Wesentlich weniger berauschend als Harry Potter
Die Tiermagierin – SchattentanzGleich vorab für den Entertainment Weekly: Nur, weil es sich um eine Fantasygeschichte handelt, ist es kein neuer Harry Potter und abgesehen von der Existenz magischer Tierwesen haben die beiden Buchreihen, ...
Gleich vorab für den Entertainment Weekly: Nur, weil es sich um eine Fantasygeschichte handelt, ist es kein neuer Harry Potter und abgesehen von der Existenz magischer Tierwesen haben die beiden Buchreihen, zumindest im ersten Band, nichts gemeinsam.
Hauptcharakter von "Die Tiermagierin" ist Leena, die, wer hätte es gedacht, eine Tiermagierin ist und infolge dessen, großer Schock, magische Tierwesen zähmen kann. Anscheinend ist das eine recht besondere Eigenschaft, den in ihrem Umfeld kann das sonst keiner - nur dort, wo sie herkommt, in Hireath, der Tiermagierstadt, können das alle. Ohne Exil verlässt die jedoch keiner, auch Leena nicht ... Auf diese junge Frau werden Noc und seine Assassinen-Kumpels von Cruor angesetzt, die schon einmal tot waren und jetzt als Todesbringer unterwegs sind. Die brilliante Leena überlistet sie jedoch gleich bei ihrem ersten Anschlagsversuch und beschließt, sich aus ihrer Lage heraus zu verhandeln. (Ohne zu wissen, dass das nicht geht.) Ihr Angebot für den Leiter von Cruor (Noc, welche Überraschung): Vier Tierwesen für Noc und seine besten Kumpel, dafür lassen sie sie wieder gehen. Weil sie an die aber erstmal herankommen müssen, beginnen sie eine Reise quer durch das Land, während der sie sich natürlich auch näher kommen und ... den Rest kann man sich fast denken.
Einen guten Roman machen vier, vielleicht fünf Aspekte aus: die Handlung, die Charaktere, die Handlungsorte, der Erzählstil und das Konzept dahinter.
Beginnen wir mit letzterem: Titel und Klappentext legen nahe, dass es sich um eine spannende Fantasygeschichte handelt, die später durch einen romantischen Plot ergänzt wird. Dass dieser stattdessen quasi von Anfang an da ist, mag dem Buch verziehen sein, dass mit der Fantasy ist allerdings so eine Sache - was mich zu den Handlungsorten führt. Hier wirkt vieles wie "gewollt und nicht gekonnt" oder eben gleich gar nicht gewollt. Martineaus Welt hat immer wieder Anklänge von High Fantasy und ist dann doch wieder banal oder sogar modern. Es gibt Züge (aber weder Autos noch Kutschen) und Gegenstände des täglichen Bedarfs aus unserer Welt, die innerhalb von Lendria (der Fantasywelt) nicht unbedingt Sinn ergeben. Wirklich gelungen sind die Tierwesen, die durch ihren Facettenreichtum und ihre interessanten Eigenschaften ein echtes Highlight sind.
Martineau erzählt ihre Geschichte flüssig und spannend, auch wenn die Charaktere immer wieder entweder eine ungewöhnlich banale oder gestelzte Sprache verwenden, so als ob sie selbst nicht wüssten, wie sie sprechen sollten. (Liegt das an der Übersetzung? So oder so stört es.) Die Handlung ist (wie vielleicht oben schon deutlich wurde) etwas sehr vorhersehbar, wenn auch das Ende noch einige Überraschungen bereithält. Dazu kommen unerwartet explizite Szenen, die weniger dem Plot als mehr der Unterhaltung bestimmter Zielgruppen diente und meines Erachtens nicht notwendig waren.
Fehlen noch die Charaktere: Anders als sonst oft überzeugen hier vor allem die Nebencharaktere. Während des Buchs lernt man verschiedene Facetten von ihnen kennen, sie wachsen über sich selbst heraus und am Ende mag man sie wirklich gern. Mit den Hauptcharakteren Leena und Noc bin ich leider nicht sonderlich warm geworden, da sie mir persönlich einfach zu platt waren und einen langweiligen Charakter macht halt auch eine mysteriöse Hintergrundgeschichte (die man nach den ersten zwei Andeutungen weitestgehend durchschaut hat, auf die aber noch gefühlt ein weiteres Dutzend Male hingewiesen wird und deren Spannungsbogen trotzdem bis ins zweite Buch reichen soll ...) nicht wett.
Insgesamt hat mich das Buch enttäuscht, weil ich wirklich mehr erwartet hatte. Z.B. bei der Welt, in der die Geschichte spielt aber auch bei den Handlungssträngen (auch der Nebencharaktere) hätte es so viel mehr Potential gegeben, was aus meiner Sicht für einen seichten Plot aufgegeben wurde. Schade!
Empfehlen kann ich das Buch LeserInnen, denen romantische und sinnliche Unterhaltung wichtiger ist als die tatsächliche Handlung und denen High Fantasy Literatur zu viel ist, aber eine mittelalterlich angehauchte Fantasy-Welt genau richtig.