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Veröffentlicht am 11.09.2024

Die Abschaffung des Todes - wenig Thrill, hohe Brisanz

Die Abschaffung des Todes
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Worum geht's?
James Henry Windover, Gründer und Geschäftsführer der höchst exklusiven Windover View-Zeitung, erlaubt uns einen Blick hinter die Kulissen seiner journalistischen Arbeit: Redaktionskonferenzen, ...

Worum geht's?
James Henry Windover, Gründer und Geschäftsführer der höchst exklusiven Windover View-Zeitung, erlaubt uns einen Blick hinter die Kulissen seiner journalistischen Arbeit: Redaktionskonferenzen, Kontaktpflege, Investigativrecherchen - regelmäßig werden für einen kleinen Kreis gut zahlender Abonnenten auf diese Weise die wichtigsten Entwicklungen des Weltgeschehens zusammengestellt. Als Windover die Möglichkeit erhält, an dem Investorentreffen eines Start-ups teilzunehmen, das mittels Medizin- und Nanotechnologie den Upload des menschlichen Bewusstseins in die Cloud ermöglichen will, macht sich Windover daran, herauszufinden, was wirklich hinter der Geschäftsidee steckt. Sein journalistischer Spürsinn führt ihn, mit Unterstützung seines Redaktionsteams, zu einem Schriftsteller, den die Investoren mit Schweigegeldzahlungen ruhig zu stellen versuchen. Auf der Suche nach der Wahrheit wird Windover schnell klar, dass seine Recherchen jemand Mächtigem gehörig zu stören scheinen.

Mein Leseeindruck
Eschbach gelingt hier, wie gewohnt, ein fesselnder und unterhaltsamer Einstieg in die Geschichte, der von einer angenehmen Spannung um die Geschäftsidee von Youvatar geprägt ist. Zusätzlich gewürzt wird das Ganze durch den Anspruch des Romans, es handle sich hier um eine reale Begebenheit, bei der lediglich die Namen der handelnden Personen verändert wurden, um rechtliche Konsequenzen zu umgehen.
In den ersten Kapiteln werden zahlreiche Charaktere eingeführt, was die Lektüre etwas unübersichtlich machen kann. Auch die vielen neuro- und naturwissenschaftliche Zusammenhänge, Theorien und Beispiele gestalten die Lektüre bisweilen komplex, sind aber notwendige Voraussetzungen, um die späteren Entwicklungen nachvollziehen zu können. Der hin und wieder eingestreute trockene Humor des britischen Protagonisten, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, bietet hier eine erfrischende und unterhaltsame Abwechslung.
In der zweiten Hälfte des Romans entwickelt sich der Spannungsbogen dann sehr schnell - bevor er leider auch schon wieder vorbei ist und die einzelnen Handlungsstränge nach und nach ihre, teilweise vorhersehbare und insgesamt eher ernüchternde Auflösung finden.
Während mich der Roman sprachlich-erzählerisch überzeugen konnte, habe ich inhaltlich die klassischen Thriller-Elemente vermisst und mich stellenweise schwer getan, der Story zu folgen.

Fazit
Eschbachs neuester Roman verspricht leider mehr als er halten kann. Trotz der Brisanz des Themas und des gewohnt flüssigen Schreibstils von A. Eschbach habe ich mich mit der Lektüre schwer getan und hätte das Buch bisweilen am liebsten zur Seite gelegt. Nach einer zwar unterhaltsamen, aber ruhigen Exposition nimmt die Story etwas an Fahrt auf, enttäuscht jedoch mit einem (für mich) unbefriedigenden und nicht vollkommen überzeugenden Schluss.
Man kann den Roman gemäß seines eingangs postulierten Anspruchs als Parabel auf den Erfindergeist und die Ausstrahlungskraft des Silicon Valley verstehen: "Die Abschaffung des Todes" liefert interessante Analysen und Gedankenanstöße zu aktuellen Entwicklungen, gängigen Geschäftspraktiken sowie realen (auch streitbaren) Charakteren aus der Welt der IT- und Hightech-Industrie. Ob die Bezeichnung "Thriller" für dieses Gedankenspiel passend ist, möge jede/r selbst entscheiden.

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Veröffentlicht am 08.04.2023

Einmal Boston und zurück - Mit dem Fahrrad um die Welt

Die Radfahrerin
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Kurze Inhaltszusammenfassung
Boston, 1894. Alles beginnt mit einer Wette: Ist eine Frau in der Lage, mit einem Fahrrad die Welt zu umrunden? John Dowe, Literaturprofessor und Verfechter der Gleichberechtigung ...

Kurze Inhaltszusammenfassung
Boston, 1894. Alles beginnt mit einer Wette: Ist eine Frau in der Lage, mit einem Fahrrad die Welt zu umrunden? John Dowe, Literaturprofessor und Verfechter der Gleichberechtigung von Frauen, meint ja. Samuel Thatcher, Zuckergroßhändler und Vertreter der androzentrischen Weltsicht dieser Zeit hält ein solches Unterfangen dagegen für absurd. Der Wetteinsatz beträgt fünftausend Dollar, ein regelrechtes Vermögen.
Die junge Mutter und Annoncenverkäuferin Anna Kopchovsky stellt sich dieser Herausforderung und radelt am 25. Juni 1894 los. Auf ihrer Reise lernt sie nicht nur neue Städte, Unterstützer*innen und Verehrer kennen, sondern muss sich mit zahlreichen Gefahren und Gegnern ihres Vorhabens auseinandersetzen. Dabei jedoch entdeckt sie auch ganz neue Seiten an und Freiheiten für sich selbst.

Mein Leseeindruck
Der lebendige Schreibstil lässt uns direkt in die Geschichte eintauchen und mit Annie mitfühlen. Unterstützt wird dies durch eingestreute Kapitel, die als Tagebucheinträge formuliert sind und das Geschehen eindrücklich aus Annies Perspektive schildern.
Die Lebensbedingungen von Annie und ihrer Familie sind bedrückend, das wird beim Lesen mehr als deutlich, und stehen sicherlich stellvertretend für viele Einwanderungsbiographien dieser Zeit. Auch die Rückschläge, gegen die Annie bereits vor Antritt ihrer Fahrt zu kämpfen hat, zeichnen das Frauen- und Gesellschaftsbild der damaligen Zeit anschaulich nach. So muss sie sich nicht nur gegen Widerstand aus ihrer eigenen Familie durchsetzen, sondern auch mit einer kritischen, häufig frauenfeindlichen öffentlichen Meinung umgehen lernen. So wird die Reise auch zu einer emotionalen bzw. charakterlichen Reifeprüfung für die junge Frau, deren Entwicklung zu einer selbstbewussten, selbstbestimmten Persönlichkeit wir im Verlauf der Handlungen hautnah mitverfolgen können.

Mein Fazit
Mit "Die Radfahrerin" gelingt es Susanne Leonard, die harschen Lebensrealitäten von Einwander- und Arbeiterfamilien um 1900 in den USA eindrücklich zu schildern. Das amerikanische Narrativ "From dishwasher to millionaire" wird hier anhand der Biographie von einer jungen Einwanderin verarbeitet. Dabei steht nicht so sehr die eigentliche Weltumrundung mit dem Fahrrad, sondern deren historischer Hintergrund und die Charakterentwicklung Annies im Vordergrund - vermutlich auch, weil der größte Teil der Reise nicht historisch greifbar ist. Trotzdem wird bei der Lektüre von "Annie Londonderry" das Bild einer willensstarken jungen Frau deutlich, deren mutige Leistung die Welt zu Unrecht vergessen hat.

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