Profilbild von Paperboat

Paperboat

Lesejury Star
offline

Paperboat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Paperboat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.02.2024

Eine Freundschaft von Außenseitern

Boys Run the Riot 1
0

Ryo ist ein Junge. Weil er aber als Mädchen geboren wurde, wird er auch als solches behandelt. Vor allem in der Schule stößt er mit Versuchen, seine eigene eigene Identität zu finden, immer wieder an die ...

Ryo ist ein Junge. Weil er aber als Mädchen geboren wurde, wird er auch als solches behandelt. Vor allem in der Schule stößt er mit Versuchen, seine eigene eigene Identität zu finden, immer wieder an die Grenzen der Erwartungen.
Und dieser eine Morgen in der Schule ändert alles. Denn am Nachbartisch sitzt ab heute Jin auf. Unangepasst taucht er auf und erregt Ryos Bewunderung, denn von Kopf bis Fuß, von seiner Frisur über Piercings bis zu seinen Klamotten verkörpert der lässige Sitzenbleiber alles, was der Transjunge gerne wäre. Eine zufällige Begegnung in ihrer Freizeit besiegelt die Freundschaft der beiden, als Jin Ryo fragt, ob sie nicht ein Klamottenlabel zusammen gründen wollen. Die zwei völligen Unbekannten starten durch, um sich einen Namen zu machen.

Eine Freundschaftsgeschichte deluxe! In Japan gibt es ein Sprichwort:
出る杭は打たれる。 Deru kugi wa utareru. Der hervorstehende Nagel wird eingeschlagen.
Die Gemeinschaft und Angepasstheit gilt in Japan alles. Darunter leidet Ryo, der sich nicht in seine zugedachte Rolle fügen kann. Was macht man, wenn die Gesellschaft einen nicht akzeptiert? - Man gründet eine eigene. Und so beginnt diese vierbändige Manga-Reihe für mich, und jetzt muss ich ganz schnell zusehen mir die anderen drei Bände zu besorgen!

Veröffentlicht am 18.02.2024

Ein ganz, ganz tolles Buch für Kinder UND Erwachsene

Himmelwärts
0

«Da ist ein Loch in der Welt, das genau Mamas Konturen hat.»

Toni hat eine große „Vermissung“, denn sie hat ihre Mutter verloren. Aus diesem Grund zelten sie und ihre beste Freundin YumYum im Garten, ...

«Da ist ein Loch in der Welt, das genau Mamas Konturen hat.»

Toni hat eine große „Vermissung“, denn sie hat ihre Mutter verloren. Aus diesem Grund zelten sie und ihre beste Freundin YumYum im Garten, um mithilfe eines selbstgebauten kosmischen Radios Kontakt zu Tonis Mama aufzunehmen. Mit Unmengen an Snacks und YumYums geballten Wissen übers Weltall nehmen sie das Radio in Betrieb und kriegen statt Tonis Mutter eine waschechte Astronautin an die Strippe. Doch zu keinem Zeitpunkt kommt Enttäuschung darüber auf, Tonis Mutter nicht erreicht zu haben. Die Astronautin Zanna erzählt den Mädchen vom All-Tag (pun intended!) und beantwortet Tonis brennende Frage, was der Himmel eigentlich ist. Zanna gibt den beiden Mädchen, die von der Vergangenheit getrieben den Kontakt aufgebaut haben, einen Blick voraus in die Zukunft und hinterlässt einen Berg an Zuversicht und Freude.

Die inbrünstige Freundschaft zu Yumyum bildet einen blühenden Kontrast zu den Erinnerungen Tonis an ihre Mutter und deren traurigen Tod. Die abwechslungsreiche Erzählweise, die einfallsreichen Illustrationen und auch visuellen Spielereien mit dem Text mildern das ernste Thema des Buches ab, ohne ihm die Relevanz zu nehmen. Karen Köhler hat ein ganz zauberhaftes Buch geschrieben, das Kinder und Erwachsene gleichermaßen zu berühen und begeistern in der Lage ist.

Veröffentlicht am 18.02.2024

Ein Einblick in eine verborgene Welt

Sex-Workers
0

In letzter Zeit habe ich mehr und mehr Lust auf Bildbände, und wie die meisten habe ich mir auch diesen hier antiquarisch besorgt.
Tim Oehler hat für ein Fotoprojekt Sexarbeitende besucht. Sexarbeiter:innen, ...

In letzter Zeit habe ich mehr und mehr Lust auf Bildbände, und wie die meisten habe ich mir auch diesen hier antiquarisch besorgt.
Tim Oehler hat für ein Fotoprojekt Sexarbeitende besucht. Sexarbeiter:innen, Stripper:innen, Masseur:innen, Frauen wie Männer und Transpersonen. Jede:n von ihnen lässt er mit einem Portrait und Text/Gedanken zu Wort kommen. Sowohl an ihrem Arbeitsplatz in Bordellen, BDSM-Studios, Massagestudios, Laufhäusern oder Stripclubs als auch in ihren Freizeithabitaten hat er Fotos mit ihnen gemacht und in diesem Bildband vereint. Kontraste, die größer nicht sein könnten und doch zusammen gehören wie jeder Feierabend zur berufstätigen Person. Und zeigt damit, dass Sexarbeit auch Arbeit ist. Care-Arbeit auf einem anderen Level.

Der Bildband ist wunderschön gestaltet, das fängt bereits im Außen an. Eingebunden in lilafarbenen Samt will ich beim Betrachten und Lesen das Buch gar nicht aus der Hand legen. Das Konzept Oehlers gefällt mir unglaublich gut. Auf einer Doppelseits jeweils Gedanken/Text und Portraits einer Person nebeneinander. Die Porträts immer im gleichen Stil; dunkler Hintergrund, die Person beleuchtet in Lila- und Pinktönen. Auf den Folgeseiten die jeweilige Person in ihren Arbeitsräumen. Dann die Person in ihren privaten Umfeldern, bunt wie das Leben selbst. Die Gedanken der vorgestellten Personen sind vielfältig, doch eins eint sie; der Wunsch, nicht mehr stigmatisiert und ihre gewählte Arbeit nicht tabuisiert zu werden.

Ich stelle demnächst gerne noch andere Bildbände vor, in die ich in der letzten Zeit hineingeblättert habe!

Veröffentlicht am 18.02.2024

Ein kleines bisschen Dystopie

Ziemlich zappenduster
0

Lisas Familie erlebt natürlich genau dann den Stromausfall des Jahrhunderts, als Lisas Vater mit einkaufen dran war. Mit den väterlichen Einkaufskünsten sitzt die Familie nun mit lediglich zwei Flaschen ...

Lisas Familie erlebt natürlich genau dann den Stromausfall des Jahrhunderts, als Lisas Vater mit einkaufen dran war. Mit den väterlichen Einkaufskünsten sitzt die Familie nun mit lediglich zwei Flaschen Mineralwasser zu Hause und wartet darauf, dass der Strom wieder anspringt. Für Lisas Bruder ist der Blackout besonders schwer zu ertragen, denn natürlich funktioniert weder das Internet noch kann er mit seinem Smartphone Videos für seinen YouTube-Kanal drehen. Während Lisas Vater seiner typischen Mal-schauen-was-kommt-Art glaubt, dass sich der Strom schon bald wieder einschalten wird, erkennt ihre Mutter die Gefahr einer aufkommenden Panik in der Bevölkerung, in der keiner mehr sicher ist. Und tatsächlich tauchen bald Plünderer auf, gegen die sich die Familien des Mehrfamilienhauses wehren müssen.

Das Fazit, das dieses Buch hinterlässt: Bereite dich vor. Lisas Papa ist ein Meister der Verdrängung, schwankt von der Zuversicht, dass die Regierung den Stromausfall schon bald behoben haben wird, zwischen Schuldzuweisungen, wer dafür verantwortlich ist und Verzweiflung darüber, eben nicht im Mindesten vorbereitet zu sein. In dem Chaos aus fehlender Heizung, fehlendem Wasser und kaum Nahrungsmitteln bewahrt Lisa sich nicht nur Zuversicht, sondern hält vor allem Ausschau danach, wer Hilfe braucht und von wem man welche erhalten kann.

Veröffentlicht am 18.02.2024

Escape-Game next Level

Die Burg
0

Die Burg. Ein Escape-Game next Level. Denn die Burg ist ein nie dagewesenes KI-Spektakel. Eine mittelalterliche Burg, ausgekleidet mit Monitoren, auf denen die künstliche Intelligenz ihr Szenario ablaufen ...

Die Burg. Ein Escape-Game next Level. Denn die Burg ist ein nie dagewesenes KI-Spektakel. Eine mittelalterliche Burg, ausgekleidet mit Monitoren, auf denen die künstliche Intelligenz ihr Szenario ablaufen lassen. Das Konzept der Burg wirkt zunächst wie die Nachmittagsbeschäftigung eines Dreijährigen, der stundenlang gebannt auf den Fernsehbildschirm guckt und sich von seinem Cartoon nicht losreißen kann. Wenn die KI aus den eingegebenen Vorgaben und den dunkelsten Geheimnissen ihrer Spieler:innen deren persönlichen Horrorfilm gestaltet, dann bleibt am Spaß vom Spiel nur noch der Drang zur Flucht.

Genau das passiert Maxim Ascher, der mit einer Gruppe von Mitspieler:innen zu einem Testspiel vor der offiziellen Eröffnung gegen eine großzügige Gage eingeladen wird. Erfinder der Burg, Nevio, lädt nebst Maxim noch vier bunt zusammengewürfelte Leute ein, die am Testlauf teilnehmen sollen. Maxim, der einige brilliante Escape-Rooms betreibt, ahnt bereits nach einer kleinen Kostprobe in den Räumen der künstlichen Intelligenz, dass dieses Projekt das Grab seines eigenen Lebenswerks bedeuten wird.
Was als letzter Test startet, wird in den weitläufigen Verliesen und Kellern der Burg zu einem individuell zugeschnittenen Horrortrip für alle aus der Gruppe, denn die KI beschließt, ein ganz eigenes Spiel zu starten, in dem nur ihre Regeln gelten. Denn das Computersystem herrscht über alle technischen Ausstattungen der Burg mitsamt dem Kommunikationssystem, Klima- und Heizungssystem und Schließmechanismen.

Eigentlich sind es ja nur Keller mit Monitoren, in denen Poznanski ihren aktuellen Thriller spielen lässt. Wenn aber eine Computerintelligenz darüber entscheidet, wann sie wen heraus- oder Räume weiterlaufen lässt, welche Bilder sie zeigt, ob sie einen schwitzen oder frieren lässt, ist weggucken keine Option - dann muss das Rätsel der KI gelöst werden, bevor Erschöpfung, Dehydrierung und Schlimmeres Tribut fordern.
Ich freue mich, mal wieder etwas sehr Spannendes von Ursula Poznanski gelesen zu haben!