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Veröffentlicht am 10.06.2025

Was kann ich für Sie tun?

Der Kaiser der Freude
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Seine Mutter, eine gebürtige Vietnamesin, wünscht sich nur das Beste für ihren Sohn Hai. Dieser mag ihr nicht direkt sagen, dass er zumindest zwischenzeitlich gescheitert ist. Sein Traum von einem Medizinstudium ...

Seine Mutter, eine gebürtige Vietnamesin, wünscht sich nur das Beste für ihren Sohn Hai. Dieser mag ihr nicht direkt sagen, dass er zumindest zwischenzeitlich gescheitert ist. Sein Traum von einem Medizinstudium in Boston ist geplatzt, weil er sich nicht richtig beworben hat. Als Hai dann auf einer Brücke rumturnt und eher weniger lebensbejahende Gedanken hegt, sieht er die ältere Litauerin Grazina bei ihrem Haus. Die Beiden lernen sich kennen und Hai beginnt sich um die alte Dame zu kümmern und zusätzlich tritt er eine Arbeitsstelle in einem Diner an. Dort arbeitet auch sein Cousin Sony.

Dies ist wirklich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem queeren Hai, der mit dem Leben hadert, und der älteren Grazina, die als Jugendliche vor den Nazis geflohen ist und diese Erlebnisse nie verarbeiten konnte. Nicht immer lebt Grazina in der Gegenwart, doch Hai passt sich ihr an und so durchleben sie gemeinsam, was unbewältigt ist. Für Hai ist auch die Arbeit im Diner wichtig. Mit den Kollegen verbindet ihn etwas Besonderes. Speziell für Sony, der in einer Wohngruppe lebt, will Hai da sein. Sie sind einfache und ehrliche Leute und für eine Weile stehen sie zusammen.

Vielleicht hat man das Buch(/Hörbuch zunächst übersehen, weil man sich nicht vorstellen konnte, wie es einen gefangen nehmen sollte. Wenn man dem Roman dann doch eine Chance gibt, merkt man schnell, dass einen die Geschichte berührt. Einwanderer aus verschiedenen Ländern und Generationen können durchaus Gemeinsamkeiten finden. Und ein junger Mensch kann sich mit großer Herzenswärme um eine alte Dame kümmern, selbst wenn es zunächst aus einer eigenen Not heraus geschieht. Die Erlebnisse dieses ungleichen Paares sind dabei nicht nur melancholisch, sondern auch humorvoll und witzig. Auch die große Phantasie, mit der sich Hai anpasst, wenn Grazina in die Vergangenheit gleitet, das liest sich sehr beeindruckend. Dieser Roman ist eine kleine Perle, die als Hörbuch hervorragend gelesen wird von Fabian Busch.

Veröffentlicht am 16.05.2025

Chrysantheme, Koto und Axt

Der Inugami-Fluch
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Diesmal wird der Privatdetektiv Kosuke Kindaichi an den abgelegenen Sitz einer wohlhabenden Familie gerufen. Der Anwalt der Familie befürchtet nach dem Tod des Familienoberhauptes, dass es bei der Testamentsverlesung ...

Diesmal wird der Privatdetektiv Kosuke Kindaichi an den abgelegenen Sitz einer wohlhabenden Familie gerufen. Der Anwalt der Familie befürchtet nach dem Tod des Familienoberhauptes, dass es bei der Testamentsverlesung zur viel Unmut kommen könnte. Die Bestimmungen des Verstorbenen können gerade nicht dazu dienen, den Familienfrieden zu erhalten. Im Grunde herrschen schon Unstimmigkeiten und als der letzte Wille wirklich bekannt ist, treten die Feindseligkeiten offen zutage. Kindaichi kann nicht schnell genug zu Ergebnissen kommen, um den Start einer Mordserie zu verhindern. Besonders gefährdet scheint auch die Enkelin eines guten Freundes des Toten zu sein.

Dies ist der vierte Band der Reihe um Kosuke Kindaichi, den Privatdetektiv, der nach dem zweiten Weltkrieg nach Japan heimgekehrt ist und mit seiner Spürnase den schlimmsten Verbrechern auf die Spur kommt. Auf den ersten Blick kann er etwas unscheinbar wirken, doch er denkt weiter und zieht Schlüsse. Mitunter bittet ihn sogar die Polizei um Hilfe. Hier kommt der Familienanwalt zuerst auf den Gedanken, dass er Hilfe brauchen könnte. Doch auch Kindaichi kann nicht verhindern, dass für manche Familienmitglieder das Unglück seinen Lauf nimmt. Doch so langsam kommt er den Geheimnissen auf die Spur und entdeckt, dass das beliebte Familienoberhaupt, zu seiner eigenen Familie nicht so zuvorkommend war.

Mit Kosuke Kindaichi hat der Autor einen einfach sympathischen Helden erfunden. Dass die Bücher dieser Reihe zum Teil schon in den 1970ern geschrieben wurden, merkt man ihnen nicht an. Sie haben eine gewisse Frische und Ursprünglichkeit, die einen schnell einnimmt. Es ist eben schön, wenn der Ermittler ihre Gedanken anstrengen und nicht so viele Hilfsmittel zur Verfügung haben. Wieder bekommt es Kosuke Kindaichi mit einer Familie zu tun, in der es einige unrühmliche Geheimnisse gibt. Es geht nicht nur ums Erbe, sondern auch um eine Familienfehde, die der Patriarch ausgelöst hat. Welche Rolle die Chrysantheme, die Koto und die Axt spielen, ist spannend zu entdecken. Obwohl die Morde teils recht blutrünstig sind, sind sie doch so gut in die Handlung eingebunden, dass man in jedem Moment gefesselt bleibt. Die Cover-Gestaltung passt sehr gut zu der der weiteren Bände. Auch die Bedeutung erschließt sich im Laufe des Romans. Von dieser Reihe darf es gerne mehr geben.

Veröffentlicht am 10.05.2025

Die Erzählung einer Familie

Wir Ostpreußen
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Als sie schon hochbetagt ist, beginnt die Großmutter des Autors eine Lücke in der Familiengeschichte zu füllen. Nach dem Krieg hatte sie sich eine Existenz in Arolsen in der Nähe von Kassel aufgebaut. ...

Als sie schon hochbetagt ist, beginnt die Großmutter des Autors eine Lücke in der Familiengeschichte zu füllen. Nach dem Krieg hatte sie sich eine Existenz in Arolsen in der Nähe von Kassel aufgebaut. Ursprünglich stammte die Familie allerdings aus Ostpreußen. Dort bewirtschaftete sie ein großes Gut. Ende Januar 1945 rückte die Ostfront immer näher und Großmutter Else, die damals natürlich noch jung war, entschied, es sei an der Zeit zu gehen, bevor man nicht nur Hab und Gut, sondern auch Leib und Leben verliere. Else, deren Mann bereits gefallen war, stellte einen Treck aus über 80 Personen zusammen. Gemeinsam machten sie sich auf den beschwerlichen Weg in eine erhoffte Sicherheit.

Großmutter Else verfasst einen ausführlichen Bericht, den der Autor und Enkel mit eigenen Worten und Einfügungen wiedergibt. Zusätzlich beschäftigt er sich selbst mit der Geschichte von Flucht und Vertreibung, was über den Rahmen, den die Großmutter gesetzt hat, hinausgeht. Er nimmt eine Einordnung aus heutiger Sicht vor, immer bedenkend, dass es das Leid nicht gegeben hätte, hätte Hitler sich nicht erdreistet, den Krieg vom Zaun zu brechen. Doch das Leid hat es gegeben. Aus Verantwortungsbewusstsein sah Großmutter Else keine andere Wahl als sich und die Bewohner des Gutes in Sicherheit zu bringen. Die Kinder waren schon vorausgeschickt worden.

Auch wenn man selbst keinen Bezug zu Ostpreußen hat, kann man diesen Bericht mit großem Interesse lesen. Man stellt fest, dass doch etliches aus dem Geschichtsunterricht in Vergessenheit geraten ist. Viel wurde wohl auch nicht erwähnt. Von Flucht und Vertreibung war nicht viel die Rede, mal wollte in der neuen Nachkriegswelt ankommen. Und nun doch einmal darüber zu lesen, anzuerkennen, dass Flüchtlinge und Vertriebene es auch nicht einfach hatten, vervollständigt ein Bild, dessen wichtigere Teile vom Holocaust, von Überfällen und verdienter Niederlage künden. Als sehr lesenswert kann die Mischung zwischen authentischem Bericht und geschichtlicher Einordnung empfunden werden. Man merkt, dass ein versierter Journalist hier die Feder zur Hand genommen hat. Es ist an der Zeit sich erneut und immer wieder mit der Geschichte zu beschäftigen.

Veröffentlicht am 21.04.2025

Und zack

Winter's Game
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In der Tiefgarage auf dem Weg zum Auto wird die Anwältin Carla Winter von einem vermeintlichen Entführer abgefangen. Zum Glück eilt ihr jemand zur Hilfe, der die mögliche Entführung verhindert. Die Erleichterung ...

In der Tiefgarage auf dem Weg zum Auto wird die Anwältin Carla Winter von einem vermeintlichen Entführer abgefangen. Zum Glück eilt ihr jemand zur Hilfe, der die mögliche Entführung verhindert. Die Erleichterung hält jedoch nicht lange vor. An einer Kreuzung wird Carlas Wagen, in dem sie mit ihrem Beschützer sitzt, von hinten gerammt. Dadurch wird ein Unfall verursacht, bei dem Carla knapp mit dem Leben davonkommt, ihr Beifahrer seines jedoch verliert. Im Krankenhaus begegnet ihr die Patientin Sofia, die nach einer Kopfverletzung nicht mehr in der Lage ist, zusammenhängend zu sprechen. Über Kommissar Rossmüller erfährt Carla von einem möglichen Zusammenhang zu einer Menschenhändlerbande und sie bietet an, Sofia zu helfen.

Im dritten Auftritt der Anwältin Dr. Carla Winter und ihrer Kanzlei erwartet einen eine rasante Story.
Wer hat es auf Carla abgesehen? Obwohl ihr das nicht liegt, muss sie sich zur Genesung eine Auszeit gönnen. Damit hat sie Zeit nachzudenken, Aber auch das Rätsel um Sofia lässt sie nicht los. Die Frau tut ihr leid und das Schicksal, dem sie auf die Spur kommt, berührt sie sehr. Auch Kommissar Rossmüller will ermitteln, was ohne belastbare Beschuldigung eigentlich nicht statthaft ist. Doch nach wie vor ist Sofia nicht in der Lage eine klare Aussage zu machen.

Ui, ui, ui - ist das spannend. Dr. Carla Winter, die sich endlich ein tolles berufliches Umfeld aufgebaut hat, bekommt es hier mit mehreren brisanten Ereignissen zu tun. Zum einen betrifft es sie persönlich, zum anderen geht es um großes Unrecht, dass Frauen in der Vergangenheit und auch heute noch angetan wurde und wird. Dabei muss sie für den Fall ihr ganzes Team und ihr ganzes Geschick einsetzen. Und die persönliche Sache geht ihr nicht nur an die Nieren, sondern bedroht auch ihr Leben. Nur ihre Intelligenz und ihr mutiges, herausfordernd forsches Auftreten bewahren sie vor dem Schlimmsten. Carla Winter ist eine unkonventionelle Anwältin, die sich für ihre Mandanten einsetzt. Dem Leser beschert das fesselnde Momente, die schnell verfliegen, weil es einfach nicht möglich ist, den Roman aus der Hand zu legen. Wenn diese atemberaubenden, etwas abenteuerlichen, aber sehr klug konstruierten rasanten Geschichten mag, wird man an diesem packenden Thriller kaum etwas auszusetzen haben.
Und der Epilog deutet an: Da ist noch drin, zum Glück.

Veröffentlicht am 06.04.2025

Mit Elise

Und dann springen wir
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Daran stirbt man heutzutage nicht mehr. Den Gedanken mag Rosa nicht mehr denken, denn ihre Mutter Else ist trotzdem gestorben. Ihre Mutter war noch nicht alt und sie wollte immer mit Rosa zurückkehren ...

Daran stirbt man heutzutage nicht mehr. Den Gedanken mag Rosa nicht mehr denken, denn ihre Mutter Else ist trotzdem gestorben. Ihre Mutter war noch nicht alt und sie wollte immer mit Rosa zurückkehren nach Mostar, wo die beiden einen schönen Urlaub verbracht haben als Rosa dreizehn war. Und immer wollten sie zurückkehren und von der Brücke in Mostar springen. Und jetzt? Rosa entschließt sich noch einmal nach Mostar zu fahren. Nach der Trauerfeier verbringt sie etwas Zeit mit ihrem Vater und seiner neuen Familie. Sie hält es kaum aus und doch ist das jetzt ihre Familie, die sie herzlicher willkommen heißt als sie erwartet hätte.

Tragisch ist der relativ frühe Tod ihrer Mutter. Rosa, die zwar erwachsen, aber doch noch jung ist, fällt in tiefe Trauer. Auch wenn ihre Mutter Elise ein schwieriger Mensch war, die mit Problemen zu kämpfen hatte, so war sie doch ihre Mutter. Und Rosa vermisst ihre Mutter. Der Schmerz ist so groß. Mit ihrer Freundin Emma, die sie gerade erst kennengelernt hat, reist Rosa gen Osten, da wo die Wurzeln liegen. In Städte und Länder, die einen Krieg überstehen mussten. Für Rosa ist Elise immer gegenwärtig und spürbar.

Bei dem Titel und dem farbenfrohen Umschlagbild mit den Mandarinen denkt man vielleicht eher an eine heitere Geschichte. Ganz so ist dieser Roman dann nicht. Doch er hat eine berührende Erzählung zu bieten von Müttern und Töchtern, von Vätern, die gehen, von Familien, die gefunden werden. Und auch von der Trauer um die Mutter Elise, die viel zu früh starb. Nachdem die erste kleine Enttäuschung verflogen ist, freut man sich über diesen emotionalen Roman. Eine unerwartete kleine Perle, die in einem Erinnerungen weckt, die an Urlaub denken lässt und einen mit einem Lächeln zurücklässt. Hier gibt man gerne eine Leseempfehlung und wünscht diesem Debütroman eine größere Aufmerksamkeit.