Nicht perfekt, aber nah dran!
Blood and SteelHui, hat mich dieses Buch überrascht!
Ich hatte Blood and Steel überhaupt nicht auf dem Schirm, bevor ein NetGalley-Newsletter in den Posteingang flatterte. Joa, klingt ganz interessant, dachte ich mir. ...
Hui, hat mich dieses Buch überrascht!
Ich hatte Blood and Steel überhaupt nicht auf dem Schirm, bevor ein NetGalley-Newsletter in den Posteingang flatterte. Joa, klingt ganz interessant, dachte ich mir. Das Cover sah irgendwie unfertig aus, wie ein nicht beendeter Entwurf (zu diesem Thema kommt bald ein eigener Artikel), aber der Inhalt schien genau nach meinem Geschmack zu sein. Kann man ja mal ausprobieren. Und jetzt, 2 Tage später, ist das Buch durchgelesen und ich habe ein paar Stunden Schlaf verloren, weil ich einfach nicht mittendrin abbrechen konnte.
Es ist nicht perfekt, dieses Szenario aus Menschen, Monstern und Magie. Manches ist etwas zu dick aufgetragen oder ein kleines bisschen zu vorhersehbar. Aber es gibt viele Elemente, die mir richtig gut gefallen und super umgesetzt sind, und auch bemerkenswert viele Wendungen, die für mich tatsächlich überraschend kamen.
Feminismus ist ein sehr grundlegender Bestandteil der Handlung: Es gab eine Prophezeiung, nach der Frauen keine Waffen mehr tragen, geschweige denn wie früher zu Kriegerinnen ausgebildet werden dürfen. Freiheiten wie eigene Entscheidungen zu treffen wurden den Mädchen und Frauen weitestgehend entzogen. Die Männer – besonders die, die Krieger werden wollen – fanden Gefallen an diesem Machtverhältnis und tun nun alles dafür, dass sich daran nichts mehr ändert. Und dann spaziert eine junge (erwachsene, das finde ich wichtig für die „spicy“ Szenen) Frau herein, die seit Jahren heimlich mit einem Dolch trainiert, den sie eigentlich gar nicht haben dürfte, und mit einer Mischung aus Hochmut, Sturheit und Naivität verlangt, ausgebildet zu werden. Nicht zur Alchemistin wie ihre Schwester, sondern zur Kriegerin.
Ich habe eine Schwäche für Frauenfiguren in Büchern, die nicht auf den Mund gefallen sind und die wissen, was sie wollen. Deshalb mag ich die Reihe um Mercy Thompson von Patricia Briggs oder die Guild Codex-Reihen von Annette Marie so gern.
In Blood and Steel ist Thea aber angenehmerweise nicht die einzige Frau, die sich trotz dieses extrem patriarchalischen und für sie lebensfeindlichen Umfelds zu behaupten weiß. Auch ihre Schwester, Freundinnen und ihre Vorgesetzte halten mal mehr, mal weniger heimlich gegen diese Strukturen an. Wegen dieses Grundverständnisses von „unsere Welt wird von Männern regiert, aber das ist nicht unbedingt gut, es war längst nicht immer so und das kann sich auch wieder ändern“ hat es mir großen Spaß gemacht, Blood and Steel zu lesen.
Denn es wurde kein massiver Fokus auf romantisierte Details gelegt, die in mittelalterlich angehauchter Fantasy viel zu gern gerechtfertigt werden mit „das war damals eben so“ (In einer Fantasy-Welt? Bitte.), „Frauen können das einfach nicht“ oder „ja, ist nicht schön, aber das gehört irgendwie dazu“, wie wir sie in Game of Thrones zum Beispiel zu Genüge gesehen haben. Keine übertriebene und unnötige Nacktheit von Frauen, keine scheinbar selbstverständliche Aufgabenverteilung, ohne dass die betroffene Frau innerlich oder auch lauthals protestiert, keine Grenzüberschreitungen ohne zumindest eine Andeutung von Konsequenzen.
Stattdessen haben wir Verwundbarkeit auf allen Seiten, auch mal sensible Männer, Frauen, denen der Kragen platzt, und Männer, die den Kopf gewaschen bekommen, wenn sie sich unmöglich verhalten. Und das beste? Trotz alledem dreht sich Blood and Steel um starke Krieger, deren Muskeln bewundert, und starke Frauen, die für das geschätzt werden, was in ihren Köpfen passiert und nicht (nur) für ihre Körper. Es geht doch! (Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Es geht doch, wenn eine Frau schreibt.)
Blood and Steel wird beworben als „spicy Romantasy“. Spicy könnte man meiner Meinung nach weglassen, denn es gibt nur eine einzige explizite Szene. Dieses Label zu verwenden sorgt nur dafür, dass die eine Hälfte des Zielpublikums mehr erwartet und dann enttäuscht werden könnte, und die andere Hälfte das Buch gar nicht erst in die Hand nimmt, in der Erwartung, mit mehr Sex als erwünscht konfrontiert zu werden.
Was Blood and Steel stattdessen hat, ist eine tolle Slow Burn Romance mit jeder Menge Spannung: Will they, won’t they? Wie lange wird es bis dahin dauern? Wer macht den ersten Schritt? Und so viele kleine Momente, kleine Berührungen, die den Charakteren tagelang in Erinnerung bleiben und hinterfragt werden. Diese Spannung ist genau das, was den Reiz für mich ausmacht, und deshalb trifft Blood and Steel den Nagel genau auf den Kopf.
Auch andere Tropes werden bedient, die der Verlag ganz korrekt auflistet: Enemies to Lovers, Found Family, Who did this to you? und Forbidden Love. Besonders der Moment, in dem buchstäblich „Who did this to you?!“ (auf Deutsch: „Wer hat dir das angetan?!“) gefragt wird, ist sehr gut gelungen und bescherte mir Gänsehaut und ein breites Grinsen voller Vorfreude!
Die Idee, dass Dämonen in eine Welt einfallen und die Menschen händeringend versuchen, einen scheinbar ausweglosen Krieg doch noch in die richtige Richtung zu lenken, ist nicht neu. Spontan fallen mir hierzu die Dämonentochter-Reihe von Jennifer L. Armentrout, Ein Käfig aus Rache und Blut von Laura Labas oder Kingdoms of Smoke von Sally Green ein. Auch die Aufteilung der Königreiche (und teilweise ihre Namen, das war schon etwas auffällig nah an beispielsweise Fourth Wing von Rebecca Yarros) und einige Charaktere kamen mir bekannt vor. Einer erinnerte mich mehr als einmal an Gabriel aus Jay Kristoffs Das Reich der Vampire.
Trotz all dieser kaum verschleierten Ähnlichkeiten zu anderen Büchern ist Blood and Steel keine einfache Kopie. Ja, das Buch erfindet das Rad nicht neu, aber durch dieses starke Basiselement um Frauenrechte, auf dem alles andere aufbaut – das Worldbuilding genau wie die Charakterentwicklung -, ist es eben doch eine ganz eigene Geschichte. Es macht eben einen großen Unterschied, wenn ganz offen gezeigt wird, dass ein großer Teil der Bevölkerung zwar kämpfen könnte und es zum Teil auch unbedingt will, aber dem bewusst ein Riegel vorgeschoben wird – einfach nur, weil es Frauen sind. Dass Männer dem eigenen Überleben ganz bewusst Stolpersteine in den Weg legen, nur um an der Macht zu bleiben.
Ich hatte vorher 3 Bücher aus dem neuen Imprint Bramble von Droemer Knaur gelesen und alle waren okay: Nicht total schlecht, aber auch nicht überwältigend gut. Deshalb war ich vorsichtig skeptisch, als mir auffiel, aus welchem Verlag Blood and Steel stammt. Ich muss gestehen, dass ich innerlich schon fast mit Bramble abgeschlossen hatte, obwohl ich vorab so große Hoffnungen hatte – das Programm las sich wie für mich persönlich gemacht. Die Umsetzung war bei allen 3 Büchern das Problem für mich: sie waren inhaltlich interessant, doch das WIE hat mich zu sehr gestört, um wirklich Gefallen an den anderen Büchern zu finden.
Aber Blood and Steel lässt mich wieder auf richtig gute Bücher aus diesem Imprint hoffen – und das sagt wahrscheinlich mehr aus als der ganze Rest meiner Rezension. 🙂