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Veröffentlicht am 11.09.2022

Die Kunst, ein Gott & eine Zigarette

Drei Viertel tot
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Das Niveau sinkt und zieht die Originalität mit in den Untergang – alles wiederholt sich, man hört ständig nur die alte, wohlbekannte Leier und kennt das Ende bereits, bevor das Buch überhaupt aufgeschlagen ...

Das Niveau sinkt und zieht die Originalität mit in den Untergang – alles wiederholt sich, man hört ständig nur die alte, wohlbekannte Leier und kennt das Ende bereits, bevor das Buch überhaupt aufgeschlagen wurde. Diese Vorwürfe – vor allem gegenüber dem Fantasy-Genre – sind vermutlich niemandem neu und haben zweifelsohne schon den ein oder anderen abgeschreckt. All diesen elitären Angsthasen kann ich getrost „Drei Viertel tot“ von Max Gladstone empfehlen, ein durchweg origineller Fantasyroman, dem es auch an Niveau nicht mangelt.

Absolut erwähnenswert ist die Welt, in der das Ganze spielt. Sie ist äußerst komplex und mit nichts vergleichbar, was ich vorher gelesen hatte. Allein das Konzept der Kunstwirker ist mir völlig neu und ehrlicherweise haben mich die grundlegenden Funktionsweisen des Magiesystems auch zu Weilen sehr überfordert. Tatsächlich glaube ich nicht, dass ich das Geschehen überhaupt wirklich fassen konnte und würde es nicht ausschließen, einige Informationen falsch verstanden oder gar überlesen zu haben. Vieles war für mich und mein Hirn schlichtweg zu abstrakt und wir mussten uns teilweise echt anstrengen, nicht den Faden zu verlieren. Zudem wird im Worldbuilding großer Wert auf die Organisation und die Interaktionen gesellschaftlicher Strukturen gelegt. Es dreht sich viel um die Frage, wo Kirche und dementsprechend auch Religion ihren Platz in der Gesellschaft haben und wie viel Einfluss sie im Verhältnis zu anderen Einrichtungen und Vereinigungen haben sollten. Die Überlegung, welche Partei die meiste Macht hat und wohin der Rest fließt, ist allgegenwärtig und in vielerlei Hinsicht auch durchaus auf unsere Gesellschaft übertragbar. Diese Relevanz in Kombination mit der komplexen und neuartigen Welt machen das gesamte Buch wirklich einzigartig, was gerade im Fantasy-Genre eine absolut reife Leistung darstellt.

Von der Komplexität des Worldbuildings einmal abgesehen ist die Handlung selbst gut ausgearbeitet und mit einem Spannungsbogen versehen, der vollkommen verlässlich auf einen rasanten Höhepunkt zusteuert. Alles an dem Geschehen rund um Tara, ihre Kunst und die Götterwiederbelebung wirkt schlüssig und durchdacht, zudem hat jede Figur ihren Zweck und fügt sich gut ins Gesamtbild ein, was zu einem äußerst zielorientierten Voranschreiten der Ereignisse mit wenig Ablenkungen führt.
Zum Thema Charaktere: Ich mochte Tara sehr gerne und ihre mutige, willensstarke Art machte sie zu einer überaus talentierten und glaubhaften Protagonistin. Auch Abelard war mir schnell sympathisch und ich fand die Ausgestaltung seiner Figur sehr erfrischend – von kettenrauchenden Priestern liest man ja doch eher selten. Mir fiel jedoch auf, dass man zwar recht viel über die einzelnen Charaktere erfährt – genug, um sich ein gutes Bild von ihnen allen zu machen – sich aber meist in einem strikt „beruflichen“ beziehungsweise professionellen Rahmen bewegt. Auf private Informationen wird bis auf wenige Ausnahmen weitestgehend verzichtet, was vermutlich eine bewusste Entscheidung des Autors war, um nicht vom Wesentlichen abzulenken. Das ist selbstverständlich absolut plausibel und völlig legitim, nichtsdestotrotz fand ich es persönlich sehr schade. Ich mag es, beim Lesen eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen und werde auch gerne emotional dabei. Ich will etwas spüren und ich will investiert sein. Ich will mit den Figuren mitfiebern, mit ihnen lachen und weinen. Aufgrund der großen Distanz sowohl zwischen Figuren und Leser als auch der Charaktere untereinander war das hier leider nicht möglich.

„Drei Viertel tot“ ist definitiv keine 0815 Fantasy und hat einiges zu bieten. Rein technisch gesehen und auf einer objektiven Ebene betrachtet habe ich absolut nichts zu meckern. Jedoch hätte ich mir mehr Emotionen – egal in welcher Hinsicht – gewünscht, das hätte das ganze Buch sicherlich etwas zugänglicher gemacht. Allerdings handelt es sich hierbei selbstverständlich nur um meine persönliche Präferenz. Wer auf Zwischenmenschliches weniger Wert legt und einfach einen guten Fantasyroman sucht, der wirklich originell ist und sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lässt, ist hier garantiert gut bedient.

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Veröffentlicht am 28.08.2022

Perfekt für alle verträumten Pferdemädchen und -jungs!

Die Nebel von Walhalla (Bd. 1)
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Mit „Die Nebel von Walhalla“ hat Barbara Schinko ein Kinderbuch geschrieben, das alle verträumten Pferdemädchen (und -jungs!!) begeistern wird. Und obwohl ich der angestrebten Zielgruppe schon längst entwachsen ...

Mit „Die Nebel von Walhalla“ hat Barbara Schinko ein Kinderbuch geschrieben, das alle verträumten Pferdemädchen (und -jungs!!) begeistern wird. Und obwohl ich der angestrebten Zielgruppe schon längst entwachsen bin, hat es auch mich nach ein paar Seiten bereits in seinen Bann gezogen und ganz nostalgisch an meine eigene Kindheit denken lassen.

Alle Charaktere sind sehr schön ausgearbeitet und mit besonderen Eigenschaften versehen, die immer ganz klar einer Figur zugeordnet werden können. Diese Eigenschaften sind stets so markant gewählt, dass sie gut im Gedächtnis bleiben und sorgen dafür, dass sich sicher viele junge Leser*innen gut mit den Personen der Geschichte identifizieren können.
Das Setting, welches sich größtenteils am mysteriösen Speerhof abspielt, ist ebenfalls gelungen: Nichts ist zu ausführlich beschrieben, dass man Gefahr laufen würde, die Leserschaft könne sich langweilen, aber doch so genau, man sich ohne Probleme ein Bild von der Welt machen kann, in der Alessa mit ihren Freundinnen und den Ponys Abenteuer erlebt.
Das Konzept des Buches ist durchdacht und mit der richtigen Prise Magie versehen, die dem Ganzen eine gehörige Portion Originalität verleiht. Außerdem kann man durch das Thema der nordischen Mythologie, das – nebenbei bemerkt – wirklich schön in die Geschichte eingeflochten wurde, auch noch was lernen.
Dementsprechend ist auch die Handlung in sich schlüssig, vor allem der Spannungsaufbau hat äußerst gut geklappt. Es passiert immer irgendetwas und wird somit nie langweilig. Gegen Ende wird es tatsächlich richtig brenzlig, was natürlich für viel Spannung und Action sorgt! Selbst für ein bisschen Knistern und ein paar Schmetterlinge im Bauch ist noch Platz: Das empfand ich als nette Abwechslung zu dem Fantasy Element, da es der Geschichte etwas „normales“ verleiht und einen stets zurück in die Wirklichkeit holt.
Mein einziger Kritikpunkt besteht in Alessas Alleingang gegen Ende des Buches. Dadurch, dass sie so viel auf eigene Faust hin unternommen hat, kamen die andern beiden etwas zu kurz. Ein bisschen mehr Teamgeist hätte ich an der Stelle sehr schön gefunden.

Nichtsdestotrotz war eine wirklich tolle Geschichte, die ganz bestimmt viele pferdebegeisterten Herzen höher schlagen lassen wird und die einen hübschen Abschluss gefunden hat. Die zahlreichen ungeklärten Fragen liefern eine perfekte Vorlage für weitere Bände in Alessas und Courages Welt, auf die ich schon sehr gespannt bin!

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Veröffentlicht am 25.08.2022

Süße Geschichte mit Downton Abbey Feeling

Wer wird denn gleich an Liebe denken
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Dieses Buch ist definitiv keine Mogelpackung. Was – wenn man dem Cover Glauben schenken darf – nach einer wahnsinnig süßen Geschichte mit Downton Abbey Feeling aussieht, ist tatsächlich auch eine wahnsinnig ...

Dieses Buch ist definitiv keine Mogelpackung. Was – wenn man dem Cover Glauben schenken darf – nach einer wahnsinnig süßen Geschichte mit Downton Abbey Feeling aussieht, ist tatsächlich auch eine wahnsinnig süße Geschichte mit Downton Abbey Feeling. „Wer wird denn gleich an Liebe denken“ ist vielleicht nichts Weltbewegendes, aber es hält, was es verspricht und das macht es schlichtweg zu einem guten Buch.

Vorneweg ein großes Kompliment an Nina Mays Schreibstil! Gerade für ein schriftstellerisches Debüt ist das, was wir hier zu lesen bekommen, wirklich bemerkenswert! Flüssig, humorvoll und vor allem sehr gefestigt und stilsicher. Was will man mehr? Wüsste ich es nicht besser, wäre ich glatt davon ausgegangen, dass es sich um eine routinierte Autorin handelt, die schon unzählige Bücher dieses Genres veröffentlicht hat und weiß, wie der Hase läuft. Über was ich mich jedoch besonders freute, war die Verwendung von Witz und Humor: Immer an den richtigen Stellen, die Dosierung war perfekt, so dass jeder Gag sitzt und niemals zu gewollt wirkt und darüber hinaus spiegelte die sarkastische Erzählweise äußerst gelungen das Thema wider, welches ja selbst vor Ironie trieft. Das Gedankenspiel „Warum sich nicht das Patriarchat zu Nutze machen und sich einen reichen Göttergatten angeln, der einem das Leben in Glanz und Gloria finanziert?“ ist selbstverständlich nicht objektiv zu betrachten und dank des Humors und der zahlreichen Klischees wird selbst für die in der allerhintersten Reihe deutlich, dass hier absolut nichts ernst zu nehmen ist.

Darüber hinaus hat Nina May wirklich ein Händchen dafür, schrullig liebenswerte Figuren zu erschaffen, die man einfach gern haben muss. Von Colin über die beiden Trelawneys bis hin zu Trix selbst sind alle Charaktere überaus liebevoll ausgearbeitet, sodass sie einem allesamt schnell ans Herz wachsen, wenn man mal von der alten Schachtel absieht. Diese vorbildliche Charakterarbeit hat zur Folge, dass man wirklich investiert in das Leben der Figuren und die Gesamtsituation auf Chatham Place ist.

Doch auch die Handlung selbst hat mich von Anfang an gepackt. Vom ursprünglichen Heiratsschwindler-Plan entwickelt sie sich sehr schnell in eine wirklich spannende Richtung, über die ich jetzt aber bewusst nicht zu viele Worte verlieren möchte. Zwar waren manche Aspekte zu Weilen ziemlich vorhersehbar, aber in Anbetracht des Genres kann das absolut toleriert werden und aus der Hand legen konnte und wollte ich das Buch auch nicht. Von der Vorhersehbarkeit einmal abgesehen, ist der Spannungsbogen und der Aufbau des Buches von vorne bis hinten geglückt und auch der Höhepunkt lässt wirklich nichts zu wünschen übrig. Den zentralen Konflikt rund um Chatham Place fand ich kreativ gewählt und ich hatte zudem den Eindruck, dass er äußerst gut recherchiert war, auch wenn Denkmalschutz zugegebenermaßen nicht zu meinem persönlichen Fachgebiet gehört.

Dementsprechend war ich auch ein großer Fan vom Setting. Die Kulisse von Chatham Place wird garantiert das Herz eines jeden Downton Abbey Fans höher schlagen lassen und ist auch generell wunderschön ausgearbeitet. Jedes Potenzial, das sich in diesem Bereich bietet, wird voll ausgeschöpft, sodass man nicht nur eine genaue Vorstellung vom Schloss selbst hat, sondern sich ebenfalls vom Garten und dem Pub in der Nähe ein detailliertes Bild machen kann. Folglich entsteht eine Szenerie, die ebenso urig ist wie die Figuren, was ein wunderbares Gesamtbild ergibt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Wer wird denn gleich an Liebe denken“ ein absolutes Vorzeigeexemplar seines Genres ist, welches sein Wort hält und somit Entertainment pur ist. Ich freue mich immer wahnsinnig, gute Unterhaltungsliteratur zu finden und dieses Buch hier ist die Definition zweifellos die Definition davon. Daher gibt es von mir eine ausdrückliche Leseempfehlung und ich bin sehr gespannt, was wir zukünftig noch von Nina May zu lesen bekommen werden!

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Veröffentlicht am 14.08.2022

Unterhaltung auf unterstem Niveau

Mit dir hatte ich nicht gerechnet
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Um ehrlich zu sein, ich hatte keine allzu hohen Erwartungen an „Mit dir hatte ich nicht gerechnet“. Ich rechnete nicht mit origineller Raffinesse, sondern mit kurzweiliger Unterhaltung. Etwas anderes als ...

Um ehrlich zu sein, ich hatte keine allzu hohen Erwartungen an „Mit dir hatte ich nicht gerechnet“. Ich rechnete nicht mit origineller Raffinesse, sondern mit kurzweiliger Unterhaltung. Etwas anderes als das will dieses Buch auch gar nicht sein und das ist völlig in Ordnung. Dennoch wurden mir hier einmal mehr die Unterschiede zwischen guter und schlechter Unterhaltung aufgezeigt.

Prinzipiell hätte es was werden können. Hollywood Schnulzen kommen meistens gut, wir leben doch alle für dieses Drama. Auch das Konzept von der toughen, vom Leben gebeutelten Protagonistin und dem auf den ersten Blick oberflächlich erscheinenden Typen, der ihr Herz aus durchwachsenen Motiven erobern will, ist zwar nichts neues, funktioniert jedoch immer wieder prima.
Was ging also bei der Umsetzung schief? Zuerst einmal ließ die Figurengestaltung doch sehr zu wünschen übrig. Obwohl Fiona mit etlichen Attributen ausgestattet ist, die teilweise mit ihrer schweren Vergangenheit zu tun haben, bleibt ihr Charakter flach und man ist nicht in der Lage, eine wirkliche Bindung zu ihr herzustellen. Wie auch, wenn die Leserschaft nur Vages über sie erfährt? Klar, irgendwo ist dieser Nebel um die Ereignisse damals am Set auch geplant und berechtigt. Aber dieses ungeschickte Zurückhalten entscheidender Informationen macht die Geschichte nicht spannender, sondern lässt lediglich Fionas Handlungsweisen irrational und unreif erscheinen.
Sam ist mindestens genauso unreif, wenn nicht noch mehr. Ist das das Los von Teeniestars? Immerwährende Pubertät? Abgesehen davon habe ich keine wirkliche Meinung zu ihm. Abgehoben, oberflächlich – natürlich ist er wahnsinnig heiß, natürlich hat er ein schiefes Lächeln, natürlich liegt ihm die Frauenwelt zu Füßen. Man kennt’s.
Durch diese schlampige Charakterarbeit, hat es die Lovestory natürlich alles andere als leicht und Schmetterlinge haben leider keine Chance. Entsprechend den beiden Figuren war auch ihre Beziehung zueinander wahnsinnig unreif: Ein ständiges hin und her gepaart mit Kommunikationsproblemen lässt außer einem gelegentlichen Stirnrunzeln oder Augenrollen nur wenig Emotion, geschweige denn Knistern zu.
Tatsächlich würde ich jedoch über all die oben genannten Punkte großzügig hinwegsehen, wenn da nicht der Schreibstil wäre. Bei aller Liebe, ich traue es mich fast nicht schreiben, aber ich habe selten etwas so grottiges gelesen.
Die Tendenz zu unnötig langen Bandwurmsätzen ist definitiv vorhanden und hat mich auch definitiv gestört. Katie Cotugno, du bist kein Cicero und wirst auch keiner werden, also mach ab und an nen Punkt.
Darüber hinaus habe ich den Eindruck, die Autorin versucht ihren sonst doch recht unspektakulären, beinahe plumpen Erzählstil durch eine unverhältnismäßig große Menge an Metaphern und Vergleichen aufzupeppen. Bildhafte Sprache schön und gut, aber ein Waschbrettbauch, auf dem man Grasflecken einer Jeans rausbekommt? Bitte? Das kann doch niemand ernst meinen.

Aber genug gemotzt, es gibt auch Positives zu vermerken: Dieses Buch ist so dermaßen schlecht, dass es irgendwo auch wieder sehr unterhaltsam wird, ähnlich wie bei Trash-TV. Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass das, was wir hier zu Lesen bekamen, äußerst schlechte Unterhaltung ist, aber es ist nichtsdestotrotz Unterhaltung.
Und absoluter Geheimtipp: Dieses Buch vorzulesen ist Entertainment auf einem ganz neuen Level. Sorgt garantiert für viele Lästereinen und Gegacker xD

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Veröffentlicht am 12.08.2022

Liebeserklärung an Musik und Film

If we were a movie
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Kitschig, chaotisch und klischeehaft. Diese Worte kamen mir als erstes in den Sinn, als ich über „If we were a movie“ von Kelly Oram nachdachte. Was sich kritisch anhören mag, meine ich jedoch in jeder ...

Kitschig, chaotisch und klischeehaft. Diese Worte kamen mir als erstes in den Sinn, als ich über „If we were a movie“ von Kelly Oram nachdachte. Was sich kritisch anhören mag, meine ich jedoch in jeder Hinsicht positiv. Zugegeben, einige Stellen waren gewagt und riskant. So manches Mal hätte es mit dem gesamten Roman gewaltig den Bach runter gehen können. Aber das tat es nicht. Kelly Oram ging aufs Ganze und das mit vollem Erfolg. Was war es also, das sie so goldrichtig gemacht hat?

Nun, zum einen hat sie mit Nate einen absolut gelungenen Protagonisten geschaffen. Er hat Fehler. Er lässt sich von seinen Mitmenschen völlig bereitwillig herumschubsen. Er kann partout nicht für sich selbst einstehen. Und er macht Fehler. Besonders zu Anfang des Buches wollte ich Nate wirklich oft schütteln und war nicht selten genervt von ihm. Doch so genervt ich auch war, mir war bewusst, wie viel Potenzial diese Ausgangssituation birgt. Und hallelujah, dieses Potenzial wurde voll ausgeschöpft und wir werden Zeugen einer 1A Charakterentwicklung! Nate arbeitet die ganze Geschichte über an sich und entwickelt sich zusehends weiter. Er stellt einen Protagonisten dar, mit dem sich sicherlich viele junge Menschen identifizieren können. Die Frage, was man nun eigentlich anfangen will mit seinem Leben, ob es sich lohnt für Träume zu kämpfen oder ob man nicht lieber die sichere Sesshaftigkeit dem Kopf in den Wolken vorziehen sollte, ist allgegenwärtig. Auf Nates Suche nach einem selbstbestimmten Leben liegen Steinen in Form von ungesunden Beziehungen und Manipulation auf seinem Weg, er erfährt aber auch gleichzeitig wahre Loyalität, Freundschaft und Liebe.
Die Liebe. Ein weiterer Punkt, der wunderbar funktioniert hat. Doch nachdem die Charakterarbeit so gewissenhaft erledigt wurde, dass sich alles weitere wie von allein entwickelt, ist das nicht weiter überraschend. Nichts wirkt zu gewollt oder gar erzwungen, die Chemie ergibt sich völlig mühelos. Von der Beziehung, die sich hier entwickelt hat, war ich wirklich ein großer Fan. Endlich mal zwei Personen, die auf anständige, erwachsene Weise miteinander umgehen und sich nicht in toxischen Verhaltensweisen verstricken.
Kommen wir zu dem Aspekt, der das Buch leicht und ohne weiteres hätte ruinieren können: Die schiere Fülle an Drama. Gerade die zweite Hälfte ist dermaßen vollgestopft damit, dass jeder, der jetzt verunsichert zurückzuckt, mein vollstes Verständnis hat. Es passiert schlichtweg so viel, dass man sich schon fragt, ob Kelly Oram eine Checkliste mit sämtlichen klischeehaften Szenarios neben sich liegen hatte und hinter jeden einzelnen der Punkte begeistert ein Häkchen setzen konnte. Dennoch war es eben dieses Drama, was „If we were a movie“ für mich von einem anfangs durchschnittlichen Buch zu einem gemacht hat, welches mir definitiv in Erinnerung bleiben wird. Durch das Setting und die zahlreichen Filmreferenzen schloss sich mit diesem hollywoodreifen Trara der Kreis und „If we were a movie“ wird zu einer absolut gelungenen Hommage an alle Romcoms dieser Welt.

Dieses Buch versucht nichts zu sein, was es nicht ist, und das habe ich sehr zu schätzen gewusst. Es ist stolz auf sich und sein Genre und denkt nicht im Traum daran, sich zu verstellen. Kelly Oram hat hocherhobenen Hauptes ein heillos überladenes Meisterwerkt geschaffen, das an Unterhaltungswert nicht mehr zu überbieten ist. Ein absolutes Muss für alle Fans von Schnulzen und guter Unterhaltung, denn wenn „If we were a movie“ keine gute Unterhaltung ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

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