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Veröffentlicht am 13.03.2019

Ein Smartphone – zwei Leben

TEXT
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"TEXT" ist die sehr intensive Geschichte des jungen, frisch entlassenen russischen Ex-Häftlings Ilja, dessen Neustart in Freiheit ganz anders verläuft, als geplant. Ilja macht nicht alles richtig, aber ...

"TEXT" ist die sehr intensive Geschichte des jungen, frisch entlassenen russischen Ex-Häftlings Ilja, dessen Neustart in Freiheit ganz anders verläuft, als geplant. Ilja macht nicht alles richtig, aber mir ist er ans Herz gewachsen. Er ist zwar eher ein Verlierertyp, aber bei mir überwiegte Sympathie und Mitgefühl vor Mitleid. Ich habe mit ihm mitgefiebert und zwar nicht an ein Happy End für ihn geglaubt, aber dennoch darauf gehofft. Auch Petja lernt man als Leser durch Iljas Nachforschungen in dessen Handy überraschend gut kennen. Oberflächlich betrachtet ist er das Gegenstück zu Ilja: erfolgreich, wohlhabend, schöne Frauen. Erst nach und nach zeigen sich die dunklen Seiten seines Lebens.

Dmitry Glukhovsky zeigt dabei auch ein Bild des modernen Russlands, das er sehr düster darstellt. Für mich las sich dieses Bild meist so, als hätte der Autor es speziell für den nichtrussischen Leser geschrieben, was mich etwas erstaunt, da das Buch ja im Original in Russland erschienen ist. Vielleicht ist das aber auch das Werk der Übersetzerin Franziska Zwerg.

Man kann Dmitry Glukhovskys Roman auch als Kritik am smartphonebestimmten Leben, das wir ja fast alle mehr oder weniger führen, lesen. Diese Kritik wird oft ziemlich direkt in Beschreibungen der Umwelt ausgesprochen, unterschwellig lese ich sie aber auch in der eigentlichen story heraus, in der Ilja Petjas Leben anhand der Informationen auf dessen Smartphone erschreckend gut rekonstruieren kann.

Sprachlich oft raffiniert und wortspielerisch, aber immer gut lesbar. Für mich nahm die Beschreibung oft so an Fahrt auf, dass ich manch schönen Satz aber fast überlesen hätte.

Veröffentlicht am 04.03.2019

Umwelt- und Tierschutz in unterschiedlichen Ausprägungen

Schiff oder Schornstein
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Andrea Stift-Laube erzählt in "Schiff oder Schornstein" die Geschichte von Ila und Konstantin, die sich kennen lernen, nachdem Ilas Schwester Franzi spurlos verschwindet. Alle drei Figuren vereint das ...

Andrea Stift-Laube erzählt in "Schiff oder Schornstein" die Geschichte von Ila und Konstantin, die sich kennen lernen, nachdem Ilas Schwester Franzi spurlos verschwindet. Alle drei Figuren vereint das Engagement im Umwelt- und Tierschutz, das sie jeweils in unterschiedlicher Ausprägung leben.
Mir hat gefallen, dass es dabei nie belehrend oder schwermütig wird. Die Autorin findet aber kurze (und auch längere) Themenaspekte, die den Leser aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Der Versand für Katzenfleisch ist da als zentraler Aspekt zu nennen. Die Umstände dieser Kunstaktion werden so kurz und knapp berichtet, dass man meinen könnte, das wäre eine verkürzte Darstellung – ich fand die Beschreibung aber pointiert und genau richtig. Diese Erzählart zieht sich durch das ganze Buch. Ich fand das sehr angenehm und unanstrengend zu lesen.
Sprachlich stolpert man als nicht-österreichischer Leser vielleicht über manche Ausdrücke, aber es ist auch für deutsche Leser sehr gut verständlich geschrieben.
Für mich eine moderne lesenswerte Beschäftigung mit dem Thema Tier- und Umweltschutz.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Geschwister auf einem Roadtrip

Ein geschenkter Tag
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Ein schönes Buch über einen Roadtrip und vier Geschwister.
Französisch-locker-leicht im üblichen Gavalda-Ton verfasst, den man mag (oder eben nicht). Die Ich-Erzählerin ist frech, scharf beobachtend, manchmal ...

Ein schönes Buch über einen Roadtrip und vier Geschwister.
Französisch-locker-leicht im üblichen Gavalda-Ton verfasst, den man mag (oder eben nicht). Die Ich-Erzählerin ist frech, scharf beobachtend, manchmal an der Grenze zur Arroganz. Es gibt recht viele Bezüge zu Filmen (etc.), die ich nicht kenne – ich konnte drüber hinweg lesen, aber naja.
Die Szene mit den 'Zigeunern' könnte man evtl. als rassistisch bewerten.

Davon mal abgesehen, war es für mich insgesamt eine schöne, schnelle Lektüre.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Radikal ehrlich

Frau im Dunkeln
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Leda, die Ich-Erzählerin in Elena Ferrantes "Die Frau im Dunkeln" ist keine Protagonistin, die dem Leser direkt ans Herz wächst. Viele finden die Wissenschaftlerin und geschiedene Mutter im mittleren Alter ...

Leda, die Ich-Erzählerin in Elena Ferrantes "Die Frau im Dunkeln" ist keine Protagonistin, die dem Leser direkt ans Herz wächst. Viele finden die Wissenschaftlerin und geschiedene Mutter im mittleren Alter unsympathisch, ich fand sie vor allem ehrlich. Schonungslos erzählt sie aus ihrem Leben – vor allem dem problematischen Verhältnis zum eigenen Muttersein. Die Geschichte kreist dabei insgesamt um drei unterschiedliche Mutter-Tochter-Beziehungen. Ich empfand diese Schilderungen als ehrlich und realistisch und keinesfalls romantisch verklärt. Es ist also keine feel-good-Lektüre, sondern eine intensive, ehrliche Beschreibung, die auch Erschöpfung und Überforderung und die sich daraus ergebenden teils radikalen Schritte der Mütter beinhaltet.

Die Ich-Erzählerin Leda weist deutliche biographische Ähnlichkeiten zur Ich-Erzählerin Lena in der Neapolitanischen Saga auf. Ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass das verhältnismäßig schmale Büchlein "Die Frau im Dunklen" im italienischen Original bereits fünf Jahre vor "Meine geniale Freundin" erschienen ist. Ich kann aber nur vermuten, dass es sich bei der Figur Lena um eine literarische Weiterentwicklung der Figur Leda handelt.

Sprachlich ist das Buch so wie auch die Neapolitanische Saga ruhig und klar verfasst – sehr angenehm zu lesen.

Veröffentlicht am 19.02.2019

Philosophischer Kurzthriller

Und dein Leben, dein Leben
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Magret Kindermann bezeichnet ihr schmales Büchlein "Und dein Leben, dein Leben" selbst als philosophischen Thriller. Diese Beschreibung passt meiner Meinung nach gut – ein Thriller, der ohne viel Brutalität ...

Magret Kindermann bezeichnet ihr schmales Büchlein "Und dein Leben, dein Leben" selbst als philosophischen Thriller. Diese Beschreibung passt meiner Meinung nach gut – ein Thriller, der ohne viel Brutalität oder in die Länge gezogene Spannung auskommt. Die Geschichte über die Autorin Carmen – ich möchte gar nicht viel über die Handlung verraten – ist meiner Meinung nach auf den 112 Seiten rund erzählt, auch wenn mir das Verhalten von Carmen nicht in allen Szenen schlüssig vorkam.
Sprachlich solide und gut lesbar.