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Veröffentlicht am 04.02.2025

Die Schatten von Prag

Die Schatten von Prag
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„Die Burg thronte über der Stadt. Der Mond blendete die Moldau, damit sie nicht auch noch einschliefe … Am endlos gewölbten Himmel leuchteten die Sterne stumm um die Wette. Die kälteste Nacht des Jahres ...

„Die Burg thronte über der Stadt. Der Mond blendete die Moldau, damit sie nicht auch noch einschliefe … Am endlos gewölbten Himmel leuchteten die Sterne stumm um die Wette. Die kälteste Nacht des Jahres 1910 war hell und frostig.“

Trotzdem droht der „Goldenen Stadt“ Prag düsteres Ungemach.

Alle blicken zum Himmel hinauf, wo nach 75 Jahre wieder der Halleysche Komet an der Erde vorbeiziehen wird. Das öffnet skrupellosen Geschäftemachern und dem organisierten Verbrechen sowie zudem Verschwörern Türen und Tore. So wird die multikulturelle Prager Bevölkerung wegen des vermeintlich giftigen Schweifes des Himmelskörpers und dem prophezeiten Weltuntergang in größte Aufregung versetzt.

In dieser aufgeheizten Stimmung sorgen seltsame Todesfälle für weitere Beunruhigung, wobei wegen der bei den Leichen befindlichen Glasfläschchen alles auf Selbstmorde hindeutet. Das mag besonders ein Mann nicht recht glauben: Egon Erwin Kisch arbeitet bei der deutschsprachigen Prager Zeitung Bohemia und stößt als Polizeireporter auf das Geschehen.

Während er sich in die Ermittlungen stürzt, muss er sich zeitgleich mit Veränderungen bei seinem Arbeitgeber auseinandersetzen. Den Posten des Chefredakteurs übernimmt nämlich Gruber, ein Mann, der augenscheinlich über einflussreiche Beziehungen, nicht aber über Kenntnisse in der Zeitungsbranche verfügt. Mehrfach wird Kisch von ihm ausgebremst.

Hilfreich hingegen ist die Unterstützung von Lenka Weißbach, einer jungen Frau, die ihr Medizinstudium in Berlin aufgegeben hat und wieder in Prag lebt, weil sie ihre Mutter betreuen muss. Auch die Beziehungen von Kisch zur Halb- und Unterwelt sorgen dafür, dass er den einen oder anderen Hinweis erhält.

Als eine Verschwörung enormen Ausmaßes immer eindeutiger wird, ist die Suche nach den Urhebern nicht nur dringend, sondern auch lebensbedrohend.


Der von Tabea Soergel und Martin Becker in Gemeinschaft geschriebene Roman „Die Schatten von Prag“ liest sich wie ein Kaleidoskop der Ereignisse des Jahres 1910. Dank einer intensiven Darstellung der Örtlichkeiten werden wir mitten hineingeworfen in die lebhafte Atmosphäre der historische Metropole an der Moldau, in der sich die Vergangenheit mit der Zukunft, das Traumhafte mit der Wirklichkeit, Schönheit mit Bizzarem verbindet.

Das Autoren-Duo jongliert mit den Fakten und findet die Balance zur Fiktion, erzeugt Spannung und entwirft ein zeitlich und inhaltlich stimmiges Porträt der Stadt, in der durch das Nebeneinander vieler Nationalitäten in unterschiedlichen Klassengesellschaften und damit verbundenen Hierarchien Konfliktpotential herrscht, Licht und Schatten dicht nebeneinander liegen.

Als geglückt erweist sich die Idee, den realen Egon Erwin Kisch in den Fokus von kriminellen Ermittlung zu stellen. Ja, der später in Deutschland als „rasender Reporter“ Gerühmte, der mit einem instinktmäßigem Gespür für Situationen punktet, couragiert agiert, zur Übertreibung neigt und einen Hauch Melancholie versprüht, fügt sich hier tadellos ins Geschehen ein, zumal ihm die Autoren die fiktive Lenka Weißbach mit einem scharfen, logisch analysierenden Verstand an die Seite gegeben haben. Die junge Frau, die Medizin nur in Erinnerung an ihren verstorbenen Vater studiert, ist aus der schillernden Großstadt Berlin, dessen wilde Nächte und die erste große Liebe sie schmerzlich vermisst, zurück nach Prag gekommen, weil ihre Mutter sie braucht. Adieu Selbstverwirklichung! Adieu Claire!

Dem Medizinstudium widmet sie sich in Prag nicht mehr. Stattdessen übernimmt sie einen Job als Schreibmaschinenfräulein bei der „Bohemia“, jener Zeitung, die Kisch ebenfalls beschäftigt. Plötzlich bietet auch das in ihren Augen eher provinziell anmutende Prag mehr Reize als angenommen und die Chance, sich gegen das herrschende Frauenbild zu wehren.

Anspruchsvoll sind nicht allein die vielen Figuren, deren Zuordnung das eine oder andere Mal neu überdacht werden muss, sondern die Fülle an Informationen, die die Autoren in den Handlungsablauf einfügen. Dadurch erhält das gesamte Werk eine Komplexität, die es gelegentlich erschwert, dem Verlauf der Ereignisse konsequent zu folgen, die Beteiligten konkret zuzuordnen und dadurch zum Treibenlassen bei der Lektüre animiert. Kompliziert sind auch einzelne Beziehungsverflechtungen, so dass es bisweilen an der Nachvollziehbarkeit von Empfindungen mangelt. Dies wird jedoch hier und da durch das Aufblitzen von Ironie und Witz gelockert.

Schlussendlich bietet „Die Schatten von Prag“ gelungene Unterhaltung im Gewand eines historischen Kriminalromans, die gern eine Fortsetzung erfahren darf. Und tatsächlich erscheint der zweite Fall im Herbst diesen Jahres.

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Veröffentlicht am 09.01.2025

Die Leuchttürme der Stevensons

Die Leuchttürme der Stevensons
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Robert Louis Stevenson ist als Schriftsteller berühmt. Kaum jemand weiß jedoch, dass die Männer in seiner Familie einer Dynastie von Ingenieuren angehörten, die entlang der schottischen Küste eine Vielzahl ...

Robert Louis Stevenson ist als Schriftsteller berühmt. Kaum jemand weiß jedoch, dass die Männer in seiner Familie einer Dynastie von Ingenieuren angehörten, die entlang der schottischen Küste eine Vielzahl bedeutender Bauwerke konstruiert haben: Leuchttürme.

Auch Louis soll der Tradition folgen, und so studiert er 1869 an der Universität in Edinburgh. Aber ohne Enthusiasmus, denn in seinen Augen fehlt ihm das Talent zum Ingenieur. Stattdessen möchte er seine Gedanken in Worte fassen, beflügelt von seiner Fantasie Geschichten schreiben, ein Dichter sein.

Zugleich will er indes auch die Erwartungen seines strengen Vaters nicht enttäuschen und bemüht sich, diesen gerecht zu werden. Zumal der Vater für die „Launen“ seines Sohnes wenig Interesse zeigt, ja sie sogar ablehnt.

Aus diesem Grund besteht er auch darauf, dass Louis ihn auf mehreren Inspektionsreisen begleitet oder sich allein an verschiedene Bauplätze begibt. Vor Ort soll er das Handwerk (er)lernen und das passende berufliche Rüstzeug erhalten.

Bei diesen Gelegenheiten erfährt der angehende Ingenieur von den Bedingungen und Widrigkeiten, die mit der Errichtung eines Leuchtturms einhergehen, riskiert sogar das eigene Leben. Das erhöht seinen Respekt vor den in diesem Zusammenhang zu bewältigenden Aufgaben und Gefahren, glücklich macht es ihn allerdings nicht ...


Sabine Weiß beeindruckt in ihrem neuen historischen Roman „Die Leuchttürme der Stevensons“ mit ihrer akribischen Recherchearbeit, so dass nicht nur ein authentisches Porträt des Schriftstellers Robert Louis Stevenson in seinen Jugendjahren entsteht, sondern gleichzeitig auch dem Wirken seiner Familie ein kleines Denkmal gesetzt wird.

Der Autorin gelingt es von Anfang an, einen Teil wichtiger Lebensthemen und -zeiten von Stevenson anzusprechen und mit visueller Kraft darzustellen. Sie formuliert ausführlich und leidenschaftlich, fängt den damals herrschenden Zeitgeist in Anbetracht der religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen der Menschen ein und charakterisiert vor allem ihre Hauptfigur mit augenfälliger Gründlichkeit.

Außerdem faszinieren ihre mit intensiver Ernsthaftigkeit ausgeführten Beschreibungen von Natur und Bauwerken, bei denen die epische Fabulierfreude der Autorin manchmal überschwänglich zum Ausdruck kommt. Wir lernen hautnah schottische Inseln, Wellenbrecher und Leuchttürme kennen und setzen uns mit der Gefährlichkeit der Errichtung solcher Projekte auseinander wie auch mit der Tatsache, was die Menschen dafür mit welchen Schwierigkeiten auf sich genommen haben. Dramatische Ereignisse werden mit wenigen Spannungsmomenten und in direkter Schlichtheit geschildert, hingegen wiederholen sich gelegentliche Überlegungen und Gedankenspiele jungen Mannes.

Davon einmal abgesehen, hat Sabine Weiß die Fähigkeit, Stimmungen auf bemerkenswerte Art auszudrücken. So vermittelt sie mit Können und Nachvollziehbarkeit nicht nur den Konflikt zwischen Vater und Sohn, in dem es um das Erfüllen von Erwartungen und Familientraditionen geht. Sie thematisiert auch den inneren Zwiespalt, den Drang und den Wunsch von Robert Louis Stevenson, seinen Geist mit Dichtkunst zu entfalten und zu schreiben, was letzten Endes – wie wir wissen – erfolgreich sein wird.

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Starck und der erste Tag

STARCK und der erste Tag
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„Er hatte überlebt. Doch sein Leben war das Einzige, was ihm geblieben war. Alles andere hatten sie ihm genommen.“

Andreas Starck steht vor den Scherben seines Glücks, als er aus der Haft entlassen wird. ...

„Er hatte überlebt. Doch sein Leben war das Einzige, was ihm geblieben war. Alles andere hatten sie ihm genommen.“

Andreas Starck steht vor den Scherben seines Glücks, als er aus der Haft entlassen wird. Fünf Jahre hat der ehemalige Oberstaatsanwalt als Wirtschaftsstraftäter unschuldig im Gefängnis gesessen. Alles ist ihm genommen worden. Seine Frau. Seine Tochter. Sein Ruf und seine Karriere. Ganz offiziell und vor Gericht.

Jetzt kennt er als Erstes nur ein Ziel: Er möchte wieder mit seiner Tochter Greta, die er zuletzt als Zweijährige gesehen hat, zusammen eine Familie sein. Allerdings ist das gar nicht so einfach. Denn das Mädchen lebt nicht wie er bislang glaubte in einer Pflegefamilie, sondern ist adoptiert worden, ohne dass er als Vater seine Einwilligung gegeben hat. Starck wird klar, dass er rechtlich gesehen keine Möglichkeiten besitzt, sein Kind zu erreichen. Also muss er sich anderer Mittel bedienen.

Darüber hinaus treibt ihn an, seine Rehabilitation zu erreichen, die offensichtlichen Ungereimtheiten aufzuklären und diejenigen zu finden, die für seine Verurteilung verantwortlich sind. Er will die wahren Täter zur Strecke bringen und auch die Mörder seiner geliebten Frau Daniela der gerechten Strafe zuführen.

Sein Freund Duncan, den er während der Haft kennengelernt hat, unterstützt ihn und stellt ihm Meisterdiebin Vanessa an die Seite.

Kann Starck auch auf die Hilfe von Jan-Hendrik Steinbeck bauen? Der Kriminalhauptkommissar ist während seiner Dienstzeit als Staatsanwalt nicht unbedingt sein Freund gewesen, gehört aber zu den aufrichtigen Menschen, die einen guten Job machen und denen Starck vertrauen könnte ...


Mit „Starck und der erste Tag“ startet Christian Jaschinski seine Reihe um den ehemaligen Staatsanwalt Andreas Starck, der – und das liegt deutlich auf der Hand – Opfer eines diffizilen Komplotts geworden ist und sich nach dem Absitzen seiner Strafe weiterhin einem Netz aus Falschaussagen und Lügen, Intrigen und Verschwörung, Drohung und Bestechung, Mord und dunklen Machenschaften gegenübersieht. Nicht zuletzt gilt es jede Menge Geheimnisse zu lösen, die bis in die eigene Familie reichen.

Christian Jaschinski zieht einen beim Lesen sofort in den Bann. Zwar ist seine Erzählweise eher ruhig, jedoch kurze Kapitel, schnelle Schnitte und eine zunehmende Intensität treiben die durchdachte Handlung voran und bieten einen hohen Unterhaltswert.

Bis auf wenige Wiederholungen in den Gedankengängen ist das Geschehen um Andreas Starck, auf dessen Seite die Leserschaft von Anfang an steht, facettenreich und mit einer stetigen anspruchsvollen Spannungsdramatik ausgestattet.

Dass der Autor zumindest das geltende (Familien)Recht beugt, sei ihm verziehen, weil dies verständlicherweise für seinen Plot entscheidend ist. (Dies fällt insofern wahrscheinlich nur denjenigen mit entsprechender Kenntnis auf.)

Vom Autor werden viele Spuren gelegt, die ein intensives Mitdenken (er)fordern und uns fesseln, so dass wir gemeinsam mit seinem Protagonisten Andreas Starck den Hinweisen folgen und bei den einzelnen Lösungsschritten einbezogen werden.

Hervorzuheben ist zudem, dass Christian Jaschinski seine Figuren abwechslungsreich gestaltet hat.

Neben seinem Helden, der in sich einen analytischen Verstand und Emotionalität gleichermaßen vereint, agieren Personen unterschiedlichen Charakters. Hier treten ein paar typengerecht nah an Wirklichkeit und Umfeld entworfene Individuen auf. Daneben gibt es jene integeren ehrlichen Menschen mit Zuwendung und Zuverlässigkeit sowie jene, die sich im Zwielicht befinden und (noch) nicht durchschaubar sind, insbesondere auf welcher Seite sie stehen.

„Starck und der erste Tag“ ist der beachtenswerte Start einer Thriller-Trilogie, deren Fortsetzung ich mit großen Erwartungen entgegensehe.

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Veröffentlicht am 08.12.2024

Ihr letzter Tanz

Ihr letzter Tanz
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„Irgendetwas stimmt nicht mit Jakob.“

Nach dieser Feststellung bittet Kerstin Dieckmann Privatdetektiv Mike Müller darum, ihren Ehemann zu beschatten.

Das bringt diesen jedoch in arge Bedrängnis, ja ...

„Irgendetwas stimmt nicht mit Jakob.“

Nach dieser Feststellung bittet Kerstin Dieckmann Privatdetektiv Mike Müller darum, ihren Ehemann zu beschatten.

Das bringt diesen jedoch in arge Bedrängnis, ja in ein echtes Dilemma. Denn Jakob Dieckmann ist einer seiner besten Freunde.

Außerdem arbeitet Mike momentan unter anderem an einem Altlastfall. Er soll eine undichte Stelle oder sollte man sagen Quelle im Bochumer Schauspielhaus finden, die freudig vor sich hinsprudelt und die Lokalpresse mit Interna der Spielstätte versorgt.

Nun, Mike wäre nicht Mike, und so lässt sich der Ermittler überreden, bevor jemand Fremder den Job übernimmt. Prompt gerät er selbst in den Schlamassel, als er Jakob dabei beobachtet, wie dieser wie von der Tarantel gestochen aus einem Haus rennt, er selbst in das Gebäude geht und eine Tote in einem plüschrosapinken Kingsize-Bett entdeckt.

Hiernach rekapituliert Mike: Einer seiner besten Freunde ist möglicherweise gerade zum Mörder geworden, und er hat ihn zum Tatort begleitet und ist deshalb ein wichtiger Zeuge. Die Schlussfolgerung wäre, die Polizei zu rufen, alles zuzugeben und Jakob ans Messer zu liefern. Oder aber nach einer Erklärung zu suchen für den Fall, dass Jakob unschuldig ist, zumindest was diese eine Sache betrifft.

Eines lässt sich nämlich unschwer leugnen: Die junge Frau ist tot, und irgendwer hat sie umgebracht.


Arne Dessaul bleibt auch in „Ihr letzter Tanz“ seinem gewohnten Aufbau seiner Bochum-Krimi-Reihe um Mike Müller treu.

So erfahren wir wieder aus erster Hand von den Ereignissen, die den Privatdetektiv unmittelbar betreffen, wenn er sie persönlich berichtet. Daneben erleben wir Perspektivwechsel in den Handlungsbereich von Jakob, sowohl mit Sequenzen in die Vergangenheit und die Gegenwart.

Der Autor widmet sich einem aktuellem Thema, den sogenannten „Venusfallen“, und gemeinsam mit Mike kommen wir dem Geschehen auf die Spur. Der gesamte Ablauf ist von Arne Dessaul äußerst geschickt, klug und mit Logik erdacht, so dass wir die losen Fäden erst nach und nach verknüpfen können, wie es sich für einen Krimi gehört. Zwar geht dies in der Hauptsache eher ruhig vonstatten, ist aber auch mit verschiedenen Spannungsszenen versehen, so dass keine Langeweile aufkommt.

Die Erzählweise präsentiert sich in einem lockeren Aufbau, in dem maßvoll Humor eingesetzt wird, so dass dies zur angenehmen und kurzweiligen Lektüre beiträgt.

„Ihr letzter Tanz“ verfügt über ein gut komponiertes Handlungsschema, dessen einzelne Kapitel wieder musikalisch eingeleitet werden (auch hier gibt es ein umfangreiches Playlist-Glossar), in dem die Stadt Bochum ihr gebührendes Augenmerk erhält.

Mike Müller und seine Freunde, vor allem seine Lebensgefährtin Alice, habe ich ins Herz geschlossen. Sie werden mit Sympathie und ihren Eigenheiten sowie kleinen Macken charakterisiert und dürfen auch einmal unvorhergesehen reagieren. Beispielsweise panisch, wenn sie sich eine Leiche und dann ermittelnden Kriminalpolizisten – namentlich Henning Schmitt und Rojin Yildiray – gegenübersehen. Von deren Seite hätte ich mir allerdings etwas weniger klischeehaftes Verhalten gewünscht.

Unabhängig davon bin gerne erneut nach Bochum gereist und freue mich schon auf ein neues Erlebnis im Ruhrgebiet.

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Veröffentlicht am 25.11.2024

Die letzte Welle

Die letzte Welle
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„Irgendwie hatte sie wohl geahnt, dass es passieren würde. Dass die Wahrheit herauskäme und Dunkelheit verbreiten würde. Trotzdem hatte sie ihre Lüge gelebt – was niemand wissen durfte.“

Auf Mallorca ...

„Irgendwie hatte sie wohl geahnt, dass es passieren würde. Dass die Wahrheit herauskäme und Dunkelheit verbreiten würde. Trotzdem hatte sie ihre Lüge gelebt – was niemand wissen durfte.“

Auf Mallorca wird die alte Senora Orjeda ermordet, die ihr ganz eigenes Geheimnis (ver)birgt.

Zur gleichen Zeit hadert der ehemalige Polizist Tore Lindahl mit seinem Schicksal. Seinen Lebensabend hat sich der fünfundsiebzigjährige Pensionär ganz anders vorgestellt, jedenfalls nicht in einem Altersheim, dafür empfindet er sich als viel zu jung. Dass er dennoch in Ömhetten ist, verdankt er einem Schlaganfall und seiner Tochter Anna.

Doch Tores Verstand funktioniert tadellos, und als er einen Einbrecher bemerkt und seinen Nachbarn Viking in dessen Wohnung im Heim tot auffindet, lassen ihn seine langjährigen Erfahrungen daran zweifeln, dass das Versterben eine natürliche Ursache hat. Zumal Viking nicht der einzige Tote ist und bleibt.

Tore begegnet der jungen Praktikantin der örtlichen Zeitung, Veronika Wiklund, als diese Befragungen ins Altenheim, das durch Vorwürfe gegen das Pflegeunternehmen und Ungereimtheiten in der Verwaltung aufgefallen ist, durchführt. Leider handelt es sich um reine Routinearbeit, und Veronika kann nicht die große Story erwarten, auf die sie hofft.

Aber sowohl sie als auch Tore sehen die Chance, durch eigene Ermittlungen ihren Zielen und der Aufklärung der Todesfälle näherzukommen. Dass sie dabei mehr als einen Geist der Vergangenheit wecken, ahnen sie anfangs noch nicht ...


„Die letzte Welle“ ist Cecilia Sjörgrens Debüt und hinsichtlich der Einordnung in ein Genre nicht einfach zu greifen. Am ehesten trifft wohl Kriminal- und Spannungsroman zu.

In ihrer Geschichte öffnet die Autorin viele Handlungsstränge und wechselt dabei nicht nur zwischen den Figuren, sondern auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dies kann zwar an Hand des Aufbaus mit entsprechender Konzentration bei der Lektüre gut unterschieden werden, allerdings erfolgen die Erläuterungen zum Teil mit ausufernder inhaltlicher Ausführlichkeit. Lediglich die Perspektive in Jahr 1942 nehme ich hiervon aus. Denn hier gestattet Cecilia Sjögren eine interessante und erhellende Sicht auf die Situation in Schweden während des zweiten Weltkrieges.

Schlussendlich werden alle Informationen, die im Verlauf des Geschehens besonders im zweiten Teil die Dramatik erhöhen, ungeachtet der gelegentlichen Unübersichtlichkeit mit den Motiven und Taten einleuchtend zu einem Gesamtbild verknüpft, wobei indes auch nicht unerwähnt bleiben soll, dass wenige Fragen wegen fehlender Logik keine genaue Klärung erfahren.

Sprachliches Talent ist Cecilia Sjögren gegeben. Mich haben vor allen die landschaftlichen und örtlichen Beschreibungen für die Geschichte eingenomen, die reichlich und vorstellungsintensiv sind. Was für einige Leser ein “blumiger“ Stil ist, lenkt mich von mancher Nüchternheit ab. Gerade in Bezug auf die nur auf den ersten Blick klischeehafte Wiedergabe der Trostlosigkeit des Altenheims ist dies ein angenehmer Gegenpol. Ich zweifle jedoch, ob es die umfangreiche Art der Schilderungen wirklich zu diesem Genre passt.

Die Charaktergestaltung und -führung ist trotz der Fülle an Figuren im Großen und Ganzen – auch dank der Ausstattung mit Stärken und Schwächen – verschiedenartig und gut nachvollziehbar.

Besonders Tore Lindahl, dessen Aufenthalt nicht auf Freiwilligkeit beruht, weswegen sein Verhältnis zu seiner Tochter Anna, die ebenfalls als Polizistin arbeitet und ermittelt, konfliktreich ist, erfährt eine Darstellung, die Sympathie hervorruft. Auch bei Siri Mattsson, die junge Frau, deren Schicksal in der Vergangenheit erzählt wird, fällt eine Annäherung leicht.

Obwohl ich es mag, dass wie hier die persönlichen Situationen und Befindlichkeiten der Protagonisten in das Geschehen eingebunden werden, hat diesbezüglich Veronika Wiklund nicht unbedingt einen leichten Stand, wirkt sie doch das eine oder andere Mal etwas anstrengend, vor allem wenn überwiegend ihre Persönlichkeit und die Beziehung zu zwei Männern in den Mittelpunkt gerückt werden und der Eindruck entsteht, dass damit die Handlung in keiner Weise unterstützt wird.

Hier hätte ich mir eher eine gründlichere Darlegung der Zusammenarbeit zwischen Veronika und Tore gewünscht, die bei den laufenden Ereignissen in den Hintergrund gerät.

„Die letzte Welle“ überzeugt nicht komplett, bietet aber durchaus ergreifende Momente, primär in den Schilderungen, die die Vergangenheit betreffen, und kann deshalb mit Einschränkungen empfohlen werden.

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