Cover-Bild Hier bin ich
12,99
inkl. MwSt
  • Verlag: E-Books im Verlag Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 10.11.2016
  • ISBN: 9783462315851
Jonathan Safran Foer

Hier bin ich

Roman
Henning Ahrens (Übersetzer)

Ein aufrüttelndes Meisterwerk über Identität, Familie und den Wunsch nach Zugehörigkeit – Jonathan Safran Foer enthüllt in »Hier bin ich« die essentielle Suche nach dem eigenen Platz in einer immer komplexeren Welt.
Wie können wir all die Rollen, die wir zu spielen haben, glaubhaft unter einen Hut bekommen? Wie gleichzeitig Sohn, Vater und Ehemann sein? Oder Mutter, Ehefrau und Geliebte? Erwachsener und Kind? Oder gar Amerikaner und Jude? Wie können wir wir selbst sein, wenn unser Leben doch so eng mit allen anderen verbunden ist? Diese Fragen stehen im Zentrum von Jonathan Safran Foers erstem Roman seit elf Jahren.
»Hier bin ich« erzählt von vier turbulenten Wochen im Leben einer Familie in tiefer Krise. Julia und Jacob haben sich auseinandergelebt, doch wie könnten sie sich trennen, ohne dass ihre drei Söhne darunter leiden oder gar sie selbst? Immer wieder diskutieren sie alle Szenarien durch, kümmern sich aufopferungsvoll um den inkontinenten Hund und die bevorstehende Bar Mitzwa des ältesten Sohns. Gerade als die israelische Verwandtschaft zur Familienfeier in Washington, D.C. eintrifft, ereignet sich ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten, das die Invasion Israels zur Folge hat. Die Fragen »Was ist Heimat? Was bedeutet Zuhause?« stellen sich noch einmal ganz neu, auch für Jacob.
Jonathan Safran Foer schreibt sich mit seinem dritten Roman endgültig in den Olymp der amerikanischen Literatur.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2017

Freiheit, Pflicht und Identität

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In „HIER BIN ICH “ widmet sich Foer diversen Themen. Im Zentrum steht eine jüdische Familie, die in den USA lebt. Das Ehepaar Bloch hat drei Söhne, für einen steht die Bar Mitzwa an – der Tag der Übernahme ...

In „HIER BIN ICH “ widmet sich Foer diversen Themen. Im Zentrum steht eine jüdische Familie, die in den USA lebt. Das Ehepaar Bloch hat drei Söhne, für einen steht die Bar Mitzwa an – der Tag der Übernahme der Pflicht. Überhaupt kreist der Roman um Freiheit und Pflicht.

Das Ehepaar wird durch einen Betrug einer großen Belastungsprobe ausgesetzt. Die Kinder suchen ihr wahres Ich; übergeordnet dreht sich alles um Identität. Wie kann jüdisches Leben in der säkularen Welt aufrecht erhalten werden, wie rettet man die altehrwürdigen Traditionen in die (Post) Moderne? Wie gestaltet sich das Verhältnis der jüdischen Diaspora zum Mutterland Israel, und kann die israelische Frage überhaupt je ausgeblendet werden?

Foer exerziert diese existenziellen Fragen auch anhand einer fiktiven Katastrophe durch und entwirft ein teilweise erschreckendes Szenario.

„HIER BIN ICH“ ist ein Roman mit Tiefgang und eine eher anspruchsvolle Lektüre, aber ich habe das Buch gern gelesen, da bei aller Schwere auch Geistreiches vorhanden ist. Ein Schmöker für Zwischendurch ist dieses umfangreiche Buch sicher nicht. Es gibt gewisse Längen in der Erzählung, aber es lohnt sich, diesen Roman zu lesen! Der Stil ist eher gehoben und recht Dialoglastig, was vielleicht nicht jedermanns Sache ist.

Foer legt den Fokus auf innere Prozesse und Entwicklungen. Eine abwechslungsreiche, dynamische Handlung steht daher nicht im Vordergrund, man sollte also keinen „Actionkracher“ erwarten. Sehr gut gefielen mir die Bezüge zum Alten Testament und zur Bibel - bereits der Titel bezieht sich auf die Prüfung Abrahams durch Gott.



Fazit: „HIER BIN ICH“ ist ein anspruchsvolles, kluges Stück Literatur, welches man sich als Leser teilweise erarbeiten muss.

Aber es lohnt sich!

Für den Roman vergebe ich vier von insgesamt fünf möglichen Sternen.

Veröffentlicht am 11.10.2016

Sehr gut, aber nicht immer leicht

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Jacob und Julia sind verheiratet, haben drei Kinder, einen Hund, ein Haus und stehen vor dem Ende. Jacobs Großvater Isaac hat den Holocaust überlebt, seine Frau überlebt, die Geburt seine Urenkel überlebt ...

Jacob und Julia sind verheiratet, haben drei Kinder, einen Hund, ein Haus und stehen vor dem Ende. Jacobs Großvater Isaac hat den Holocaust überlebt, seine Frau überlebt, die Geburt seine Urenkel überlebt und steht vor dem Ende. Jacobs und Julias Sohn Sam soll ein Mann werden und wird wie ein Kind behandelt. Und gerade als Jacobs israelischer Cousin zu Besuch ist, bebt in Israel die Erde und nichts ist mehr, wie es vorher war. Aber wie wird es danach sein?
Ich habe für Here I Am nicht lange gebraucht, weil es ein schlechtes Buch wäre – im Gegenteil. Es ist ein sehr gutes Buch. Die unterschiedlichen Stränge sind dicht miteinander verwoben. Sie ziehen voneinander weg, um aufeinander zuzugehen. Here I Am ist nicht etwa das Buch einer gescheiterten Ehe, das Buch eines Heranwachsens, das Buch einer Katastrophe. Es ist alles auf einmal und noch mehr.
Here I Am ist ein Buch über Apokalypsen und dem, was nach ihnen folgt. Dabei meine ich kein globales Weltende, sondern teilweise sehr persönliche Apokalypsen. Julias Welt ist leer und sie spürt die Risse. Jacob verzweifelt vor lauter Wollen und Nichtstun. Und Sam steht vor der Bar Mitzwa und will diesen Schritt nicht gehen. Er will die umfassende Veränderung der Zustände nicht zulassen. Er widerspricht ihnen. Aber kann er seinem Erwachsenwerden einfach so widersprechen wie Peter Pan? An der Stelle, an der er es tut zeigt er sich im höchsten Maße erwachsen. Ein Buch voller Paradoxe also.
Alles wird aufgefangen im Erdbeben, das Israel verwüstet. Es reißt die Kluft zwischen israelischen Juden und amerikanischen Juden auf, wie es die Erde aufreißt. Und es verschärft den Konflikt mit den arabischen Ländern. Aus der Naturkatastrophe entwickelt sich ein Krieg der Menschen, bei dem Landesgrenzen mit Religionen verwechselt werden – wie es in Wirklichkeit oft der Fall ist. Und als Israel seine Söhne zum Kampf auffordert, will auch Jacob hin. Und kann es doch nicht.
Markant fand ich die Passage, in dem Jacob zum Ich-Erzähler wird, weil seine Angaben zum Schauspielen wiedergegeben werden. Wie Glück gespielt werden soll, erklärt er da, wie Liebe, wie das Dasein. Dabei zählt er Episoden auf, hält Momente fest. Sehr persönlich ist dieser Teil und er wirkt als Abgrenzung. Vorher sieht der Leser das Ende. Die unterschiedlichen Entscheidungen und Handlungen, die zu den jeweiligen Apokalypsen geführt haben und auch das Erdbeben. Danach ist eine kuriose Jetztzeit, in der sich alle außer Jacob einfinden können. Er, mit dem alles gestartet hat, ist der, der nicht loslassen kann.
Das stärkste Symbol hat für mich im Buch Argus, der Hund. Jacob holt ihn für die Kinder, obwohl Julia dagegen ist. Er wird alt und krank. Max, der mittlere Sohn, bittet seinen Vater, ihn einzuschläfern. Und Jacob kann die Anzeichen für Argus Leid nicht anerkennen. Er weigert sich. Argus wird zum Symbol des Aufopferns und des Endes. Julia opfert sich für ihre Familie auf – sie zerfällt. Isaac (in im biblischen Kontext hier sehr gut gewählter Name!) soll in ein Altenheim kommen, sein Leben (Inhalt) soll seinem Leben (Existenz) geopfert werden. Auch das funktioniert nicht. Sam soll ein jüdisches Fest erfahren, obwohl im (und der ganzen Familie) der Glaube irgendwie fremd ist. Er soll den Konventionen und der Tradition geopfert werden. Und er weigert sich. Und alles zeigt sich in dem armen Tier, das am Ende ist, aber nicht sterben darf, weil Jacob sich nicht eingestehen kann, dass es Zeit ist.
Der Roman ist ein sehr nachdenklicher und sehr guter Roman. Nicht immer ist er leicht zu lesen und noch weniger leicht zu verdauen. Doch er hat eine immense Tiefe und so viele Punkte, die ich liebend gerne analysieren würde. Es ist ein dichtes Buch, das viel Reflektion zeigt und komplex aufgebaut ist. Aber es ist es wert! Versprochen.