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Veröffentlicht am 18.11.2019

In der Kürze läge mehr Würze

Das Geheimnis von Shadowbrook
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„Das Geheimnis von Shadowbrook“ erinnerte mich eingangs von der Atmosphäre und dem Stil her ein wenig an DuMauriers „Rebecca“, wobei sich der Roman recht schnell mehr in Richtung des Thrills aus „Schrei ...

„Das Geheimnis von Shadowbrook“ erinnerte mich eingangs von der Atmosphäre und dem Stil her ein wenig an DuMauriers „Rebecca“, wobei sich der Roman recht schnell mehr in Richtung des Thrills aus „Schrei in der Nacht“ von Mary Higgins Clark bewegte, wobei ich diese beiden Romanen sehr schätze: Sie zählen eindeutig zu meinen literarischen Dauerfavoriten – so hatte ich dann auch recht schnell sehr hohe Erwartungen, was „Das Geheimnis von Shadowbrook“ anging.
Letztlich habe ich es als gutes Buch empfunden, auch wenn es sich nicht in die Reihe besagter Dauerfavoriten einreihen konnte: Ich hatte auf eine klare 5-Lektüre spekuliert, erhalten habe ich eine –für mich- glatte 4-Geschichte.

Eingangs fand ich Clara einen sehr einzigartigen, spannenden Charakter; durch die Glasknochenkrankheit war sie eigentlich fast vollständig inhäusig aufgewachsen, so dass sie kaum in Berührung mit der Außenwelt kam und auch nicht „klassisch“ sozialisiert wurde, da sich ihre Kontakte eben sehr auf die Personen in ihrem nächsten Umfeld beschränkten, die sie krankheitsbedingt buchstäblich in Watte packten. Claras erste Ausflüge vor die eigene Haustür ließen mich an eine Touristin denken, die unvorbereitet, aber neugierig, eine ihr völlig fremde Kultur entdeckt. Dabei scheint Clara auch nicht in den Zeitgeist zu passen; die Haupthandlung setzt kurz vor Beginn des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ein und wäre Clara gesund gewesen, hätte man sie vermutlich bei den Suffragetten finden können: Sie scheint sehr modern, sehr selbstsicher, schon recht feministisch, was sicherlich auch daran liegt, dass sie als Kind und Jugendliche keine gesellschaftstypische Mann/Frau-Unterscheidung kennengelernt hat. Da sie zuhause allerdings das „Goldene Kind“ gewesen zu sein schien, um das sich alles drehte und dem man da quasi alles möglich zu machen versuchte, war ihr Konfliktpotential aber auch eher in die Richtung ausgeprägt, dass sie sich stur an sich selbst festbiss, bis die Gegenseite zermürbt war – ab einem gewissen Punkt fand ich Clara einfach nicht mehr herrlich selbstbewusst, sondern teils entnervend dickköpfig. Während ich anfangs noch bereit war sie aufgrund ihrer Art zu idolisieren, würde ich einen Charakter wie sie letztlich lieber nichtmals in meinem weiteren Umfeld gewusst haben. Irgendwann empfand ich sie als anstrengend distanzlos und hatte das Gefühl, dass sie zwar erkannte, aber absolut nicht respektierte, wenn sie einem Anderen zu sehr in dessen „persönlichen Tanzbereich“ eindrang. Teils war sie in meinen Augen also viel zu aufdringlich. Hauptsächlich hat dann auch die Figur der Clara den einen letzten Stern zur Höchstwertung für mich hinweggenommen, wozu auch beitrug, dass eingangs ständig die Intensität ihrer Krankheit hervorgehoben wurde, die damit einhergehenden Risiken, dass sie sich quasi ständig einen Knochen brach, wenn sie sich nur einmal um sich selbst drehte, aber spätestens ab ihrer Reise nach Shadowbrook war die Krankheit kaum mehr ein Problem und wurde nur noch einmal thematisch ordentlich verbraten; ansonsten war sie plötzlich nicht mehr gefährdet als Otto Normalverbraucher, der sich höchstens mal was aus Schusseligkeit raus verletzt. Das kam mir doch bald irgendwie spanisch vor.

Zudem war dafür, dass der Roman im Deutschen „Das Geheimnis von Shadowbrook“ heißt, jenes Geheimnis irgendwie hintergründig. Es sollte spuken, Clara war überzeugt, dass es keine Geister gibt und daher eine rationale Erklärung für die stattfindenden Phänomene geben müsse, aber zum Einen war der Spuk eher von der ganz simplen, langweiligen Sorte und zum Anderen war ich mir bald auch nicht mehr sicher, ob das Haus überhaupt noch ein Geheimnis in sich bergen würde – grad das letzte Viertel des Romans war dann doch eher zäh, wie ich fand; es zog sich sehr in die Länge und da fand ich die Auflösung schließlich auch reichlich unspektakulär. Für mich wurde da aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Das war enttäuschend, zumal die Mauern Shadowbrooks in der Geschichte des Hauses definitiv einige sehr krasse Dinge zwischen sich hatten stattfinden sehen. Insgesamt dennoch ein nettes Drama, das aber auch gut auf ein paar Seiten weniger hätte untergebracht werden können.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 02.11.2019

Brandheißes Thema!?

Sieh mich an
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In diesem Fall finde ich den englischen Originaltitel „Scars like Wings“ einmal mehr sehr viel besser, weil passender, und einfacher als den gewählten deutschen Titel „Sieh mich an“, der mich zum Einen ...

In diesem Fall finde ich den englischen Originaltitel „Scars like Wings“ einmal mehr sehr viel besser, weil passender, und einfacher als den gewählten deutschen Titel „Sieh mich an“, der mich zum Einen sehr an den Kinsella-Titel „Schau mir in die Augen, Audrey“ (den ich im Vergleich zum Originaltitel „Finding Audrey“ übrigens auch nicht allzu gelungen finde) erinnert und der zum Anderen von seinem eigenen Untertitel „Jeder hat Narben. Manche sind nur besser zu sehen.“ erschlagen wird. Zudem bezieht sich „Scars like Wings“ auf ein Gedicht des kanadischen Poeten Atticus, der via Instagram berühmt geworden ist, wobei sich vor Allem dieser Ausdruck „Scars like Wings“ wie ein roter Faden durch die komplette Handlung zieht. Das war mir in der deutschen Fassung nun ein wenig zu beiläufig dargestellt (ich habe tatsächlich auch das englischsprachige Original neben der deutschen Übersetzung gelesen, und diese Referenz wirkte in der englischen Version sehr viel eindrücklicher).

Insgesamt habe ich den Roman „Sieh mich an“ aber sehr gerne gemocht; klar, die Thematik ist wichtig und groß – wenn ich auch mit einigen Punkten leicht gehadert habe: Zum Einen fand ich es unglaubwürdig, dass Ava an ihrer neuen Schule prompt auf Piper trifft, die nicht nur in derselben Therapiegruppe wie sie ist, sondern ganz zufällig ebenfalls just erst bei einem Autounfall schwere Verbrennungen nebst einer – hoffentlich nur temporären- Lähmung erlitten hat. In ihrer Rolle als Außenseiter ist Ava also vom ersten Schultag an nicht ganz so verloren wie sie zuvor geglaubt hat. Die Figur der Piper ist zwar wesentlich für die Geschichte, aber ich kam nicht umhin, ständig zu denken, dass die Handlung auf gewisse Weise doch auch impliziert, dass Ava total angeschmiert gewesen wäre, hätte es da keinen weiteren Schüler mit massiven Verbrennungen gegeben. In Bezug auf Piper fand ich es zudem schwierig, dass sie jene Schule vor dem Unfall schon besucht hatte und da zu den populären Schülerinnen gehört hatte; dass sich Piper von ihrer früheren Clique fernhält, war auf gewisse Weise nachvollziehbar, aber ich hatte ansonsten nicht das Gefühl, dass sie an der Schule überhaupt bekannt gewesen wäre. Im Roman wirkt sie völlig unsichtbar unter all den Mitschülern, mit denen sie eigentlich seit Jahren bekannt sein sollte, und das, obschon Piper mit ihrem neuen Erscheinungsbild sehr offensiv auftritt und sich generell eher extrovertiert gibt.
Dass Piper dennoch auch zu kämpfen hat, wird von Anfang an unterschwellig klargemacht, denn Ava weist ab und an beiläufig daraufhin, dass ihre Therapeutin nicht müde wird zu erklären, dass es einen Durchbruch darstellt, im Verlaufe der Therapie einen massiven Zusammenbruch zu erleiden. Auch Ava, die sich von massivsten Verbrennungen gezeichnet nun eher unfreiwillig in der Welt „da draußen“ wiederfindet, nachdem sie sich auf eine „Probewoche Schule“ eingelassen hat, steuert selbst reichlich überfordert auf einen solchen zu: Und was an dieser Stelle eher negativ und dramatisch klingt, drückt letztlich eigentlich lediglich den Moment der finalen Selbstidentifikation dar. Ava fühlt sich nach dem Brand monströs und alleine, kapselt sich dabei aber auch nach außen hin völlig ab, weil sie nicht länger das Gefühl hat, dass in der äußeren Hülle noch sie selbst steckt. (So wie Piper sich in ihrem Körper nach dem Unfall ebenfalls als „wer anders“ darstellt.) Angesichts der Thematik ist es natürlich kaum verwunderlich, dass letztlich erkannt werden soll, dass die Optik nicht den Menschen definiert und dass man trotzdem noch man selbst sein kann, auch wenn tragische Umstände verursachen, dass man plötzlich und unerwartet in einem scheinbar gänzlich fremden Körper steckt.
Positiv fand ich, dass die Handlung hier „normal“ endet; es gibt kein Wunder, es ist nicht Kitsch as Kitsch can: Das Buch endet authentisch. Mit einem gewissen Maß an (Selbst)Bewusstsein ohne dass es klingt als gäbe es künftig keine Vorurteile, Ängste, Probleme… mehr. Es ist ein Plädoyer für Toleranz und Akzeptanz, egal ob man sich nun eher mit den „offensichtlich“ Vernarbten identifiziert (positiv fand ich übrigens, dass in der Therapiegruppe auch Patienten anwesend waren, deren Narben kleiner waren, weil sie sich z.B. als Kleinkind verbrannt hatten und eben über ihre Kindernarben hinausgewachsen waren, oder deren Narben sich leicht verstecken ließen, wobei Wert daraufgelegt wurde, dass da eben keine Abwertungen stattfanden) oder mit denen, die ihnen begegnen. Insgesamt ist das ein Jugendroman, der das Kleine-Prinzen-Credo „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ verdeutlicht, und den ich trotz meiner kleinen Kritikpunkte sehr gerne gelesen habe. In der Tat war ich ein wenig traurig, als ich am Ende angelangt war. Definitiv nicht nur dann lesenswert, wenn man noch über jugendliches Alter verfügt!


[Ein Rezensionsexemplar war mir unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 06.10.2019

Halb richtig gut, halb völlig überflüssig!

Im Wald der Lügen
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Ich zitiere meine Mutter, die das Buch zufällig bei mir entdeckte und angesichts des Klappentexts spontan rief: „Das klingt aber spannend! Hast du das schon durch, kann ich es mir ausleihen? Das würde ...

Ich zitiere meine Mutter, die das Buch zufällig bei mir entdeckte und angesichts des Klappentexts spontan rief: „Das klingt aber spannend! Hast du das schon durch, kann ich es mir ausleihen? Das würde ich auch gerne lesen!“ Zu jenem Zeitpunkt hatte ich den Roman allerdings just erst erhalten, einige Tage später habe ich mein ausgelesenes Exemplar jedoch an meine Mutter weiterreichen können, wobei ich auf ihre Nachfrage, wie mir der Roman denn nun gefallen habe, lediglich ein wenig verhaltener antworten konnte: Angie steht hier gar nicht so sehr im Mittelpunkt, wie der Klappentext es mich hatte vermuten lassen. Tatsächlich erzählt der achronologisch verlaufende Roman, in dem immer wieder auf die Vergangenheit zurückgeblickt wird, sehr viel von der Geschichte der Beziehung zwischen der verschwundenen Silja und dem toten Henry, die Anfang der 1940er Jahre spontan entbrannt ist, wobei aufgrund des Zweiten Weltkriegs und Henrys Tätigkeit für die US-Army die Ehe der Beiden eingangs auch eher eine Formalie war und Henry seine eigene Tochter auch erst kennenlernte, als sie bereits im Kleinkindalter angelangt war und er, kriegsversehrt, aus Europa zurückkehrte.
Für mich war Silja letztlich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte; sie empfand ich als eine sehr starke, selbstbewusste Frauenfigur, die nun eben plötzlich mit einem nahezu völlig fremden Kriegstraumatisierten zusammenleben musste, obschon sie das merklich gar nicht wollte. Aber nun gut, das „Heute“ dieses Buchs findet eben 1960 statt und ich bin mir sehr sicher, dass Silja in der heutigen Zeit Henry ohne zu zögern vor die Tür setzen und sich scheiden lassen würde, zumal sie im Buch ebenfalls bereits mit einer Trennung liebäugelt, welche von Henry aber vehement abgelehnt wird.

Den Handlungsstrang, der die Geschichte von Silja (und Henry) erzählt, fand ich ungemein packend; die hat mir sehr gut gefallen – leider fand ich dieses ganze spätere Angie-Paul-Ruby-Scharmützel rund um Henrys Tod und Siljas Verschwinden eher völlig überflüssig. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass Angie eine allzu glückliche Ehe mit Paul führt und in einer absolut heilen Welt lebt; sie war halt eine Frau Anfang 20, die einen etwas älteren Mann geheiratet und mit dem nun ein Baby hatte, aber ein Gefühl von echter Liebe und tiefem Vertrauen kam für mich zwischen den Beiden nicht raus. Tatsächlich hatte es mich sogar überrascht, als Angies noch ziemlich junges Alter irgendwann erwähnt wurde; altersmäßig hatte ich sie bis dahin mindestens zehn, eher noch 15, Jahre älter eingeschätzt, zumal sie Ruby gegenüber eher sehr, sehr mütterlich auftritt, während sie rein rechnerisch ihre große Schwester hätte sein können, ohne dass der Abstand zwischen ihren Jahrgängen in irgendeiner Form außergewöhnlich gewesen wäre.

Ich hätte den Roman weitaus besser gefunden, hätte die Autorin einfach die Geschichte der Familien von Silja, Henry und Ruby erzählt und Angie und Paul komplett außenvorgelassen bzw. nur als Nebenfiguren auftreten lassen: Grade Angie hat einfach überhaupt keine Rolle für die grundsätzliche Erzählung gespielt und ich war irgendwann richtiggehend genervt, wenn die Handlung von der Vergangenheit abrupt wieder in die Gegenwart sprang. Der simple Hintergrund von Henrys Tod und Siljas Verschwinden hätte mir als Ende auch ausgereicht, aber in diesem Punkt musste ebenfalls noch ein Schritt weitergegangen und dem Ganzen noch mehr „Dramatik“ verliehen werden, was das Ganze in meinen Augen letztlich viel zu überzogen wirken ließ. Dieses „Über-Ende“ und im Allgemeinen das reichlich überflüssige Auftreten Angies in der Geschichte haben mir das gesamte Buch letztlich leider doch auch reichlich verleidet; schade, denn die Geschichte von Silja und Henry, um die es eigentlich ging, war eigentlich viel zu gut um sie schließlich wie eine ausgepresste Zitrone minderer Qualität aussehen zu lassen!

Veröffentlicht am 04.10.2019

Der Ball ging ins Aus...

Der Manndecker
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Der Lektüre von „Der Manndecker“ war ich von Anfang an nicht allzu euphorisch entgegengetreten; eine erste Leseprobe vom Romananfang hatte mich kaum für sich einnehmen können, aber da mein Bruder (wie ...

Der Lektüre von „Der Manndecker“ war ich von Anfang an nicht allzu euphorisch entgegengetreten; eine erste Leseprobe vom Romananfang hatte mich kaum für sich einnehmen können, aber da mein Bruder (wie diverse weitere Anverwandte) ein großer BVB-Fan ist, hatte ich darauf spekuliert, hiermit einen Buchtipp für ihn (und eben diverse Angehörige mehr) aufgetan zu haben. Selbst war ich dann allerdings wegen des scheinbaren westfälischen Lokalkolorits auch auf das Buch gespannt, da Westfalen für mich ein großes Stück Heimat bedeutet. Letztlich werde ich allerdings definitiv davon absehen, dieses Buch weiterzuempfehlen geschweige denn mein Exemplar an meinen Bruder weiterzureichen, der ohnehin nicht die größte Leseratte ist und dem dieses Buch vermutlich eher nochmals veranschaulichen würde, wieso er eher selten liest.

Ich könnte nun nichtmals sagen, was hier Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sein soll. Klar, der Achim, eine reichlich verkrachte Existenz: mit Ende 40 kann seine Schauspielkarriere getrost als gescheitert betrachtet werden, seine Ehe besteht auch nur noch pro forma, zu seinem Sohn aus einer vorherigen Partnerschaft hat Achims Frau eine engere Bindung als er (was allerdings wenig überraschend ist, da er als Vater ebenso wie als Ehemann vornehmlich durch Abwesenheit glänzt) und Achim tingelt mit seiner Einmannshow als „Der Manndecker“ über das Land und tritt dort in jeder noch so kleinen Dorfkneipe auf, verdient im Grunde genommen nix, denn das, was er verdient, versäuft er zumeist direkt vor Ort gleich wieder. Seine Show, in der er einen alternden Ex-Fußballer mimt, ist an Trostlosigkeit kaum zu überbieten; viele Szenen aus seinem Programm werden hier im Buch geschildert und für mich hatte das gemeinhin nur einen „Ist das Kunst oder kann das weg?“-Anstrich; für mich bleibt es auch unerklärlich, wieso man für eine derartige Darbietung Eintritt bezahlen wollen sollte: Mir scheint es da weitaus unterhaltsamer zu sein, sich an einem Donnerstagabend mal neben einen typischen Stammtisch in der kleinen (Dorf)Kneipe nebenan zu setzen und die dortige Gesprächsrunde still zu verfolgen. In diesem Sinne: gut, dass im Klappentext bereits erwähnt wurde, dass Achim später für ein BVB-Fest engagiert werden sollte, denn ohne diesen Hinweis würde ich den Roman wahrscheinlich nicht zu Ende gelesen haben, aber so war für mich die spannendste Frage die, wieso zum Geier irgendein Verantwortlicher beim BVB diesem belanglosen „Manndecker“-Geblabbel genug Showpotential für das vereinsinterne Saisonabschlussfest zugestehen würde: Verlöre so jemand in der hinterletzten Kaschemme eine Runde Skat gegen Achim und der gewänne so einen Auftritt; gäbe es beim BVB eventuell eine Art Wettstreit, wer den miesesten Künstler anschleppen kann…? Den „Manndecker“ würde doch wohl niemand als echten Hit für das Fest sehen?! (Mein Bruder hat mich übrigens vor vielen, vielen Jahren einmal zur Saisoneröffnung beim BVB mitgeschleppt, die mit einem großen öffentlichen Fest gefeiert wurde – und wenn ich überlege, was damals dort für ein Programm für Jedermann aufgefahren wurde: Da müsste man den Verein schon echt hassen, wenn man für ein internes Betriebsfest dann wen wie den „Manndecker“ zur Unterhaltung buchen würde.)

Warum seine Frau, die Achim ohnehin auch ständig betrogen hat, noch mit ihm zusammen war und ihn nicht längst vor die Tür gesetzt hatte bzw. sich selbst abgesetzt hatte, blieb mir ebenso unerklärlich, wieso dann auch noch ganz vorsichtig eine Zufallsbekanntschaft näher mit ihm (und umgekehrt) anbändeln sollte, wobei es sich bei jener Dame um eine absolut gestandene, selbstbewusste und sehr resolute Frau handelte, von der ich eher erwartet hätte, dass sie Achim als armseligen Wicht betrachten würde, den man vielleicht mal für einen Helferjob anstellen könnte, wohlweislich bereits damit rechnend, dass er nach spätestens zwei Monaten eh hinschmeißt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass der Roman letztlich abrupt damit enden würde, dass Achim irgendwo totgesoffen in einer Ecke liegt – und ein richtig tragisches Ende hätte ich auch weitaus glaubwürdiger gefunden, als den Schluss, der letztlich geboten wurde, wobei ich den allerdings auch als lediglich halbgar empfunden habe.

Für mich persönlich fand ich es halt allerdings ganz nett, dass diverse Käffer aus meiner Heimatgegend Erwähnung fanden, wobei ich den Lokalkolorit ansonsten aber eher schwach eingefärbt fand: Ohne diese „ha, den Ort kenn ich; und in dem bin ich auch schon gewesen; ha, da bin ich mal zur Schule gegangen…!“-Ortsnamen hätte ich vermutlich kaum mal das Gefühl gehabt, diese Geschichte müsse in Westfalen spielen. Irgendwie verströmte die Handlung mehr die Aura von Spielorten irgendwo in den hinterletzten Wäldern, in denen die Zeit vor 30 Jahren stehengeblieben zu sein scheint; das hätte nichtmals in Deutschland sein müssen. Wenn man neben den Ortsnamen diese BVB-Referenz außen vor lässt, hätte ich auch glauben können, „Der Manndecker“ spiele irgendwo in der abgelegensten Ecke der Karpaten. Damit kann der lokale Faktor des Romans allerdings auch weithin außer acht gelassen werden; der Fußballfaktor ist nun auch nicht so enorm; ich hatte da generell mehr Euphorie und Leidenschaft erwartet, weswegen ich den „Manndecker“ nun definitiv auch nicht als must read für Fußballfans ansehen würde. In meinen Augen war das insgesamt in erster Linie Larifarilangeweile und ohne mir wohlvertraute Ortsnamen könnte ich hier eigentlich nichts wirklich auf der Plusseite verbuchen. Außer vielleicht, dass sich das Ganze nicht ganz zäh lesen lies, obschon sich eigentlich ständig alles nur wiederholte.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 28.08.2019

Viel Hype um (etwas) Weniger!

Drei
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Noch ehe ich „Drei“ zu lesen begann, war ich tatsächlich auch schon an drei verschiedenen Stellen verlagsseitig darum gebeten worden, bitte jedweden Spoiler zu vermeiden, wenn ich von diesem Roman erzähle ...

Noch ehe ich „Drei“ zu lesen begann, war ich tatsächlich auch schon an drei verschiedenen Stellen verlagsseitig darum gebeten worden, bitte jedweden Spoiler zu vermeiden, wenn ich von diesem Roman erzähle – letztlich wird auch der Klappentext mit „Der Sensationsbestseller aus Israel, über den man eigentlich nichts verraten darf. Spoiler-Gefahr!“ eingeläutet, wobei mich das alles schon ein wenig verwunderte, denn der Diogenes-Verlag ist immerhin nicht grade dafür bekannt, die gaaaaaaanz große Werbemaschinerie anzuschmeißen und zu Übertreibungen zu neigen bzw. Sachen aufzubauschen.
Um es vorwegzunehmen: Ich fand „Drei“ soweit gut, ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, aber „sensationell“ würde ich ihn nun nicht nennen. Wenn dann noch wer zitiert wird, der sagt, dass es rund um „Drei“ einen Hype gibt, als ginge es um die nächste Staffel Game of Thrones: Dann weiß ich auch nicht. Vielleicht ist Mishani in Israel so etwas wie Fitzek in Deutschland: Ich weiß es nicht. Der GoT-Vergleich hinkt in meinen Augen jedenfalls gewaltig; und zwar so sehr, dass das Hinkebein eigentlich schon amputiert ist.

Was verrät der Klappentext vom Roman? Drei Frauen suchen Unterschiedliches und finden denselben Mann; keine Frau verrät ihm alles, er verrät auch keiner alles. Warum diese Geheimnisse tatsächlich essentiell sind, wird erst zum Ende des Romans im Gesamten hin deutlich – in „Drei“ werden die Geschichten der verschiedenen Frauen übrigens nacheinander erzählt; grob gerechnet macht jeder der drei Teile auch ca. 110 Seiten des Romans aus, das ist also sehr gleichmäßig. Gefühlt schien mir der erste Teil aber am Längsten zu sein: Hier trifft man auf Orna, deren Mann sie und den gemeinsamen Sohn zugunsten einer anderen Frau, mit der er nach Nepal gezogen ist, verlassen hat und die sich nun langsam ans Online-Dating heranwagen will, weil sie selbst auch endgültig diesem „Scheidungstief“ entkommen will, in dem sie bislang alleine für sich gekämpft hat, während ihr Sohn Eran längst psychologische Hilfe in Anspruch nimmt. Da fragte ich mich eigentlich noch die ganze Zeit, worauf diese Geschichte eigentlich nun hinauslaufen würde, was da nun so „ohjehmine, ach du meine Güte, Spoilergefahr, Spoilergefahr – Spoilergefahr!!!“ sein sollte und dann endete dieser Strang mit einem richtig fetten Knall. Was war denn das?! (Klar, die Spoilergefahr.)
Relativ fassungslos fuhr ich dann mit dem Lesen des zweiten Teils fort – da wusste ich ja schon, worin in Ornas Fall das Mysterium gelegen hatte und da wurde es dann spannend, weil man zum Einen damit rechnete, dass auch dieser Erzählstrang auf ein ähnliches Ende zulaufen würde und zum Anderen aber noch mit einem alternativen Schluss rechnete: Mishani würde es doch nicht nochmals derart knallen lassen? Nein, ich spoilere nicht und mit dem dritten Teil wurde also das große Finale eingeläutet: Frau Nummer Drei betrat die Bühne – und „Drei“ endete schließlich damit, dass ich irgendwann „Oh!“ dachte, weil es schon ein klitzekleines bisschen mindf****mäßig war.

Ich schrieb bereits, dass ich „Drei“ sehr gerne gelesen habe, aber: Den Hype, den es um diesen Titel geben soll, kann ich nach wie vor nicht recht nachvollziehen, und gehe tatsächlich davon aus, dass der im (mutmaßlichen) Ruhm des Autors und weniger in dieser Erzählung begründet ist. Der erste Teil schien mir eben länger als die Anderen zu sein, und auch etwas zäher, wobei die Geschichte der zweiten Frau auch vor Allem deshalb spannender war, weil man die Geschichte der ersten Frau, die „denselben Mann gefunden“ hatte, ja bereits kannte, und ihre Person zudem auch hier noch ab und an durchschien.

„Drei“ ist ein eher ruhig wirkender Roman, der quasi plötzlich explodiert; die Dramatik bleibt dabei bis dahin immer sehr unterschwellig und das ganze Erscheinungsbild des Romans sehr literarisch. Der Diogenes-Verlag hat hier seine altbewährten Pfade auch nicht verlassen; das ist so ein Roman, wie man ihn dort auch im Verlagsprogramm erwarten würde; mir war Dror Mishani als Autor bislang völlig unbekannt, aber meiner Meinung nach ist „Drei“ definitiv ein Buchtipp für alle Leser, die beispielsweise die Werke von Ian McEwan schätzen. An dessen Stil hat mich die Gangart von „Drei“ nämlich durchaus erinnert.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]