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Veröffentlicht am 13.09.2022

Nervenkitzel-Plot mit kleinen Schwächen

Der finstere Pfad
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Wenn man an Kanada denkt, kommen bestimmt jedem von euch auch Bilder in den Kopf, die die unglaubliche Weite und Schönheit der Natur widerspiegeln. Es ist ein Traum für alle Outdoor-Fans, durch die Nationalparks ...

Wenn man an Kanada denkt, kommen bestimmt jedem von euch auch Bilder in den Kopf, die die unglaubliche Weite und Schönheit der Natur widerspiegeln. Es ist ein Traum für alle Outdoor-Fans, durch die Nationalparks zu wandern und die kanadische Wildnis in vollen Zügen zu genießen. Warum also nicht ab in den Flieger und auf dem West Coast Trail zu sich selbst finden?

Das dachten sich auch Rick, Seraphine, Maisie und all die anderen jungen Leute, die sich 1999 auf den Weg machen, um einfach eine geile Zeit zu haben und die Trekkingtour ihres Lebens zu meistern. Dass alles anders kommen wird, ahnt zu dieser Zeit niemand. Doch einer von ihnen wird den West Coast Trail nicht lebend verlassen, und das Leben aller Beteiligten wird nie mehr dasselbe sein. Der Täter? Schnell gefasst. Die Leiche? 15 Jahre unentdeckt. Und irgendetwas stinkt verdammt noch mal ordentlich zum Himmel.

Auf verschiedenen Zeitebenen erzählt Blackhurst die Geschichten zweier Frauen, die auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden sind, lange Zeit aber irgendwie nicht so recht zusammenpassen wollen. Und genau das macht die Spannung aus.

Nach und nach führt Blackhurst die Erzählstränge immer weiter zusammen. Schon mit den ersten Worten reißt sie ihre Leser direkt in die Story. Dabei schreibt sie so leichtfüßig, dass man gar nicht anders kann, als komplett in die Handlung einzutauchen. Und darüber bin ich vielleicht auch für einige kleine Details und Zusammenhänge blind geworden, was aber die Spannung nur noch weiter in die Höhe getrieben hat.

Vor allem mit ihren Protagonisten schafft Jenny Blackhurst wunderbar durchdachte Charaktere, die von vorne bis hinten realistisch wirken. Dabei verliert keiner von ihnen diesen mysteriösen Schimmer, der sie alle umgibt und der mich immer wieder hinterfragen ließ, wer in dieser Konstellation eigentlich welches Geheimnis hütet.

Der Twist im letzten Viertel des Buches ist absolut gelungen! Ich habe mit allem gerechnet. Auf diese simple Verbindung wäre ich aber im Leben nicht gekommen. Leider liefert mir Blackhurst mit dem bevorstehenden Finale dann doch eine etwas zu weit daher geholte und irgendwie platte Auflösung, die aber im Großen und Ganzen okay ist. Ich hatte nach diesem Twist vielleicht einfach zu hohe Erwartungen, und letztendlich tat das dem Thriller an sich keinerlei Abbruch.

Fazit: Blackhurst besitzt das Talent, das Unaussprechliche in Worte zu fassen. Verbunden mit einer gehörigen Portion Adrenalin. Wer auf der Suche nach einer ordentlichen Prise Nervenkitzel ist, kommt mit diesem Thriller ganz bestimmt auf seine Kosten. Die wenigen kleinen Schwächen trüben keinesfalls das Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 26.07.2022

Tiefgründig und clever konstruiert

Acht perfekte Morde
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Malcolm Kershaw ist Buchhändler und somit Buchliebhaber durch und durch. Auf dem Blog seines Buchladens „Old Devils“ veröffentlichte er vor ein paar Jahren eine Liste mit den acht perfekten Morden. Hierfür ...

Malcolm Kershaw ist Buchhändler und somit Buchliebhaber durch und durch. Auf dem Blog seines Buchladens „Old Devils“ veröffentlichte er vor ein paar Jahren eine Liste mit den acht perfekten Morden. Hierfür hat er sich an einer Reihe alter Krimis bedient, die bis ins Jahr 1922 zurückreichen. Von Agatha Christie über James M. Cain bis hin zu Patricia Highsmith. Eine vielfältige Auswahl, die für Malcolm eine prima Grundlage für seinen Beitrag bot. Als es dann plötzlich zu Morden kommt, die seinem Beitrag ähneln, steht das FBI in seinem Laden. Kann es tatsächlich sein, dass jemand die acht perfekten Morde kopiert und in die Tat umgesetzt hat?

Ich gebe zu, dass ich eine Weile gebraucht habe, um mich in der Handlung zurechtzufinden. Was wahrscheinlich daran lag, dass die Spannung recht spät einsetzt, da wir anfangs sehr viel über die Bücher erfahren, denen sich Malcolm für seinen Beitrag bedient hat. Als dies dann aber beendet war, nahm die Story an Fahrt auf und konnte mich fesseln. Der Fall wurde von Seite zu Seite immer bizarrer, was meine Neugier ins Unendliche katapultiert hat.

Malcolm war mir sofort sympathisch. Logisch, denn wir haben ja auch das gleiche Hobby: Bücher! Er wurde sehr authentisch gezeichnet, und da die Handlung ausschließlich aus seiner Sicht geschildert wird, erhält der Leser sehr viele Einblicke in Malcolms Gedankenwelt. Gerade nach dem Tod seiner Frau hat er ziemlich gelitten. Die Arbeit im Buchladen tat ihm sichtlich gut, und ich beneidete ihn, dass er die Zeit hatte, ein Buch an (nur) einem Nachmittag zu verschlingen.

Der Schreibstil war gewohnt flüssig und eloquent. Swanson kann es einfach. Durch die bildhafte Beschreibung habe ich mich – wahrscheinlich, weil ich selbst Buchliebhaber bin - sowas von wohl und aufgehoben gefühlt. Ich konnte schon fast den Geruch des Buchladens riechen! Außerdem hat unser Protagonist Malcolm seine Bücher mit so viel Liebe behandelt und sie in den Himmel gelobt, so dass es völlig um mich geschehen war.

Der Schlussteil hat mich dann nochmal richtig aus den Socken gehauen. Mit dieser Wendung hätte ich niemals gerechnet und war absolut überrascht. Ein krönender und gelungener Abschluss einer gut konstruierten Story!

Fazit: Swanson zeigt hier eine ganz andere Seite von seinem Können und sorgt für spannenden Lesegenuss. Ihr sucht nach einer Lektüre, die euch zum Fingernägelkauen animiert? Hier ist sie!

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Veröffentlicht am 20.07.2022

Spannendes Thema, Luft nach oben

Willkommen in Wisewood
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Viele Fragen stellten sich mir direkt zu Beginn, die neugierig darauf machten, was mich erwarten würde. Was genau ist Wisewood? Was passiert mit den Menschen dort? Warum schließen sie sich dieser Gemeinschaft ...

Viele Fragen stellten sich mir direkt zu Beginn, die neugierig darauf machten, was mich erwarten würde. Was genau ist Wisewood? Was passiert mit den Menschen dort? Warum schließen sie sich dieser Gemeinschaft überhaupt an? Und viel wichtiger noch: Was hat Natalie zu verbergen?

Auf all diese Dinge ist die Autorin im Verlauf der Geschichte eingegangen, auch wenn ich mir hier und da mehr Details gewünscht hätte. Sie konnte Personen und Situationen wunderbar beschreiben, dennoch hatte ich oft das Gefühl, es würde etwas fehlen. Oder ich hätte etwas übersehen. Das sorgte dafür, dass ich Seiten zurückgeblättert habe, nur um dann doch nichts weiter zu finden.

Man folgt im Wesentlichen zwei Handlungssträngen. In der Gegenwart geht es hauptsächlich um Natalie, die eine Karrierefrau, Perfektionistin und etwas überfürsorglich ist, besonders wenn es um ihre Schwester Kit geht.

In dem anderen Erzählstrang geht es um zwei kleine Mädchen, die unter den harten Regeln des Vaters zu leiden haben. Sie nennen ihn „Sir“ und haben häufig Angst, dass sie seinen Erwartungen nicht gerecht werden können.

Die Situation innerhalb der Gemeinschaft, die Regeln, die Unterwürfigkeit der Menschen - all das hat mir zu schaffen und mich nachdenklich gemacht. Jedoch haben mir die überraschenden Wendungen gefehlt. Hier hätte die Autorin viel eher mit kleinen Auflösungen trumpfen können, denn das Ende kam zu abrupt, auch wenn es das Beste am Buch war. Der große Knall hat leider gefehlt und wäre für mich das i-Tüpfelchen gewesen.

Fazit: Hier wurde ein spannendes Thema aufgegriffen, dessen Ausarbeitung Luft nach oben hatte. Mehr Details, vor allem hinsichtlich der Sekte, hätten diesem Werk gutgetan. Als leichte Lektüre empfehle ich das Buch an Leser, die sich einfach berieseln lassen möchten, weiter. Für geübte Thriller-Liebhaber jedoch, die mehr Tiefe und Wendungen erwarten, könnte das Buch womöglich zu zäh sein.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Gelungener Krimi mit tollem Setting

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Mumien, Pharaonen, das alte Ägypten und der ganze Totenkult drumherum üben auf mich ja eine unglaubliche Faszination aus. Findet ihr die Geheimnisse um die mächtigen Pyramiden, mit ihren versteckten Grabkammern ...

Mumien, Pharaonen, das alte Ägypten und der ganze Totenkult drumherum üben auf mich ja eine unglaubliche Faszination aus. Findet ihr die Geheimnisse um die mächtigen Pyramiden, mit ihren versteckten Grabkammern und Schätzen auch so spannend?

Pötzschs Auftakt der Totengräber-Reihe hatte mich im letzten Jahr absolut begeistert. Sehnlichst habe ich auf die Fortsetzung gewartet. Als dann die Ankündigung erschien und Leopold von Herzfeldts neuer Fall auch noch tief mit dem ägyptischen Totenkult verstrickt zu sein schien, hüpfte mein kleines Bücherherz vor Freude.

Nun ja, vielleicht habe ich meine Erwartungen einfach zu hoch geschraubt. Pötzsch erzählt eine wirklich gute Kriminalgeschichte. Die Story ist so konstruiert, dass man ihr auch sehr gut folgen kann, wenn man den ersten Teil der Serie nicht gelesen hat. Gleichzeitig verzichtet der Autor auf ausladende Rückblicke, sodass Lesern, die von Herzfeldt schon bei seinem ersten Fall durch das historische Wien begleitet haben, nicht langweilig wird.

Dennoch hatte der Krimi stellenweise so seine Längen, die mich einige Nerven gekostet haben. Zudem konnte mich die Auflösung des eigentlichen Falls nicht so richtig mitreißen. Zwar war das Finale für mich so nicht vorhersehbar, ich hatte mir da aber doch eine spektakulärere, vielleicht auch verschwörerrischere Enthüllung gewünscht. Für mich bot der Fall, den zunächst von Herzfeldts Kollege Loibl untersucht, sehr viel mehr Zündstoff und hätte das Potential gehabt, die mysteriöse Mumie zu übertrumpfen.

Nichts desto trotz konnte mich das Team rund um Leopold von Herzfeldt und das Wiener Sicherheitsbüro wieder mitreißen. Ich habe diese wilde Truppe, die aus nicht unterschiedlicheren Charakteren bestehen könnte, lieb gewonnen. Alle sind authentische Typen, und es macht Spaß, ihren Überlegungen, ihrer Arbeit und ihren ganz eigenen Leben zu folgen.

Fazit: „Das Mädchen und der Totengräber“ ist ein gelungener Krimi mit wunderbarem Setting und einem wirklich genialen Ermittlerteam. Leider konnte der zweite Band der Reihe für mich nicht mit dem grandiosen Auftakt mithalten. Trotzdem ist jeder, der historische Krimis mag, bei diesem Buch gut aufgehoben.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Ist Selbstjustiz wirklich eine (gute) Lösung?

Artemis
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Was denkt ihr über die Themen Selbstjustiz und Zivilcourage?

In welchen Situationen sollte man einschreiten? Wann hält man sich raus und wartet auf die Polizei? Darf jemand dem Rechtssystem trotzen, ...

Was denkt ihr über die Themen Selbstjustiz und Zivilcourage?

In welchen Situationen sollte man einschreiten? Wann hält man sich raus und wartet auf die Polizei? Darf jemand dem Rechtssystem trotzen, um selbst für Gerechtigkeit zu sorgen?

Dieses Buch ist voller TRIGGER, daher geht (spätestens) während des Lesens achtsam mit euch um. Man wird mit sexuellem Missbrauch, Spiegelstrafen und psychischen Erkrankungen konfrontiert - verbunden mit sozial- und gesellschaftskritischen Aspekten. Nehmt meine WARNUNG daher bitte ernst!

Die beiden Kommissare Rubina Hiller und Simon Peick haben mit ihrem neuen Fall alle Hände voll zu tun. Ein Mädchen wird auf dem Weg nach Hause brutal vergewaltigt. Dass damit etwas anderes Grausames zum Leben erwuckt wurde, wird relativ schnell klar, doch dann ist es bereits zu spät. Und als LeserIn steckt man sofort mittendrin - in den dunklen Abgründen der menschlichen Seele. Einfach so: ready, steady, PENG!

Ich war oft hin- und hergerissen zwischen Entsetzen, Wut, Zweifeln und Mitgefühl. Dass ein Missbrauchsopfer die Schuld bei sich sucht, ist leider häufig die emotionale Reaktion auf solch ein traumatisches Erlebnis. Das Opfer fühlt Hilflosigkeit und Scham, zieht sich völlig zurück. Manchmal neigt es zu selbstverletzendem Verhalten, um sich wieder "zu spüren" oder in irgendeiner Form mitzuteilen. Ziemlich harter Tobak.

Dann lernen wir Emi kennen.

Zitat Seite 151: In Emi war die latente Wut zum Kochen gekommen. Wut auf die Angreifer. Wut auf die Weggucker. Wut auf die Wut.

Und so nimmt sich Emi jeden Vergewaltiger einzeln vor, verstümmelt ihn, erniedrigt ihn und sorgt für Gerechtigkeit. Einerseits konnte ich Emis Gedankengänge nachvollziehen, andererseits hat es mich genau deswegen erschreckt. Die Passagen aus Emis (Täter)Sicht hielten die Spannung hoch und machten kleinere Defizite wieder wett (jemand liegt z.B. auf dem Rücken und wird dann nochmal auf den Rücken gedreht).

Ich weiß nicht genau, was ich vom Ende halten soll. Meine Vermutung wurde bestätigt, aber hinzu kamen noch Puzzleteile, die mich etwas überfordert haben. Die vielleicht insg. zu konstruiert wirken. Weniger ist manchmal mehr.

Weil die Themen in diesem Thriller sehr wichtig sind und mir die Umsetzung größtenteils gefiel, empfehle ich ARTEMIS gerne weiter.

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