Cover-Bild Lenin auf Schalke
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Penguin
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 14.03.2022
  • ISBN: 9783328601876
Gregor Sander

Lenin auf Schalke

Auf der Suche nach dem Osten im Westen - Gregor Sander in Gelsenkirchen

Seit dreißig Jahren betrachtet der Westen den Osten. Dreht und wendet die Ostdeutschen wie Schnitzel in der Pfanne. Es ist an der Zeit zurückzugucken. „Sander du musst in den Westen“, mit diesen Worten seines besten Freundes Schlüppi beginnt die Reise von einer goldenen Pommesbude in Ostberlin nach Gelsenkirchen. Sander wohnt hier bei Zonengabi im Glück (BRD) und ihrem Freund Ömer in einem alten Bergmannshaus. Er versucht sich zu orientieren zwischen alten Abraumhalden, nagelneuen Leninskulpturen und einer Vergangenheit, die 1000 Meter unter der Erde liegt.

Gregor Sander, eine der wichtigsten Stimmen der gesamtdeutschen Literatur, nimmt uns in »Lenin auf Schalke« mit dorthin, wo der Westen arm dran ist. Keine Zeche mehr, keine Kokerei und kein Stahlwerk, die Ruhrpottluft dank Arbeitslosigkeit gereinigt und auch Schalke 04 ist inzwischen zweitklassig. Hintersinnig, klug beobachtend und mit humorvollem Ernst erzählt Sander von einem Ort, der in allen Negativstatistiken führt: ärmste Stadt Deutschlands, höchste Arbeitslosigkeit, geringstes Pro-Kopf-Einkommen. Staunend entdeckt Sander eine Welt, die von der alten Bundesrepublik vergessen wurde. Nur ist Gelsenkirchen deshalb wirklich der Osten im Westen?

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.06.2022

Gelsenkirchen unter der Lupe

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Wissen Sie welche Stadt gemeint ist, wenn es da heißt: „Stadt der tausend Feuer“? Wenn man dieser Frage nachschiebt, dass man auch gut und gerne „Stadt der tausend Kneipen“ sagen könnte heute, dann lichtet ...

Wissen Sie welche Stadt gemeint ist, wenn es da heißt: „Stadt der tausend Feuer“? Wenn man dieser Frage nachschiebt, dass man auch gut und gerne „Stadt der tausend Kneipen“ sagen könnte heute, dann lichtet sich das Dunkel und wir sind angekommen. Ganz unten. In einer Stadt, die es schafft alle Ranglisten anzuführen: Ärmste Stadt Deutschland, Stadt mit der höchsten Arbeitslosigkeit und dem geringstes Pro-Kopf-Einkommen Deutschland. Gewonnen hat diese Titel: Gelsenkirchen.
Einst der glorreiche Ort der Kohle, die alle Lampen der BRD zum glühen brachte, heute im Abstiegskampf und das nicht nur beim identitätsstiftenden Schalke.
Der Schweriner Autor Gregor Sander machte sich also auf in die tiefste westdeutsche Provinz, nahm viele Skurrilität, Begegnungen und Orte auf und schrieb dann diese fiktive (!) Erkundungsreise. Der Autor war vor Ort und natürlich ist es ein Abbild des Erlebten, aber eben kein dokumentarisches erzählen.
Er gibt uns den Ossi-Blick auf den marodesten Ort Deutschland im Westen. Sander erkennt dort ungute Strukturen wie den Rechtsruck in der Gesellschaft und das Gefühl abgehängt zu sein, aber auch den unendlichen Lokalpatriotismus, die Liebe zur Heimat, die man von außen nur auf den 2. Blick verstehen kann, denn die Menschen sind voller sympathischer Selbstironie und überschätzen sich keineswegs.
Das Buch ist stellenweise witzig, aber hat immer den notwenigen Ernst, die Lage zu erkennen und zu reflektieren. Aus der sanierten Ost-Sicht auf einen Fleck Deutschland im Westen zu schauen, macht das ganze besonders spannend. Der Blick ist unverstellt, ohne Vorurteile und immer sinnierend. Schön auch, dass der Dialekt durchklingt (sicher ein Vorteil, wenn man das Hörbuch zum Buch genießt!)
Fazit: Trauen Sie sich erst mit diesem Stück Literatur Gelsenkirchen zu nähern, um dann im zweiten Schritt den Ommas, den Schalke-Fans und den Malochern selbst zu begegnen. Sehr gelungenes Buch!

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Veröffentlicht am 06.04.2022

Unsentimental und mit dem gebotenen Respekt

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Als gebürtiger Schweriner kennt er den Osten, hat auch schon darüber geschrieben, aber jetzt sollte sich der Autor Gregor Sander mal im Westen umschauen. Denkt zumindest sein Kumpel Schlüppi und empfiehlt ...

Als gebürtiger Schweriner kennt er den Osten, hat auch schon darüber geschrieben, aber jetzt sollte sich der Autor Gregor Sander mal im Westen umschauen. Denkt zumindest sein Kumpel Schlüppi und empfiehlt ihm Gelsenkirchen. Der Osten im Westen, die ehemalige Kohlestadt im Ruhrgebiet, die sämtliche Negativ-Rankings anführt. Ärmste Stadt Deutschlands, höchste Arbeitslosigkeit, niedrigstes Pro-Kopf-Einkommen. Wo die Touristenattraktionen aus Abraumhalden, alten Zechenhäusern und einer Lenin-Statue bestehen.

Unterkunft findet Sander bei Schlüppis Cousine Zonengabi (ihr erinnert euch an das Titanic Titelbild?), die mit ihrem Freund Ömer ein Bergmannshäuschen im Flöz Dickebank bewohnt, und noch immer mit Auftritten bei Vereinsfeiern etc. das Ossi-Klischee bedient, mit dem sie bekannt wurde, und davon offenbar mehr schlecht als recht leben kann. Ömer hat die Trinkhalle, das Büdchen, seines Vaters geerbt. Keine Goldgrube, aber man kommt über die Runden.

Allein oder mit diesen beiden, später auch mit Schlüppi, stromert er durch die Viertel, steht mit den arbeitslosen bergleuten Biere kippend am Tresen, versucht die Seele Gelsenkirchens jenseits von Buer (dem wohlhabenden Stadtteil) zu ergründen. Taucht ein in die Armut und Tristesse jenseits der Ruhrgebietsromantik, zeigt die Verwerfungen und Brüche auf, entdeckt aber auch die Heimatverbundenheit der Zurückgebliebenen. Nie voyeuristisch, nie überheblich, jederzeit mit dem gebotenen Respekt und Empathie. Herausgekommen ist dabei eine Sozialreportage über den Niedergang eines Ortes und die Auswirkungen auf dessen Bewohner, ein unsentimentaler Blick auf deren Leben. Aber gleichzeitig ermöglicht uns Sander auch Einblicke in die ostdeutsche Seele, nicht nur der Nach- sondern auch der Vorwendezeit.

„Lenin auf Schalke“ zeigt, es müssen nicht die Ozarks, West-Virginia oder Detroit sein. Wer sehen will, wie sich geschlossene Zechen und/oder das Abwandern der Industrie und damit der Wegfall von Arbeitsplätzen auf die Menschen auswirkt, denen damit die Lebensgrundlage entzogen wird, muss nur nach Gelsenkirchen schauen.

Veröffentlicht am 11.07.2022

Wie viel Osten steckt im Westen?

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Die Betrachtung geht immer nur von Westen nach Osten. Zeit dies zu ändern, findet Schlüppi und schickt seinen Kumpel in den Westen. Aber nicht irgendwohin, sondern dorthin, wo es weh tut, nach Gelsenkirchen. ...

Die Betrachtung geht immer nur von Westen nach Osten. Zeit dies zu ändern, findet Schlüppi und schickt seinen Kumpel in den Westen. Aber nicht irgendwohin, sondern dorthin, wo es weh tut, nach Gelsenkirchen. Aus der „Stadt der tausend Feuer“ ist mittlerweile eine arme Stadt geworden. Arbeitslosigkeit prägt das Stadtbild. Wie viel Osten gibt es so tief im Westen zu entdecken? Auf diese Spurensuche begibt sich Gregor Sander mit „Lenin auf Schalke“.

Was sich so lustig anhört, ist auch humorvoll geschrieben. Allerdings ist der ernste Hintergrund durchaus zu lesen und Sander nähert sich dem „Pott“ bzw. Gelsenkirchen so, dass bei allem Spaß am Wort der Respekt vor den Menschen und der Lage vor Ort bleibt. Er beschreibt in „Lenin auf Schalke“ viele Klischees, aber sowohl im Osten als auch im Westen und trifft in meinen Augen genau den richtigen Ton, um sich dem Thema anzunähern. Denn die Menschen im Ruhrgebiet sind hart im Nehmen und immer für einen guten Spruch zu haben.

Den Spieß einmal umzudrehen und zu schauen, wie der Westen mit Strukturwandel umgeht, ist eine gute Idee, denn in der Tat werden solche Reportagen nur über Oststädte, die schon deutlich bessere Tage gesehen haben, geschrieben. Aber es gibt diese Städte auch im Westen der Republik und vergleichbare Entwicklungen.

Es werden Zeiten verherrlicht, die zwar im wirklichen und im übertragenen Sinne viel Kohle gebracht haben, aber gar nicht immer so herrlich waren. Denn, wenn man sein Leben in einer Zeche verbracht hat, war man mit Eintritt ins Rentenalter nicht mehr topfit.

Als Schlüppi dann nach Gelsenkirchen kommt, nimmt die ganze Geschichte noch einmal Fahrt auf und nach den vorher eher sachlichen Recherchearbeiten geht ans Eingemachte und in die Kneipen bzw. nicht. Wenn der eine Teil des Gelsenkirchner Herzens aus Kohle besteht, ist der andere Teil der dort ansässige Fußballverein, Schalke 04. Auch hier nähert sich Gregor Sander mit Respekt und Ironie und passenderweise geht es auf „Das Schalke-Fan-Feld“ (dies sind 1904 Grabstätten).

Gregor Sander findet die Stellen, an denen es weh tut, die traurig sind und gleichzeitig nicht ohne eine gewisse Ironie betrachtet werden können. So ist der Schalker Markt, auf dem alles begann mit dem großen S04, heute eine Parkplatz. Ömer ist natürlich stolzer Büdchenbesitzer, denn das Ruhrgebiet ohne Büdchen geht nicht. Auch die Ostseite in ihm kommt nicht zu kurz und so ist es bei allem Witz und aller Ironie ein Buch über Identität.

„Lenin auf Schalke“ ist ein kurzweiliges Buch, sehr gut und unterhaltsam geschrieben und es bringt den Osten und den Westen ein wenig näher zusammen, denn so weit sind wir gar nicht voneinander entfernt.

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