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Veröffentlicht am 20.04.2024

Zwischen den politischen Fronten

Alles gut
3

Im Debütroman "Alles gut" von Cecilia Rabess begleiten wir Jessica "Jess" Jones, die kurz nach ihrem Universitätsabschluss ihren ersten Job in der Finanzbranche bei Goldman Sachs in New York beginnt. Dort ...

Im Debütroman "Alles gut" von Cecilia Rabess begleiten wir Jessica "Jess" Jones, die kurz nach ihrem Universitätsabschluss ihren ersten Job in der Finanzbranche bei Goldman Sachs in New York beginnt. Dort trifft sie auf ihren ehemaligen Mitstudenten Josh, mit dem sie bereits während eines Seminars hitzige Diskussionen hatte aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Ansichten. Jess' Freude über ihren neuen Arbeitskollegen hält sich daher verständlicherweise in Grenzen. Jess wird mit dem harten Alltag als Schwarze Frau in dieser weissen, männerdominierten Branche konfrontiert, in der sie zu Beginn nur gut genug ist, um den anderen Kaffee zu bringen und Anrufe entgegenzunehmen. So hat sie sich ihren Berufseinstieg als Investmentbanking-Analystin nicht vorgestellt. Aber die talentierte Jess lässt sich nicht unterkriegen und gibt ihr Bestes, um mit ihren Kollegen mithalten zu können.
Josh, der insgeheim schon zu Universitätszeiten beeindruckt war von Jess' Art, freundet sich mit ihr an und versüsst ihr schon bald den fordernden Arbeitsalltag. Gemeinsam können sie sich stundenlang über mathematische Wahrscheinlichkeiten und Theorien unterhalten und Jess schätzt das Gefühl sehr, doch nicht ganz alleine zu sein in dieser grossen Bank. Doch als sich zwischen den beiden mehr als nur Freundschaft entwickelt, merken sie, dass die früheren Dispute in der Universität aktueller denn je sind. Jess und Josh sind einem Spannungsfeld aus beruflichem Erfolg, finanzieller Sicherheit, für sich selbst einzustehen und dem Bild einer Schwarzen Frau gerecht zu werden, ausgesetzt. Kann man eine glückliche Beziehung mit einer Person führen, die einen anderen politischen Standpunkt vertritt und lohnt es sich um eine solche Beziehung zu kämpfen?
Die Schwarze Autorin Cecilia Rabess, konnte als ehemalige Data Scientist bei Google und Goldman Sachs selbst eigene Erfahrungen in die Geschichte von Jess einfliessen lassen.


Die Übersetzung aus dem Englischen von Simone Jakob fand ich gut geschrieben und konnte das Buch manchmal nur schwer weglegen. Die Geschichte arbeitet oft mit Abschnitten, die auch in der Vergangenheit spielen und so einen Kontext für die Handlungen der Protagonisten im "Jetzt" bieten. Jess hat in ihrem Leben bereits viele rassistische Situationen und Vorurteile erlebt. Diese prägen die junge Frau, sie spricht diese an und kann sich dabei auch oft in Rage reden. Ich fand die Darstellung ihres Charakters daher sehr realistisch. Josh, der als weisser, heterosexueller Mann viel weniger der Politik von Trump und Konsorten zum Opfer fällt, hat für mich in der Geschichte Jess gegenüber zu wenig Verständnis gezeigt. Er hat sehr viele ihrer Ängste heruntergespielt, sodass ich irgendwann keinen Gefallen mehr an einer Beziehung zwischen den beiden gefunden habe. Ich glaube dennoch, dass auch er realistisch dargestellt wurde als Charakter.
Zeitlich spielt der Haupthandlungsstrang in den Vereinigten Staaten gegen Ende der Amtszeit von Barack Obama und thematisiert unter anderem die von weissen Männern dominierte Finanzbranche, soziale Herkunft, Interracial Beziehungen, aber auch Beziehung zu Eltern und Freunden aus der Perspektive einer jungen Schwarzen Frau, was ich unglaublich interessant und lehrreich fand. Die Aufmachung des Buches ist sehr hübsch und die Erdbeere findet sich auch in der Geschichte am ein oder anderen Ort wieder.


Am Ende hat die Geschichte für mich zu viele Problematiken angesprochen, aber nicht Lösungsvorschläge gebracht, wie man denn nun in einer Gesellschaft UND VOR ALLEM IN EINER BEZIEHUNG miteinander umgehen soll, wenn sich Meinungen teilweise drastisch unterscheiden. Oft haben die Charaktere sich angeschwiegen oder gewisse Themen ausgeklammert, die zu einem Konflikt führen könnten und das widerspiegelt für mich leider weder eine gesunde Debattenkultur noch eine gesunde Beziehung.

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