Intersektionen spielen eine Rolle? Athena Liu ist zwar Asian-American, kommt aber aus einem reichen Elternhaus und hatte einen privilegierten Bildungsweg. Sie schreibt dramatische, herzzerreißende Romane mit chinesischem Setting, ohne jedoch länger in China gelebt zu haben (die Parallelen zu Kuangs eigenem Hintergrund und Schaffen sind recht eindeutig). Teilweise verletzt sie ihre Familie damit, denn auch deren persönliche Geschichten bleiben von Athenas schonungsloser kreativen Verwertung nicht verschont. Mit welchem Recht dürfen diasporische Autor:innen über die Erfahrungen “anderer” schreiben, welche Rolle spielen postgenerationale Traumata? Diese komplexe Diskussion geriet im Verlauf des Buchs in den Hintergrund, was ich schade fand. Aber vielleicht war es auch zu viel erwartet, dass sich ein traditionell veröffentlichter, extrem gehypter Roman der neoliberalen Logiken einer ausbeuterischen Kreativindustrie entzieht?

Die angekündigte Kritik war für mich nicht konsequent zuende gedacht - dafür fand ich aber die Kritik, die auf individuelle Ebene ausgearbeitet wurde, spannend. Im Nachwort schreibt Kuang, dass Yellowface eine Geschichte über Einsamkeit als Schreibende, als „creative worker“, in der Buchindustrie ist - und das, das nehme ich dem Buch komplett ab.

June, aus deren Sicht erzählt wird, fängt an, ihren Selbstwert über bloße Zahlen zu definieren. Sie flüchtet sich in die Welt von Social Media und Oberflächlichkeiten, um sich immer und immer und immer wieder selbst zu bestätigen; ihre Bemühungen, sich wieder mit der Realität, mit ihren Mitmenschen zu befassen, scheitern. Kollegiale und freundschaftliche Beziehungen können von June nicht aufrechterhalten werden. Das ganze System ist auf Bewertung ausgelegt, was macht das mit einer kreativen Person? Was bedeutet es, produzieren zu müssen, ohne Pausen und mit viel Prekarität? Nebenbei lässt sie ihre Privilegien als weiße Autorin total aus, hat rassistisches Gedankengut verinnerlicht und verhält sich dementsprechend.

Gegen Ende gab es für meinen Geschmack zu viel Küchenpsychologisches, aber die Übertreibungen haben zum satirischen Ansatz gepasst. Und auch Athena hatte ein unfassbar einsames Leben, denn ihre Arbeit wird zwar vom Publikum wertgeschätzt, doch definierte sie sich über diesen Erfolg und insbesondere ihre Außendarstellung und Reichtum. Interessant, denn Kuang hat in einem Interview erwähnt, dass Athena all das verkörpert, was sie selbst hofft, niemals zu werden. Keine der beiden Figuren ist sympathisch und mir hat es Spaß gemacht, ihnen zu folgen und entlang ihrer moralischer Fragwürdigkeiten zu lesen.

Mein persönliches Fazit ist, dass es breite, intersektionale Bündnisse braucht, überall, auch - oder gerade bei - Personen, die kreativ tätig sind.

Vielen Dank an Vorablesen und den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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