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Veröffentlicht am 22.05.2025

Vom Leben, Lieben und Leiden

Die Schwarzgeherin
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Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Bergbauerndorf. Weit oben in einem abgelegenen Tal in den Tiroler Bergen. Eine verschworene Gemeinschaft, die sich ihre eigenen Regeln geschaffen hat und deren Einhaltung ...

Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Bergbauerndorf. Weit oben in einem abgelegenen Tal in den Tiroler Bergen. Eine verschworene Gemeinschaft, die sich ihre eigenen Regeln geschaffen hat und deren Einhaltung einfordert, Abweichungen davon nicht duldet.

Regina Denk erzählt in „Die Schwarzgeherin“ die Geschichte der Theres Lachermeyer. Eine, die schon als kleines Mädchen anders war, sich diesen ungeschriebenen Gesetzen nicht gebeugt hat. Und das ändert sich auch mit zunehmendem Alter nicht. Sie hat ihren eigenen Kopf, will ihr Leben selbst bestimmen, sich den Erwartungen der Familie nicht unterordnen. Will frei und selbstbestimmt leben, was aber für die Frauen in dieser Zeit (und speziell hier in dieser Gemeinschaft) nicht vorgesehen ist.

Das Ausbrechen von Frauen aus vorgegebenen Strukturen ist ein Motiv, das sehr oft in Verbindung mit Landschaften auftaucht, die Herausforderungen sind, in denen den Protagonistinnen alles abverlangt wird. So auch hier. Aber meist sind sie auf sich allein gestellt, haben nicht, wie in diesem Fall, noch die Verantwortung für ein Kind. Hier Theres‘ unehelich geborene Tochter Maria, mittlerweile achtzehn Jahre alt, die an diesem isolierten Leben leidet und, anders als ihre Mutter, unter allen Umständen ins Dorf zurück will.

Denk lässt uns in Kopf und Herz dieser beiden Frauen schauen, nutzt dazu nicht nur abwechselnd die verschiedenen Sichtweisen von Maria und Theres, sondern im Fall der letzteren auch die beiden alles entscheidenden Jahre 1863 und 1882. Die Sprache herausragend, die Innenansichten berührend und in Kombination mit den Beschreibungen der beklemmenden Atmosphäre, der engstirnigen Dorfbewohner sowie der unwirtlichen, rauen Bergwelt einfach nur großartig. Und das Finale? Kommt mit einem Knalleffekt daher und lässt die Düsternis der Hoffnung weichen. Für alle.

Ein Highlight. Lesen. Unbedingt!

Veröffentlicht am 17.05.2025

Erwartungen nicht erfüllt

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Brot und Brötchen backe ich schon länger. Anfangs mit Hefe, später mit selbstangesetztem Sauerteig. Dieser ist allerdings während der Wintermonate „gestorben“, und sämtliche Versuche, einen neuen anzusetzen ...

Brot und Brötchen backe ich schon länger. Anfangs mit Hefe, später mit selbstangesetztem Sauerteig. Dieser ist allerdings während der Wintermonate „gestorben“, und sämtliche Versuche, einen neuen anzusetzen bisher, warum auch immer, misslungen. Also dann, zurück auf Anfang, allerdings mit sehr geringen Hefemengen. Entsprechende Anleitungen dafür habe ich mir von dem viral höchst erfolgreichen Plötz-Prinzip und Lutz Geisslers Brot-Backbuch versprochen.

Die Hefe wird in seinen Rezepten in homöopathischen Dosen, im Nullkomma-Bereich eingesetzt, was sowohl für längere Haltbarkeit als auch für bessere Verträglichkeit sorgt. Dafür gibt es einen anderen, entscheidenden Faktor, nämlich die 24-stündige Reifezeit des Teigs bei Raumtemperatur, die „vollendete Ergebnisse“ garantieren soll.

Der Löwenanteil der Rezepte ist „normalem“ Brot in verschiedenen Varianten vorbehalten, es folgt ein kleinerer Teil mit Baguette, Ciabatta und Co. und deren Varianten, diverse Brötchen sowie eine Handvoll für Feingebäck. Leider wird hierbei aber fast ausschließlich Weißmehl (Weizen und Dinkel) verwendet, Roggen taucht z.B. nur zusätzlich in sehr geringen Mengen (25 gr) auf.

Lutz Geisslers „ Brot backen in Perfektion mit Hefe“ richtet sich auch an Einsteiger, weshalb er den 69 Rezepten einen ausführlichen und gelungenen Einleitungsteil voranstellt, der keine Fragen offen lässt. Die verschiedenen Mehltypen und deren Möglichkeiten der Anpassung, die Vorbereitungen wie die Zubereitung eines Kochstücks, das Dehnen und Falten des Teig und vieles mehr, all das, was man wissen und beachten muss, wird berücksichtigt, sodass keine Fragen offenbleiben und ein optimales Ergebnis erzielt wird. So die Theorie.

In der Praxis wurde diese allerdings von der Realität eingeholt. Ausgesucht hatte ich mir das Rezept für Kipf, länglich geformte Weizenbrötchen mit spitzen Enden. Unkompliziert in der Zubereitung, aber mit einem leider nicht zufriedenstellenden Ergebnis. Die Optik war perfekt, aber die Brötchen kamen so hart aus dem Backofen, dass selbst das Brotmesser Probleme hatte. Nach einem Tag im Brotkasten waren sie noch immer hart, dafür das Innere aber zäh wie Leder. Enttäuschend, zumal ich mich sklavisch und Schritt für Schritt an die Vorgaben des Autors gehalten hatte. Aber so schnell gebe ich nicht auf d.h. ich werde einen weiteren Versuch wagen, dabei allerdings die Temperatur herunterregeln und eventuell die Backzeit verkürzen.

Ein Brot-Backbuch, das meine Erwartungen aus genannten Gründen leider nicht erfüllt hat, weshalb ich es nur mit Einschränkung empfehlen kann.

Veröffentlicht am 13.05.2025

Alter Wein in neuen Schläuchen

Devil's Kitchen
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Ich versuche es zwar immer wieder, aber die Chancen stehen schlecht, dass Candice Fox und ich unsere Freundschaft erneuern. Ihre ersten beiden ins Deutsche übersetzten Bücher der Hades-Trilogie habe ich ...

Ich versuche es zwar immer wieder, aber die Chancen stehen schlecht, dass Candice Fox und ich unsere Freundschaft erneuern. Ihre ersten beiden ins Deutsche übersetzten Bücher der Hades-Trilogie habe ich sehr gerne gelesen, aber alles, was danach kam, konnte mich leider nicht überzeugen. Interessanterweise sieht das bei den semiprofessionellen Krimi-/Thriller-Lesern durch die Bank weg ganz anders aus, die bei jedem Buch der Autorin verzückt juchzen und Lobeshymnen von sich geben, in die ich längst nicht mehr einstimmen möchte und kann.

Warum? Hier der Versuch einer Antwort am Beispiel von Devil’s Kitchen:

Die Inhalte ihrer Thriller sind selten neu. Sei es ein Gefängnisausbruch, verschwundene Kinder und deren verzweifelte Eltern oder, wie im vorliegenden Fall, die Feuerwehrleute als Brandstifter und Diebe. Hat man alles bereits verfilmt gesehen oder bei Autorenkollegen um ein Vielfaches besser geplottet gelesen (siehe dazu z.B. „Corruption“ von Don Winslow).

Ihre Protagonisten, in diesem Fall Ben und Andy, wecken null Sympathie, was in erster Linie daran liegt, dass sie wie künstliche, holzschnittartige Konstrukte daherkommen, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Daran ändert leider auch das 9/11-Trauma des (total unsympathischen) Anführers nichts.

Die langatmigen Einschübe, die Handlungen erklären sollen/müssen, bremsen das Tempo aus und killen jeden Spannungsfunken. Das sorgt dafür, dass man ständig in Versuchung ist, große Teile zu überblättern, um endlich zum Schluss zu kommen.

Alle diese Punkte könnten damit zusammenhängen, dass Fox in der Schreibschule von James Patterson das Handwerk gelernt und in den Anfängen ihrer Karriere auch für ihn geschrieben hat (stand früher auch noch auf ihren Covern). Schaut man sich die Qualität seiner Bücher an, wirken sie wie am Reißbrett konstruiert, folgen immer wieder dem gleichen Aufbau. Uninspiriert und in ihrer Masse auf blanken Kommerz angelegt. Grottig und keine Empfehlung…so wie Devil’s Kitchen von Candice Fox.

Veröffentlicht am 13.05.2025

Alte Mär in genialem Gewand

The Bright Sword
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Die Artus-Sage gehört zweifellos zum kulturellen Erbe Großbritanniens, und schon deshalb ist es interessant, sich die Neuerzählung des amerikanischen Fantasy-Autors Lev Grossman, den einige vielleicht ...

Die Artus-Sage gehört zweifellos zum kulturellen Erbe Großbritanniens, und schon deshalb ist es interessant, sich die Neuerzählung des amerikanischen Fantasy-Autors Lev Grossman, den einige vielleicht als Autor der Fillory-Romane oder Schöpfer der Fernsehserie „The Magicians“ kennen. Wer nun aber glaubt, dass sein Epos „The Bright Sword“ eine bloße Nacherzählung ist, wird schnell feststellen, dass er sich irrt.

Grossman hat sich die Legende vorgenommen, in ihre Einzelbestandteile zerlegt und die Punkte herausgefiltert und an die Oberfläche geholt, deren Bedeutung im Lauf der Jahrhunderte durch zahlreiche Bearbeitungen an den Rand gedrängt wurden. Das bedeutet aber nicht, dass er auf Rittertugenden, Magie, Excalibur, den heiligen Gral und das, was Camelot ausmacht, verzichtet. Aber er hüllt dies in ein „moderneres“ Gewand, in dem die Vergangenheit, die Innenansichten und die Suche nach Identität zentral sind.

Was diesen Roman allerdings komplett von der Vorlage unterscheidet ist der Verzicht auf die klangvollen Namen, die einem als erstes in den Sinn kommen, wenn man nach den Protagonisten der Artus-Sage gefragt wird. Diese sind alle in der Schlacht von Camlann gefallen, so dass nunmehr nur noch die zweite Garde am Leben ist, um die Aufgabe zu erfüllen. Ergänzt wird dies durch den Neuling Collum, ein Möchtegern-Ritter von niederem Stand, misstrauisch beäugt von dem kläglichen Rest der Tafelrunde, in der er gegen alle Widerstände seinen Platz noch finden muss.

„The Bright Sword“ ist die etwas andere Neuerzählung einer Mär aus längst vergangener Zeit. Grossman beherrscht sein Handwerk und hat mir damit ein außergewöhnliches Lesevergnügen voller Magie und Säbelklirren, aber mit einem ungewöhnlichen Touch beschert. Es passiert mir selten, aber einmal begonnen, wollte ich es kaum noch aus der Hand legen.

Überzeugt euch selbst davon. Unbedingt!

Veröffentlicht am 11.05.2025

Unterhaltsamer Schmöker für zwischendurch

Elbnächte. Schatten über St. Pauli
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Wie bereits in der vierbändigen Reihe um „Die Hafenärztin“ nimmt uns Henrike Engel auch in „Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli“ - der Untertitel lässt es erahnen - mit in die historische Hansestadt ...

Wie bereits in der vierbändigen Reihe um „Die Hafenärztin“ nimmt uns Henrike Engel auch in „Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli“ - der Untertitel lässt es erahnen - mit in die historische Hansestadt an der Elbe. Wir schreiben das Jahr 1913, und abseits der noblen Villenviertel kreuzen sich in der Hamburger Unterwelt die Lebenswege dreier Menschen, die verschiedener nicht sein könnten. Luise, Ella und Paul, drei Menschen, deren Lebensumstände sich anders als erwartet entwickelt haben und die sich deshalb Herausforderungen stellen müssen, an denen sie wachsen werden.

Luise, die Tochter aus gutem Haus, steht vor den Trümmern ihres Lebens, als sie die Nachricht erhält, dass ihr Ehemann bei einem Duell ums Leben gekommen ist. Die Umstände erscheinen ihr zwar fragwürdig, aber alles Jammern hilft nichts. Sie, die noch nie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen musste, steht plötzlich vor einer Situation, in der sie ihre anfängliche Verzweiflung beiseiteschieben und zupacken muss, wenn sich eine Chance bietet. Umso mehr, da sie weder Ausbildung noch besonderen Qualifikationen hat, dafür aber den Schuldenberg, den ihr der Tote hinterlassen hat. Aber da ist auch der Schuldschein eines Barbesitzers auf St. Pauli der ihr beim Sichten der Unterlagen in die Hände fällt.

Durch einen glücklichen Zufall lernt sie Ella kennen, eine gutherzige, junge Prostituierte, die vor ihren Peinigern geflohen ist und in Hamburg ein neues Leben beginnen will. Sie kennt sich im Milieu aus und unterstützt mit ihrer praktischen Intelligenz und Tatkraft Luises Plan, auf St. Pauli eine Bar zu eröffnen.

Und dann ist da noch Paul, der nach einem Anschlag einarmige Ex-Polizist, der des Lebens zwar überdrüssig ist, aber vor seinem Abgang unbedingt denjenigen zur Verantwortung ziehen will, der für sein erbärmliches Leben verantwortlich ist. Hinter all dem steckt seiner Meinung nach der Anführer einer Bande von Straßenkindern, die in dessen Auftrag Raubzüge durchführen, die nicht immer glimpflich ablaufen.

Als einer dieser Jugendlichen die beiden Frauen um Hilfe bittet, weil er des Mordes beschuldigt wird, gewähren sie ihm Unterschlupf, weil er beteuert unschuldig zu sein. Aber schnell müssen Luise und Ella feststellen, dass es höchst gefährlich ist, wenn man die Bahnen der Unterweltgrößen kreuzt. Glücklicherweise eilt ihnen Paul zur Hilfe und gemeinsam machen sich auf die Suche nach dem skrupellosen Mörder.

„Elbnächte“ ist einmal mehr ein historischer Frauenroman, in dem die Protagonistinnen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Der Autorin scheint aber gleichzeitig auch daran gelegen zu sein, den Leserinnen einen Eindruck vom täglichen Leben und dem Tanz auf dem Vulkan ein knappes Jahr vor Beginn des Ersten Weltkriegs zu vermitteln, aber das ist ihr leider nur in Ansätzen gelungen. Zum einen mag das daran liegen, dass sie sich auf den Mikrokosmos Kiez konzentriert, zum anderen scheint es ihr in erster Linie darum zu gehen, das Wachsen und die Veränderungen der drei Hauptfiguren zu zeigen. Ob das in der Realität zu der damaligen Zeit so funktioniert hat, sei dahingestellt. Natürlich wird mit den üblichen Zutaten und den glücklichen Zufällen gearbeitet, aber das ist in diesem Genre üblich und habe ich auch nicht anders erwartet. Es gibt Rückschläge, gefährliche und unangenehme Situationen, aber dennoch werden die beiden Frauen ihre Ziele gegen alle Widerstände erreichen. So kennt man das. Der besondere Dreh war hier das Einbetten eines Spannungsfaktors durch die Krimihandlung, was durch unerwartete Wendungen für Abwechslung gesorgt hat und durchaus gelungen ist.

Alles in allem ein netter Schmöker für zwischendurch, der unterhält, auch wenn er das Rad nicht neu erfindet.