Ein großartig geschriebener und recherchierter historischer Roman
Der historische Roman „Die Melodie der Schatten“ von Maria W. Peter ist ein in sich abgeschlossener historischer Roman vor der atemberaubenden Kulisse Schottlands im 19. Jahrhundert.
Die junge Adlige ...
Der historische Roman „Die Melodie der Schatten“ von Maria W. Peter ist ein in sich abgeschlossener historischer Roman vor der atemberaubenden Kulisse Schottlands im 19. Jahrhundert.
Die junge Adlige Fiona Hemington hat gerade begonnen den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten als sie mit ihrer Tante in deren Haus einziehen soll. Gemeinsam reisen sie in einer Kutsche von Edinburgh nach Inverness, geraten aber in den Highlands in einen Hinterhalt. Fiona kann sich durch eine innere Eingebung retten, muss aber den Tod ihrer Tante, des Kutschers und des mitreisenden Anwalts mit ansehen. Mit letzter Kraft kann sie sich in ein naheliegendes Herrenhaus retten und um Hilfe bitten. Das Anwesen, Thirstane Manor, und dessen Hausherr Laird Aidan entpuppen sich allerdings als eher ungastlich und furchteinflößend.
Fiona leidet schon seit ihrer Kindheit an der Fallsucht und hört Melodien, die für andere Menschen nicht hörbar sind. So hat für sie auch in Thirstane Manor einen eigenen Klang, der auf sie unheimlich und bedrückend wirkt. Zusätzlich zu diesen Melodien beobachtet sie mehrfach eine schwarze Gestalt, welche sie zusätzlich verunsichert.
Mitten in der Nacht verschwindet dann auch noch Fionas Medaillon, welches sie seit ihrer Kindheit immer bei sich trägt, wie es allerdings verschwinden konnte, kann Fiona sich in keinster Weise erklären. Was ist Wirklichkeit, was Fiktion? Ist sie wahnsinnig oder spukt es wirklich im Herrenhaus? Was verbirgt der Hausherr, der ebenfalls von Albträumen geplagt wird und den gesamten Tag hinter verschlossenen Türen arbeitet? Ist das Anwesen verflucht seitdem die früheren Pächter vertrieben wurden?
Zu Beginn des Romans hatte ich das Gefühl, dass er etwas zu realitätsfern und damit für mich zu surreal wäre. Ich war mir nicht sicher, was Fiktion und was Realität ist und hatte Schwierigkeiten mich zum Weiterlesen zu motivieren. Da ich aber an einer Leserunde teilgenommen habe, musste ich mich natürlich überreden und habe es letztendlich nicht bereut. Je tiefer ich in die Geschichte eintauchte, umso mehr war ich gefangen. Alle Fragen, die sich mir zu Beginn stellten, lösten sich im Verlauf des Buches auf und plötzlich war klar, warum am Anfang alles etwas irritierend wirken musste. Maria W. Peter schafft es nahezu während der gesamten Handlung die Spannung aufrecht zu erhalten. Einige Fragen werden wirklich erst zum Ende der Geschichte erklärt, sodass der Leser die ganze Zeit mit rätseln und kombinieren kann.
Fiona Hemington ist eine eher langweilige junge Frau aus dem Haus eines gesellschaftlich hoch angesehen Richters. Sie ist sehr unsicher und lebt zurückgezogen, hat kaum soziale Kontakte oder Bezugspersonen. Ihr Vater forciert die Zurückgezogenheit seiner Tochter, da sie an der Fallsucht leidet und Visionen hat, die für andere nicht erklärbar sind. Eine Einführung in die Gesellschaft scheint aus diesen Gründen undenkbar.
Im Laufe der Geschichte wurde Fiona mir immer sympathischer und tat mir zwischendurch auch sehr Leid. Sie wird immer wieder von Vorahnungen und Visionen eingeholt, sogar während des Klavierspiels erinnert sie sich an eine Melodie, die sie nicht zuordnen kann und zu allem Überfluss landet sie in einem Haus, dass laut Aussagen aller Personen im Umkreis verflucht ist.
Trotz dieser eher schlechten Ausgangssituation entwickelt sich Fiona im Laufe der Geschichte. Durch die Ereignisse wird sie gezwungen, sich mit ihren Visionen und ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Sie lernt, dass die Vergangenheit immer die Zukunft bedingt und auch die Welt der Realtität und die Welt der Träume nicht ohne einander funktionieren. Aus der schüchternen und unscheinbaren jungen Frau wird so nach und nach eine selbstbewusste Frau. Diese Entwicklung von Fionas Persönlichkeit war während des gesamten Romans erkennbar und wirkte authentisch und toll dargestellt.
Laird Aidan fand ich hingegen von Anfang an hochinteressant. Auf der einen Seite ist er sehr besonnen und eher abweisend, in bestimmten Momenten wiederum extrem gereizt und nahezu unbeherrscht. Sein Auftreten löst große Fragen aus und auch die Albträume die ihn quälen deuten darauf hin, dass er eine recht große Last mit sich herumträgt. Man möchte unbedingt wissen, was ihn zu dem Mann gemacht hat, der er nun ist und möchte verstehen was hinter seinem seltsamen Verhalten steht.
Auch die Interaktion zwischen Fiona und Aidan ist sehr gut dargestellt. Die beiden verhalten sie häufig wie Katz‘ und Maus. Eigentlich möchten sie einander nicht begegnen und wollen den anderen besser jetzt als später wieder loswerden. Trotzdem besteht eindeutig eine Verbindung und sogar eine regelrechte Spannung zwischen ihnen, die sich keiner so richtig erklären kann.
Die Beziehung der beiden ist dabei die gesamte Zeit über nicht übertrieben oder übereilt beschrieben, sie entwickelt sich langsam und wirkte daher auf mich authentisch und realitätsnah.
Die historische Einbindung des Romans ist Maria W. Peter großartig gelungen. Durch das Lesen des Romans konnte ich einiges Neues über die Geschichte Schottlands lernen. Zur Zeit der Romanhandlung ist die Schlacht um Culloden ist bereits fast 100 Jahre her, doch die Veränderungen, die die Zerschlagung des Clansystems mit sich brachte, sind noch immer spürbar.
Der historische Hintergrund wird toll einbezogen ohne dabei zu aufdringlich oder theoretisch zu wirken. Man bekommt Lust eine Reise nach Schottland anzutreten und sich weiter mit der Geschichte des Landes zu befassen! Im Nachwort liefert die Autorin zudem weitere Fakten zum Hintergrund der Geschichte, was den Roman in sich noch einmal abrundet.
Außerdem werden an geeigneten Stellen gälische Ausdrücke eingebracht, wodurch der schottische Charakter des Romans noch einmal eine andere Gewichtung und Greifbarkeit erhält.
Für mich ist der Roman von Maria W. Peter ein sehr gelungener und dauerhaft spannender historischer Roman. Der Schreibstil der Autorin ist während des gesamten Romans flüssig, die Erzählperspektive wechselt zwischen der Sicht von Fiona und der Sicht von Aidan, sodass die Gedanken und Gefühle beider Hauptcharaktere deutlich und tiefgehend dargestellt werden können.
Mein Fazit
„Die Melodie der Schatten“ war das erste Buch von Maria W. Peter das ich gelesen habe. Der Roman hat mich vollständig überzeugt, obwohl ich zunächst skeptisch war und das Gefühl hatte eher eine mystische Erzählung, als einen historischen Roman zu lesen. Dieses Gefühl veränderte sich allerdings immer mehr, denn je mehr Fragen sich auflösten, umso logischer wurde die Handlung. Ich vergebe 5 von 5 Sternen für einen großartig recherchierten und wunderbar geschriebenen historischen Roman!