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Veröffentlicht am 16.11.2023

Ballantyne

Das Nachthaus
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Richard ist vierzehn und neu in Ballantyne. Seine Eltern sind tot und er wurde von einem netten Ehepaar aufgenommen. Richtig Fuß fasst er nicht, weder in der Schule noch außerschulisch. Lediglich Tom, ...

Richard ist vierzehn und neu in Ballantyne. Seine Eltern sind tot und er wurde von einem netten Ehepaar aufgenommen. Richtig Fuß fasst er nicht, weder in der Schule noch außerschulisch. Lediglich Tom, der immer mal stottert, hängt mit ihm ab. Als Tom plötzlich verschwindet, ist allen sofort klar, dass Richard dahinter stecken muss. Hat er seinen neuen Freund in den Fluss gestoßen? Niemand glaubt ihm, dass Tom von dem Telefonhörer in der Telefonzelle gefressen wurde. Noch schlimmer: Nur wenig später verschwindet auch ein zweiter Junge, der zuletzt mit Richard gesehen wurde. Richard wiederholt immer wieder, dass sie Jack in ein Insekt verwandelt hat, doch wieder glaubt ihm niemand und er wird sogar in eine Jugendheilanstalt gesteckt. Doch der wahre Horror erwartet ihn erst bei seiner Rückkehr nach Ballantyne ...

Die letzten Bücher des Autors mit Harry Hole haben mich maßlos enttäuscht, aber mich hatte der Klappentext und die Leseprobe neugierig gemacht. Und so kam ich in den Genuss eines überraschend kurzweiligen Horrors, wie es auch Stephen King hätte schreiben können, wäre er nicht immer so langatmig und nervtötend. Hier geraten Kinder in Schwierigkeiten und Gefahren, die so groß sind, dass sie eigentlich Hilfe bräuchten, doch niemand glaubt ihnen. Zum Glück gibt's keinen Clown, aber es ist auch so unheimlich genug. Und obwohl ich das normalerweise nicht mag, hat mich amüsiert, dass sich Richard in drei verschiedenen Darstellungen des Ganzen als unzuverlässiger Erzähler entpuppt. Von mir aus darf Nesbo in Zukunft seinen abgehalfterten Ermittler Hole dahin schieben, was der Name im Englischen bedeutet, und weiterhin solche schnellen Horrorstories raushauen.

Veröffentlicht am 11.11.2023

Save the Queen!

Das unheilvolle Geheimnis des faszinierenden Mädchens
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Nach den Abenteuern in Europa sind Mary und Co wieder zurück in England, doch das heißt nicht, dass sie Zeit zum Ausruhen haben. Schließlich sind nicht nur Sherlock Holmes und Dr. Watson verschwunden, ...

Nach den Abenteuern in Europa sind Mary und Co wieder zurück in England, doch das heißt nicht, dass sie Zeit zum Ausruhen haben. Schließlich sind nicht nur Sherlock Holmes und Dr. Watson verschwunden, sondern auch noch Alice, das süße, kleine Hausmädchen des Athena-Clubs. Sie wurde entführt und wie es scheint, ist an ihr auch mehr dran als erwartet. Und jetzt möchte jemand, den man bereits ein bisschen in den früheren Fällen kennengelernt hat, ihre besonderen Fähigkeiten nutzen, um nicht nur eine seit zweitausend Jahren tote ägyptische Königin wieder auferstehen zu lassen, sondern ganz England unter die Fuchtel eines Imperiums zu zwingen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Der Athena-Club muss sich wieder einmal in Lebensgefahr bringen, um den Tag zu retten.

Diese Reihe ist ganz große Liebe! Nicht nur, dass wir hier fast durchweg nur junge, starke Frauen als Protagonisten haben, die höchstens ab und zu von starken männlichen Charakteren supported werden, hat dieses Found-Family-Trope etwas Herzerwärmendes. Dazu kommt, dass so extrem viele Klassiker des 19. Jahrhunderts zu etwas verbunden werden, die den Geschichten einen Extra-Kick verleihen. Natürlich sind sie auch gut, wenn man keinen Plan von Klassikern hat, aber wer sich ein bisschen auskennt, feiert regelmäßig die Eastereggs, die sich bis zu den letzten Seiten ziehen. Dennoch muss ich ein bisschen auf hohem Niveau meckern. Der letzte Band war ein bisschen langgezogen und Mary konnte mir gelegentlich ganz schön auf den Senkel gehen mit ihrer Rechtschaffenheit. Auch kann ich es nicht leiden, wenn Sherlock Holmes in eine Liebesgeschichte verwickelt wird, aber gut. Man muss dem lesenden Publikum geben, was das lesende Publikum, das allerdings nicht klassik-affin ist, erwartet. Alles in allem: mega Trilogie, das gern noch Nachfolger oder Ableger vertragen könnte.

Veröffentlicht am 18.10.2023

Patchworkfamilie

Das Vampirtier und die Sache mit den Tomaten
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Ausgerechnet an ihrem achten Geburtstag muss sich Emma einer unumstößlichen Tatsache stellen: Sie und ihr Papa sind nicht mehr allein. Seine Freundin Diana und deren Zwillingssöhne Lennie und Paul ziehen ...

Ausgerechnet an ihrem achten Geburtstag muss sich Emma einer unumstößlichen Tatsache stellen: Sie und ihr Papa sind nicht mehr allein. Seine Freundin Diana und deren Zwillingssöhne Lennie und Paul ziehen bei ihnen ein. Das könnte zu einer wirklich unangenehmen Situation kommen - wenn sich Diana und die Jungs nicht als Verbündete herausstellen würden. Denn Emma wünscht sich nichts sehnlicher als einen Hund und jetzt hat sie auch noch dreifachen Rückhalt. Da muss Papa nachgeben, aber es muss ein Tier aus dem Tierschutz sein. So kommt Brutus ins Haus: klein, wuschelig und irgendwie ... seltsam. Dazu kommt, dass das gruselige Haus oben auf dem Hügel plötzlich einen neuen Bewohner hat - und was passiert eigentlich mit den Tomaten der fiesen Vermieterin?

Diese Geschichte haben mein Vorlesekind und ich wirklich genossen. Natürlich ist sie total vorhersehbar und fast ein bisschen zu heile Welt ohne Probleme, was Patchwork und Familienbeziehungen angeht. Aber darüber machen sich Kinder ja keine Gedanken. Und die Sprecherin hat die verschiedenen Personen wirklich mega witzig umgesetzt und einen sehr guten Job erledigt. Wir werden uns - falls es Fortsetzungen gibt - diese wieder gern anhören.

Veröffentlicht am 13.10.2023

Marssiedler

Colony One Mars
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Vor drei Jahren ging der Kontakt zu den ersten Siedlern auf dem Mars verloren. Satellitenbilder zeigten eine zerstörte Kolonie und so ist die sechsköpfige Erkundungstruppe, die ausgeschickt wurde, um herauszufinden, ...

Vor drei Jahren ging der Kontakt zu den ersten Siedlern auf dem Mars verloren. Satellitenbilder zeigten eine zerstörte Kolonie und so ist die sechsköpfige Erkundungstruppe, die ausgeschickt wurde, um herauszufinden, was genau passiert ist, erstaunt, als sie Teile der Anlage noch intakt vorfinden. Doch plötzlich werden sie von einer seltsamen Krankheit infiziert. Der Kommandant rastet aus, es gibt Tote. Und plötzlich ist Jann Malbec, die Astrobiologin, die eigentlich nur Ersatz für das eigentliche Crewmitglied ist, auf sich allein gestellt. Und vor allem, die letzte Chance der Menschheit zu verhindern, dass eine verheerende Krankheit die Erde erreicht ...

Mit diesem Buch haben wir kein superoriginelles Leseerlebnis zu erwarten, aber eines, das mich durchaus fesseln konnte. Ein paar der Handlungen der Erkundungscrew habe ich nicht ganz nachvollziehen können, aber was so auf dem Mars und in der Kolonie passierte, kann ich mir durchaus vorstellen. Auch die Intrigen, die sowohl auf der Erde als auch auf dem roten Planeten geschmiedet wurden, sind realistisch. Eine kurzweilige, spannende Lektüre ohne allzu sympathische Charaktere.

Veröffentlicht am 12.10.2023

Ghost Theatre

Das Vogelmädchen von London
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London. Das siebzehnte Jahrhundert hat gerade erst begonnen. Shay, das Vogelmädchen, ist Mitglied und seit dem Tod ihrer Mutter die Anführerin einer Sekte namens Aviscultarier; sie kann aus dem Flug der ...

London. Das siebzehnte Jahrhundert hat gerade erst begonnen. Shay, das Vogelmädchen, ist Mitglied und seit dem Tod ihrer Mutter die Anführerin einer Sekte namens Aviscultarier; sie kann aus dem Flug der Vögel die Zukunft vorhersagen. In London arbeitet sie als Botin und viel zu oft befreit sie Vögel und wird deshalb gejagt. An so einem Tag, als sie über die Dächer der Stadt um ihr Leben rennt, begegnet sie Nonesuch, einem Jungen, der im Blackfriars-Theatre für den Adel auftritt. Sie verlieben sich und gründen gemeinsam das Ghost Theatre. Doch Shays besondere Fähigkeiten bleiben nicht unbemerkt und als selbst Königin Elisabeth ihr Augenmerk auf sie richtet, hat das nicht nur gute Folgen.

Wow. Was für ein verrückter Genre-Mix. Wir haben hier eine äußerst fantasievolle Reise in die Vergangenheit, ins elizabethanische Zeitalter und der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Dreck, die Armut und das Elend werden so beschrieben, dass man geradezu mit poetischer Wucht überrollt. Als Nonesuch das erste Mal seinen Auftritt im Theater hatte, war ich geradezu mittendrin, genau da, wo sich Shay als Souffleuse betätigte. Anfangs dachte ich eher an einen fantastischen Jugendroman im historischen Gewand (schon allein wegen der Wölfe, mit denen sie anfangs gejagt wird), doch ich glaube, der Autor möchte sich gar nicht festlegen lassen. So verrückt sein Genre-Mix ist, so interessant ist auch sein Schreibstil, der sich zwischen poetischem Feinsinn und brutalem Slang hin- und herbewegt, ohne dass es einen Bruch geben würde. Manchmal war mir die Geschichte ein bisschen zu langatmig; obwohl sie entschleunigte, ließ sie trotzdem keine Sekunde einen Zweifel daran, dass es dramatisch werden würde, sodass ich mich trotzdem immer ein bisschen unter Druck fühlte. Trotzdem hat das Ganze was. Wer sich darauf einlassen kann, wird mit etwas belohnt, das sich abseits ausgetretener Pfade und dem 08/15-Einheitsbrei bewegt.