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Veröffentlicht am 13.03.2024

Freundschaft

Der ehrliche Finder
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Der 12-Jährige Tristan ist mit seiner Familie aus dem Kosovo geflohen und landet in einem kleinen belgischen Dorf. Vor allem in Jimmy, seinem Banknachbarn in der Schule, hat er einen wirklich guten Freund ...

Der 12-Jährige Tristan ist mit seiner Familie aus dem Kosovo geflohen und landet in einem kleinen belgischen Dorf. Vor allem in Jimmy, seinem Banknachbarn in der Schule, hat er einen wirklich guten Freund gefunden. Der leidet unter der Trennung seiner Eltern und der Tatsache, dass er oft einfach ein bisschen klüger als die anderen ist. Natürlich will er Tristan helfen; nicht nur dabei, ins nächste Schuljahr versetzt zu werden.
Aus Jimmys noch sehr kindlichen Sicht bekommt die Handlung einen ganz eigenen Dreh. Er ist ein liebenswerter Nerd, der ganz typisch auch mal ein Fettnäpfchen mitnimmt. Über Tristan erfährt man Dinge nur in kleinen Dosen, selbst Jimmy scheint dessen Erlebnisse auf der Flucht, seine Ängste nicht zu kennen. Man kann die Erfahrungen von Tristans Familie (angelehnt an die wahre Geschichte der Familie Zenelaj) manchmal nur erahnen, und doch wird das Grauen der Flucht spürbar gemacht. Die Kinder haben komplett gegensätzliche Vorstellungen was wichtig ist im Leben; beispielhaft dargestellt am Umgang mit den Flippos, die Jimmy mit großem Ernst sammelt, und dieses Hobby nun auch Tristan nahe bringen will. Spits Sprache, Jimmys Sprache ist relativ einfach gehalten, und doch kommt die Botschaft an, werden Gefühle gekonnt transportiert.
Spits Roman ist relativ kurz, mir dann doch vielleicht einen Ticken zu kurz. Denn die Stimmung wird zwar auf das Finale vorbereitet, das kommt dann aber doch irgendwie abgearbeitet rüber. Trotzdem ist Der ehrliche Finder ein kleiner, feiner Roman, den ich gerne gelesen habe.

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Veröffentlicht am 18.01.2024

Toller historischer Roman

Essex Dogs
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Frankreich, 1346: Loveday FitzTalbot ist der Anführer einer zehnköpfigen Söldnertruppe, die sich zusammen mit dem englischen Heer in die Normandie einschiffen lassen. Nach vierzig Tagen sollen sie ihren ...

Frankreich, 1346: Loveday FitzTalbot ist der Anführer einer zehnköpfigen Söldnertruppe, die sich zusammen mit dem englischen Heer in die Normandie einschiffen lassen. Nach vierzig Tagen sollen sie ihren Sold bekommen, doch die Kampfhandlungen werden sich zum großen Hundertjährigen Krieg weiterentwickeln. Mittendrin: die Dogs.
Jones‘ Roman hat mich wirklich mitgerissen. Die Geschichte seiner zunehmend abgerissenen Truppe hat eine regelrechte Sogwirkung entwickelt. Obwohl man den groben historischen Ablauf natürlich kennt, wird gehörig Spannung aufgebaut. Der Stil hat mir sehr gut gefallen, historisches Hintergrundwissen fließt wie nebenbei mit der fiktiven Handlung zusammen; der Autor hat sich bisher mit historischen Sachbüchern einen Namen gemacht, doch auch dieses Romandebüt kann wirklich überzeugen. Er beschönigt nichts, das Leben auf diesem Feldzug ist hart und brutal, die Dogs (und alle anderen) kämpfen nicht nur gegen das französische Heer, sondern gegen brütende Hitze, manchmal fast tödliche Langeweile, erhitzte Gemüter; auch gegen seltene Gewissensbisse, denn warum soll eine einfache französische Bäuerin die Leidtragende sein, nur weil sich zwei Könige uneins sind? Gerade Lovedays Gedanken darf man als Leser oft nachvollziehen, was dem Geschehen oft noch einmal eine andere, tiefgründigere Note verleiht.
Bei den Essex Dogs handelt es sich um ganz unterschiedliche Männer: vom Glauben abgefallene Priester, dem Strang entkommene Mörder, abgehalfterte kampferfahrene Männer sowie Jungspunde, die noch ganz grün hinter den Ohren sind. Man erfährt nach und nach aus ihren bisherigen Leben, den ein oder anderen kann man danach besser verstehen. Trotzdem bleibt noch genug übrig für weitere Charakterentwicklungen in den Folgebänden der geplanten Trilogie. Auch historische Personen wie der schwarze Prinz spielen eine große Rolle, den Kapiteln sind Zitate aus Kriegsakten und Zeitzeugenberichten vorangestellt, auf einer Karte lässt sich der Feldzug nachvollziehen.
Der Normandiefeldzug gipfelt in der Schlacht bei Crécy, quasi dem endgültigen Startschuss des Hundertjährigen Krieges. Die Essex Dogs werden also noch genug Kämpfe ausfechten müssen. Ich freue mich schon darauf, lesend dabei zu sein.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Eliza

Betrug
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Eliza Touchet führt ihrem Schriftstellercousin Ainsworth schon seit Jahren den Haushalt. An ihren Tisch kommen zeitgenössische Autoren wie Dickens zum gemütlichen Diskurs. Doch mit den Jahren schwindet ...

Eliza Touchet führt ihrem Schriftstellercousin Ainsworth schon seit Jahren den Haushalt. An ihren Tisch kommen zeitgenössische Autoren wie Dickens zum gemütlichen Diskurs. Doch mit den Jahren schwindet Ainsworths Erfolg, die bekannten Besucher bleiben aus, er wird älter und verliert den Anschluss an die Gesellschaft. Die ist gerade zutiefst gespalten am Falle von Roger Tichborne, der von den Totgeglaubten zurückgekehrt ist… oder eben auch nicht.
Es fiel mir ab und an schwer, den Zeitsprüngen in der Geschichte zu folgen, ebenso den unterschiedlichen Lebenslinien; viele kurze Kapitel und Szenenwechsel machen das Dranbleiben nicht einfach. Die Fülle der Figuren ist gerade zu Beginn herausfordernd, man muss sich anstrengen, den Überblick zu behalten. Ich mochte Elizas scharfsinnige Art, sie ist ein kluger Kopf und durch sie erhält man einen scharfen Blick hinter die bürgerlichen Fassaden. Gleichzeitig ist sie ein Beispiel dafür, wie abhängig Frauen zu jener Zeit noch waren, auch wenn sie durchaus ihren Mann hätten stehen können. Smith vereint in ihrem Roman einige heiße Eisen, Feminismus, Kolonialismus, Rassismus, etc. Das gelingt hervorragend, ohne die Handlung zu überfrachten. Der Stil passte für mich gut zu der Zeit, man bekommt ein gutes Gespür für die gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Tichborne-Fall selbst nimmt in der zweiten Hälfte einigen Raum ein, und doch bleibt er in seinen Details über die groben Fakten hinaus wage. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft werden zwar geschildert, trotzdem wirkte das Ganze auf mich eher unnahbar und distanziert. Obwohl Eliza und Ainsworths Ehefrau Sarah an vielen Prozesstagen im Publikum sitzen, fühlte ich mich hinterher nicht sehr viel schlauer als zuvor. Der Prozess ist präsent, und doch wieder nicht. Letztendlich hat er sich nicht so nahtlos in die übrige Handlung eingefügt wie zu erwarten war.
Betrug ist kein leichter Roman, man muss sich fordern lassen, wird dafür dann aber auch belohnt. Ein Roman, auf den man sich einlassen muss.

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Veröffentlicht am 13.01.2024

Hessische Idylle?

Der Dorfladen - Wo der Weg beginnt
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1923 zieht Krämersfrau Marthe ihre drei Töchter alleine groß, der Dorfladen ist ein Familienprojekt. Doch während sich die älteste Tochter gut einfügt, hat Tochter Frieda hochfliegende Pläne: sie will ...

1923 zieht Krämersfrau Marthe ihre drei Töchter alleine groß, der Dorfladen ist ein Familienprojekt. Doch während sich die älteste Tochter gut einfügt, hat Tochter Frieda hochfliegende Pläne: sie will an die Schauspielschule in der nahen Großstadt Frankfurt. Auch das Nesthäkchen Ida scheint zu intelligent, um ihr ganzes Leben im verschlafenen Dörfchen zu verbringen. Und das wirkt auf einmal gar nicht mehr so verschlafen, als Wanderarbeiter Oskar nach Jahren zurückkehrt.
Die Autorin lies sich von der Lebensgeschichte ihrer Mutter zu dieser Trilogie inspirieren, die mittlere Hallertochter Frieda ist nach ihrem Vorbild entstanden. Das fiktive Dorf Dingelbach liegt unweit von Frankfurt, entsprechend wird breitestes Hessisch gesprochen; ich bin mir unklar, ob die Dialoge immer für jeden soweit verständlich sind. Ansonsten ist die Geschichte sehr leicht zu lesen, nur gerade zu Beginn habe ich dann doch ein Personenregister vermisst. Dingelbach ist zwar ein kleines Dorf, aber gefühlt jeder Dorfbewohner hat in kürzester Zeit seinen Auftritt, sodass die Dorfgemeinschaft doch zunächst unübersichtlich war. Die Charaktere sind recht gut gezeichnet, der ein oder andere verkörpert stur seine Rolle (nerviger, tumber Bruder zum Beispiel), andere wie die Hallerfamilie zeigen Entwicklungspotential. Der Roman zeigt einige starke Frauenbilder, sei es die Fabrikbesitzerin Ilse oder auch die Dorffrauen, die ihre Kinder alleine großziehen müssen. Insgesamt wird im Dorf großen Wert auf Tradition gelegt, ebenso auf Anstand und Moral. Dass das nicht unbedingt auch mit Nächstenliebe einhergeht, das zeigt die Geschichte sehr schön auf. Gerade diese Handlungsentwicklung fand ich sehr stark und hat für mich der sonst doch eher seichten Story etwas Tiefe verliehen. Jacobs gibt die sozialen Gefüge in der Dorfgemeinschaft sehr gut wieder, auch der Kontrast zur Großstadt Frankfurt gelingt gut.
Insgesamt hat Der Dorfladen leider einfach nicht so richtig zu meinem Lesegeschmack gepasst, mir war die Handlung zu laff, das ein oder andere Klischee war mir zu viel. Doch die Autorin punktet auch mit ihrem angenehmen Schreibstil und den lebendigen Figuren, sodass Fans des Genres sich bestimmt gut unterhalten fühlen können.

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Zukunftsroman mit Schnecke

Endling
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Biologin Zoe beschäftigt sich hauptsächlich mit Insekten, was im Jahre 2041 bedeutet, dass sie sich auch mit dem Artensterben befasst. Das liegt in der Familie, ihre Tante Auguste teilt schließlich ihre ...

Biologin Zoe beschäftigt sich hauptsächlich mit Insekten, was im Jahre 2041 bedeutet, dass sie sich auch mit dem Artensterben befasst. Das liegt in der Familie, ihre Tante Auguste teilt schließlich ihre Wohnung mit der letzten Weinbergschnecke der Welt. Ähnlich wie die Schnecke zieht sich Auguste hinter ihre vier Wände zurück, verlässt seit Jahren nicht das Haus. Doch das soll sich ändern, als ihre gute Freundin Sophie urplötzlich verschwindet.
Jasmin Schreiber greift in ihrem neuen Roman einige große Themen auf: Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Depressionen, Repressalien gegen jegliche Person, die „anders“ ist (dazu zählen streng genommen auch alle Frauen). Keine leichte Kost denkt man, und doch ist der Grundtenor immer auch irgendwo positiv. Der Erzählstil ist sehr locker, so als würde Zoe tatsächlich ihre Geschichte erzählen, es wird Umgangssprache gesprochen, dadurch wirken gerade die Dialoge noch authentischer. Da Zoe Biologin ist und für ihren Job brennt, sind nicht nur alle Kapitel nach Tieren benannt, sondern es fließen auch immer wieder interessante Fakten über Flora und Fauna ein. Diese kleinen Exkurse fand ich wirklich gelungen, denn sie lockern die Handlung etwas auf und geben gleichzeitig einen tieferen Einblick. Der Cast (inklusive Schnecke HP14) hat mir gut gefallen, einzig Zoes Mutter, die für die familiäre Dynamik der vier Frauen wichtig ist, kommt dann doch sehr kurz weg. Die Handlung ist extrem kurzweilig, immer passiert etwas Unerwartetes. Nicht alles ist ganz so logisch, doch insgesamt ist die Geschichte stimmig. Trotzdem hätten dem Buch ein paar mehr Seiten gut getan. Es passiert sehr viel, da kommt dann doch manches etwas verkürzt herüber. Gerade die Auflösung größerer Zusammenhänge ist auch deswegen etwas unbefriedigend für mich geblieben. Trotzdem mochte ich Endling sehr gerne, da der Roman große Themen anspricht und so zum Nachdenken anregt, dabei aber auch mit einem tollen Erzählstil und einer ungewöhnlichen Handlung punkten kann, die auch mal über kleine Makel hinwegtrösten.

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