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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2022

Sommerbande

Ein unendlich kurzer Sommer
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„Und dann, im Herbst vielleicht, wenn er ein letztes Mal im dunkelgrünen Seewasser geschwommen war, ein letztes Mal den Sonnenuntergang über den Feldern betrachtet, ein letztes Mal den Duft von gemähten ...

„Und dann, im Herbst vielleicht, wenn er ein letztes Mal im dunkelgrünen Seewasser geschwommen war, ein letztes Mal den Sonnenuntergang über den Feldern betrachtet, ein letztes Mal den Duft von gemähten Wiesen gerochen hatte und barfuß hinüber zum Wald gegangen war, dann wollte er einfach in Frieden sterben. Allein.“ Gustav erwartet nicht mehr viel von seinem Leben, doch seinem Wunsch nach Einsamkeit wird ein Strich durch die Rechnung gemacht, als nacheinander zwei Fremde auf seinem Campingplatz auftauchen. Lale, die Abstand von ihrem Umfeld brauchte, ist zufällig dort gelandet, während Christophe auf der Suche nach seinem Vater genau diese Adresse als Ziel ansteuerte.
Jeder der drei Protagonisten trägt seine eigenen Dämonen mit sich herum, und so ist ihr Aufeinandertreffen von einigen charmanten kommunikativen Hürden geprägt. Ihre Schwermut trifft auf amüsante Begegnungen mit den Anliegern, aus denen bald freundschaftliche Bande entstehen.
„Ein unendlich kurzer Sommer“ ist ein herzerwärmender Roman über das menschliche Miteinander, der ohne viele Klischees auskommt. Ich konnte mich gut in die Figuren hineinversetzen und habe ihre Geschichte gerne gelesen.

Veröffentlicht am 09.10.2022

Girl Power

Paper Girls SC
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Vier 12-jährige Mädchen treffen eines Morgens beim Austragen von Zeitungen aufeinander - sie sind die Paper Girls, wir schreiben das Jahr 1988. Von da an, ändert sich alles, ihre Zeitreisen beginnen.
Es ...

Vier 12-jährige Mädchen treffen eines Morgens beim Austragen von Zeitungen aufeinander - sie sind die Paper Girls, wir schreiben das Jahr 1988. Von da an, ändert sich alles, ihre Zeitreisen beginnen.
Es ist gut, die, wenn auch schwere, Gesamtausgabe in den Händen zu halten, denn die spannende Geschichte lässt sich am besten am Stück genießen. Die Achterbahnfahrt bietet neben verschiedenen Erdzeitaltern (von Urmenschen bis in eine fernere Zukunft) diverse Aspekte des Zeitreisens (vom Treffen mit sich selbst bis zum Verändern der Geschichte) und hat einen hohen Unterhaltungswert, nicht nur, weil wir aus der Zukunft von 1988 kommen und so manche Technologie wiedererkennen.
“Aber ich fürchte, die vier Mädchen, die sie darin verwickelten, wurden verzeitstrahlt.” In jedem Fall sind unsere Hauptfiguren selbstbewusst, stehen zu ihren Werten und zueinander. Sie sind das Zünglein an der Waage im Krieg um die Zeit.
Hier wird nicht nur die übliche Comic-Gestaltung bei der Aneinanderreihung der Panels genutzt, sondern für besondere Szenen eine andere Inszenierung gefunden. So gibt es Träume, die sich nur lesen lassen, wenn man das Buch dreht, oder parallele Handlungsstränge, die über eine Doppelseite dargestellt werden. Auch wird selten das gesamte Farbspektrum genutzt, viele Seiten werden blau-violett gehalten.
Diese Comic-Serie ist etwas Besonderes und wurde zurecht mehrfach mit dem Eisner-Award ausgezeichnet. Ich habe mit Begeisterung das Abenteuer der Protagonistinnen verfolgt und ihre Girl-Power gefeiert.

Veröffentlicht am 08.10.2022

Der Empathietest

Die Markierung
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Im Island der Zukunft werden die Menschen nach einem Test ihrer emphatischen Fähigkeiten markiert. Wer besteht, genießt alle Privilegien, wer durchfällt, wird gewisser Freiheiten beraubt.
Dies schildert ...

Im Island der Zukunft werden die Menschen nach einem Test ihrer emphatischen Fähigkeiten markiert. Wer besteht, genießt alle Privilegien, wer durchfällt, wird gewisser Freiheiten beraubt.
Dies schildert der Roman beispielhaft am Leben von vier Figuren unterschiedlicher Herkunft und Lebensweise, denen die Markierung Vor- oder Nachteile bringt. Eine Frau fühlt sich sicherer in einem Viertel, das nur markierten Personen zugänglich ist, während ein Verweigerer der Maßnahme um seine Existenz bangen muss. Ich fand es schade, dass sich erst im letzten Drittel ihre Handlungsstränge überlappen und von der grundsätzlichen Situation im Land die Rede ist.
Vorher wird das System nur leise infrage gestellt, wie "gibt es Beweise, dass dieser sogenannte Test wirklich funktioniert? Können Psychopathen ihr Mitgefühl nicht einfach an- und ausschalten?". Dabei bergen diese Fragen so viel Sprengstoff, dass das Buch mit einem lauteren Knall hätte enden dürfen.

Veröffentlicht am 03.10.2022

Cousin-Brüder

Simón
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Simón wächst in Barcelona auf, behütet von seinem Cousin Rico und den Gästen der Bar seiner Eltern. Als der “Cousin-Bruder” verschwindet, klammert er sich an jede noch so kleine Spur, um den Cousin zu ...

Simón wächst in Barcelona auf, behütet von seinem Cousin Rico und den Gästen der Bar seiner Eltern. Als der “Cousin-Bruder” verschwindet, klammert er sich an jede noch so kleine Spur, um den Cousin zu finden.
Die anfängliche Stimmung vermag zu verzaubern, ist doch von der Liebe zu Büchern, von Freundschaft und mysteriösen Geheimnissen die Rede. Obwohl nicht viel passiert, tut die fantasievolle Sprache ihr Übriges. “Simón spürte einen kleinen Gorilla in sich, der traurig oder wütend gegen seine Brust schlug, weil er rauswollte.”
Laut Klappentext setzt der Autor mit dem Roman “seiner Heimatstadt Barcelona ein Denkmal.” Ich habe die Stadt jedoch eher als Grundrauschen erlebt; es wurden Orte genannt, die zwar der Stadt zuzuordnen waren, jedoch nicht näher beschrieben wurden; das Flair Barcelonas wurde dabei nicht vermittelt.
Die Handlung bildet Auszüge aus Simóns Leben in den Jahren zwischen 1992 und 2018 ab. Dies führte aber nirgendwohin. Nach den Reisen des Protagonisten hätten eine Entwicklung stattfinden, sich Erkenntnisse ergeben müssen. Nichts davon spürend, ging meine Faszination im Laufe des Buchs unerwarteter- und bedauerlicherweise verloren.

Veröffentlicht am 26.09.2022

Leben in der Seestadt

Auf See
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Yada lebt in der Seestadt, einer künstlich erschaffenen Ostseeinsel, beschützt von ihrem Vater vor dem Schicksal, das den Rest Deutschlands ereilt hat. Aber wie sieht es dort tatsächlich aus und was ist ...

Yada lebt in der Seestadt, einer künstlich erschaffenen Ostseeinsel, beschützt von ihrem Vater vor dem Schicksal, das den Rest Deutschlands ereilt hat. Aber wie sieht es dort tatsächlich aus und was ist eigentlich mit ihrer Mutter geschehen?
Theresia Enzensberger spinnt die Geschichte unseres Landes weiter und schafft mit dieser Dystopie eine Welt, die sich durch die Einflüsse des Klimawandels verändert hat. Erzählt wird hauptsächlich aus drei Perspektiven: Neben Yada und Helena erfahren wir aus dem Archiv von geschichtlichen Details.
Yada, als Ich-Erzählerin und Protagonistin, wird nahbar dargestellt mit ihren Zweifeln am System und an ihrer geistigen Gesundheit. Helena, die Künstlerin und Sektenführerin, blieb mir vergleichsweise fremd. All die Puzzleteile ergaben am Ende dann aber ein gelungenes Ganzes. Mein größter Kritikpunkt ist die träge wirkende Vortragsweise des von der Autorin selbst gelesenen Hörbuchs, die ihrem Werk nicht gerecht wird.