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Veröffentlicht am 24.04.2022

Marty

Nordstern
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Im Jahr 1980 in Kiel will der zwanzigjährige Martin Hansen nur ein Bier aus dem Automaten ziehen und wusch landet er im Jahr 2020. Wie konnte das passieren? Etwas desorientiert landet er in einer Kneipe, ...

Im Jahr 1980 in Kiel will der zwanzigjährige Martin Hansen nur ein Bier aus dem Automaten ziehen und wusch landet er im Jahr 2020. Wie konnte das passieren? Etwas desorientiert landet er in einer Kneipe, in der Sophia als Kellnerin arbeitet. Die beiden sind sich sofort sympathisch, vielleicht auch, weil Sophia die Möglichkeit nicht ausschließt, dass Martins irre Geschichte einfach wahr ist. Sie will Martin helfen, wieder in seine Zeit zurückzukommen. Sie haben allerdings keine Ahnung, wie das gehen soll. Also kommt Martin erstmal mit in die WG, Sophias Mitbewohner Liam studiert schließlich Physik. Vielleicht hat der eine Idee.

Es hat sich schon eine ganze Menge verändert in den vierzig Jahren, die zwischen Martins und Sophias jeweiligen Wirklichkeiten vergangen sind. Das fängt schon mit dem komischen bunten Geld an. Trotz der Unterschiede finden Martin und Sophia schnell einen Draht zueinander und machen Kiel unsicher. Wenn sie nur wüssten wie es geht, könnte Sophia einen Besuch in der Vergangenheit wagen. Sollte mehr daraus werden? Martin hat sich selten so wohl gefühlt. Er wüsste nicht, ob Sabine, mit der er geht, ihn überhaupt vermissen würde. Martin, der Wanderer durch die Zeiten?

Der Beginn dieses Romans ist echt genial. Unter eigenartigeren Umständen können sich zwei junge Leute kaum treffen und dann noch in diesem besonderen Ort namens Kiel, wie prosaisch. Besonders gut funktioniert das Buch möglicherweise, wenn man sich beim Lesen in beiden Zeiten zurechtfindet. Es ist sehr humorvoll aufbereitet, welche Schwierigkeiten einen in unterschiedlichen Jahrzehnten erwarten können. Je länger man liest, desto mehr fragt man sich allerdings, ob die Vernunft über das Abenteuer siegen wird. Es entsteht der Eindruck, dass zumindest Martin und Sophia sich da einig sind. Im weiteren Verlauf vertut sich der spritzige Beginn ein wenig. Dieser Roman bietet dennoch eine andere interessante Herangehensweise an das Thema Zeitreisen und kann nicht unbedingt als Science Fiction bezeichnet werden. Gleichwohl bietet er ein tolles Leseerlebnis, eine Entdeckung, die sich lohnt.

Veröffentlicht am 23.04.2022

Kinderstube

Schlaflos
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Eigentlich hat sie ein Forschungsstipendium in Oxford.Tatsächlich versucht die Historikerin Dr. Anna Bennet auf einer einsamen Insel vor der Küste Schottlands mit Mann und zwei Kindern, den Haushalt zu ...

Eigentlich hat sie ein Forschungsstipendium in Oxford.Tatsächlich versucht die Historikerin Dr. Anna Bennet auf einer einsamen Insel vor der Küste Schottlands mit Mann und zwei Kindern, den Haushalt zu stemmen, trotzdem an ihrem Buch weiterzuarbeiten und hin und wieder eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Ihre Kinder sind anspruchsvoll. Der siebenjährige Raph ist weit für sein Alter und diskutiert gerne über Umweltproblematiken. Dagegen braucht der zweijährige Moth noch einiges an Betreuung, ist lieb, aber trotzig und das Durchschlafen will überhaupt nicht gelingen. Giles, ihr Mann, erforscht die Population der Papageientaucher, und geht dann mal weg.

Ein turbulentes Familienleben führt die Familie auf der Insel, die Giles’ Vorfahre Hugo gekauft hatte. Um wenigstens etwas von den Kosten hereinzuholen, haben sie ein Ferienhaus eingerichtet und die Gäste kommen bald. Anna müht sich mit Kochen und Saubermachen. Die Kinder sind eigentlich ein Vollzeitjob. Manchmal wünscht sie sich die Zeit an der Uni zurück, wo ihr Bauch noch flach war. Der Schlaf fehlt ihr einfach und doch kann sie ihre Jungs nicht alleine lassen, wenn einer von ihnen nachts aufwacht. Giles ist nur manchmal eine Hilfe. Für ihr Buch gibt es einen Abgabetermin und dann, beim Versuch die Apfelbäume einzupflanzen, findet Raph ein paar winzige Knochen.

Zu Beginn stellt sich die Frage: Was soll das. Möglicherweise kennt man den Verlag eher aus Veröffentlichungen des Krimigenres. Der vorliegende Band ist zurecht als Roman bezeichnet und hat man sich daran gewöhnt, dass man eher die Geschichte einer von außen betrachtet leicht überforderten Familie liest, überzeugt das Buch gerade durch das Lamentieren und Straucheln. Denn trotz des Stress und des Schlafmangels, Anna stiehlt sich die Zeit für ihr Buch und nebenbei deckt sie noch interessante Details zur Inselgeschichte auf. Und sie schafft es auch, sich um die Feriengäste zu kümmern, die ihre eigenen Probleme im Gepäck haben. Nimmt man den Roman einfach wie er ist, hat man ein fesselndes Sittengemälde aus einem Teil der schottischen Geschichte und die Erzählung einer sympathisch chaotischen Familie.

Veröffentlicht am 20.04.2022

Kooperation

Grenzfall - Ihr Schrei in der Nacht
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Im Grenzgebiet zwischen Österreich und Deutschland verschwinden mehrere junge Menschen. Da die Vorfälle diesseits und jenseits der Grenze passieren, sind auch Polizeidienststellen auf beiden Seiten der ...

Im Grenzgebiet zwischen Österreich und Deutschland verschwinden mehrere junge Menschen. Da die Vorfälle diesseits und jenseits der Grenze passieren, sind auch Polizeidienststellen auf beiden Seiten der Grenze zuständig und beginnen getrennt zu ermitteln. In der Nähe von Innsbruck werden zwei Studentinnen vermisst und in Deutschland ist eine junge Frau, die auf dem Weg zu ihren Eltern war, im Schneetreiben nicht zu hause angekommen. Alexa Jahn hat sich inzwischen an ihrer neuen Wirkungsstätte eingelebt. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen klappt immer besser. Doch der Vertrauensbruch ihrer Mutter liegt ihr noch sehr auf der Seele. Bernhard Krammer auf österreichischer Seite fragt sich, ob er sich die Pension herbeiwünscht.

In ihrem zweiten Fall ermitteln Alexa Jahn und Bernhard Krammer eine ganze Weile nebeneinander her. Da die Geschehnisse einen unterschiedlichen Hintergrund zu haben scheinen, werden Informationen nicht groß ausgetauscht. Auf Deutscher Seite gerät bald ein Ortsansässiger in Verdacht, der schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, während sich in Österreich Hinweise ergeben, dass ein ganz alter Bekannter von Inspektor Krammer wieder aktiv geworden ist. Dieser Fall war wie ein Nadelstich, der nie verheilt. Schließlich hat die Sache zu Krammers Versetzung nach Innsbruck geführt.

Immer ein gutes Zeichen ist es, wenn man nach dem ersten Teil auch zum zweiten greift. In diesem zweiten Band der Reihe kann man sich über lebendige Schilderungen der Ermittlertätigkeit und dem zwischenmenschlichen Miteinander freuen. Alexa Jahn und Bernhard Krammer sind sympathische Persönlichkeiten, die in ihrem Beruf schon einiges gesehen haben und im Privatleben mit einer neuen Situation konfrontiert werden. Der Fall an sich ist in einem Moment etwas vorhersehbar, ansonsten aber interessant aufgebaut und dramatisch gelöst. Was im Ungewissen bleicht, bildet schließlich einen Hinweis auf den nächsten Fall, der Jahn und Krammer im nächsten Jahr wieder zusammenführen wird. Diese Krimireihe ist eine zum gerne Lesen.

Veröffentlicht am 20.04.2022

Wer schreibt da nicht?

Bartleby, der Schreibgehilfe
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Ein Anwalt in New York Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Seine kleine Kanzlei läuft in ruhigen Bahnen. Zwei Schreibgehilfen und ein Lehrling bewältigen ihre Aufgaben mit gewissem Murren, aber doch zuverlässig. ...

Ein Anwalt in New York Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Seine kleine Kanzlei läuft in ruhigen Bahnen. Zwei Schreibgehilfen und ein Lehrling bewältigen ihre Aufgaben mit gewissem Murren, aber doch zuverlässig. Nachdem der Anwalt eine weitere Aufgabe zugewiesen bekommt, stellt er einen weiteren Kopisten ein, Bartleby. Zunächst erweist sich dieser als durchaus fleißig, doch als es daran geht, seine Abschriften nochmal Korrektur zu lesen, weigert er sich freundlich mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“, die ihm übertragene Aufgabe zu übernehmen. Der Anwalt ist konsterniert, findet aber keine richtige Antwort auf das Verhalten seines Angestellten.

Bartleby ist schon ein komischer Kauz, er erklärt sein Verhalten nicht und der Anwalt findet keinen richtigen Umgang für ihn. Es wirkt nicht einmal so, als würde Bartleby sein Verhalten genießen. Er scheint nicht in der Lage zu sein, es zu ändern. Mit der Zeit versucht der Anwalt, Bartleby loszuwerden, doch auch das nicht sehr erfolgreich. Tragisch ist schließlich das Ende der Geschichte. Da es keine großen Erklärungen gibt, kommt man bald ins Grübeln, was Bartleby zu seinem Verhalten geführt hat. Auch das Nachwort ist da nicht sehr aufschlussreich. Betont wird die realistische Erzählweise, die man dem Autor sofort abnimmt. Man kann sich gut vorstellen, dass es in den Schreibbüros und Anwaltskanzleien so zugegangen ist. Die ruhige gelassene, aber stetige Art, die noch nichts von der heutigen Hektik hatte. Warum ist selbst diese Geruhsamkeit für Bartleby zu viel? Man weiß es nicht. Hat Bartleby ein traumatisches Erlebnis hinter sich? Doch warum erzählt er nichts von sich? Man kann sich an seiner Persönlichkeit reiben und doch froh sein, dass man nur von ihm liest.

Eine erstaunliche kleine Erzählung, mit der man sich gedanklich länger befasst, als man zunächst vermutet hätte.

Veröffentlicht am 18.04.2022

Der Trauzeuge

Revanche
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Für seine Freunde, die Archäologen Horst und Clothilde, soll Bruno, Chef de Police, als Trauzeuge fungieren. Seine Rede ist im Entwurf schon fertig, da bekommt er die Nachricht, dass am nahen Schloss eine ...

Für seine Freunde, die Archäologen Horst und Clothilde, soll Bruno, Chef de Police, als Trauzeuge fungieren. Seine Rede ist im Entwurf schon fertig, da bekommt er die Nachricht, dass am nahen Schloss eine tote Frau gefunden wurde. Erstmal ist das Brunos Sache, denn noch ist nicht klar, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handelt. Im Falle eines Falles wird er J. J., den Kollegen von der Kriminalpolizei hinzuziehen. Aber natürlich wird auch Bruno sein Möglichstes tun, um die Frau zu identifizieren. Dass er die junge Amélie aus dem Ministerium aufs Auge gedrückt bekommt, schmeckt ihm zunächst nicht.

In seinem zehnten Fall hätte Bruno Courreges eigentlich nicht viel mit Verbrechen am Hut, wenn ihm nicht die Realität dazwischen käme. Die Tote, die in der Nähe des Schlosses gefunden wurde, hatte offensichtlich eine Botschaft. Leider hat sie es nicht mehr geschafft, ihre Nachricht zu schreiben. So gibt es also das Rätsel um ihre Identität als auch das Rätsel um das Wort. Brunos neue Beobachterin Amélie erweist sich überraschend als echter Gewinn. Wie versiert ihre Finger über den Bildschirm ihres Handys fliegen und welch erstaunliche Informationen sie dem kleinen Gerät entlockt. Bruno und sie finden heraus, dass es sich bei der Toten um eine Archäologin mit einer Mission handelte.

Egal. ob man die Reihe vollständig kennt oder nicht, man findet sich schnell in Brunos Welt zurecht. Als eine Art Dorfpolizist ist Bruno ein Mittelpunkt des Ortes St. Denis, er kennt jeden und jede und hat freundliche Beziehungen über die Grenzen des Ortes hinaus. Eigentlich im Waisenhaus aufgewachsen, hat er in dem Ort eine Heimat und in seinen Bewohnern eine Familie gefunden. Doch die Wirklichkeit macht auch vor dem beschaulichen Ort nicht Halt und der Tod der Unbekannten erweist sich als Teil eines perfiden Plans. Auch wenn es manchmal so erscheint, als sei Bruno einfach zu gut, so hat man hier eine liebevolle Beschreibung des Lebens in einer geschichtsträchtigen Region in Frankreich und gleichzeitig einen spannenden Kriminalroman, der durchaus einen Bezug zur heutigen Realität hat.