Ein Spiel mit dem Feuer
Gläsernes Schwert (Die Farben des Blutes 2)Nur knapp sind Mare und Cal ihrem Tod in der Knochenarena entkommen und nun zur Scharlachroten Garde gestoßen. Ihre Ankunft dort offenbart den beiden viel tiefere Einblicke in den Aufstand der Roten, der ...
Nur knapp sind Mare und Cal ihrem Tod in der Knochenarena entkommen und nun zur Scharlachroten Garde gestoßen. Ihre Ankunft dort offenbart den beiden viel tiefere Einblicke in den Aufstand der Roten, der sich mehr und mehr zu einer Revolution ausweitet. Trotz, dass sie erst knapp dem Tod entgangen ist, kann Mare nicht ruhen: Gemeinsam mit ihrem besten Freund, ihrem wieder auferstandenen Bruder, Farley und Cal macht sie sich auf, um die zu finden, die sind wie sie - Rot und Silbern. Sie muss Maven um jeden Preis zuvorkommen. Aber der neue König will nur eines: Mare.
Die Handlung setzt unmittelbar nach dem Ende von Band 1 und sehr rasant ein. Während sie auf dem Weg zu einem weiteren Stützpunkt der roten Garde sind kann zwar erst einmal durchgeatmet werden, aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Die Fünf hetzen sich bei der Suche, man kann eigentlich schon sagen Jagd, nach Neublütern regelrecht ab, mit der ständig schwelenden Gefahr im Nacken und immer einen Schritt hinterher. Missionen werden immer gefährlicher, riskanter und waghalsiger. Zeit das Geschehene zu verarbeiten ist ein Luxus, den man sich hier kaum leisten kann. Blättert man um hängt man schon wieder im nächsten Schlamassel oder man bekommt eine Offenbarung, wie einen Hammerschlag, vor den Kopf geknallt. Diese Atemlosigkeit spiegelt jedoch den Geist der Revolution wider, in der man handeln muss und nur wenig Zeit bleibt, um nachzudenken und zu fühlen. Aber trotzdem bleibt einem genug Zeit mit zu zittern, mit zu fiebern und sich zu Fragen warum, wenn wieder jemand Verrat übt. Verrat und sorgfältig gesponnene Intrigen dominieren die Hintergründe der Handlung, während Gewalt, Hass und Wut die Handlung vordergründig schüren.
Wenn sie nicht gerade die nächste riskante Mission oder einen waghalsigen Plan in die Tat umsetzen sind die fünf Gefährten mit Eifer dabei sich gegenseitig immer mehr zu verlieren. Die Frage, ob sie es schaffen werden als geeinte, starke Gruppe, als Einheit, dem König die Stirn zu bieten, bleibt.
Wie schon am Ende des ersten Bandes begegnet uns Mare zunächst als eine willensstarke Kämpferin. Aber Vertrauen in andere zu setzen fällt ihr zunehmend schwerer, selbst wenn es sich dabei um ihr eigenes Blut oder eine jahrelange Freundschaft handelt. Damit stößt sie vor allem ihren Bruder Shade und ihren besten Freund Kilorn vor den Kopf. Neben ihren Blitzen besitzt Mare auch die erschreckende Fähigkeit ihr Herz auszuschalten. Die Mare, die dann übrigbleibt, ist zerfressen von Hass gegenüber denen, die sich ihr in den Weg stellen, sie ist rücksichtslos und kennt in diesem Zustand keine Gnade.
Mares größte Angst ist es allein gelassen zu werden, weshalb sie sich verzweifelt an die zwischenmenschlichen Beziehungen klammert, die ihr noch geblieben sind. Doch auch diese tritt sie mit ihrem ständigen, aber nachvollziehbaren, Misstrauen immer wieder mit Füßen. Sie stürzt sich in die Suche nach ihresgleichen, um ihr Gefühl von Andersartigkeit loszuwerden, aber sie bleibt es dennoch: Die Blitzwerferin, etwas Besonderes. Die Suche nach Neublütern wird für sie zu Obsession und vor allem Cal und die Neublüterin Cameron werfen ihr wieder und wieder vor nur an sich selbst zu denken, daran wie es ihresgleichen ergeht, und dass es ihr egal sei welchen Preis sie für noch mehr gerettete Neublüter bezahlen muss, dass es ihr egal sei über wie viele Leichen sie für ihr Ziel noch gehen muss. Und es ist zu einem gewissen Teil wahr, sie stumpft äußerlich immer weiter ab und auch innerlich beschränkt sie den Schmerz, den sie zulässt auf ein Minimum. Wut und Hass brodeln in ihr und sie schafft es auch nicht immer diese zurückzuhalten. Durch die intensive Auseinandersetzung mit ihrem Inneren wir sie für mich greifbarer, als viele andere Charaktere.
Cal hingegen versinkt teilweise in der Rolle des gefallenen Prinzen regelrecht und klammert sich an die einzige Familie, die ihm noch geblieben ist. Er ist schwer einzuschätzen, denn einerseits sind das, was er sagt und das, was er tut zweierlei Paar Stiefel, aber auf der anderen Seite steht für seine Überzeugungen und seine Weltanschauung ein. Obwohl man ihn nun wirklich nicht für den sentimentalen Typ Mensch halten würde, zeigt sich auch diese Seite an ihm, besonders, wenn es um seine Mutter, die er nie kennengelernt hat, geht.
Die Beziehung zwischen ihm und Mare ist schwer zu definieren. Vordergründig baut die Beziehung der beiden auf den Hass, den sie Maven entgegenbringen, und der Wunsch nach Vergeltung an diesem und dessen Mutter Elara, auf. Aber mit der Zeit scheint sich mehr zwischen den beiden zu entwickeln, mehr, als vielleicht gut ist, denn "Jeder kann jeden verraten.".
Als der gefürchtete Gegenspieler muss Maven als überzeugender, gnadenloser und rücksichtsloser König auftreten. Vermutlich mit der Hilfe seiner Mutter Elara spinnt er immer wieder neue Intrigen und stellt neue Fallen. Dabei schreckt er vor absolut nichts und niemandem zurück, was sein Image als skrupelloser und herrschsüchtiger König noch zusätzlich unterstreicht. Um an Mare heran zu kommen nutzt er seine Macht über das Volk von Norta gnadenlos aus und macht sie so zu einer Gejagten.
Wie schon im ersten Teil der Reihe ist der Stil des Geschriebenen einfach gehalten und dementsprechend auch gut verständlich. Victoria Aveyard widmet sich auch hier wieder sehr stark Mares Innenleben, das die reinste Achterbahn ist: Mal kämpft sie ohne jede Rücksicht, mal vergräbt sie sich in ihrer Schuld und ein wieder anderes Mal braucht sie einfach ein Ventil für das, was sich in ihr angestaut hat. Viele der Gefühle sind für mich allerdings nicht so ausdrucksstark, wie ich es mir wünschen würde. Auf dem Weg zu mir verhungern die Gefühle und kommen nicht wirklich bei mir an. Bei der rasanten Handlung bleibt dann leider nicht mehr viel Zeit für die Schilderung der Umgebung. Man bekommt zwar einen Eindruck davon, wie etwas aussieht, aber vieles bleibt auch der Fantasie überlassen.
Gläsernes Schwert ist ein Spiel mit dem Feuer, wie ein Tanz auf Messers Schneide. Ein falscher Schritt kann über das Schicksal eines ganzen Landes entscheiden. Erzählt wird die atemlose Geschichte einer jungen Frau, die ungewollt zum Symbol einer Revolution wurde. Gewalt, Verrat und Intrigen sind allgegenwärtig. Der Roman ist, in meinen Augen, ein würdiger Nachfolger, auch wenn er seine Schwächen hat. Er ist für alle da, die sich dazu entschließen Mare und Cal in ihrer Mission, ihren Racheplänen, ihrem Streben nach Gerechtigkeit beizustehen.