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Veröffentlicht am 24.10.2021

Ruhig, seltsam, mysteriös und anders

Der Uhrmacher in der Filigree Street
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Der Uhrmacher in der Filigree Street ein Debüt von Natasha Pulley (Verlag: Hobbit Presse/Klett Cotta)

Als er sich die Uhr ans Ohr hielt, konnte er das Uhrwerk arbeiten hören. Es war so leise, dass er ...

Der Uhrmacher in der Filigree Street ein Debüt von Natasha Pulley (Verlag: Hobbit Presse/Klett Cotta)

Als er sich die Uhr ans Ohr hielt, konnte er das Uhrwerk arbeiten hören. Es war so leise, dass er nicht hätte sagen können, ob es erst gerade angesprungen war oder schon die ganze Zeit gearbeitet hatte und nur von anderen Dingen übertönt worden war. Er hielt sich die Uhr ans Hemd, hob sie dann wieder an und versuchte, das Geräusch mit seiner Erinnerung an die gestrige Version der Stille und ihre Schattenfarben zu vergleichen. Schließlich setzte er sich auf und drückte auf den Verschlussknopf. Der Deckel lies sich noch immer nicht öffnen. S. 23/24

Dieser Roman ist wie sein Schreibstil selbst, zeitweise unheimlich spannend und im nächsten Moment so trocken, dass es staubt. Vielleicht liegt es an den verschiedenen Handlungssträngen und Zeitsprüngen, bei denen es schwerfällt, Zusammenhänge zu sehen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Manche Aktionen der Protagonisten sind abrupt und teilweise nicht schlüssig. Die Stimmung der Figuren konnte das ein oder andere Mal nicht stimmig transportiert werden. Punkten konnte die Erzählung von Natasha Pulley, als sich am Ende alle Zahnrädchen ineinander fügten mit tollen Wendungen und einem überzeugendem Abschluss.

Besonders gut hat mir die Atmosphäre im herbstlichen London um 1883 und im alten Japan gefallen. Die Autorin versteht es, das Setting stimmungsvoll zu gestalten und die passenden Bilder zur Geschichte umzusetzen.
Ebenso haben mich die unaufgeregten Personen berührt, die im Blickpunkt dieser Geschichte stehen. Ihre unterschiedlichen Charaktere und ihre Beziehungen zueinander geben dem Inhalt die nötige Würze. Mori, der Uhrmacher mit einer Vorliebe für Mechanik und ein einziges Rätsel selbst; Thaniel, der Künstler, ruhig, unaufgeregt und etwas traurig; Grace, rebellisch, kämpferisch, die ihren eigenen Weg gehen will.
Die Einflechtungen des historischen Hintergrunds unter politischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten fand ich passend und informativ. Genauso die Theorien und Experimente mochte ich gern lesen.

Fazit: Ein tolles Lesevergnügen, wenn man sich darauf einlässt!
Alles in allem ein Geschichte, die man so vielleicht nicht erwartet. Es ist von jedem Genre etwas dabei, ein wenig Krimi, Fantasie und Magie, historische Elemente, Wissenschaft und Gefühl.
Eine außergewöhnliches, anderes und überraschendes Gesamtpaket mit kleinen Schwächen, welches ich gern gelesen habe und weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 07.03.2021

Cosy-Crime in Bad Reichenhall

Kurschatten-Affäre
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Kurschattenaffäre ein Bad-Reichenhall-Krimi von Lisa Graf-Riemann
„Triffst du dich immer noch mit der Schimmel?“, fragte sie jetzt. Sascha zuckte die Schultern. Sascha zuckte mit den Schultern. „Ihr Mann ...

Kurschattenaffäre ein Bad-Reichenhall-Krimi von Lisa Graf-Riemann
„Triffst du dich immer noch mit der Schimmel?“, fragte sie jetzt. Sascha zuckte die Schultern. Sascha zuckte mit den Schultern. „Ihr Mann ist gestern Nachmittag gekommen“, sagte er, auch wenn das keine richtige Antwort war.
“Dann halt dich da raus“, riet Paulina ihm. „Das führt doch zu nichts.“
Sascha fiel auf, dass Paulinas Gesicht voller Runzeln war, dabei sah er sie doch jeden Tag. Um die Augen herum waren sie weniger tief als auf der Stirn, und besonders kräftig war die große Marionettenfalte zwischen Nase und Mundwinkel hinunter zum Kinn. Es war ihm noch nie so stark aufgefallen. S.153/154

Der Schlagabtausch zwischen Alexander, genannt Sascha und seiner Großtante Paulina spitzt sich zu, als er einer bezaubernden Frau begegnet. Eher als guter Zuhörer beansprucht Mira die Dienste des Möchtegern-Physiotherapeuten als zur Behebung körperlicher Gebrechen. Die taffe Tante richtet mahnende Worte an ihren Schützling. Doch zu spät. Sascha ist schon mittendrin im Schlamassel. Als der 20 Jahre ältere Ehemann und angesehene Mediziner seiner Kurschattenaffäre durch eine Kugel zu Tode kommt, fällt der Verdacht auf ihn. Gewitzt und mit eigenen Methoden macht sich Sascha daran, der Spur des Mörders auf die Schliche zu kommen.

Die amüsante Geschichte nimmt nur langsam an Fahrt auf. Spannend steht hier konträr zu unterhaltsam. Denn darauf liegt eindeutig der Schwerpunkt der Geschichte. Das ist in Ordnung und entspricht vollkommen der Sparte Cosy-Crime und unterhält auf charmante Art und Weise.

Die Figuren sind angenehm, wobei Tante Paulina glänzend aus der Erzählung heraussticht.

Ein großer Pluspunkt ist die bezaubernd und wunderbar beschriebene Kulisse des Kurorts Bad Reichenhall, die sich vor den Augen des Lesers entfaltet.

Die Aufmachung des Buches ist ein weiteres Highlight. Mit den goldumfassten Seiten und dem passendem Cover ist das Buch schön anzusehen und liegt gut in der Hand.

Fazit: Dank des ausgezeichneten Lokalkolorits und des charmanten, schlagfertigen Charakters der Tante Paulina, lesenswert! Wenig Krimi, aber gute Unterhaltung. Charmant, mit Potential für eine Fortsetzung!

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Veröffentlicht am 17.04.2018

Deutschlands vergangene Jahrhunderte

Deutschlandreise
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Deutschlandreise eine Lesung aus der Produktion Audiobuch Verlag 2018 mit 8 Cds und 586 Minuten Hörzeit.
Eine andere Welt des Denkens und Betrachtens, zeitgenössische Reiseberichte und Ansichten über mehrere ...

Deutschlandreise eine Lesung aus der Produktion Audiobuch Verlag 2018 mit 8 Cds und 586 Minuten Hörzeit.
Eine andere Welt des Denkens und Betrachtens, zeitgenössische Reiseberichte und Ansichten über mehrere Jahrhunderte sind in dieser Sammlung zusammengefasst. Zugegeben leichtfüßig und gut zu verstehen, die Begebenheiten um Mark Twain, Heinrich Heine, Theodor Fontane und Johann Wolfgang von Goethe. Die landschaftlichen Reize, unwegsame Reisegefährte sowie die Eigenarten von Land und Leuten kreuz und quer in Deutschland ließen mich erstaunt aufhorchen und entlockten mir ein verhaltenes Lächeln. Die Größen der zeitgenössischen Sprache, eingefangen durch die verschieden Sprecher und Interpretationen, lassen die Geistes-und Kulturwissenschaften durch ihre literarischen Texte aufleben. Ein Werk zwischen Leben und Denken der damaligen Zeit, erzählt mit tiefsinnigen Worten.
Die Episoden aus längst vergangenen Tagen von Michel de Montaigne und Germaine de Stael vermochten mich nicht zu begeistern. Die Abhandlungen und kritischen Beobachtungen ermüdeten mich und ich konnte leider nicht aufmerksam folgen.
Fazit: Ein gelungener Versuch Impulse bekannter Poeten aufleben zu lassen mit Schwächen und Höhen, Längen und Tiefen für einen kurzweiligen Hörgenuss.

Veröffentlicht am 06.05.2024

Schwierig meine Gedanken in Worte zu fassen

Windstärke 17
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Windtärke 17 ein Roman von Caroline Wahl (Dumont Verlag)

Ida lebt keineswegs in einer heilen Welt. Ihr junges Leben ist durchzogen von Schwierigkeiten, ausgehend von einer alkoholkranken Mutter. Diese ...

Windtärke 17 ein Roman von Caroline Wahl (Dumont Verlag)

Ida lebt keineswegs in einer heilen Welt. Ihr junges Leben ist durchzogen von Schwierigkeiten, ausgehend von einer alkoholkranken Mutter. Diese stirbt. In Folge dieses Schicksalschlags muss sich Ida mir ihren Gefühlen und Emfindungen auseinander setzen. Da ist jede Menge Trauer gekoppelt mit Schuld und einer riesigen Wut, die sich immer wieder als großer Wutklumpen in ihrem Bauch formt.

Dieser Roman ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod, der Vergänglichkeit des Seins und dem Auf und Ab des Lebens. Dabei bleibt die Hauptprotagonistin unberechenbar für mich. Ich verstehe ihre Gefühle und auch deren Ausmaß. Und doch empfand ich, mit zunehmender Seitenzahl, ihre Gedanken, Ausbrüche, Aktionen als zu viel, wiederholend und krass. Naiv passend für einen Teenager jedoch unpassend für eine junge Frau.

Auch hinsichtlich des Textes bin ich zwiegespalten. Er liest sich nicht gerade einfach, im Wechsel wörtliche Rede, dann Züge eines Theaterstücks, Name plus Doppelpunkt. Ida denkt einen Satz und wiederholt ihn dann per Aussage oder auch nicht. Das Ganze liest sich so einzigartig und problematisch, wie Ida selbst.

Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut. Aus einer persönlichen Motivation heraus, vielleicht um den eigenen Verlust erträglicher zu machen, wollte ich die Zeilen von Caroline Wahl unbedingt lesen. Doch nach einem großartigen Beginn empfand ich „Windstärke 17“ eher deprimierend.
Trotz meiner Kritk gab es auch wundervolle Szenen, tiefgründige, berührende Aussagen, nachvollziehbare Charaktere, die durch die Geschichte tragen. Die aufkeimende Liebesgeschichte mit Leif und das versöhnliche Ende geben Hoffnung.

Ich lasse ein wenig Zeit versterichen und werde mich dem Debüt und dem Vorgänger-Roman der Autorin zu gegebener Zeit widmen.

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Veröffentlicht am 22.06.2021

Die Welt der Addie Laurie

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
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Das unsichtbare Leben der Addie LaRue ein Roman von V.E. Schwab aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Huber und Sara Riffel, erschienen bei FISCHER Tor

Jetzt steht sie auf keiner steilen Anhöhe, ...

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue ein Roman von V.E. Schwab aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Huber und Sara Riffel, erschienen bei FISCHER Tor

Jetzt steht sie auf keiner steilen Anhöhe, keinem Abhang, und trotzdem spürt sie, wie sie das Gleichgewicht verliert. Und dann erklingt Esteles Stimme in der Dunkelheit. Wie läuft man zum Ende der Welt?, fragte sie einmal. Und als Addie es nicht wusste, lächelte die alte Frau ihr runzliges Lächeln und antwortete. Einen Schritt nach dem anderen. S.107/108

Die Geschichte gestaltet sich in Zeitsprüngen, wobei mir die Episoden aus der Vergangenheit besonders gut gefallen haben. Der Plot an sich ist unheimlich spannend und steigert die Vorfreude auf die kommende Geschichte.
Die Hauptprotagonistin Addie ist eine besondere Figur in verschieden Zeiten und an verschiedenen Orten. Ihre Entwicklung finde ich gut umgesetzt. Der Wandel ihrer Gefühle und der Umgang mit der ganzen Situation sind durchaus nachvollziehbar.
Den dunklen Part im Buch verkörpert Luc. Er faszinierte mich erschreckenderweise von Anfang an. Ich war neugierig auf seine wahren Beweggründe und wie letztendlich alle Fäden zusammenlaufen werden.
Eine weitere Figur, Henry blieb für mich unscheinbar und wenig greifbar. Richtig erwärmen konnte ich mit nicht für ihn. Er ist in der Geschichte sehr mit sich selbst beschäftigt. Außerdem umgibt ihn ein Geheimnis was es aufzudecken gilt.
Die Autorin hat sich bemüht, die Charaktere ihrer Protagonisten und ihr Gefühlsleben hinreichend zu beleuchtet. Trotzdem blieb gerade Henry blass und oberflächlich. Er selbst ist nicht die große Figur im Roman und ist mir etwas unsympathisch geblieben.
Die Einflechtung realer Persönlichkeiten finde ich besonders gelungen und gibt dem Roman noch einmal einen besonderen Touch.
Mir gefällt der Schreibstil von V.E. Schwab im allgemeinen recht gut. Die Gefühle und Emotionen werden zum Leser transportiert. An manchen Stellen packte mich die Atmosphäre besonders, so z.B. als Addie den Pakt mit den dunklen Mächten eingeht oder Luc immer wieder gekonnt die Stirn bietet. Oder, als sie ihre Situation zu begreifen beginnt, von ihren Bekannten und Lieben nicht mehr erkannt zu werden, fühlte ich mit ihr.
Die Sache mit der GBTQ-Community muss für mich in einem Buch nicht unbedingt zur Sprache kommen. Ehrlich gesagt meide ich solche Lektüre. Ich habe keine Vorurteile, vielleicht bin ich dafür schon zu alt. Das Thema ist halt auch im wahren Leben da und alles muss immer irgendwie ausdiskutiert, beleuchtet und rechtfertigt werden. Vielleicht nervt mich das einfach. In meinem Lesestoff darf so etwas gern fehlen! Aber die jüngere Generation sieht das vielleicht anders?!
Die Kunst bekommt einen besonderen Stellenwert im Buch. Wie die einzelnen Kunsträume beschrieben sind fand ich wunderbar. Addie schafft es endlich, mit Henrys Hilfe, Spuren zu hinterlassen und das auf eine ganz besondere Art und Weise, eine tolle Idee!
Das Ende war unheimlich berührend, auch wenn man geahnt hat dass zwischen Addie und Luc eine intensivere Verbindung besteht, wird man sich der Tragweite am Ende erst richtig bewusst.
Es gab so viele berührende Szenen und es ist durchaus ein spannendes Buch. Trotz der leisen Töne kommen emotionalen Episoden wuchtartig und bereiten Herzklopfen beim Lesen. Trotzdem empfand ich gewisse Längen und hatte an manchen Stellen Schwierigkeiten an der Geschichte dranzubleiben.

Fazit: Das war mein erster Roman, den ich von dieser Autorin gelesen habe. Ich bin hin- und hergerissen. Die Erwartungen waren, nach vorangegangenem Lob, sehr hoch. Ganz erfüllen konnte die Lektüre meine Vorfreude und Erwartungen nicht. Luc ist für mich der eigentliche Held und stärkste Charakter des Romans. Von ihm hätte ich gern noch mehr gelesen. Drei gute Sterne, da ich lesetechnisches Durchhaltevermögen brauchte und ab und an die Spannung auf der Stecke blieb. Und einfach zu wenig Luc! Trotzdem regt der Roman zum Nachdenken an und ist ein gelungener Ausflug in eine Fantasie-Welt mit Love-Faktor.

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