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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2022

Eine unsympathische Heldin

Ein Kind namens Hoffnung
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Elly ist Köchin in einem jüdischen Haushalt und rettet den Sohn der Familie spontan in einer Nacht, als die Eltern nach einer Razzia deportiert werden. Sie gibt ihn als ihren Sohn aus und flieht zunächst ...



Elly ist Köchin in einem jüdischen Haushalt und rettet den Sohn der Familie spontan in einer Nacht, als die Eltern nach einer Razzia deportiert werden. Sie gibt ihn als ihren Sohn aus und flieht zunächst zu ihrer Familie und dann aufs Land, wo sie hofft, den Krieg unbeschadet und unbemerkt zu überleben, um ihr Versprechen einhalten zu können: den Sohn der Mutter zurückzubringen.
Leider werde ich mit der Heldin überhaupt nicht warm. Es sind immer wieder einzelne Züge oder sprachliche Wendungen, die mich in Distanz zu ihr bringen: sie wirkt derb und plump, ihr Äußeres erscheint bisweilen abstoßend und sie hat Attitüden, die abschrecken: sie kratzt an den Türen ihrer Liebhaber und spuckt sich in die Hände, um sich dann das Haar glatt zu streichen. Sowohl die Figuren als auch die Handlung sind für mich nicht immer stimmig, sehr sprunghaft und oft ohne erkennbare Motivation. Die Geschichte hat viel Potential, aber es kommt immer wieder zu dramatischen Einzelszenen, die sich in Nichts auflösen: Elly flieht, trifft auf dem Bahnhof einen Eifelbauern, dem gleich die Idee kommt, die ihm unbekannte Frau mit dem Kind zum Ersatz für seine verstorbene Ehefrau zu machen. Ein Sohn des Bauern wird ins Kinderheim gegeben, weil das Essen für ihn nicht reicht, für Elly und „ihr“ Kind, dem Bauern völlig fremd, aber schon. Dann wird er später von Elly aus dem Heim gerettet, obwohl die Zeiten noch härter sind. Elly wird beim Hühnerklauen erwischt, aber die „Geflügelbaronin“ findet das ganz in Ordnung. Sie nimmt Flüchtlinge auf, die, weil sie hungern, handgreiflich werden. Der Bauer kommt, droht, Situation gelöst. Ich hatte mich sehr auf die Geschichte gefreut, gerade weil ich „die heimliche Heldin“ gemäß der Vorankündigung sehr sympathisch fand. Meine Vorerwartung fand ich beim Lesen enttäuscht.

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Veröffentlicht am 22.10.2022

Besser Furie als Euphorie

Euphorie
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Das letzte Jahr im nicht sehr glücklichen Leben der Sylvia Plath – es geht um ihr Ringen mit ihrem Leben als Frau, als Tochter, als Mutter, als Schriftstellerin, als Mensch, als gescheiterte Existenz.
Das ...

Das letzte Jahr im nicht sehr glücklichen Leben der Sylvia Plath – es geht um ihr Ringen mit ihrem Leben als Frau, als Tochter, als Mutter, als Schriftstellerin, als Mensch, als gescheiterte Existenz.
Das Buch ist ein 336seitiger Monolog der Anklage, des Selbstmitleides, der leidenschaftlichen Liebe, des Hasses, der Erniedrigung anderer, der Selbstüberhöhung und des Selbstzweifels. Etwas zu viel des Guten: immer wieder kreisen die Gedanken um dasselbe Problem: warum liebt mich keiner, warum kann ich nicht die sein, die ich bin oder die ich glaube zu sein, warum kann ich nicht schreiben? Was dabei fehlt ist die angekündigte, um nicht zu sagen schon im Titel versprochene Euphorie. Das Leben und auch das Schreiben der Erzählern findet meist im Konjunktiv statt. Sie ist eine Verhinderte, und zwar eine durch andere Verhinderte, aber „eigentlich“ durch sich selbst. Das kann dem Leser auf Dauer schon mal auf die Nerven gehen. Über das äußere Leben der Dichterin erfährt er wenig. Sie bezieht mit Mann und Kind ein englisches Pfarrhaus, sie gebirt ein weiteres Kind, sie richten sich ein, sie bestellen den Garten, sie versuchen zu schreiben und ein gesellschaftliches und familiäres Leben zu führen. Und scheitern. Die sprachlichen Bilder dabei sind zum Teil wirklich gewaltig. Gerade die Naturbilder schaffen eine intensive Atmosphäre. Zum Teil aber sind sie genau so drüber, so gekünstelt und bemüht wie das geschilderte Leben. Schriftsteller zu sein ist nicht einfach oder macht man sich nicht einfach. Für das Buch braucht es meiner Ansicht nach große Leidensfähigkeit oder eine tiefe Bewunderung für die Schriftsellerin oder einen Hang zum (Mit)leiden.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Der eingebildete Unzufriedene

Die Mauersegler
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Der Philosophielehrer Toni ist mit seinem Leben unzufrieden und nimmt sich vor, sich in genau 365 Tagen das Leben zu nehmen. Bis dahin will er jeden Tag aufschreiben, was er erlebt und was er überlegt. ...

Der Philosophielehrer Toni ist mit seinem Leben unzufrieden und nimmt sich vor, sich in genau 365 Tagen das Leben zu nehmen. Bis dahin will er jeden Tag aufschreiben, was er erlebt und was er überlegt.
Die Idee finde ich spannenden. Mich hat dabei weniger die Frage interessiert, was genau ihn zum Suizid führt und ob er ihn denn dann auch vollzieht. Letzteres nur bedingt, weil mich vielmehr die Frage umgetrieben hat, ob er ihm Leben in diesen 365 Tagen etwas findet, das ihm das Leben lebenswert erscheinen lässt. Stattdessen aber verliert man sich in den Nörgeleien eines chronisch Unzufriedenen, eines Unsympathen, der keine wirklichen Probleme und somit auch kaum Grund zum Selbstmord hat. Kann das wirklich Satire sein? Da sind mir die Molierschen Figuren deutlich lieber in ihrer krassen Überzeichnung, mit der der französische Meister sich über sie lustig macht. Der Held hier nimmt sich meiner Ansicht nach selbst viel zu wichtig. In seinen Aufzeichnungen dreht er sich nur um sich, springt hin und her. Es geht weniger um das Jetzt und Hier als viel mehr um das Einst und Irgendwo. Sicherlich ist die Sprache – in der Übersetzung – schön und das Buch klug geschrieben, aber wenn sich keine Beziehung zum Helden oder vielmehr Anti-Helden aufbauen lässt, könn(t)en 800 Seiten schon lang werden und der Suizid des Helden eine Erlösung sein.

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Veröffentlicht am 07.10.2022

Merkwürdig

Lukusch
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Als Kind kommt Anton Lukusch mit seinem „Zwilling“ Igor nach dem Reatkorunglück aus der Ukraine nach Deutschland. Dort wird zum einen seine sonderbare Verbindung zur Igor, zum anderen sein Schachtalent ...

Als Kind kommt Anton Lukusch mit seinem „Zwilling“ Igor nach dem Reatkorunglück aus der Ukraine nach Deutschland. Dort wird zum einen seine sonderbare Verbindung zur Igor, zum anderen sein Schachtalent entdeckt.
Jahre später, Anton und Igor sind längst zurück in der Ukraine, macht sich Simon, einst Kind in der Familie, bei denen die beiden in Deutschland unterkamen, auf die Suche nach deren Verbleib.
Die Aufmachung des Romans ist originell. Photos und vermeintlich offizielle Dokumente verbürgen eine Wahrhaftigkeit der Geschichte, die allerdings der Recherche nicht standhält. Formal vermischen sich verschiedene Erzählebenen mit eingestreuten Dramenszenen, was den Leser bisweilen dazu zwingt, sich neu zu orientieren. Wer spricht? Auf welcher zeitlichen Ebene und wo befinden wir uns gerade in der Geschichte? Dementsprechend changiert der Plot zwischen dokumentarischem Drama, Erzählung, Kriminalroman und Mysterie. Bis zum Schluss fragt sich der Leser, kann das wahr sein? Wie lassen sich die Phänomene erklären: psychologisch, paranormal? Oder ist alles ein großes Fake?
Die Verfolgungsjagd auf den Spuren von Anton und die Suche nach Antworten, die die Vorgänge in irgendeiner Form rational erklärbar machen, fand ich noch ganz spannend. Aber immer mehr dreht der Roman ab, wird sehr merkwürdig und lässt mich mit der Frage zurück: Was soll das alles, die für mich eine gewisse Vergeblichkeit des Lesens impliziert.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Wer Sex in the CIty mag

Der schönste Zufall meines Lebens
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Penny hatte Brustkrebs, kann keine Kinder mehr kriegen und fühlt sich unwert, geliebt zu werden. Als sie das Restaurant ihres Onkels übernehmen muss, hat sie jedoch gleich drei Männer am Start. Alles nur ...

Penny hatte Brustkrebs, kann keine Kinder mehr kriegen und fühlt sich unwert, geliebt zu werden. Als sie das Restaurant ihres Onkels übernehmen muss, hat sie jedoch gleich drei Männer am Start. Alles nur Affären oder auch was Längerfristiges dabei?
Das Buch ist einfach nicht meins. Ich habe es gelesen, weil die Autorin sich selbst als jemand betitelt, der zynische Liebesgeschichten schreibt. Das fand ich interessant und erfrischend. Also mal nicht die typische 08/15-Liebeskomödie mit Verwicklung, selbstzerfleischenden inneren Monologen à la „Er liebt mich, er liebt mich nicht“ und Happy-End. Aber leider fehlt der Zynismus oder ich hab ihn nicht gefunden. Und so bleibt es wieder einmal beid er 08/15 Liebeskomödie mit … Man hätte es bei dem Titel eigentlich schon ahnen können.
Im Nachwort schreibt die Autorin, sie wolle „emotional reife Männer“ beschreiben. Das ist ihr auch gelungen. Die Männerfiguren sind angesichts der völlig überdrehten und emotional unreifen weiblichen Hauptfigur bewundernswert emphatisch, gelassen, großzügig und entspannt. So kann man denn auch nur aus vollem Herzen zustimmen, wenn einer von ihnen es auf den Punkt bringt und zu Penny sagt, sie solle endlich aus der Opferrolle kommen und erwachsen werden.
Es ist schwierig, einen Roman zu rezensieren, der den eigenen Geschmack nicht trifft. Ich denke, Fans von „Sex and the City“ oder Liebeskomödien mit Verwicklung, selbstzerfleischenden inneren Monologen à la „Er liebt mich, er liebt mich nicht“ und Happy-End kommen hier voll auf ihre Kosten.

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