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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.04.2021

Liest sich wie eine Agentenpersiflage

Geiger
1

Die Leseprobe klang echt spannend: eine Frau bekommt einen Anruf, daraufhin holt sie eine Pistole und erschießt ohne zu zögern ihren im Sessel sitzenden Mann. Ich hatte gleich den Verdacht, dass ihr Verhalten ...

Die Leseprobe klang echt spannend: eine Frau bekommt einen Anruf, daraufhin holt sie eine Pistole und erschießt ohne zu zögern ihren im Sessel sitzenden Mann. Ich hatte gleich den Verdacht, dass ihr Verhalten etwas mit Spionage zu tun haben könnte und lag mit dieser Vermutung richtig. Dass Spione, Schläfer und Kalter Krieg aber so einen hohen Stellenwert im Buch einnehmen, hätte im Klappentext erwähnt werden sollen, dann hätte mich das Buch nämlich von vornherein nicht angesprochen.
Zum Cover kann ich nur sagen, dass ich noch nie ein Buch gelesen habe, bei dem das Cover so wenig zum Inhalt passt wie bei diesem. Es zeigt eine verschneite Winterlandschaft mit einem einsam gelegenen Haus. Die Geschichte spielt allerdings in der Großstadt Stockholm bei brütend heißen Temperaturen. Was soll das?!
Was den Inhalt anbelangt, so beginnt das Buch spannend und wird dann immer unglaubwürdiger. Im Großen und Ganzen geht es um zwei Familien: zum einen um die Familie des berühmten schwedischen Fernsehmoderators Stellan Broman (er ist der hinterrücks Erschossene), zum anderen um die Familie der Ermittlerin Sara Nowak, die als Kind und Jugendliche viel Zeit bei den Bromans verbrachte, weil ihre Mutter für die Familie arbeitete. Sara ist ein ehemaliges Model, das mittlerweile als Kriminalkommissarin im Sittendezernat arbeitet. Sie hat einen steinreichen Mann geheiratet, mit dem sie zwei Kinder hat, und sie lebt in einer traumhaft schönen Villa. Trotzdem scheint Sara durch und durch mit ihrem Leben unzufrieden. Ihren Mann hat sie anscheinend nur geheiratet, um ihn einer der beiden Broman-Töchter wegzuschnappen. Auch in ihrem Job ist sie äußerst frustriert. Ihre Aufgabe ist es, Freiern Geldstrafen aufzubrummen, denn in Schweden ist der Kauf von Sexdienstleistungen strafbar. Dabei belässt sie es allerdings nicht, wann immer sich die Gelegenheit bietet, geht sie mit brutaler Gewalt gegen die Freier vor. Ein dreijähriges Kind besitzt eine bessere Impulskontrolle als Sara Nowak.
Sara hält sich an keine Regeln. So wie der Sonnenkönig einst proklamierte „L’état, ç’est moi – der Staat, das bin ich“, so scheint Saras Devise zu sein „Die Polizei, das bin ich.“ Als sie den Verdacht hat, ihr Mann betrüge sie mit einer Edelprostituierten, schreckt sie nicht davor zurück, deren Wohnung zu durchsuchen. Dumm nur, dass die Frau auch nicht auf den Kopf gefallen ist...
Derweil zieht eine 70jährige Ex-Spionin mordend durch die Lande und die Polizei tappt völlig im Dunkeln. Der Showdown zum Schluss ist so an den Haaren herbeigezogen, dass einem selbige senkrecht zu Berge stehen! Das Ganze erscheint mir wie eine Persiflage auf einen Agententhriller, denn ernst nehmen kann man die Enthüllungen zum Schluss beim besten Willen nicht. Um Band 2 und 3 dieser Reihe werde ich auf jeden Fall einen weiten Bogen machen. 2 Sterne, weil der Anfang noch ganz gut war.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Das Meer ist mächtiger als der Mensch

Die Farbe des Nordwinds
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Als junges Mädchen lebte Ellen für eine Weile auf einer Hallig, was für sie eine prägende Erfahrung war. Damals kam sie mit ihrer Mutter Sunny, die eine kurze Beziehung zum Halligbauern Thijmann hatte, ...

Als junges Mädchen lebte Ellen für eine Weile auf einer Hallig, was für sie eine prägende Erfahrung war. Damals kam sie mit ihrer Mutter Sunny, die eine kurze Beziehung zum Halligbauern Thijmann hatte, auf dieses karge Stück Land und fühlte sich sofort heimisch. Thijmanns Tochter Liske, etwa so alt wie Ellen, wuchs ohne Mutter auf, Ellen ohne Vater. Die beiden Mädchen freundeten sich an, doch dann merkte Sunny, dass das Leben auf einer Hallig doch zu hart und nichts für sie war, und sie ging wieder weg, mit Ellen im Schlepptau. Liske blieb enttäuscht zurück, hatte Sunny ihr doch Reisen und ein Leben jenseits der Hallig in Aussicht gestellt.

20 Jahre später kehrt Ellen nach einer gescheiterten Beziehung zurück auf die Hallig, um dort als Lehrerin zu arbeiten. Liske begegnet ihr äußerst abweisend, zu tief sitzt die Verletzung von damals, auch wenn es Sunny war, die sie enttäuschte, nicht Ellen. Liske ist nie von der Hallig weggekommen, hat mittlerweile einen kleinen Sohn und kümmert sich um den Hof und ihren alten Vater. Darüber hinaus ist sie engagierte Vogelschützerin. Als alleinerziehende Mutter ist sie oft überfordert, der kleine Jasper ist stundenlang allein auf der Hallig unterwegs und ist auch sonst in vielem auf sich allein gestellt. Ellen fängt an, sich um Jasper zu kümmern, doch Liske empfindet dies als Einmischung und Bevormundung.

In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir die Hallig von vor 200 Jahren. Die Brüder Arjen und Hendrik Martensen sind nach dem Tod der Mutter Waisen. Pastor Danjel erkennt, wie intelligent der ältere der beiden, Arjen, ist, und nimmt ihn mit zu sich nach Husum, um ihm dort Schulbildung zu ermöglichen. Hendrik bleibt allein zurück und kommt zu Stiefeltern. Als Arjen Jahre später als Dorflehrer auf die Hallig zurückkehrt, will Hendrik nichts von ihm wissen, zu groß ist die Verbitterung darüber, zurückgelassen worden zu sein.
Es gibt also durchaus Parallelen zwischen den Handlungssträngen Heute und Damals, nur dass das Leben damals ungleich härter war. Anhand einer alten Chronik erfährt der Leser viel über die große Sturmflut des Jahres 1825, bei der die Halligbewohner im Schlaf von der Flut überrascht wurden und insgesamt 80 von ihnen ums Leben kamen.

Klara Jahn gelingt es ganz hervorragend, die karge Landschaft und die Herausforderungen, die das Leben auf einer Hallig an ihre Bewohner – sowohl heute als auch damals - stellt, zu schildern. Ich habe das Buch mit großem Interesse und Begeisterung gelesen, lediglich am Ende hätte ich mir eine detailliertere Auflösung gewünscht, da manches für meine Begriffe im Schnellverfahren abgehandelt wurde. Trotzdem ist „Die Farbe des Nordwinds“ für mich eines der Lesehighlights des bisherigen Jahres.

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Es ist so schön hier. Man muss hier nicht weg.

Aus der Mitte des Sees
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Lukas lebt als mit Abstand Jüngster der Mönche in einem Benediktinerkloster. Bis vor kurzem lebte noch Andreas dort, doch dieser entschied sich, das Kloster zu verlassen und hat mittlerweile Frau und Kind. ...

Lukas lebt als mit Abstand Jüngster der Mönche in einem Benediktinerkloster. Bis vor kurzem lebte noch Andreas dort, doch dieser entschied sich, das Kloster zu verlassen und hat mittlerweile Frau und Kind. Lukas hadert sehr mit dieser Situation, fühlt sich von Andreas im Stich gelassen. In Gedanken spricht Lukas viel mit Andreas und auch mit dessen Frau Juli.
Das Klostergelände grenzt an einen See, in dem Lukas täglich schwimmt. Er verbringt Stunden auf dem Badesteg, schaut hinaus aufs Wasser und hängt seinen Gedanken nach. Eines Tages kommt eine junge Frau über den See geschwommen und setzt sich zu ihm. Sie ist ganz unbefangen, sieht in ihm nicht nur den Mönch, sondern vor allem den Mensch Lukas. Sarah erzählt ihm offen von sich, was es Lukas einfach macht, sich auch ihr zu öffnen. Sarah ist eine attraktive Frau und Lukas entwickelt Gefühle für sie.
Zur selben Zeit tritt ein Mitbruder mit der Bitte an Lukas heran, er möge die Position des Priors einnehmen. Lukas fühlt sich überrumpelt. Einerseits ist er gerne Mönch und als Jüngster gibt es nur Sinn, dass er die Stelle annimmt. Andererseits steckt er in einer Sinnkrise: hat er wirklich den richtigen Lebensentwurf für sich gewählt?
Das Buch ist in einer sehr poetischen Sprache geschrieben, die aber nicht immer leicht zu lesen ist. Mit Sätzen wie beispielsweise "Ein Schöpfer, der nicht auch zerstört, ist keiner, sondern nur ein dementer Greis, der debil in eine gottlos gewordene Welt grinst“ kann ich so rein gar nichts anfangen. Obwohl mich solche Stellen sehr irritiert haben, bereue ich nicht, das Buch gelesen zu haben. Es hat mich nachdenklich gemacht und ich beschäftige mich auch nach der Lektüre noch gedanklich mit den angesprochenen Themen Zölibat, Lebensform Kloster, Sexualität von Priestern, um nur ein paar zu nennen. Über weite Strecken hat mich die Nabelschau des Mönchs allerdings auch gelangweilt.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Verkaufte Kinder

Als wir uns die Welt versprachen
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Edna ist ein kleines Mädchen, als sie von ihren armen Eltern in Südtirol als Arbeitskraft auf einen Hof in Oberschwaben geschickt wird. Angeblich soll es den sogenannten Schwabenkindern dort besser gehen, ...

Edna ist ein kleines Mädchen, als sie von ihren armen Eltern in Südtirol als Arbeitskraft auf einen Hof in Oberschwaben geschickt wird. Angeblich soll es den sogenannten Schwabenkindern dort besser gehen, so wird es zumindest erzählt, vielleicht soll diese Geschichte aber auch nur das schlechte Gewissen der Eltern beruhigen, die ihre Kinder quasi als Sklaven verkaufen.
Das Leben auf dem Hof ist hart. Es gibt kaum zu essen und die Kinder müssen von früh bis spät schuften. Keiner kümmert sich um sie, manche verschwinden und auch das wird nicht hinterfragt. Der Einzige auf dem Hof, der gut zu ihr ist und dem Edna vertraut, ist Jacob, der immer ein Auge auf sie hat. Doch vor allem Bösen kann auch er sie nicht beschützen. Eines Tages findet Jacob auf dem Jahrmarkt einen abgemagerten Papagei, einen „Paradiesvogel“, den er zurück auf den Hof schmuggelt. Von nun an ist er das Geheimnis der beiden Kinder. Jacob und Edna schmieden Fluchtpläne. Es ist ein ausgeklügelter Plan, doch etwas geht schief und nur Edna gelingt die Flucht, zusammen mit Emil, dem Papagei.
80 Jahre später entdeckt Edna in einer Zeitschrift ein Bild von Jacob, den sie nie vergessen hat. Bei einem Erdrutsch wurde Jacob verletzt und liegt im Krankenhaus in Ravensburg. Edna beschließt trotz ihres hohen Alters gemeinsam mit Emil die beschwerliche Reise nach Ravensburg zu unternehmen, und zwar genauso, wie sie damals den Weg nach Hause gefunden hat, das heißt, größtenteils zu Fuß. Auf ihrem abenteuerlichen Road Trip begegnen ihr viele Menschen, die ihr helfen, indem sie ihr beispielsweise Essen und ein Bett für die Nacht geben und ihre Lebensgeschichten mit ihr teilen. Dabei gelangt Edna zu überraschender Berühmtheit, denn zusammen mit Emil wird sie zu einem Star in den sozialen Medien. Ednas Reise mutet an wie eine Parabel. Sie lernt, dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint und sie stellt sich den Schatten der Vergangenheit. Vor allem ist sie getrieben von dem Gedanken, Jacob wiederzusehen, denn sie möchte ihm Emil zurückbringen und erklären, was damals geschah...
„Als wir uns die Welt versprachen“ ist ein zugleich trauriges, aber auch schönes und Hoffnung spendendes Buch. Ednas Reise ist voller Hindernisse, doch sie gibt nicht auf und obwohl das Ende nicht das erwartete Happy End bringt, schließt sich doch ein Kreis. Nur noch eine kleine Anmerkung zu Oberschwaben: dass Edna als Kind Wolfsgeheul in den Wäldern um Ravensburg gehört haben will, verleiht der Geschichte zwar etwas Dramatik, gehört aber ins Reich der Fantasie. Und Dirndl trägt in Ravensburg auch niemand. Diese kleinen Unstimmigkeiten tun der Geschichte aber keinen Abbruch.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Eine Frau als Pilotin? Welch absurde Idee!

Freiflug
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Köln, 1974. Die junge Rita Maiburg hat einen großen Lebenstraum: sie möchte als Linienflugpilotin bei der Deutschen Lufthansa arbeiten. Sie ist die ideale Kandidatin: ihre Flugausbildung hat sie aus eigener ...

Köln, 1974. Die junge Rita Maiburg hat einen großen Lebenstraum: sie möchte als Linienflugpilotin bei der Deutschen Lufthansa arbeiten. Sie ist die ideale Kandidatin: ihre Flugausbildung hat sie aus eigener Tasche bezahlt und in sämtlichen Prüfungen sehr gut abgeschnitten. Sie ist sich daher so gut wie sicher, den Job schon in der Tasche zu haben, doch dann kommt der Schock: die Lufthansa weist ihre Bewerbung ab, weil sie grundsätzlich keine Frauen als Piloten einstellen. Für Rita ist klar, dass sie das so nicht stehen lassen kann und sie wendet sich an die Rechtsanwältin Katharina Berner.

Katharina ist die Tochter eines erfolgreichen Kölner Unternehmers. Gegen den Willen des Vaters hat sie Jura studiert, einige Jahre in einer Anwaltskanzlei gearbeitet, in der sie die einzige Juristin und immer wieder dem sexistischem Verhalten der männlichen Kollegen ausgesetzt war, bis sie es eines Tages satt hatte und ihre eigene Kanzlei gründete. Der Fall Rita Maiburg interessiert sie daher sehr. Da die Lufthansa im Besitz der Bundesrepublik Deutschland ist, bedeutet dies eine Klage gegen die Bundesrepublik. Sie ist fest entschlossen, diesen Prozess zu führen und zu gewinnen...

Das Thema des Buchs ist wirklich sehr interessant, zumal es teilweise auf Fakten beruht. Es ist eine interessante Zeitreise in die BRD der 70er Jahre, einer Zeit, in der sowohl die spießigen Ansichten der 50er und 60er Jahre und die neue Freiheit der Jugend nebeneinander her existierten. Die Schilderungen geben einen interessanten Rückblick auf diese Jahre der beginnenden sexuellen Freizügigkeit und des Experimentierens mit Drogen, der Baader Meinhof Bande und einer Welt, in der nach wie vor (alte) Männer das Sagen haben.

Allerdings habe ich das Gefühl, die Autorin hat versucht, ein bisschen zu viel in ihre Story zu packen. Der drogensüchtige Jugendfreund von Rita Maiburg, der in der Psychiatrie landet und dort mit Elektroschocks behandelt wird, trägt nicht wirklich viel zu der Geschichte bei und dieser Handlungsstrang verläuft einfach im Sand. Auch die Verwicklungen von Katharina Berner mit ihrem Vermieter und Freund sollten wohl ein wenig Spannung und Dramatik aufbauen, ich fand sie allerdings ziemlich vorhersehbar und wenig spannend. Was Drogen und Sex anbelangt, so hat Christine Drews auch ein bisschen dick aufgetragen, ganz so einfach wird es auch in den 70er Jahren nicht gewesen sein, mit dem VW Bus nach Afghanistan zu fahren und sich mit Drogen einzudecken.

Ich fand das Buch vom Thema her ganz interessant, allerdings sehr ausschweifend, was der Spannung Abbruch tat. Es war jedoch interessant zu lesen, mit welch unglaublich sexistischen Argumenten die Anwälte der Lufthansa den Prozess führten und auch sich das vorherrschende Rollenverständnis von damals vor Augen zu führen. Schon allein deshalb lohnt sich die Lektüre von „Freiflug“.

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