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Veröffentlicht am 24.07.2025

Dolce Vita mit Knalleffekt

Teddy
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Emily Dunlay nimmt uns mit nach Rom, Ende der sechziger Jahre das glamouröse Zentrum der Reichen und Schönen, in dem der äußere Schein das Sein bestimmt.

Im Zentrum steht Teddy, die mit ihren 34 Jahren ...

Emily Dunlay nimmt uns mit nach Rom, Ende der sechziger Jahre das glamouröse Zentrum der Reichen und Schönen, in dem der äußere Schein das Sein bestimmt.

Im Zentrum steht Teddy, die mit ihren 34 Jahren zum Leidwesen ihrer einflussreichen, texanischen Familie ein „spätes Mädchen“ ist, das dringend unter die Haube gebracht werden muss, bevor sie zu „verdorbener Milch“ wird. Der Plan ihrer Cousine Marcia gelingt, die Teddys Telefonnummer an David, Studienfreund ihres Mannes und mittlerweile in der römischen Botschaft beschäftigt, weitergibt. Nach einer sehr kurzen Phase des Kennenlernens heiraten die beiden und Teddy folgt ihrem Mann nach Rom. Zwanghaft bemüht versucht sie sich in ihrem neuen Leben einzurichten, perfekt zu sein, alles richtig zu machen und den Ansprüchen ihres Ehemannes zu genügen. Aber dass das in die Hose gehen wird, ist zu vermuten.

Teddy ist zu Beginn ein Ausbund an Oberflächlichkeit ist, aber dennoch eine sympathische Protagonistin, die sich leider den gesellschaftlichen Zwängen einer Zeit unterordnet, in der die Rolle der Frau zwar sehr eng gefasst ist, es durchaus aber Möglichkeiten gäbe, dieses Rollenmuster zu durchbrechen. Und dass sie es kann, zeigen die Wochen nach dem Unabhängigkeitstag.

Es sind die stimmungsvollen Beschreibungen der Örtlichkeiten, die mir beim Lesen immer wieder das Gefühl vermittelt haben, einen Film über das römische Dolce Vita aus der Glanzzeit von Hollywood anzuschauen, gesehen und beschrieben durch die Augen einer Amerikanerin. Das ist der Autorin sehr gut gelungen, ebenso von Beginn an die die leise Spannung, die suggeriert, dass im Verlauf der Story noch ein Knalleffekt zu erwarten ist und die Handlung eine andere Richtung einschlägt.

Mit leichten Abstrichen ein schönes Sommerbuch, das man durchaus in den Urlaubskoffer packen kann, auch wenn man nicht nach Rom fährt.

Veröffentlicht am 17.07.2025

Aneinanderreihung von Klischees

Moorlande
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Auf der kleinen Insel M’sauga Island im Sumpfland vor einem Städtchen in Michigan, lebt Hermine Zook mit ihrer Enkelin Donkey. Hermine, genannt Herself, ist eine Heilerin, von Männern misstrauisch beäugt, ...

Auf der kleinen Insel M’sauga Island im Sumpfland vor einem Städtchen in Michigan, lebt Hermine Zook mit ihrer Enkelin Donkey. Hermine, genannt Herself, ist eine Heilerin, von Männern misstrauisch beäugt, aber für viele Frauen der letzte Rettungsanker, wenn es darum geht, entweder eine Schwangerschaft zu verhindern oder zu beenden oder, wenn alles zu spät ist, sich um ein ungewolltes Neugeborenes zu kümmern. Sie macht keinen Unterschied zwischen eigenen und fremden Kindern, hat selbst hat drei Mädchen großgezogen, die längst fernab der Insel ihr eigenes Leben leben. Rose, Donkeys Mutter, Molly, die mit ihrer Schwester Primrose in Kalifornien lebt und sich nur hin und wieder auf M’sauga Island blicken lässt, und Molly, die in einem Krankenhaus in der Nähe arbeitet und offenbar die einzige ist, die sich Gedanken um die Zukunft ihrer Nichte macht.

Donkey, eigentlich Dorothy, ist ein cleveres Mädchen mit großem Interesse an Zahlen, das Hermine in allen Belangen unterstützt, von dieser in die Wirkungsweise und Zubereitung der Heilmittel eingeweiht wird, besucht aber keine Schule. Deshalb stellt sich für Molly die Frage, wie sie sich im späteren Leben ohne richtige Ausbildung zurechtfinden soll, wenn zum einen Hermine stirbt und zum anderen ihr Lebensraum verschwindet? Letzteres eine reale Bedrohung, da ein Farmer seine Anbaufläche vergrößern möchte und dafür bereits die Insel ins Auge gefasst hat, obwohl giftige Abwässer die Marsch und das Ackerland verseuchen und unheilbare Krankheiten hervorbringen…

Leider konnte die Autorin meine Erwartungen nur in Ansätzen erfüllen. Campbells Naturbeschreibungen haben die Atmosphäre dieses einzigartigen Ökosystems gut eingefangen, aber die Handlung war, mit Ausnahme der Schlusssequenz, dermaßen von Längen geprägt, dass ich mich immer wieder zum Weiterlesen überwinden musste, wozu aber auch die Personenkonstellation beigetragen hat.

Romane, die in den amerikanischen Sumpflandschaften verortet sind, gibt es zuhauf. Ganz gleich, ob das die Bayous in Louisiana oder die Sümpfe in Florida sind, es gibt fast immer einen Schlangenkult und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist meist auch identisch. Hier ist es die heilkundige Außenseiterin, die sich in ihrem Leben außerhalb der Gemeinschaft eingerichtet hat. Kennt man ebenfalls aus zahlreichen historischen Romanen. Ihre besonderen Fähigkeiten, von verzweifelten Frauen geschätzt, von trinkfesten, gewaltbereiten Männern verachtet, höchstens dann in Anspruch genommen, wenn alles andere versagt hat. Frauen als diejenigen, die bewahren. Männer, die rücksichtslos zerstören. Und so reiht sich auch hier Klischee an Klischee. Schade.

Veröffentlicht am 16.07.2025

Gespenster der Vergangenheit

Mittsommer
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Sommersonnenwende. The Manor, ein exklusives Luxushotel für zahlungskräftige Gäste in den Wäldern Dorsets. Die Einweihung,, die jeden Rahmen sprengt. So hat es sich zumindest Francesca vorgestellt, als ...

Sommersonnenwende. The Manor, ein exklusives Luxushotel für zahlungskräftige Gäste in den Wäldern Dorsets. Die Einweihung,, die jeden Rahmen sprengt. So hat es sich zumindest Francesca vorgestellt, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Owen, einem Stararchitekten, den Um- und Ausbau des geerbten Familienanwesens geplant hat. Alles soll für den großen Tag perfekt sein. Ein Mega-Event, aber nicht für die Einheimischen, denn nicht nur sie kennen die dunkle Vergangenheit des ehemaligen Familienanwesens. Und einmal mehr wird es sich zeigen, dass es nur des richtigen Zeitpunkts bedarf, um sich für lange zurückliegende Verletzungen zu rächen.

Lucy Foley baut die Handlung ihres Thrillers „Mittsommer“ langsam, aber sehr geschickt auf. Sie erzählt multiperspektivisch und bindet nicht nur durch die Auszüge eines Tagebuchs weit zurückliegende Ereignisse in die Gegenwart ein. Zusätzlich lässt sie uns nicht nur an Erinnerungen, sondern auch an den zwiespältigen Überlegungen derjenigen teilhaben, die Francesca mehr oder weniger freiwillig bei ihrem ehrgeizigen Projekt unterstützen. Koste es, was es wolle.

Es sind immer nur kleine Häppchen, mit denen uns die Autorin versorgt, aber genau diese wecken das Interesse, halten die Spannung konstant hoch und fügen Bruchstück um Bruchstück zu den anfangs vagen Vermutungen hinzu. Wir wissen zwar immer mehr als die beteiligten Personen, können aber lediglich Vermutungen anstellen, wie und warum es zu dem von Beginn an bekannten Ereignis kommen wird. Aber das Dunkel lichtet sich natürlich erst gegen Ende, das durch einige unvorhersehbare, aber durchaus logisch nachvollziehbare Wendungen eingeläutet wird und gelungen ist.

Übrigens, die im Klappentext angesprochene Mystik wird nur sparsam eingesetzt, was ich durchaus als sehr angenehm empfunden habe.

Hier heißt es zugreifen, falls ihr noch eine spannende Urlaubslektüre sucht.

Veröffentlicht am 09.07.2025

Bittersüße Geheimnisse

Bretonische Versuchungen
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In „Bretonische Versuchungen“ können wir bereits zum vierzehnten Mal Kommissar Dupin bei seinen Ermittlungen in einem höchst ungewöhnlichen Fall über die Schulter schauen. Die Mitinhaberin einer Traditionsconfiserie ...

In „Bretonische Versuchungen“ können wir bereits zum vierzehnten Mal Kommissar Dupin bei seinen Ermittlungen in einem höchst ungewöhnlichen Fall über die Schulter schauen. Die Mitinhaberin einer Traditionsconfiserie in Concarneau, bekannt für ihre exquisiten Produkte, wird in einem Bottich mit geschmolzener Schokolade tot aufgefunden. Ein Unfall kann ausgeschlossen werden, alle Spuren weisen auf Mord hin. Aber wer könnte ein Interesse an ihrem Tod haben, war sich doch die dreiköpfige Geschäftsleitung bisher in allem einig? Zumindest dem äußeren Anschein nach.

Für Dupin kommt der Fall zu rechten Zeit, kann er so doch der Konfrontationstherapie entgehen, die ihm die Angst vor der rauen See nehmen soll. Unterstützt von seiner resoluten Mitarbeiterin Nolwenn sowie dem im Hintergrund arbeitenden Team aus Rival, Le Menn und Kadeg stürzt er sich in die Ermittlungen, die ihm körperlich und mental das Äußerste abverlangen, ihn tief in den Herstellungsprozess der bittersüßen Köstlichkeiten eintauchen lassen und ihn auf den Spuren des Rohstoffs bis ins Baskenland führen…

Schaut man sich die Fälle der einzelnen Bände genauer an, lässt sich eine Gemeinsamkeit feststellen, die diese Reihe von den üblichen Urlaubskrimis unterscheidet. Natürlich arbeitet der Autor auch mit atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, aber ihm geht es in erster Linie darum, tiefer in die regionalen Eigen- und Besonderheiten der Bretagne einzutauchen und diese seinen Leserinnen und Lesern zu vermitteln. So zumindest mein Eindruck.

Es ändern sich nicht nur die Schauplätze sondern auch die Themen, die die jeweiligen Fälle dominieren. Mal sind es außergewöhnliche bretonische Produkte, dann wieder kulturelle Mythen oder ethnografische Besonderheiten, die typisch für die Handlungsorte sind, an denen Dupin plus Team im Einsatz ist. Bemerkenswert ist die Tiefe, in der Bannalec dies en passant in die meist doch recht konventionellen, gemächlich inszenierten Storys einarbeitet und so immer wieder nicht nur auf die Bretagne neugierig macht, sondern uns damit auch einiges an Wissen vermittelt. Das trifft auch auf diesen Fall zu und ist mit ein Grund, weshalb ich immer wieder gespannt auf die Fortsetzung der Reihe warte.

Veröffentlicht am 06.07.2025

Anfänge einer Dynastie

Thronräuber
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Wenn man sich für englische Geschichte interessiert, aber keine trockenen Sachbücher lesen möchte, sollte man zu den historischen Romanen der leider 2021 verstorbenen amerikanischen Autorin Sharon Penman ...

Wenn man sich für englische Geschichte interessiert, aber keine trockenen Sachbücher lesen möchte, sollte man zu den historischen Romanen der leider 2021 verstorbenen amerikanischen Autorin Sharon Penman greifen. Bekannt wurde sie mit ihrem Roman über Richard III. „The Sunne in Splendor“, in dem sie ein erfrischend anderes Narrativ dieses dämonisierten englischen Königs präsentiert. Gelesen habe ich es vor vielen Jahren im Original und konnte diese alternative Sichtweise, insbesondere was dessen Beteiligung an der Ermordung der Prinzen im Tower anging, absolut nachvollziehen.

„Thronräuber“ ist Band 1 der im Original vierbändigen Reihe um die Anjou-Plantagenet Dynastie und behandelt den Zeitraum zwischen 1101 und 1142.

Henry I. hat zwar 23 Nachkommen gezeugt, von denen aber lediglich zwei legitime Erben des Throns sind, William und Maude. Erster kommt beim Untergang des „Weißen Schiffs“ ums Leben, bleibt nur noch die Tochter als zukünftige Herrscherin übrig. Auf Anweisung ihres Vaters mit Geoffrey Plantagenet, Graf von Anjou, verheiratet, soll sie Henry I. nach seinem Tod am 1. Dezember 1135 nachfolgen, was allerdings innerhalb des Adelskreises keine Zustimmung findet.

Eine Frau auf dem Thron? Undenkbar. Also nutzt Stephen of Blois (Henrys Neffe und Enkel von William the Conquerer) die Gunst der Stunde zu seinem Vorteil, zieht mit seinem Tross gen England, verteilt großzügig Privilegien, sichert sich so die Unterstützung von Adel, Kirche und Volk und wird am 22. Dezember 1135 in Winchester zum König gekrönt. Aber ganz so kampflos wie erwartet gibt Maud den Anspruch auf den Thron nicht auf. Auch wenn die Vertreter des Adels und der Kirche kein Vertrauen in Maud und ihre Fähigkeiten haben, will sie doch das Geburtsrecht auf die Krone zumindest für ihre Nachkommen sichern. Wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Und so beginnt der Kampf um die Krone. Ein Bürgerkrieg, bekannt als „The Anarchy“, der fast zwei Jahrzehnte dauert und den Weg für die verschiedenen Thronfolger des Hauses Plantagenet ebnet, die immerhin bis 1485 (Tod Richard III.) herrschen werden.

Sharon Penman erzählt diese Geschichte in fast 800 Seiten und hält sich dabei eng an die historisch verbürgten Eckdaten. Dabei quält sie ihre Leser und Leserinnen aber nicht mit seitenlangen, nichtssagenden Beschreibungen, die eher den Lesefluss hemmen, als die Story zu illustrieren und deren Fortgang zu unterstützen, sondern erweckt die historischen Persönlichkeiten, die wir, wenn überhaupt, nur aus den Geschichtsbüchern kennen, samt ihrer Eigenheiten zum Leben. Sie verleiht ihnen Persönlichkeit, gibt ihnen Konturen, samt der Ecken und Kanten.

Natürlich wird bei der Personenkonstellation Maud versus Stephen auch das Frauenbild der damaligen Zeit genauer betrachtet. Und selbst wenn man es auf eine Adlige mit Anspruch auf den Thron einschränkt, zeigt es sich, dass diese ohne männliche Unterstützung und Allianzen quasi wertlos ist, Entscheidungen und Handeln, auch innerhalb ihrer Ehe, permanent auf dem Prüfstein stehen.

Der Stammbaum gleich zu Beginn ist hilfreich für die dynastische Einordnung der Personen, die Landkarte am Ende versorgt mit den geografischen Details. Außerdem gibt es für den besseren Überblick ein Verzeichnis der Dramatis Personae sowie ein Glossar ungebräuchlier Begriffe.

Ein großartiger historischer Roman ohne Zuckerguss und überflüssige Love Storys, auf dessen Fortsetzung „Thronerbe“ (ET 05.11.2025 im Heyne Verlag) ich mich schon jetzt freue.