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Veröffentlicht am 09.11.2020

Ein Gangsterleben

Heißes Blut
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Mit "Die Plotter" hatte der koreanische Schriftstelle Un-Su Kim eine düster-brutale, aber auch fast schon philosophische Geschichte eines Profu-Killers geschrieben, Auch in "Heißes Blut" bleibt er dem ...

Mit "Die Plotter" hatte der koreanische Schriftstelle Un-Su Kim eine düster-brutale, aber auch fast schon philosophische Geschichte eines Profu-Killers geschrieben, Auch in "Heißes Blut" bleibt er dem Gangstermilieu treu und schildert Karrieren, Verteilungskämpfe und blutige Fehden in Busan und am Strandviertel Guam. Atmosphärisch dicht, sprachtlich kraftvoll erzählt Un-Su Kim die Geschichte des Gangsters Huisu, der in den 90-er Jahren die rechte Hand des koreanischen Paten Vater Son ist.

Huisu gehört gewissermaßen zum mittleren Management des organisierten Verbrechens, ein Mann mit Ambitionen, aber auch mit einem Ehrgefühl als Gangster. Vaterlos aufgewachsen kennt er das Leben am Rand der Gesellschaft, seine große Liebe ist eine Barbesitzerin und ehemalige Prostituierte. Teilweise ist "Heißes Blut" wie eine koreanische Version des "Paten", mit Soldaten und Offizieren, mit Abgaben und korruptem Beamten, mit ungeschriebenen Gesetzen und Verhaltensregeln. Nur dass hier in den Kampfpausen einen Gangsterkrieges nicht Spaghetti gekocht werden, sondern Ramen-Nudeln und bei Sashimi verhandelt wird. Wobei die Sashimi-Messer auch anderweitig zum Einsatz kommen.

Ähnlich wie der Killer Raesong ist Huisu eine teils gebrochene, teils an ihren Grundwerten festhaltende Figur. Ähnlich wie sein Ziehvater Son setzt Huisu mehr auf Verhandlungen als auf Brutalität und Blutvergießen, auch wenn ihm beides nicht fremd ist. Nicht zuletzt seine Schuldenlast macht ihn angreifbar, zwingt ihn zu Entscheidungen mit weitreichenden Folgen.

Ein wenig ähneln die Gangster von Busan den Einwohnern einer Kleinstadt - jeder weiß fast alles über die anderen, es gibt Zweckbündnisse und Loyalitäten, doch unter der scheinbar glatten Oberfläche des Geschäftslebens sind allerhand Untiefen.

"Heißes Blut" ist ein Kriminalroman wie aus der "schwarzen Serie", düster, oftmals tödlich und getragen von einem ethischen Kodex der Unterwelt. Auch soziale Hierarchien, rituelle Unterwürfigkeit und Rangfolgen spielen eine wichtige Rolle, wobei ich schlecht beurteilen kann, inwieweit hier auch "typisch koreanische" Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders eine Rolle spielen und inwieweit es sich um die Nischenkultur der Gangstergesellschaft handelt.

Dunkel und hart, manchmal mit Humor und sogar Wärme lässt Un-Su Kim am Leben seiner Antihelden teilhaben. Nicht nur für Krimi-Freunde ein faszinierendes Buch voller Spannung und dunkler Emotionen.

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Veröffentlicht am 09.11.2020

Ein Sheriff wider Willen

Dunkle Wolken über Alberta
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Thumbs DreadfulWater, ein amerikanischer Cherokee, glaubt seine Polizistenvergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Nachdem er in Kalifornien einen Serienmörder gejagt hatte, der auch DreadfulWaters ...

Thumbs DreadfulWater, ein amerikanischer Cherokee, glaubt seine Polizistenvergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Nachdem er in Kalifornien einen Serienmörder gejagt hatte, der auch DreadfulWaters damalige Lebensgefährtin und ihre Tochter umgebracht hatte, war es ein Fall zu viel gewesen. DreadfulWater zog in die Kleinstadt Chinook und arbeitet als Landschaftsfotograf. Mit einer Vertreterin des nahegelegenen Indianerreservats hat er eine On-Off-Beziehung, seine Katze tyrannisiert ihn und seine Ambitionen reichen aktuell nicht weiter als bis zur möglichen Anschaffung eines sechs-Platten-Gasherds.

Da hat DreadfulWater allerdings die Rechnung ohne den Ortssheriff Hockney gemacht. Der muss nämlich zu einer internationalen Konferenz in Costa Rica und drängt DreadfulWater, in der Zwischenzeit als komissarischer Sheriff einzuspringen. Auch wenn DreadfulWater nichts davon hören will, wird er angesichts mehrerer mysteriöser Todesfälle in Chinook gegen seinen Willen doch in einen aktuellen Kriminalfall hineingezogen,

Thomas King hat mit seinem Roman "Dunkle Wolken über Alberta" eine ganze Reihe leicht exzentrischer und liebenswürdiger Figuren geschaffen, angefangen von dem zunehmend von den Beschwerden des mittleren Alters geplagten DreadfulWater, der lesbischen Ärztin, die in Doppelfunktion auch Gerichtsmedizinerin ist, dem griechischen Buchhändler und Umweltaktivisten Archie, einem Bodyguard, der gerne mit spanischen Einsprengseln seine Herkunft aus New Mexiko betont und dem Ortssheriff, dessen Dienstreisen stark von den touristischen Wünschen der begleitenden Ehefrau beeinflusst werden. Auch die resolute Stammeschefin, ihre von einer detektivischen Zukunft träumende Schwester und der eifersüchtige Sohn seiner Freundin machen DreadfulWater mitunter das Leben schwer.

"Dunkle Wolken über Alberta" hat einige zähe Längen, ist aber durchaus ein solider Ökokrimi, geht es doch um den knappen Rohstoff Wasser, um den Zugriff auf altes Stammesland und die Verträge, die einsr zwischen der Regierung und den indigenen Völkern geschlossen wurden. Gleich zwei Vertreter eines Unternehmens, das auf einer Umweltkonferenz ein Verfahren vorstellen wollte, das auch über Wasservorkommen Aufschluss gibt, sterben eines gewaltsamen Todes. Zwischen Geschäftsinteressen und persönlichen Motiven muss der Sheriff wider Willen die Lösung des Falls suchen.

Thumbs DreadfulWater ist ein sympathischer Protagonist - erfahren, aber nicht abgestumpft-zynisch, eher wortkarg, eigentlich ein typischer Mann des Westens, auch wenn manchmal ein wenig zaudernd. So wie der Chinook in Alberta für plötzliche Wetterwechsel mit extremen Temperaturschwankungen sorgen kann, so nimmt auch der Fall einige Wendungen. Auch manche Selbsterkenntnis wartet dabei auf DreadfulWater

Ein Rätsel bleibt allerdings der Buchtitel - denn Chinook scheint im US-Bundesstaat Montana und nicht in der kanadischen Provinz Alberta zu liegen, während gleichzeitig immer wieder das kanadische Gesundheitssystem angesprochen wird, in dessen Genuss DreadfulWater als US-Staatsbürger nicht kommt.

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Veröffentlicht am 04.11.2020

Das Trauma der Entwurzelung

Flucht – Eine Menschheitsgeschichte
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Schon das Titelbild von Andreas Kosserts Buch "Flucht" zeigt, wie leicht sich der Leser bei der Einschätzung irren kann und wie allgemeingültig die Geschichte von Flüchtlingen ist: Der kleine Junge mit ...

Schon das Titelbild von Andreas Kosserts Buch "Flucht" zeigt, wie leicht sich der Leser bei der Einschätzung irren kann und wie allgemeingültig die Geschichte von Flüchtlingen ist: Der kleine Junge mit den kurzen Hosen, der auf zusammengeschnürten Gepäckstücken und Säcken hockt, ist nicht etwa ein Kind aus Ostpreußen, Pommern oder Schlesien im Jahr 1945, sondern ein junger Flüchtling "aus osteuropäischen Regionen" im Jahr 1949 - vielleicht aus der Westukraine oder der Wilnaer Gegend vor der Umsiedlung in die einstigen deutschen Ostgebiete, vielleicht ein Kind von "Displaced Persons", die nach dem Krieg in Deutschland feststeckten und entweder in ihre Heimatländer repatriiert wurden oder eine neue Zukunft in einem anderen Land suchten. Gemeinsam war und ist ihne: Sie sind entwurzelt, führen ein Leben im Wartestand, von den jeweils "Hiesigen", den Beheimateten oft misstrauisch beäugt, abgelehnt, angefeindet.

"Eine Menschheitsgeschichte" hat der Autor sein Buch im Untertitel genannt und es ist der große Verdienst Kosserts, dass er den Blick nicht, wie das in der Vergangenheit viele deutsche Historiker in den Fernsehdokumentationen zur besten Sendezeit gemacht haben, allein auf das Schicksal der 14 Millionen deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg richtet, sondern auf das davor und danach. Etwa die gewaltsamen Umsiedlungen durch die Nationalsozialisten in den von Deutschland besetzten Gebieten, aber auch die erzwungenen Bevölkerungsverschiebungen in den einstigen polnischen Ostgebieten.

Kossert hat am Deutschen Historischen Institut in Warschau gearbeitet, er schreibt für eine deutsche Leserschaft - insofern liegt durchaus ein Fokus auf dem Zwanzigsten Jahrhundert, auf Deutschland und seinen Nachbarstaaten. Doch stets werden Erfahrungen, Erinnerungen, Zitate von Flucht, von Unterwegssein und Ankommen anderer Flüchtling hinzugestellt, sei es von nordafrikanischen Juden, von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, von Griechen und Türken.

Oft ist der Verweis auf Autor und Jahr des Zitats nötig, so ähneln sich bei allen unterschiedlichen historischen Rahmenbedingungen, trotz unterschiedlicher Religionen, Sprachen und Ethnien die Gefühle, die zum Ausdruck kommen, wenn Menschen gezwungen sind, mit dem Allernötigsten, oft ohne Zeit zum Abschiednehmen, in eine ungewisse Zukunft aufbrechen müssen. Eben waren sie noch Einwohner, Nachbarn, Bauern oder örtliche Unternehmer. Und plötzlich sind sie nur noch Flüchtlinge, aus dem Alltag, aus der Sicherheit und aus allem Gewohnten gefallen.

Eine kleine, wiederkehrende Szene, die Flüchtlinge aus Palästina oder Ostpreußen, aus Kurdistan oder Kappadokien schildern, weckt Erinnerungen: Die Schlüssel der alten Wohnung, des einstigen Hauses, den viele Flüchtlinge mitnehmen, in der Hoffnung, dass es vielleicht doch mal ein Zurück gibt. Ein Schlüssel, wie er auch im Schrank meiner Großmutter lag und der an keine der Türen und Schränke passte. "Der ist von zu Hause", sagte sie. "Aus der alten Heimat." Eine neue hat sie, wie viele ihrer Generation, nie gefunden.

Wer selbst eine Familie mit Fluchtbiografie hat, wer die Erzählungen von Eltern oder Großeltern kennt oder selbst die Erfahrung gemacht hat, mit einem "anderen" Namen, der "falschen" religiösen Zugehörigkeit, der Herkunft der Familie an einem Ort, an dem man selbst geboren wurde, als nicht dazugehörig betrachtet zu werden, der kennt vieles von dem, was in "Flucht" geschildert wird. Kossert räumt mit den lange gepflegten Schilderungen von der großherzigen Aufnahme der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen im Nachkriegsdeutschland auf, er zeigt die Sprachlosigkeit, mit oft traumatisierenden Erinnerungen umgehen zu müssen, schildert, dass ähnlich wie in Familien von Holocaust-Überlebenden auch in Familien von Flüchtlingen die nachgeborenen Generationen oft einen Teil des psychologischen Erbes der Familiengeschichte mit sich herumschleppen.

Ausführlich geht es auch um die Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber dem Schicksal entwurzelter Menschen. Die Willkommenskultur des Sommers 2015 - fünf Jahre später wissen wir, das war eine kurze Episode. Das Schicksal der Namenlosen, die Jahr für Jahr im Mittelmeer ertrinken, die Zustände in Moria oder in den Flüchtlingslagern in der Türkei kommen in den Sinn, wenn Kossert resümiert: "Flucht und Vertreibung als Geißel der Menschheit zu ächten, könnte bewirken, sie bereits im Entstehen zu unterbinden und ihre Ursachen zu bekämpfen, statt immer nur noch höhere Zäune und Mauern zu errichten. Am Umgang mit Flüchtlingen lässt sich ablesen, welche Welt wir anstreben. ... Flüchtlinge und das, was sie erleben und erleiden, führen uns vor Augen, wie zerbrechlich unsere scheinbar so sichere Existenz ist. Sie verschieben die Sicht auf die Welt, weil sich mit jeder Fluchtgeschichte und jedem einzelnen Flüchtling die Frage stellt, wie fest wir wurzeln."

Veröffentlicht am 02.11.2020

Auf der Spur der Mädchenfänger

Amissa. Die Verlorenen
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ls die 17-jährige Leila nach einem Streit mit ihrem Vater nicht nach Hause kommt, reagiert die Polizei gelassen auf die zunehmend panischen Eltern: Teenager und die Konflikte mit den Eltern könnten schon ...

ls die 17-jährige Leila nach einem Streit mit ihrem Vater nicht nach Hause kommt, reagiert die Polizei gelassen auf die zunehmend panischen Eltern: Teenager und die Konflikte mit den Eltern könnten schon mal eskalieren. Bestimmt sei Leila bei einer Freundin und werde bald wieder auftauchen. Zumal sich herausstellt, dass Leila unglücklich über den Umzug der Eltern von Frankfurt auf ein Provinzkaff ist. Sie wurde aus ihrem Freundeskreis gerissen, findet die neue Umgebung blöd und spießig. Die Polizei sieht keinen Vermisstenfall - bis ein junges Mädchen in der Nacht auf die Autobahn läuft und überfahren wird. Auf der nahen Raststätte wird Leilas Ausweis gefunden...

Die Privatdetektive Jan und Rica Kantzius werden Zeugen des tödlichen Unfalls. Jan hält die Hand des sterbenden Mädchens, dessen letzte Worte "Die Grube" sind. In ihrer Hand hat sie einen Zettel, der wie eine Bauskizze aussieht. Jan, ein Ex-Polizist und seine Frau, die als Studentin in die Hände von Menschenhändlern geriet und Zwangsprostituierte war, arbeiten für eine NGO, die Vermisstenfälle aufklärt. Das tote Mädchen weckt sowohl professionelle Neugier als auch Mitgefühl, Jan will den Eltern die letzten Worte ihrer Tochter mitteilen. Doch dann erwartet den Vater, der die Leiche identifizieren muss, die nächste Überraschung: Das tote Mädchen ist nicht Leila, auch wenn sie ihr vom Alter und Erscheinungstyp ähnelt.

Die beiden Privatdetektive beschließen, zur weiterhin verschwundenen Leila zu ermitteln - zum Missfallen des leitenden Ermittlers, der Jan von früher kennt. Der Fall wird immer merkwürdiger, denn auf der Raststätte wird in einem ausgebrannten Wohnwagen die Leiche eines erschossenen Mannes zu tun. Halter des Fahrzeugs, der vor Leilas Verschwinden im Ort gesehen wurde, ist ein Mann, dessen Schwester vor einiger Zeit spurlos verschwunden ist. Währenddessen chattet, in einer anderen Stadt, die 17-jährige Maja mit ihrem Online-Freund, dem einzigen, der sie zu verstehen scheint, seit ihre Mutter mit ihr in eine neue Stadt gezogen ist....

Zahlreiche Zeit- und Ortssprünge verdeutlichen, was der Leser schon längst ahnt: Die Umzüge und das Verschwinden der Mädchen hängen zusammen. Immer ist es ein bestimmter Typ, der verschwindet - hübsch, zierlich, langhaarig. Und auch, wenn Autor Frank Kodiak in "Amissa" explizit Gewalt schildert, wird der Missbrauch nur angedeutet - die Situation lässt ohnehin nur eine Schlussfolgerung zu.

Mit Rica und Jan hat Autor Kodiak ein Ermittlerduo geschaffen, bei dem vor allem Jan wie ein "hard boiled detective" alter Schule auftritt. Mit seinen alles andere als zimperlichen Methoden liefert er zwar Resultate, fragwürdig bleibt so ein Held für mich aber dennoch. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Rica wiederum ist studierte Informatikerin und talentierte Hackerin, stammt aus Haiti und zieht gerne mal die Rassismus-Karte, um sich gegen Leute durchzusetzen, die nicht gleich so spuren, wie sie will.

Da der Thriller Start einer dreiteiligen Serie sein soll, bleibt am Ende noch einiges offen, dazwischen liegt durchaus eine Menge Spannung, was das Schicksal der verschwundenen Mädchen angeht. Allerdings bleibt das Ermittlerduo angesichts so viel Superpower irgendwie unrealistisch. Die Selbstjustiz-Attitüden von Jan sind schon ziemlich dick aufgetragen, und wie es Rica schafft, trotz Zwischenetappe Zwangsprostitution ihr Informatikstudium abgeschlossen zu haben, ist ebenfalls unglaubwürdig, wenn man bedenkt, wie lange die Traumata bei Opfern von Menschenhandel in der Regel anhalten. Na ja, ist eben Fiktion und keine Wirklichkeit. Herausgekommen ist ein solider Thriller, dessen (bisheriges) Ende mich allerdings nicht überrascht hat.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Fiesheit führt zum Erfolg

Kill 'em all
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Wer sagt, dass das Gute am Ende immer sieht, hat die Rechnung ohne Steven Stelfox gemacht. Der ehemalige Musikproduzent mit dem Riesenego, gleichermaßen geld- und schwanzfixierter Chauvi der Extraklasse ...

Wer sagt, dass das Gute am Ende immer sieht, hat die Rechnung ohne Steven Stelfox gemacht. Der ehemalige Musikproduzent mit dem Riesenego, gleichermaßen geld- und schwanzfixierter Chauvi der Extraklasse war schon der Protagonist von John Nivens „Kill your friends“. Nun hat Niven seinen Bad Boy wieder ins Zentrum eines Romans mit bitterbösem Witz und einem sehr britischen Humor gestellt. In „Kill ´em all“ ist Stelfox älter und reicher, kokst und säuft nicht mehr und hat sich mit seinen 47 Jahren eigentlich bereits in den Ruhestand zurückgezogen und könnte sich eigentlich auf seinen Millionen ausruhen. Aber wann ist genug denn schon genügend?


Der Mann, der keine Freunde oder Beziehungen braucht und dessen politisches Idol Donald Trump ist, kehrt für eine heikle Mission zurück ins Musikgeschäft. Der befreundete Boss einer Plattenfirma – jedenfalls so weit Egomane Stelfox überhaupt in der Lage ist, so etwas wie freundschaftliche Gefühle zu entwickeln – hat ein Problem: Sein wichtigster Künstler, der Kaiser des Pop, hat bedauerlicherweise eine Schwäche für kleine Jungen. Bisher wurde höchstens in der Branche gemunkelt, jetzt aber wollen die Eltern eines der Jungen 50 Millionen Dollar sehen- oder sie gehen zur Polizei.

Stelfox wäre nicht Stelfox, wenn seine Lösung als Problemlöser nicht äußerst lukrativ wäre. Mit einer Doppelstrategie arbeitet er zudem an einem Plan B, um auf jeden Fall seine Schäfchen aufs trockene zu bringen. Die Erpresser – ein windiger Anwalt, ein mittelmäßiger Koksdealer und seine Ehefrau – müssen ruhiggestellt werden, der pädophile Sänger zwecks Schadensbregrenzung erst mal in der Versenkung verschwinden. Der posthume Erfolg von Rock ´n´Roll King Elvis bringt Stelfox auf eine Idee, die auch ihn bei Erfolg in ganz neue finanzielle Höhe heben könnte.

Doch der Sänger, der abgesehen von seinen bedauerlichen sexuellen Vorlieben ein ziemlich durchgeknallter Typ auf dem Reifeniveau eines Neunjährigen ist, erweist sich als noch unberechenbarer als gedacht. Und auch die anderen Player und Mitwisser lassen bei Stelfox die Erkenntnis reifen, dass eventuell drastische Schritte nötig sind, um es doch noch zum Milliardär zu schaffen.

Ein bitterböser Protagonist, mit einem ähnlich penetranten Ego ausgestattet wie sein großes Vorbild Trump, ist Stelfox ein Typ, den man zu hassen liebt. Nur die junge Texanerin Chrissy bringt so etwas wie seine weiche Seite hervor. Mit einem völligen Mangel an Moral, selbstbewusst zelebrierter Geldgier und absoluter Skrupellosigkeit lässt Niven seinen fiesen Macher zu neuer Hochform auflaufen. Ob Fake News, Brexit oder Musik-Business – diese bitterböse Satire lässt wenig Zeit zum Durchatmen bis zum explosiven Höhepunkt.

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