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Veröffentlicht am 14.04.2024

Bestimmen die Vorfahren unser Leben?

Als wir Vögel waren
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„Als wir Vögel waren“ ist ein Roman, der in der Welt der Lebenden und der Toten auf Trinidad spielt. Es geht um Liebe und darum, wie sehr die Vorfahren unser Leben bestimmen können.

Vom ersten Satz an ...

„Als wir Vögel waren“ ist ein Roman, der in der Welt der Lebenden und der Toten auf Trinidad spielt. Es geht um Liebe und darum, wie sehr die Vorfahren unser Leben bestimmen können.

Vom ersten Satz an hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen. Ich fühlte die Spannung mit Yejide auf dem Schoß ihrer Großmutter und die innere Zerrissenheit Emmanuels, der sich von allem abwenden musste, als er sich dafür entschied, den einzig verfügbaren Job anzunehmen.

„Als wir Vögel waren“ beginnt wie ein Märchen und baut immer wieder Elemente ein, die die tiefe Verbindung zwischen der Welt der Geister und der Lebenden deutlich machen. Die beiden Hauptcharaktere sind Gefangene in ihren Traditionen und sowohl Yejide als auch Emmanuel haben einen inneren Befreiungskampf auszufechten ohne sich selbst dabei verlieren zu wollen.

Ayanna Lloyd Banwo nutzt die Landschaft und das Wetter, um die Geschehnisse und die Gefühle zu verstärken. Es zieht ein Sturm auf, als Yejides Mutter stirbt. Ein Sturm ist auch das, was in Yejide tobt, sie muss sich entscheiden. Dadurch wird die Geschichte noch dichter und die Gefühle noch greifbarer.

Gleichzeitig kommt durch die illegalen Geschäfte auf dem Friedhof eine ganz reale Spannung in das Buch. Beim Lesen spürt man die Spannung, die in der Luft liegt, man möchte den Atem anhalten und hofft, dass es gut ausgeht. Ein Buch auf mehreren Ebenen gut erzählt, das ist es. Auch habe ich mehr über die Rastafari gelernt, über die ich vorher einfach kaum etwas wusste.

„Als wir Vögel waren“ erzählt eine magische Geschichte, es hat etwas von Magie und gleichzeitig erzählt es die Geschichte von zwei jungen Menschen, die ihren eigenen Platz im Leben suchen, die unabhängig sein möchten, ohne dabei ihrer Familie zu entsagen.

Ich habe das Buch unglaublich gerne gelesen, erinnerte es mich ein wenig an die Geschichten und die Art wie Gabriel García Márquez seine Geschichten ausbreitete. Es ist im Hier und Jetzt und gleichzeitig auch woanders. Ein ganz wunderbares Buch!

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Weniger ist mehr

Mein Leben in drei Kisten
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Von heute auf morgen war alles anders in Annes Leben. Ihre Arbeit in einem Verlag war der Dreh und Angelpunkt ihres Lebens – dann wurde ihre Abteilung aufgelöst und sie wurde gekündigt. Von heute auf morgen ...

Von heute auf morgen war alles anders in Annes Leben. Ihre Arbeit in einem Verlag war der Dreh und Angelpunkt ihres Lebens – dann wurde ihre Abteilung aufgelöst und sie wurde gekündigt. Von heute auf morgen war alles anders. Dieses Erlebnis und ihre darauffolgende Reise nach Indien brachten bei ihr einiges ins Rollen: Was will ich mit meinem Leben machen? Wie will ich leben? Will ich so weitermachen wie bisher? Bin ich glücklich und brauche all das in meinem Leben? Es war eine Initialzündung zum Entrümpeln ihres bisherigen Lebens. Und darüber hat sie dieses Buch geschrieben.

Anne Weiss‘ findet sich in einer Ausnahmesituation vor und zieht eine Bilanz, schaut sich Soll und Haben an und geht in die Tiefe. Nach der äußeren Entrümpelung der Sachen kommt das innere Aufräumen und sie stellt alles in Frage bzw. kehrt zurück zu den Wurzeln, nachdem das Konsum-Make-up entfernt ist.

Sie merkt, was ihr wirklich wichtig ist und wie sie leben möchte. So fügt sich langsam ein Puzzlestück zum nächsten und ihr wird klar, was sie wirklich möchte und was ihr in all den Jahren, in denen sie so viel hatte, auch gefehlt hat. Zeit war immer ein kritischer Faktor, Zeit, um sie mit anderen Menschen zu verbringen. Das Ausmisten ist auch eine Reise durch ihr Leben und öffnet ihr die Augen, genauso wie viele Gespräche, die sie führt.

„Mein Leben in drei Kisten“ ist kein Ratgeber im eigentlichen Sinne, es ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, der für das eigene Leben ein paar hilfreiche Denkanstöße gibt. Es geht um die Kernfrage „Wie will ich leben und was brauche ich dazu?“ Eine Reise ins Innere und darüber hinaus und wir als Leser*innen begleiten Anne Weiss dabei.

Das Buch gefällt mir gut, denn es nicht dogmatisch, die Autorin weiß, dass sie in einer privilegierten Situation ist und es ist leicht und humorvoll geschrieben. Es gibt viele Tipps für einen besseren Umgang mit den Sachen und um nicht wahllos wieder neue Sachen anzuhäufen.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Geschichten vom Reisen

Glück ist kein Ort
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Zeit zu haben, sie sich zu nehmen, sie sich nehmen zu können und echtes Interesse als Antrieb sind die Voraussetzungen zum Reisen. Zeit zum Reisen ist nicht mit Urlaub zu verwechseln. Reisen machen Juan ...

Zeit zu haben, sie sich zu nehmen, sie sich nehmen zu können und echtes Interesse als Antrieb sind die Voraussetzungen zum Reisen. Zeit zum Reisen ist nicht mit Urlaub zu verwechseln. Reisen machen Juan Moreno glücklich und enttäuschen ihn nicht, wie es Urlaube manchmal tun. In „Glück ist kein Ort“ finden wir als Lesende eine Sammlung seiner glücklichsten Momente, auch wenn das angesichts dessen, was er manchmal so erlebt auf seinen Reisen, nicht leicht nachvollziehbar ist. In 17 Reisegeschichten nimmt er uns mit in die Welt und in ganz andere Welten.

Juan Moreno hat einen leicht ironischen Ton beim Schreiben, verliert aber nicht den Respekt vor den Menschen und den Welten, die er bereist. Es gelingt ihm, skurrile Momente einzufangen, so zum Beispiel in der transsibirischen Eisenbahn, wo man als Leserin schon allein von der häufigen Erwähnung des Wodkas betrunken wird.

Er betrachtet sich selbst mit genügend Abstand und weiß natürlich, dass er nur einer der vielen ist, die zum Beispiel auf Kuba so fischen möchten, wie Hemingway es tat. Hemingway, den er beschreibt als einen Mann, der einfach nicht wusste, wohin mit all dem Testosteron. Ich musste lachen, denn war ich doch selbst in San Sebastian und Madrid auf Hemingways Spuren unterwegs. Eine Bar, in der der alte Ernest schon gesoffen hat, wird gleich interessanter.

Mir gefällt, wie es ihm gelingt, Situationen zu beschreiben, Gefühle zu vermitteln und auch die Zweifel und Einsichten, die er auf seinen Reisen gewinnt. Seine Worte treffen auf den Punkt, er erzählt die Geschichten hinter den großen Geschichten. Das macht betroffen wie bei der Rettung der Jungen aus einer Höhle in Thailand oder als er die Situation der Aborigines in Australien beschreibt.

Gleichzeitig schafft er es, Erinnerungen an frühere Reisen zu wecken und dankbar zu sein, für das, was wir hier haben. Ein Buch, dass ich dir empfehle, wenn du eine Reise in Gedanken machen möchtest, zur Urlaubsvorbereitung ist es nicht geeignet.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Ändere nicht die Vergangenheit

Das andere Tal
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„Das andere Tal“ beschreibt eine Welt, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ganz nah beieinanderliegen. Im jeweiligen Nachbartal gibt es ein Tal, das dem anderen nur jeweils zwanzig Jahre voraus ...

„Das andere Tal“ beschreibt eine Welt, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ganz nah beieinanderliegen. Im jeweiligen Nachbartal gibt es ein Tal, das dem anderen nur jeweils zwanzig Jahre voraus ist oder zwanzig Jahre in der Zeit zurückliegt. Besuche sind nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt, wenn der Tod eines Angehörigen kurz bevorsteht, um diesen Menschen noch einmal zu sehen.

Diese Besuche werden genauestens von den Mitarbeitenden des Conseils geprüft und nur selten gewährt, zu groß ist die Gefahr, dass bei einem Besuch etwas aus dem Ruder läuft und versucht wird in die Vergangenheit einzugreifen. Ein solches Eingreifen kann schwerwiegende Konsequenzen für alle Täler haben und die Zeitlinie verändern.

Das Unheil liegt von Anfang an über der Geschichte. Odile, ein ruhiges Mädchen das eher zu den Außenseitern gehört, sieht Edmes Eltern und weiß, dass sie gekommen sind, weil ihm etwas passieren wird, ansonsten wäre ihnen kein Besuch im Tal gewährt worden.

Scott Alexander Howard hat die Geschichte um „Das andere Tal“ in einem eher puristischen Setting konstruiert. Es spielt in einer Zeit vor unserer Zeit, aber nicht zu weit davor, denn es gibt zum Beispiel schon Autos. Allerdings fehlen Informationen dazu, wie die Außenwelt rund um die Täler ist, wie können die Bewohner Kontakt halten, es scheint nur Ausbildungsberufe zu geben, von einer Universität ist nicht die Rede, obwohl es einen Arzt gibt.

Die Menschen scheinen ein einfacheres Leben als heute zu führen, es gibt weniger Ablenkungen, die Jugendlichen gehen am Wochenende ins Strandbad am See oder treffen sich heimlich im Wald. Es gibt das Teeboot, wohin man zu besonderen Gelegenheiten wie Geburtstagen geht. Odile lebt sehr zurückgezogen mit ihrer Mutter, die sie allein erzieht und die sich wünscht, dass ihre Tochter ihren Traum von einer Ausbildung im Conseil lebt.

Die Menschen leben vor sich hin, vorherbestimmt, es wirkt sehr eindimensional und es war für mich an manchen Stellen etwas langatmig. Die Geschichte geht weiter und da ich nicht allzu viel verraten möchte, erzähle ich jetzt nicht darüber weiter. Plötzlich beginnt ein zweiter Teil, der zwanzig Jahre weiter in der Zukunft spielt. Odile hat einen Beruf gelernt und lebt ein ganz anderes Leben als man hätte erwarten können im ersten Teil.

Scott Alexander Howard bleibt auch hier bei der spartanischen Ausschmückung, doch kleidet er das Innenleben der jetzt erwachsenen Odile mehr aus und mir als Leserin blieb nichts anderes übrig als mit ihr und ihrer Seelenpein mitzuleiden, auch wenn es manchmal ein wenig zu viel erscheint. „Das andere Tal“ packte mich im zweiten Teil und kann mit einem überraschenden Ende und ein paar interessanten Wendungen aufwarten.

Das Gedankenspiel der Zeitreise macht das Buch interessant und der rote Faden der vertanen Chancen. Die Mutter, die will, dass ihre Tochter ihre Träume verwirklicht, die Eltern, die ihren Sohn an seinen Träumen hindern wollen, das Nichteingreifen-Dürfen in die Zeit, auch wenn die Möglichkeit besteht, jederzeit in das andere Tal nebenan zu gehen. Die Menschen sind eingesperrt und sind dazu verdammt, in diesem Tal zu verharren und sich der vorgegebenen Zeitlinie zu fügen. Das erklärt auch, warum vieles nicht ausgeschmückt ist, die Personen nur wenige Charakterzüge haben und nicht komplett wirken.

Das fasziniert und irgendwie hofft man beim Lesen, dass es da noch mehr gibt. Das Buch wird wohl als Serie verfilmt werden und es klingt nach einer guten Vorlage für eine Mini-Serie, allein weil es sehr spartanisch erzählt ist. „Das andere Tal“ hat mich im zweiten Teil eingezogen in die Geschichte oder mehr in Odiles Kopf. Wenn du Freude an Was-wäre-wenn-Gedankenexperimenten hast, ist das Buch etwas für dich.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Satirischer Blick auf digitale Hypes

Content
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Elias Hirschl übertreibt, aber übertreibt er wirklich maßlos? Beim Lesen des Buches musste ich an diese Orte in Asien denken, wo eine Content-Producerin neben der anderen mit ihrem Ringlicht sitzt oder ...

Elias Hirschl übertreibt, aber übertreibt er wirklich maßlos? Beim Lesen des Buches musste ich an diese Orte in Asien denken, wo eine Content-Producerin neben der anderen mit ihrem Ringlicht sitzt oder natürlich an die ganzen Menschen, die die ultimativen Tipps für die besten ChatGPT-Prompts für das geilste Marketing ever raushauen. Im Augenblick vergeht ja kein Tag, an dem nicht über die wahnsinnigen Erleichterungen, die der Einsatz von KI mit sich bringen wird, geschrieben wird.

Mit „Content“ führt Elias Hirschl das Ganze ad absurdum bzw. beschreibt teilweise sogar die Realität. Das Programmieren von Bots, die u. a. Twitter fluten oder die Nutzung künstlicher Intelligenz, um einfach nicht mehr selbst unnütze Inhalte zu schreiben, ist nicht ganz fern der Wirklichkeit. An manchen Stellen blieb mir das Lachen im Halse stecken und an manchen Stellen musste ich einfach schallend lachen, weil Hirschl es schafft, diese ganze Start-up Szene so zu überzeichnen und auch die Content-Creator von hippem Video-Content auf die Schippe zu nehmen.

Es ist böse, gesellschaftskritisch und bissig-witzig und spielt in einer nicht weit entfernten Zukunft in einer Landschaft, die dem Ruhrgebiet verdammt ähnlich ist, was auch. Das hat noch einmal einen ganz besonderen Charme, wohne ich doch in der Nähe und erfreue mich regelmäßig an den schicken Ausstellungshallen wie Phoenix West in Dortmund, wo jetzt immersive Kunst gezeigt wird.

Zwischendurch driftet das Buch noch einmal komplett ab, als sich die Protagonistin daran macht, den dicken, roten Kabeln bei Smile Smile Inc. in den Keller zu folgen. Da wird es sehr schräg, so dass man nicht weiß, ob das nicht gerade ein LSD-Tripp beschrieben wird. Und ich mag ja bekanntlich so schräge Bücher.

„Content“ ist nicht nur lustig, es zeigt auch auf erschreckende Art, wie es in der heutigen Welt möglich ist, komplett isoliert zu leben. Je nach Arbeit können wir 24/7 in unserem Zuhause bleiben. Das Essen wird geliefert, Kleidung und anderes wird geliefert, der Kontakt nach außen kann per Telefon (okay, das ist jetzt meinem Alter geschuldet, dass ich das aufliste), Videotools oder Messenger- und Social-Media-Diensten aufrechtgehalten werden. Wenn wir wollen, können wir uns völlig einigeln und haben keinen Kontakt mehr zur Außenwelt und bekommen gar nicht mehr mit, was um uns herum passiert.

Das Buch ist überzogen und doch ist es erschreckend, dass zum Beispiel die Entwicklung Twitters zu X das Buch während seiner Entstehung rechts überholt hat. „Content“ macht, was gute Satire ausmacht, es verabreicht den erschreckenden Schluck Realität in einem mit Humor angereicherten Cocktail.

Meine nicht geringen Erwartungen konnte „Content“ also voll erfüllen, allein schon deshalb, weil es sehr humorvoll und ein wenig bissig-böse mit den Macken der digitalen Marketing-Maschinerie und dem KI-Hype umgeht. Also, von mir gibt’s eine Leseempfehlung!

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