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Veröffentlicht am 20.04.2022

Ein Krimi ist ein Krimi ist ein Krimi...

Der Tote aus Zimmer 12
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Wie bereits in Anthony Horowitz‘ erstem Buch der Reihe, in der Susan Ryeland im Zentrum der Handlung steht, ist auch „Der Tote aus Zimmer 12“ eine klassische Detektivgeschichte und passt zweifelsfrei in ...

Wie bereits in Anthony Horowitz‘ erstem Buch der Reihe, in der Susan Ryeland im Zentrum der Handlung steht, ist auch „Der Tote aus Zimmer 12“ eine klassische Detektivgeschichte und passt zweifelsfrei in die Retrowelle, die seit einiger Zeit den Buchmarkt überschwemmt und zurückführt in die Zeiten des klassischen Whodunit-Kriminalromans, in dem es schlussendlich „nur“ darum geht, wer das Verbrechen begangen hat. Glücklicherweise weicht der britische Autor aber vom einfachen Schema Mord-Ermittlung-Entlarvung ab und überrascht die Leserinnen, wie bereits im Vorgänger, mit einem ganz besonderen Kniff.

Die Verlegerin Susan Ryeland hat England verlassen und betreibt gemeinsam mit ihrem Freund Andreas Patakis ein kleines Hotel auf Kreta. Wirklich zufrieden ist sie mit ihrem neuen Leben nicht, zuviel Alltagskram, zu wenig intellektuelle Herausforderungen. Deshalb bedarf es auch wenig Überredungskunst, als sie von ihren Gästen, dem Ehepaar Treherne, gebeten wird, sich den Fall ihrer Tochter Cecily genauer anzuschauen, die spurlos verschwunden ist. Offenbar gibt es eine Verbindung zu „Atticus unterwegs“ des Autors Conway, ein Buch, das Susan in ihrem früheren Leben lektoriert hat.

Natürlich arbeitet Horowitz mit den üblichen Versatzstücken des Genres: Viele Verdächtige, unzählige Motive und eine Ermittlerin, die in hartnäckiger Klein-Klein-Arbeit nach und nach die Widersprüche in den Aussagen aufdeckt. Neu ist allerdings das Buch-im-Buch, das ungekürzt wiedergegeben wird und die Leser
innen quasi zum Miträtseln auffordert. Eine originelle Herangehensweise, die perfekt zum Aufbau dieses Krimis und der Verbeugung vor den Klassikern à la Agatha Christie passt.

Veröffentlicht am 18.04.2022

Ausgewildert

Wo die Wölfe sind
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Als das uralte Gleichgewicht des Ökosystems noch intakt war, gab es überall Wölfe in den Wäldern, aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Mittlerweile ist alles aus den Fugen geraten, Wälder wurden ...

Als das uralte Gleichgewicht des Ökosystems noch intakt war, gab es überall Wölfe in den Wäldern, aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Mittlerweile ist alles aus den Fugen geraten, Wälder wurden abgeholzt, die Artenvielfalt ist verschwunden, aber gleichzeitig ist die Hirschpopulation über die Maßen angestiegen. Aufforstung allein genügt nicht, um diesen Prozess zu stoppen und die Renaturierung wieder in Gang zu setzen.

Die australische Biologin Inti Flynn, Protagonistin in McConaghys zweitem Roman „Wo die Wölfe sind“, hat eine Mission. Sie möchte Mensch und Natur miteinander in Einklang bringen, dafür sorgen, dass die alte Ordnung wiederhergestellt wird. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie bereits im Yellowstone Nationalpark mit einem Wiederansiedlungsprojekt dafür gesorgt, dass dort wieder Wölfe leben und so auf lange Sicht dafür sorgen, dass sich die Natur erholt. Nun möchte sie ein ähnliches Projekt in den schottischen Highlands realisieren, aber natürlich wird sie mit dem Widerstand der einheimischen Schafzüchter konfrontiert, die um ihre Herden fürchten. Für sie sind Wölfe noch immer die blutrünstigen Raubtiere, gefährlich für Mensch und Tier. Doch Inti lässt sich nicht beirren und zieht ihre Pläne durch. Aber anscheinend sind die Bauern im Recht, fühlen sich in ihren Vorbehalten bestätigt, als die ersten toten Tiere auf den Weiden auftauchen. Das spurlose Verschwinden eines Nachbarn ist schließlich der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen und die Volksseele zum Kochen bringt.

Soweit der erzählerische Rahmen, in dem sich die Handlung dieses Romans bewegt. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen und hätte bei mir einen stärkeren Eindruck hinterlassen, wenn die Autorin ihren Fokus stärker auf die ökologischen Voraussetzungen gerichtet hätte, in dem diese angesiedelt ist. Sie taucht weder in die Landschaft noch in die Lebenswelt der schottischen Schafzüchter ein, begnügt sich hier leider mit oberflächlichen Klischees und füllt die Leerstellen mit überflüssigen Nebenhandlungen, die nur unwesentlich zum Fortgang der Handlung beitragen. Beispiele gefällig? Intis Mirror-Touch-Synästhesie, die tragische Geschichte ihrer stummen Schwester, der gewalttätige Nachbar, der regelmäßig seine Frau verprügelt, und dann auch noch die völlig überflüssige Lovestory. Alles in allem etwas zu viel des Guten.

Dennoch bin ich trotz dieser kritischen Anmerkungen der Meinung, dass der Roman gelungen ist, und das hat zwei Gründe. Zum einen wird die Autorin damit auch diejenigen erreichen, die sich üblicherweise nicht mit ökologischen Fragen auseinandersetzen, zum anderen sensibilisiert sie ihre Leser*innen für die Frage, wie man mit den Wölfen umgehen sollte, die seit einiger Zeit mittlerweile auch bei uns immer wieder in den Wälder auftauchen. Auf der einen Seite diejenigen, die lautstark auf deren Gefährlichkeit hinweisen und für deren Abschuss eintreten, auf der anderen Seite diejenigen, die die Bedeutung der Wölfe für ein intaktes Ökosystem erkennen und für ihren Schutz eintreten. Eine Frage, die noch immer nicht abschließend geklärt ist.

Veröffentlicht am 13.04.2022

Mumien, Mörder, Mummenschanz

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Ein mumifizierter Ägyptologe, eine Mordserie an jungen Männern und ein menschenfressender Löwe. Wien an der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat so einiges zu bieten und stellt nicht nur Inspektor Leopold ...

Ein mumifizierter Ägyptologe, eine Mordserie an jungen Männern und ein menschenfressender Löwe. Wien an der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat so einiges zu bieten und stellt nicht nur Inspektor Leopold von Herzfeldt in Oliver Pötzschs historischem Roman „Das Mädchen und der Totengräber“ vor große Herausforderungen.

Aber der Reihe nach: In den anrüchigen Vierteln der Donaumetropole geht offenbar ein Serienmörder um, der es auf junge Männer abgesehen hat. Julia, Leos Freundin und inzwischen zur Polizeifotografin aufgestiegen, ist erschüttert von der Grausamkeit, die sie an den jeweiligen Tatorten vorfindet, und überlegt sich ernsthaft, ob sie die psychische Belastung auf längere Sicht ertragen kann oder nicht doch lieber kündigen soll. Leo hingegen ermittelt in einem bizarren Todesfall, in dem ein renommierter Ägyptologe als mumifiziertes Mordopfer in einem Sarkophag aufgefunden wird. Und dann ist da noch der Tierpfleger, der von einem Löwen zerfleischt wurde, wobei in diesem Fall der Schuldige schnell ausgemacht werden kann. Er gehört zur Gruppe der Schwarzafrikaner, die sich ebendort dem Publikum in Völkerschauen präsentieren müssen und wie wilde Tiere begafft werden. Aber ist er wirklich für dessen Tod verantwortlich?

Es ist schon eine mehr als dekadente Gesellschaft, die sich hier präsentiert. Die Oberschicht feiert Mumienpartys, bei denen sich die Teilnehmer zum gemeinschaftlichen Gruppengruseln treffen. Zusammenkünfte, gespeist von der Erwartung, beim Entfernen der Binden antike Schmuckstücke zu finden, die dem Toten auf seiner Reise ins Jenseits mitgegeben wurden. Das einfache Volk hingegen sucht sein Vergnügen nicht nur in Tierschauen, sondern möchte aus sicherer Entfernung Blicke auf die „Wilden“ werfen, die man mit falschen Versprechen aus ihrer Heimat ins ferne Europa gelockt hat. Dort müssen sie unter unmenschlichen Bedingungen hausen, ihre Lebensumstände dem exotischer Tiere vergleichbar.

Wieder einmal ist es Oliver Pötzsch gelungen, die Atmosphäre in Wien Ende des 19. Jahrhunderts lebendig zu beschreiben und wiederauferstehen zu lassen. Dank seiner umfassenden Recherchearbeit bleibt er in den Beschreibungen eng an den historischen Tatsachen, nachprüfbar sowohl in dem ausführlichen Nachwort als auch auf diversen Webseiten, die sich mit den angesprochenen Themen, aber auch mit dem latenten Antisemitismus der österreichischen Gesellschaft beschäftigen. Allerdings waren mir manche Textpassagen zu detailverliebt, zu ausführlich und stellenweise auch einfach nur redundant. Außerdem weckt der Titel eindeutig falsche Erwartungen, denn dem titelgebenden Totengräber Augustin Rothmayer und dessen Ziehtochter wird nur am Rand Aufmerksamkeit geschenkt. Allerdings lassen die Zitate aus Rothmayers neuester Schrift über die „Totenkulte der Völker“ vermuten, dass deren Kenntnis bzw. der intensive Austausch mit dem Totengräber die Ermittlungen schneller zum Erfolg geführt und keine knapp 500 Seiten bis zur Auflösung gebraucht hätte.

Veröffentlicht am 12.04.2022

Langatmig, spannungsarm und behäbig

In einer stillen Bucht
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Als „In einer stillen Bucht“ ein Koffer mit einem Leichnam gefunden wird, gibt es zu Beginn für die beiden Inselpolizisten Enrico „Erri“ Rizzi, überzeugter Caprese, und Antonia Cirillo, die strafversetzte ...

Als „In einer stillen Bucht“ ein Koffer mit einem Leichnam gefunden wird, gibt es zu Beginn für die beiden Inselpolizisten Enrico „Erri“ Rizzi, überzeugter Caprese, und Antonia Cirillo, die strafversetzte Norditalienerin, zunächst mehr Fragen als Antworten. Warum kam die Direktorin des neapolitanischen Konservatoriums nach Capri? Wollte sie jemanden treffen? Und warum musste sie für diese Stippvisite mit dem Leben bezahlen? Gibt es vielleicht einen Zusammenhang mit dem Verschwinden einer wertvollen Harfe? Es gibt viele Vermutungen, aber kaum handfeste Beweise, die nicht nur die Polizei sondern auch die Leserinnen im Dunkel tappen lassen, bis auf den letzten Metern ein Hinweis aus dem Hut gezaubert wird, der den Täter/die Täterin entlarvt. Aufmerksame Leserinnen können diese/n allerdings schon weit früher identifizieren.

Wer die beiden Vorgänger gelesen hat weiß, dass ihn in dieser Reihe keine actiongeladene Handlung mit unzähligen Finten erwartet, sondern ein klassisch aufgebauter Whodunit, garniert mit Beschreibungen des Gemüsegartens und der Landschaft, natürlich „La familia“ und italienisches Flair in Form von Espresso-Pausen. Natürlich sind das Klischees, aber die dürfen bei einem Urlaubskrimi durchaus wohldosiert in die Handlung eingebaut werden. Was ich allerdings als sehr störend empfunden habe, war die Beschreibung der neapolitanischen Kollegen, die – natürlich – in puncto Scharfsinn den beiden Insulanern meilenweit unterlegen sind.

Behäbig und langatmig erzählt, spannungsarm und ohne Höhepunkte, gestaltet sich dieser dritte Band der Capri-Krimis zu einer äußerst zähen Lektüre, was mein Interesse an dieser Reihe und die Bereitschaft, die zukünftigen Fälle von Rizzi und Cirillo weiter zu verfolgen, gekillt hat. Nix mit Bella Italia und Dolce Vita, dafür Pura Noia. Schade!

Veröffentlicht am 11.04.2022

Leander Losts Extratour

Einsame Entscheidung
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Leander Lost, ursprünglich von seinem deutschen Arbeitgeber im Rahmen eines Austauschprogramms nach Portugal abgeschoben, hat sowohl beruflich als auch privat seinen Platz im portugiesischen Fuseta gefunden. ...

Leander Lost, ursprünglich von seinem deutschen Arbeitgeber im Rahmen eines Austauschprogramms nach Portugal abgeschoben, hat sowohl beruflich als auch privat seinen Platz im portugiesischen Fuseta gefunden. Seine Teamkollegen von der Policia Judiciaria mögen und respektieren ihn, schätzen die besonderen Fähigkeiten, die er als Asperger-Autist mitbringt und die so manches Mal für die Auflösung eines Falls entscheidend sind.

Der Leichenfund in einem Ferienhaus lässt ein Beziehungsdrama vermuten, denn die weibliche Begleitung des toten Briten ist spurlos verschwunden. Einzig Leander Lost hegt Zweifel an dieser einfachen Erklärung, denn warum ist der Leichnam barfuß und seine Schuhe nirgends zu finden? Zwar erntet er für sein Insistieren auf dieser Besonderheit das Kopfschütteln seiner Kollegen, aber da er in der Vergangenheit durch seine besondere Beobachtungsgabe und Detailbesessenheit schon oft zur Lösung der Fälle beigetragen hat, lässt Graciana das Team in alle Richtungen ermitteln. Die Hauptverdächtige, Antonia, kann schnell gefunden werden. Bei ihrer Befragung stell sich heraus, dass sowohl sie als auch ihr toter Kollege für einen Chemiekonzern tätig sind, dessen neuestes Produkt kurz vor der Markteinführung steht. Ein Düngemittel, das weltweit und gerade im südeuropäischen Raum, in dem durch die intensive Nutzung der Agrarflächen Raubbau mit der Natur betrieben wird (wer schon einmal in Almeria war, weiß wovon ich rede), für die Produzenten von unschätzbarem Vorteil, aber für die Konsumenten mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden wäre.

Ein brisanter Fakt, der nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll, weshalb das Unternehmen mit Hilfe von Sonderermittlern aus Lissabon Antonia mundtot machen möchte. Eine Vorgehensweise, die Leander, der sich immer und überall der absoluten Wahrheit verpflichtet fühlt, nicht tolerieren kann. Und so trifft er eine „Einsame Entscheidung“, handelt, zumindest für Außenstehende, entgegen jeder Logik.

Auch dieser fünfte Band der Leander Lost-Reihe hält das für einen Urlaubskrimi ausgesprochen hohe Niveau, das Gil Ribeiro aka Holger Karsten Schmidt bereits in den Vorgängern gezeigt hat, denn das Thema, das dem Kriminalfall diesmal zugrunde liegt, ist aktueller, politischer, und geht uns alle an. Aber dennoch lässt die Rahmenhandlung rund um das Team von Sub-Inspektorin Graciana Rosado (und deren Familie) den gewohnten Charme nicht vermissen.

Eine Krimireihe mit schöner portugiesischer Atmosphäre, in der die Menschen und ihre Beziehungen untereinander ein elementarer Faktor sind, aber die jeweiligen Fälle nicht in den Hintergrund gedrängt werden. Hier erkennt man deutlich die Qualität des Drehbuchautors. Liebenswerten Protagonisten, die man gerne in Aktion sehen möchte. Es wird uns vergönnt sein, denn Band 1 „Lost in Fuseta“ ist bereits abgedreht und wird im Herbst 2022 als Zweiteiler in der ARD ausgestrahlt. Ich freue mich darauf!