Profilbild von Susi

Susi

Lesejury Star
offline

Susi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Susi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.01.2019

objektiver Bericht

Einbruch der Wirklichkeit
0

Der Autor war bei den Flüchtlingsrouten und hat sich ein Bild von der Lage, den Menschen und den Fluchtbedingungen gemacht. Dabei blieb er überraschend neutral und sachlich. Er wird weder rührselig noch ...

Der Autor war bei den Flüchtlingsrouten und hat sich ein Bild von der Lage, den Menschen und den Fluchtbedingungen gemacht. Dabei blieb er überraschend neutral und sachlich. Er wird weder rührselig noch reißerisch und beleuchtet verschiedene Seiten. Er übt Kritik, bleibt aber auch dabei objektiv. Die Fotos sind schwarzweiß und auch hier ruhig und nicht reißerisch. Gerade die leisen Töne der Bilder z.B. ein paar nackte Füße können nachdenklich machen und lassen das große Elend erkennen, dem die Menschen ausgesetzt sind.
Da ich selbst auf Lesbos in Flüchtlingslagern geholfen habe, hat mich dieser Bericht natürlich interessiert. Ich war allerdings Monate später dort, kurz bevor die Grenzen geschlossen und ein Weiterkommen nicht mehr möglich wurde. Den Menschen geht es nun noch viel schlimmer. Vieles, was ich gesehen und erfahren habe, kommt gar nicht drin vor, z.B. dass die Rettungswesten, die die türkischen Schlepper an die Flüchtlinge verkaufen fake sind und diese eher unter Wasser ziehen, weil sie sich voll saugen. Anderes hatte sich geändert, z.B. dass die Flüchtlinge nicht mehr zu Fuß nach Mytelini marschieren müssen. Als ich da war, gab es Busse und ich weiß nicht, wie die Gestalten, die mir aus den Bussen vor Erschöpfung entgegen taumelten, es zu Fuß geschafft hätten. Vor allem die Kinder. Anderes habe ich gar nicht erlebt, da ich ja nur auf Lesbos war und nicht auch in der Türkei und auf der Balkanroute.
Mir hat das kleine Büchlein gut gafallen, weil es neutral von dem Schicksal der Menschen berichtet, ohne Partei zu ergreifen und weil der Autor vor Ort war und nicht nur theoretisch von diesem Trauerspiel berichtete.

Veröffentlicht am 29.12.2018

Was hab ich mich amüsiert

Totenstille im Watt
0


Was hab ich mich amüsiert !
Wer die Ostfrieslandkrimis von diesem Autor mag, wird auch hieran seinen Spaß haben. Diesmal aus Sicht eines Serienkillers, der erstmal gar nicht so unsympathisch ist. Er erklärt ...


Was hab ich mich amüsiert !
Wer die Ostfrieslandkrimis von diesem Autor mag, wird auch hieran seinen Spaß haben. Diesmal aus Sicht eines Serienkillers, der erstmal gar nicht so unsympathisch ist. Er erklärt uns, wie es dazu kam, dass er sich als Arzt in Ostfriesland niederließ, wir mögen ihn, weil wir auch so gerne lesen wie er und wir schmunzeln, weil uns alte Bekannte wiederbegegnen. Ermittlerin Ann Kathrin Klaasen ist eine seiner Patientinnen. Und zu guter Letzt, erfüllt es uns mit Genugtuung, dass er für Gerechtigkeit sorgt. Aber so langsam läuft alles etwas aus dem Ruder...
Mir hat das Buch viel Freude gemacht, es liest sich leicht und man kann sich in alle Figuren gut reinversetzen. Allerdings habe ich mich schon gefragt, wieviele nackte Männer in Ostfriesland nachts im Watt rumstehen.... Die Osfrieslandkrimis sind spannender, aber hier habe ich mich mehr amüsiert. Daher freue ich mich auf Band Zwei und auch, dass dieser im Pott beginnt.

Veröffentlicht am 25.12.2018

spannend

Stich ins Herz
0

In einer Schönheitsklinik wird ein Chirurg ermordet, mit einem glatten Stich ins Herz. Wen hat er so nah an sich ran gelassen ? Und wo ist er an den Abenden hingegangen, wo in seinem Terminkalender nichts ...

In einer Schönheitsklinik wird ein Chirurg ermordet, mit einem glatten Stich ins Herz. Wen hat er so nah an sich ran gelassen ? Und wo ist er an den Abenden hingegangen, wo in seinem Terminkalender nichts steht ? Was passiert eigentlich in der Klinik ?
Spannend, aber anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Der Krimi spielt in der Zukunft (2059) und es gibt einige interessante Dinge, auf die aber nicht näher eingegangen wird. So stellt z.B. eine Frau nach der Geburt einen "Antrag auf Anerkennung als professionelle Mutter", was wohl bedeutet, dass man nichts dazu verdienen darf. Malt man z.B. ein Bild und verkauft dieses, muß man den Betrag spenden, um den Status der professionellen Mutter zu behalten. Mich hätte interessiert, was mit den Kindern passiert, wenn die Mutter diesen Antrag nicht stellt, oder er nicht genehmigt wird, aber darauf wird nicht weiter eingegangen.
Wie gesagt, fand ich es zunächst ein wenig schwer reinzukommen, einiges mußte ich doppelt lesen, weil der Schreibstil etwas holprig und ungewohnt war, aber später wurde es besser und ließ sich dann leicht und flott lesen. Auch die Ermittlerin war anfangs sehr unsympatisch und hart. (Es war ihr z.B. sehr unangenehm, wenn sie ein Geschenk von ihrem Mann bekam). Aber auch sie war vor allem anfangs sehr barsch und zickig, was sich mit der Zeit besserte.
Die Geschichte selbst ist spannend und könnte in der Zukunft tatsächlich so passieren, was das Ganze reichtig gruselig macht. Werde bald das nächste Buch des Autors lesen, denn es hat es sich dann doch zu einem Pageturner entwickelt.

Veröffentlicht am 18.12.2018

Sprachwitz

Der Wortschatz
0

Dies Buch, über ein Wort, dessen Erinnerung fehlt und das sich jetzt aufmacht, seine Bedeutung zu suchen, ist sehr poetisch und voller Phantasie. Man kann die Liebe des Autors zur Sprache spüren. Teils ...

Dies Buch, über ein Wort, dessen Erinnerung fehlt und das sich jetzt aufmacht, seine Bedeutung zu suchen, ist sehr poetisch und voller Phantasie. Man kann die Liebe des Autors zur Sprache spüren. Teils skurill und nicht immer verständlich, besticht das Buch durch seinen Wortwitz und Einfallsreichtum. Als das Wort z. B. in einen Fluß fällt, heißt das nächste Kapitel "Im Sprachfluß".
Das Buch macht auch etwas wehmütig. z.B. als es um vergessene Wörter geht ( Stundenglas, heute heißt es Sanduhr). Angesichts von SMS und der bei Jugendlichen verbreiteten Kommunikation via Handynachrichten, scheint die Gefahr einer Verarmung der Sprache durchaus real. Mein Kind liest leider nicht und es ist erschreckend, wieviele Wörter es nicht kennt.
Die Geschichte selbst hat mir mäßig gefallen, aber den Sprachwitz fand ich klasse. Zwei Beispiele : a) -- Artikel und Wort sollen auf ewig verbunden werden. Es gibt eine Art Hochzeit, wo gegenseitige Treue geschworen wird und statt "sie dürfen die Braut jetzt küssen" heißt es : "Sie dürfen ihr Wort nun halten" (S.60) -- b) eine Marktszene : " (wo)...der Marktschreier, ein schlecht gelaunter Imperativ, seine Ware lauthals anschrie:"Steh, Lampe ! Trage, Tasche ! Sitz, Gelegenheit !" "(S.82). Herrlich ! Sowas mag ich. Die Bedeutung des Wortes ist auch schön gewählt und die "Umstellung" ist irgendwie richtig zart und liebevoll, so sanft ist sie. Fast wie ein Hauch. Und alles passt zusammen.
Ein märchenhaftes und schönes Buch voller Witz, Poesie und Ideen. Für alle, die Sprache lieben und mal ein ganz anderes Buch lesen wollen.

Veröffentlicht am 18.12.2018

Sind Sie gesundheitsrenitent ?

PHARMAKOS - Wenn in dir die Bombe tickt
0

Welch eine Horrorvorstellung und doch scheinen wir auf dem Weg dorthin zu sein.
Der Roman spielt in der nahen Zukunft (2019), ist aber schon 2009 geschrieben worden. Menschen, die rauchen oder nicht auf ...

Welch eine Horrorvorstellung und doch scheinen wir auf dem Weg dorthin zu sein.
Der Roman spielt in der nahen Zukunft (2019), ist aber schon 2009 geschrieben worden. Menschen, die rauchen oder nicht auf ihre Gesundheit achten gelten als "gesundheitsrenitent". Dies bedeutet fristlose Kündigung. Ist man dann arbeitslos, muß man mit den anderen Arbeitslosen in einen bestimmten Bezirk zwangsumziehen, damit man nicht als Bettler oder Asozialer das Stadtbild verunstaltet. Man gilt dann zusammen mit Rentnern und Drogensüchtigen als Parasit und wird beschimpft und ausgegrenzt. Vor dem Sozialamt muß man sich von Demonstranten beschimpfen lassen : "Schmarotzerschweine!", "Geh arbeiten !", "Für 10 Euro könnt ihr mein Klo putzen", "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen !"
Es gibt neue Gesetze, nach denen eine selbstverschuldete Krankheit (z.B. durch zu wenig Sport, Rauchen, falsche Ernährung) ein Kündigungsgrund ist und die Krankenkassen nur einen winzigen Teil der Behandlungskosten übernehmen. Der Anteil der Kostenübernahme errechnet sich aus dem "Selbstverantwortungskoeffizienten" . Volker, der im Monat 10.000 Euro verdient, wird mit Krebs diagnostiziert. Da er raucht, erfolgt der sofortige Rauswurf aus der Firma und der Zwangsumzug in die Sozialsiedlung in ein 3 Quadratmeter Zimmer. Die Kosten für die Therapie kann er kaum aufbringen.
Das Buch beginnt mit Volkers Flucht aus einer Klinik und springt zwischen Gegenwart und Rückblenden hin und her, lässt sich aber gut und schnell lesen. Es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd und ein Wettlauf gegen die Zeit, über den ich nicht mehr sagen will, nur, dass Gift dabei eine Rolle spielt. Mit der Verfolgungsjagd in James Bond Manier konnte ich nicht so viel anfangen und ich hätte mir auch mehr Spannung von dem Giftkomplott gewünscht. Aber so steht für mich die düstere Zukunftsversion im Vordergrund.
Ein spannendes Buch, bei dem die Wörter "gesundheitsrenitent" oder "Selbstverantwortungskoeffizient" schon Beklemmung auslösen. Was dahintersteckt ist eine grauenhafte Zukunftsversion von einer Gesellschaft ohne jedes soziale Empfinden oder MItgefühl.