Profilbild von sternenschubser

sternenschubser

aktives Lesejury-Mitglied
offline

sternenschubser ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sternenschubser über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2025

Eine wilde Geschichte über die Liebe - unbedingt für jedermann und -frau

Women
2

Der Inhalt
Die Autorin zieht in eine Großstadt und verliebt sich in eine andere Frau. Diese Liebe erscheint ihr einzigartig, weil sie sich selbst bisher nicht als lesbisch empfunden oder geoutet hat und ...

Der Inhalt
Die Autorin zieht in eine Großstadt und verliebt sich in eine andere Frau. Diese Liebe erscheint ihr einzigartig, weil sie sich selbst bisher nicht als lesbisch empfunden oder geoutet hat und sie bisher kein Mensch so sehr in den Bann gezogen hat. Die beiden Frauen sind besessen voneinander, aber Finn ist in einer Beziehung mit einer anderen Frau. Sie will und wird sich nicht für die Autorin trennen. Die Autorin erlebt ihre erste lesbische Beziehung als Geliebte und durchlebt extreme Höhen und Tiefen dabei. Wir folgen ihr durch all die Metarmorphosen der Liebe, bis hin zur Trennung und einer intensiven Auseinandersetzung aller gelebten Gefühle.

Meine Meinung
Chloé Caldwell lebt in New York und arbeitet dort als Autorin. Sie schreibt für die New York Times. Ihr Schreibstil ist leicht in der Art der Formulierungen und dem Storyplot, aber tiefgreifend in der Wortwahl und auch dem Umgang der Personen miteinander. Das Lesen wird zu einem Empfinden. Ich bin nicht Voyeur, sondern fühle mit den Protagonisten und möchte mein Handy vor Wut auf die Straße schmeissen, wenn Finn nicht zu der Autorin in die Bar kommt.

Bereits im Vorwort und in allen Hinweisen zu dem Buch findet sich der Grundsatz, dieses sei der Schlüssel, ja die Bibel für alle lesbischen Menschen.
Ich selbst bin nicht lesbisch, aber ich bin eine Feministin und tolerant. Mir hat der Roman aus vielerlei Gründen sehr gut gefallen. Ich war sehr neugierig, was genau dahinter stecken soll und warum dieses Buch eine Ideoligie und eine grundlegende Literarur für Menschen sein soll, die lesbisch sind oder noch nicht genau wissen, was sie sind. Ich kann diesen Grundsatz sehr gut verstehen. Ich sehe die Geschichte jedoch als tragische Liebesgeschichte. Hierbei ist es zunächst nicht relevant, dass es sich um zwei Frauen handelt. Es wird jedoch im Umgang miteinander sehr relevant. Aus den Gedanken und Handlungen der beiden Liebenden sprechen Klarheit und Offenheit in Bezug auf alle relevanten Aspekte einer Beziehung. Es ist von Anfang an klar, dass Finn eine Beziehung hat und diese Partnerin nicht verlassen wird. Wir lernen diese Partnerin aus Lesersicht nicht kennen, denn sie spielt nur eine Randfigur in der Geschichte. Es geht im Wesentlichen nur darum, dass sie existiert. Es spielt keine Rolle wie sie aussieht oder ist. Das hat mir sehr gut gefallen. Diese Freundin ist so zart in die Geschichte eingepflochten, wie sie relevant ist.

Finn und alle lesbischen Frauen innerhalb des Romans, u.a. in Beschreibungen zu Parties auf denen nur Lesben anwesend sind, erscheinen mir sehr klischeehaft. Zwar sticht das zauberhafte der Olivenhaut von Finn heraus und ich bin tatsächlich schnell im Bann von dieser Schönheit, aber das sehr maskuline der Lesben hat mich eher überrascht. Das mag an dem Erscheinungsjahr des Romans liegen und ggf. hat die Szene auch so einmal angefangen. Ich sehe jedoch in meinem Umfeld lesbische Paare, bei denen die Frauen äußerlich sehr feminin sind. Aus dem Grund empfinde ich die Beschreibungen teilweise als eher stereotypisch.

Die Unterhaltungen von Finn und ihrer Geliebten haben mich in jedem Fall hingerissen. Es wird mit so viel Intelligenz, Humor und Empathie miteinander kommuniziert, dass ich mich gleich in beide Frauen verliebe. Auf beiden Seiten herrscht eine Art Besessenheit der jeweils anderen Frau vor. Sie lieben sich und manches Mal hassen sie sich. Sie gehen aufeinander ein und finden die Triggerpunkte der jeweils anderen, um diese brutal zu nutzen und sie zu verletzen. Der Roman ist eine dramatische Liebesgeschichte.

Frau lernt Frau kennen. Beide verlieben sich ineinander. Finn hat eine Beziehung mit einer Frau. Die Autorin ist sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Klaren darüber, dass sie lesbisch ist. Sie hatte zuvor Beziehungen mit Männern. Mit Finn erlebt sie die erste lesbische Beziehung. Sie nähern sich einander an und reden über lesbische Beziehungen. Finn lässt sich auf eine Geliebte ein und führt die Autorin in die sexuellen Praktiken, aber auch die emotionale Tiefe einer lesbischen Beziehung ein. Die Treffen im "Aquarium", wie sie die Wohnung der Autorin nennen, werden zum Rückzugsort und später dem einsamen Rückzugsort der Autorin. Die emotionale Tiefe der Beziehung und der empathische Umgang beider Protagonistinnen miteinander bringt mir ein großes Verständnis für Beziehungen zwischen Frauen. Ich liebe es, wenn sie sich über Bücher und das Lesen unterhalten. Wie feinsinnig Finn bemerkt: "Ich find's süß, wenn Leute sich über Sonne freuen(...)", als die Autorin den Vorhang beiseite zieht, um das Wetter anzuschauen und die Sonne scheint (S.33). Mir gefallen die tragischen Emotionen, wie auf Seite 53: Ich bin mega angepisst und werfe mein Handy zwei Mal mit voller Wucht gegen die Wand, dann auf die Straße, wo es von einem Auto überfahren wird. - Die Autorin ist sauer auf Finn, weil diese sich nicht mit ihr in der Bar um die Ecke treffen will. Im Anschluss ist das Handy defekt und die Autorin kann nur noch Textnachrichten mit zwei Wörtern lesen. Wie zärtlich ist es, als Finn im Anschluss nur noch Nachrichten mit zwei Wörtern schreibt bzw. nach zwei Wörtern in die nächste Zeile wechselt. Ich kann mir kaum einen Mann vorstellen, der so viel Weitsicht mitbringt und so viel emotionale Wärme, dass er dieses berücksichtigen würde. Das ist eine typische Fürsorglichkeit von Frauen. Das ist so wahnsinnig zauberhaft.

Zusätzlich bekommen wir einen Einblick in die Beziehung der Autorin zu ihrer Mutter. Auch dieses hat mich sehr gerührt. Sie erzählt ihrer Mutter von Finn und diese versucht zarltlich mehr zu erfahren. Sie ist für ihre Tochter da und nimmt tolerant alle Informationen auf. Eine Mutter, wie sich jeder Mensch eine wünscht. Mir gefällt die gemeinsame Bindung und das Füreinander Da sein.

Aufgrund des poetischen Schriftstils habe ich unzählige Lieblingsstellen und Zitate in dem Buch. Hier sind meine liebsten drei:
1. Du bist sexy, wusstest du das nicht?, fragt sie. Nein, du, antworte ich. (Seite 57)
Ich liebe den Austausch zwischen den beiden. Das kann natürlich auch eine Konversation mit einem männlichen Partner sein, aber ich kann mir dabei kaum diese direkte Klarheit vorstellen. Das hat mich umgehauen.
2. Wenn du dich in jemand anders verliebst, sagst du's mir?, fragt sie. (...) Damit ich mich für dich freuen und für mich traurig sein kann, sagt sie, und wir lachen ein bisschen. Dann murmelt sie: Ich will nicht, dass du dich in jemand anders verliebst. (S.59)
Und plötzlich bin ich einfach nur noch verliebt. Verliebt in diese Konversation. Verliebt in die beiden Verliebten. Dankbar für diese beiden Seelen.
3. Er hält die Hände parallel zueinander, als würde er beten, aber mit zwei Fingerbreit Platz dazwischen. So sieht gesunde Intimität aus, sagt er. Aber viele Meschen wissen das nicht. Er bewegt eine Hand auf die andere zu, sodass beide Hände nach links kippen. Dann wieder nach rechts. Wie eine Wippe. Er erklärt, das sei, was Finn un dich tun. Wenn eine von uns zu viel Nähe will, bekommt die andere Angst und zieht sich zurück, dann wieder umgekehrt. (Seite 119)
Da wird mir so einiges klar. Tiefgreifende Erläuterungen. Einfach auf das eigenen Leben übertragbar. Ich liebe es.

Fazit
Ich wollte dieses Buch von Chloé Caldwell so unbedingt lesen. Das Buchcover ist so zauberhaft und die Farbwahl hätte mich in der Buchhandlung in jedem Fall zum Kauf bewogen. Auch wenn ich bei dieser Leserunde nicht dabei gewesen wäre, hätte ich mir das Buch gekauft und gelesen.

Die Kommunikation und die emotionale Auseinandersetzung der beiden Frauen miteinander sowohl in der Liebe, als auch in den Phasen des Hasses, ist lesenswert. Es wird miteinander kommuniziert. Auf beiden Seiten gibt es Verständnis für die Gefühle des jeweils anderen Partners. Es ist aufschlussreich und interessant. Es ist tief und emotionsgeladen. Der Erzählstil ist offen und klar, verständlich und fliessend. Der Roman lässt sich einfach und mit Genuss lesen. Ich konnte kaum aufhören zu lesen.

Ich werde durch diesen Roman nicht lesbisch werden. Ich bin jedoch dankbar für die Erfahrung dieses wundervollen Romans und die schönen Schilderungen der Beziehung.
Es wird nicht zu einem neuen Lieblingsbuch von mir und ich werde es auch nicht verschenken, aber ich habe es sehr gerne gelesen und genossen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 12.04.2025

Ein Sachbuch mit Romancharakter - ein einfühlsamer Reminder nicht allein zu sein mit Herzschmerz

Heartsick
0

Der Inhalt
Claire findet in Maggie eine Partnerin für das Leben. Sie heiraten und wandern in das Geburtsland von Claire. Maggie entfremdet sich von Claire. Claire versinkt in Ihrer Depression und findet ...

Der Inhalt
Claire findet in Maggie eine Partnerin für das Leben. Sie heiraten und wandern in das Geburtsland von Claire. Maggie entfremdet sich von Claire. Claire versinkt in Ihrer Depression und findet keinen Halt mehr in Maggie.
Ana ist glücklich verheiratet und hat Familie. Das ideale Glück wird durchkreuzt, als sie sich in ihren langjährigen besten Freund Rob verliebt und die beide eine Affäre beginnen. Ana muss sich entscheiden, ob sie ein neues aufregendes Leben startet oder bei ihrer Familie bleibt.
Patrick ist zum ersten Mal verliebt. Caitlin ist mehr als er sich erträumt hat. Sie wachsen zusammen, ziehen zusammen und wollen heiraten. Bis Caitlin sich selbst finden will und aus der gemeinsamen Beziehung ausbricht.

Neben den drei persönlichen Einzelerlebnissen werden sachlich und poetisch Zusammenhänge vom Verliebtsein, Herzschmerz und dem Weg damit umzugehen dargestellt.

Meine Meinung
Jessie Stephens ist Autorin und Podcasterin. Bei "Heartsick" handelt es sich um ihren Debütroman. Auf Grundlage von drei wahren Geschichten, deren Hintergründe sie über Interviews und persönlichen Gesprächen gesammelt hat, erzählt sie von unterschiedlichen Formen des Herzschmerz. Abgerundet wird das Ganze durch eine persönliche Einleitung und Geschichte und eine abschließende sachliche Zusammenfassung u.a. chemischer Prozesse und Zitaten zu dem Thema.

Der Schreibstil von Jessie Stephens hat mir sehr gut gefallen. Entgegen ihrer eigenen Meinung, sie habe die Geschichten der drei Personen sachlich erzählen wollen, ist der Erzählstil sehr emotional und einfühlsam. Zu jedem Zeitpunkt innerhalb der einzelnen Geschichten fühlte ich mich den Protagonisten sehr nahe. Dazu war es nicht notwendig, dass ich alles nachempfinden kann, sondern ich habe gemeinsam mit ihnen ihre Emotionen und Geschichten erleben dürfen. Das ist mir sehr nahe gegangen.

Im Vorwort und der Einführung landen wir direkt im Leben der Autorin und der eigenen Geschichte, die zu dem Buch führte. Zudem führt sie in die Grundstruktur des Buches ein. Sie erklärt, wie die Geschichten entstanden sind und das sie alle auf wahren Begebenheiten basieren, inklusive ihres eigenen Herzschmerz.

Im Anschluss tauchen wir direkt in die Geschichten der drei Protagonisten ein. Mit jedem Kapitel lernen wir die drei näher kennen und tauchen ein in die Liebesgeschichte, die am Ende immer traurig endet. Claire, die versucht sich selbst zu finden und dann auf Maggie trifft. Sie findet Maggie zunächst unangenehm und die Situation eines erzwungenen Dates. Doch die beiden Frauen finden dann schnell zueinander, ziehen zusammen und schmieden gemeinsam Pläne. Claire fühlt sich geborgen und beschützt bei Maggie. Claires beste Freundin warnt sie vor Maggie, doch allen Warnungen zum Trotz werden sie ein Paar. Sie ziehen zusammen und heiraten. Alles scheint perfekt zu passen. Dann entschließen sie sich nach Australien auszuwandern - dem Heimatland von Claire. Maggie findet sich dort schnell in einem neuen Leben mit Beruf und neuen Freundschaften zurecht. Claire verfällt in eine Depression und traut sich kaum noch aus dem Haus. Sie erhofft sich Halt von Maggie und Unterstützung. Sie erntet nur Spott und grauenhaften Verrat. Neben dem Thema Depression spielt hier auch Mobbing für mich mit. Die Art, wie Maggie Claire hintergeht und sie in einer für sie unterträglichen Einsamkeit und Hilflosigkeit zurück lässt, hat mich sehr berührt. Das Vorführen der eigenen Partnerin vor anderen Menschen und sich damit emotional über diese stellen zu wollen, trifft auf Unverständnis bei mir. Claire kann sich erst lösen, als sie erkennt, was Maggie grauenvolles getan hat und das sie ihre Frau nur für einen Daueraufenthalt im neuen Land brauchte. Der Liebeskummer lässt Claire in ein noch tieferes Loch fallen und sich selbst verachtungswürdig behandeln. Bis sie erkennt, dass sie selbst etwas ändern muss und sie sich nur selbst retten kann.

Patrick ist ein Informatikstudent, der noch nie in seinem Leben eine feste Freundin hatte. Nach eigener Aussage hatte er nie das Bedürfnis nach einer Partnerschaft und hat scheinbar Frauen als nicht interessant empfunden. Er lebte in seiner WG-Welt und war zufrieden damit. Dann trifft er im Zuge einer Gruppenarbeit auf Caitlin. Das erste Mal in seinem Leben bekommt er eine Frau nicht aus seinen Gedanken. Er verliebt sich Hals über Kopf und kann es gar nicht richtig fassen, als Caitlin sich von ihrem Freund trennt und mit ihm zusammen sein will. Im Zuge der Beziehung durchleben die beiden gemeinsame Kindheitstraumata. Caitlin, die durch ihren Vater mindestens emotional misshandelt wurde und Patrick, in dessen Familie nicht wirklich kommuniziert wurde. Diese beiden traumatisierten jungen Menschen versuchen sich gegenseitig zu heilen oder zu halten, aber das geht schief. Sie wirft ihm immer öfter vor, wie ihr Vater zu sein und er beginnt an sich zu zweifeln und sie als Egoistin zu empfinden. Während Patrick relativ selbstreflektiert auf die einzelnen Streitthemen reagiert und Kritik von Caitlin annimmt, erscheint sie stur und eigensinnig. Sie projeziert Ängste und Frust auf Patrick, ändert für sich allerdings nichts und sieht bei sich keine Fehler. Nachdem die beiden sich verlobt haben, eskaliert ein Streit und Caitlin entschließt sich eine Auszeit zu nehmen. Nach der Auszeit erklärt sie ihm, sie habe wieder zu sich gefunden und trennt sich. Für Patrick bricht eine Welt zusammen. Der Herzschmerz der ersten großen Liebe.
Seine Freunde fangen ihn auf, aber er will nichts von Trost wissen. Er vergräbt sich hinter einer Fassade von Trauer, Frust und Selbstmitleid. Als Caitlin einen neuen Freund hat, kann er den Neuen nicht hassen, weil er ihn als Mensch mag. Für mich war das der erste Schritt und wieder eine bewundernswerte Seite an dem jungen Erwachsenen, wie reif seine Gedanken und Emotionen schon sind. Der neue Mann kann schließlich nichts dafür, dass die vorherige Beziehung in die Brüche ging. Patrick bewältigt seinen Herzschmerz u.a. mit einer anderen Frau, die er jedoch nicht liebt. Er sagt ihr das jedoch direkt und weiß, er wird Caitlin nie vergessen, aber es wird weiter gehen.

Ana ist glücklich verheiratet und hat zwei Kinder und einen Hund. Sie lebt als Hausfrau und Mutter in einem Haus und organisiert das Leben ihres Mannes und der Kinder. Alles erscheint harmonisch und perfekt. Auf einer Party, die sie mit ihrem Mann und ihrem besten Freund besucht, empfindet sie plötzlich mehr für ihren Freund. Ihre Gefühle verwirren sie und sie distanziert sich zunächst davon, denn auch ihr Freund ist verheiratet. Während eines Besuches kommen die beiden sich näher und merken, dass sie das gleiche füreinander empfinden. Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Während Ana ihrem Ehemann gegenüber emotional abstumpft, kann Rob - ihr bester Freund - es nicht mehr ertragen mit seiner Frau zusammen zu sein. Er trennt sich und will ganz mit Ana zusammen sein. Ana ist überfordert mit der neuen Möglichkeit und erbittet sich ein Jahr, um sich klar zu werden, was sie will. Ein Jahr, um sich von den Kindern und ihrem Ehemann zu lösen. In diesem Jahr erlischt ihre Leidenschaft zu Rob nicht, aber er wird fordernder und kann die Situation nicht ertragen. Am Ende entscheidet sich Ana für ihre Familie und hofft auf eine Fortführung der Liebschaft. Rob beendet die Affäre und verliebt sich in eine neue Frau. Ana bricht emotional zusammen. Sie suhlt sich in Selbstmitleid und vergleicht sich mit der neuen Partnerin von Rob. Sie versucht sich von ihren Gefühlen zu lösen, indem sie ihm unterstellt, seine Gefühle seien wahrscheinlich nie echt gewesen. Am Ende sieht sie ein, dass sie sich nie wirklich für ihn entschieden hat und er distanziert sich komplett von ihr und bricht den Kontakt ab. Ana findet zurück in ihr eigenes Leben und verliebt sich neu in den eigenen Mann.

Fazit
Ein grandioses Debüt von Jessie Stephens. Ich hoffe, wir dürfen bald viel mehr von ihr lesen und sie kann dieses Level mit dem nächsten Buch halten. Was auch immer auf Heartsick folgt, ich werde es mir kaufen und geniessen. Es war eine emotionale Reise durch die unterschiedlichen Arten von Liebe, Trennungen und was danach kommt. Ich habe mich wieder gefunden in den Schmerzen und dem Aufbegehren. Einiges war altbekannter Schmerz oder nur eine Erinnerung, aber in jedem Fall bleibt das Ende offen und warm - ich bin nicht allein mit meinem Schmerz. Er wird nie enden, aber er verändert sich und es geht weiter.
Der Klappentext hat mich noch vor der ersten Seite gefangen und im Nachgang geht er dann etwas tiefer: Es kommt nicht oft vor, dass man schon weiß, wie schön ein Moment ist, während er noch geschieht. Glück ist etwas, das man häufig erst im Rückblick erkennt.

Dieses Buch gelesen zu haben, das war mir ein sehr großes Glück und Fest.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 09.02.2025

Ein authentischer zeitnaher Roman mit Tendenz zur Biographie

Die Eigensinnige
0

Der Inhalt
Marie hat das Glück in eine wohlhabende Familie geboren zu sein,unterliegt damit jedoch auch den Konventionen ihrer Zeit. Von ihr wird erwartet, sich damenhaft zu benehmen und sich nicht in ...

Der Inhalt
Marie hat das Glück in eine wohlhabende Familie geboren zu sein,unterliegt damit jedoch auch den Konventionen ihrer Zeit. Von ihr wird erwartet, sich damenhaft zu benehmen und sich nicht in Politik oder gesellschaftliche Themen einzumischen.

Entgegen der Konventionen möchte Marie etwas bewegen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen.Sie begehrt gegen ihren Vater und die Gesellschaft auf, indem sie heimlich Dramen schreibt. Sie reitet wild und ungestüm durch die Landschaft des väterlichen Gutes. Sie kümmert sich um die armen Dorfbewohner, wie ihre verstorbene Mutter es getan haben soll.

Sie findet in ihrem Cousin Moritz einen Unterstützer, Freund, Kritiker und später Ehemann. Die beiden durchleben eine Ehe mit Höhen und Tiefen, um sich zu verlieren und am Ende wieder zu finden. Die Liebe versetzt in ihrer Geschichte Berge, so dass der Knoten platzt und beide ihre Erfüllung finden, gemeinsam und jeder für sich.

Meine Meinung
Lucca Müller schreibt Drehbücher und war als Journalistin tätig. "Die Eigensinnige" ist ihr zweiter Roman und behandelt wie auch schon ihr erster die Geschichte einer emanzipierten Frau, die ihrer Zeitvoraus war.
"Die Eigensinnige" betrachtet das Leben der Marie von Ebner-Eschenbach.
Bisher habe ich noch keinen Roman von Lucca Müller gelesen. Anhand der Erzählart lässt sich unschwer erkennen, dass die Autorin inzwischen Drehbuchautorin ist. Die einzelnen Szenen im Roman spiegeln es wieder.

Mit dem Prolog landen wir zunächst in der Gegenwart des Romans und erleben eine kurze Szene im Zuge einer der ersten Aufführungen ihres Theaterstückes. Es ist sehr aufregend, auch im negativen Sinn. Mit aufgewühlten Gefühlen fällt man mitten ins Geschehen und springt dann in die Vergangenheit zu der jungen, unverheirateten Frau. Ein wilder Ritt und sehr gut gelungen, denn sofort kann ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und muss wissen, warum es dazu kam und wie. Ich mag derartige Zeitsprünge innerhalb von Romanen sehr, weil sie mich aufmerksam werden lassen, den Spannungsbogen ziehen und erst wieder ein wenig los lassen, wenn ich bei der Geschichte angekommen bin.
Mit einem richitgen Ritt geht es dann in der Vergangenheit von Marie weiter. Sie als junge Frau auf der Sommerresidenz dem Schloss in Zdislawitz. Einem Ort, an dem sie sich ihrer verstorbenen Mutter sehr nahe fühlt und in dessen Dorf sie scheinbar unbewusst die Gütigkeit der eigenen Mutter weiter trägt. Sie reitet ins Dorf, bringt den Dorfbewohnern Lebensmittel und Arzneien und kümmert sich rührend um jeden, als seien Sie ein Teil der Familie. Einzig aus einem Haus empfängt sie Missgunst und diese kleine Geschichte mit dem Hund, der sich bei jedem Besuch über die Maßen freut, wenn Marie erscheint, zeigt die ersten Risse der Unterschiede zwischen den Reichen und Armen dieses Jahrhunderts auf. Dennoch geht Marie unvoreingenommen auf jeden zu und schert sich zunächst nicht um Konventionen.
Ihr kleines Versteck mit den Büchern und der Genuss der Einsamkeit und alleine zu lesen, nimmt sie sofort für mich als Leserin ein.

Es folgen die Ansprüche an eine Frau dieser Zeit. Es geht um den "Brautball", an dem die Frauen unter die Haube gebracht werden sollen. Zunächst sträubt sich Marie ein wenig, indem sie weiterhin ausreiten will, aber letztendlich ordnet sie sich unter und lernt die Etikette von ihrer Maman, um auf dem Ball einen guten Eindruck zu hinterlassen. Sie verliebt sich zum ersten Mal, bzw. entdeckt die Liebe zu ihrem Cousin Moritz. Moritz ist ihr treuester Freund und Unterstützer, wenn es ums Schreiben und das Verstehen der Welt geht. Er liest ihre Geschichten und korrigiert sie liebevoll. Erklärt ihr die historischen Zusammenhänge, die sie aufgrund der fehlenden Bildung durcheinander bringt und besorgt ihr Literatur, so dass sie sich das Wissen selbst aneignen kann. Es ist fast kein Wunder, dass Marie sich in diesen Mann verliebt.
Die kurze und einfühlsame Beschreibung des Thema "Inzest" hat mich berührt und habe ich als eine gute inhaltliche Ergänzung innerhalb der Geschichte gefunden. Es zeugt von Intelligenz und Reife, dass sowohl Marie, als auch Moritz sich darüber Gedanken machen, dass es nicht richtig sei als Cousine und Cousin eine Beziehung einzugehen. Letztendlich folgen sie ihren Herzen und gehen dann doch den gemeinsamen Weg und nutzen die Möglichkeiten ihrer Zeit.
Es bleibt offen - und das ist sicherlich der medizinischen Kenntnisse der Zeit geschuldet -, ob die Kinderlosigkeit und Maries einzige Fehlgeburt einen Zusammenhang mit den verwandschaftlichen Verhältnissen haben. Es ist aber auch ein spannendes und sehr aktuelles Thema, dass die Streitereien zwischen den Ehepartnern bzgl. der ausbleibenden Schwangerschaft aufzeigen. Der Wunsch nach einer Familie, aber auch die Angst und Zwänge, die diese Kinder mit sich bringen können. Es werden Themen zwischen Marie und Moritz, wie auch die Konventionen, die auch heute noch Frauen auferlegt werden, der Familie aufgezeigt. Ein Mann, der von der Frau Kinder erwartet und es für selbstverständlich erachtet, dass es an ihr liegen muss, wenn es nicht voran geht. Am Ende soll das Schreiben von Marie daran schuld sein, dass sie nicht schwanger wird. Der Vater, der bei jedem Zusammentreffen das Thema anschneidet, insbesondere wenn bei den Schwestern von Marie wieder Nachwuchs auf dem Weg ist. Maries eigene Ängste in Bezug auf eine Schwangerschaft, die durch den Tod von ihrer Schwester Sophie noch verstärkt werden. Letztendlich entscheidet Marie sich dann für eine damals verbreitete Art der Empfängnisverhütung und als Moritz es herausfindet, die beiden sind zu dem Zeitpunkt bereits viele Jahre verheiratet, führt auch das zu einem Bruch zwischen den Eheleuten.

All den Widrigkeiten ihrer Zeit zum Trotz, den Mahnungen der Maman sich wie eine Dame zu verhalten, den Wutausbrüchen ihres Vaters, der das Verhalten als unschicklich empfindet, schreibt Marie weiter. Ihre harte Arbeit wird belohnt und ihr erstes Stück aufgeführt, allerdings gehen alle davon aus, es sei von einem Mann geschrieben. Als sie sich zu ihrem Werk bekennt, wird es von den Kritikern zerrissen und während Moritz diesen Umstand sofort erkennt, wehrt Marie sich gedanklich davor, es solle an ihrem Geschlecht liegen. Dieses ist der Teil des Romans und der Marie, der mir nicht so gut gefallen hat. Mehr als einmal erkennt Moritz Zusammenhänge in Bezug auf die unterschiedliche Bewertung von Frauen und Männern, während Marie eher ungläubig darauf antwortet und fast schon blauäugig die Meinung ihres Mannes abtut. Diese naive Darstellung Maries erscheint für mich befremdlich, weil ich mir bei der ganzen Wildheit und dem Handeln gegen Konventionen mehr Intelligenz und Umsicht dieser Protagonistin erwartet hatte.

Nach der ersten Aufführung folgt die Premiere in Wien, an der sie selbst und ihre ganze Familie teilnehmen. Es wird ein Desaster, weil sie die Privilegierten aufs Korn nimmt und die nicht über sich selbst lachen können, sondern es als Angriff empfinden. Marie wird geächtet und zum ersten Mal in ihrem Leben wendet sich auch ihr Mann von ihr ab und verlangt schlussendlich, sie möge sich von dem Schreiben abwenden. Dieser Vertrauensverlust von ihrem Seelenpartner, entzieht Marie ihre Kraft und Kreativität. Sie fühlt sich alleine gelassen und von allen verstossen. Da kommt als unerwartete Wendung die kurze Liebschaft mit dem Schauspieler Lewinsky in ihr Leben. Plötzlich fühlt sie sich wieder geliebt und gesehen und mit den Frühlingsgefühlen kommt die Leidenschaft. Ihre Maman redet ihr diese Liebschaft aus und weiht sie in den eigenen Fehler der Jugend ein, der sie an die Seite von Maries Vater gebracht hat. Marie beendet die Liebschaft, bevor sie richtig begonnen hat und kann jedoch mit der gefühlten Schande nicht leben. Sie hadert mit sich und will ehrlich zu ihrem Mann sein. Die Offenbarung des Betrugs bringt die Eheleute wieder eng zueinander. Mir gefällt dieser Teil des Romans sehr, weil die beiden endlich wieder offen und ehrlich miteinander reden und sich Zusammenhänge und Probleme aufzeigen, die auf Seiten von Moritz da waren und zu lösen sind. Der Roman erzählt die Perspektive von Marie, so dass die Gefühle und Gedanken von Moritz lange im Dunkeln bleiben. Mit der Auflösung im dritten Teil verstehe ich Moritz wieder besser und die Liebe der beiden kann wieder leidenschaftlich aufblühen, weil auch Marie ihren Mann besser versteht.

Gemeinsam bewältigen sie den Tod und Verlust von Maries Vater, der für Moritz ebenfalls eine Vaterfigur war, und später den Tod ihrer Maman. Gemeinsam betrauern sie auch den Tod von Moritz Mutter, bevor Marie diese hingebungsvoll betreut hatte. In allen drei Todesfällen bekomme ich als Leserin die ein oder andere Lektion und ein aktuelles Thema unserer Neuzeit gespiegelt. Marie versöhnt sich emotional mit ihrem Vater und erkennt, dass sie viel von seiner Wildheit in sich hat. Was bei ihm als Wut und Jähzorn zum Vorschein kam, ist ihre beständige Wildheit und das Durchhalten beim Schreiben. Zu ihrer Maman erfährt sie eine intensivere emotionale Bindung, weil sie sie bis in den Tod pflegt. Herzzerreissend sind die Szenen, in denen Marie ihrer Stiefmutter Ton besorgt, damit diese töpfern kann, weil sie es als Mädchen so gerne getan hat. Das beschreibt zauberhaft die Beziehung zu einer heutigen älteren Generation, die mit Verboten groß wurde und Nähe schlecht zulassen kann. Hier standen bei mir die Taschentücher griffbereit. Sehr zu Herzen ging mir die Geschichte von Moritz seiner Mutter. Mit Demenz in einer Zeit zu leben, in der die Frauen so gut wie keine Rechte hatten und heute auch noch, die Krankheit überhaupt noch nicht klar umrissen werden kann, stelle ich mir grauenhaft vor. Allenfalls wird man als verrück erklärt und kann sich seinen Zustand selbst nicht erklären. Sehr liebevoll führt Lucca Müller in dieses Thema ein. Helene sehnt sich nach der Geborgenheit beim Bruder, Maries Vater. Niemand erkennt diese ersten Zeichen der Demenz und dann schreitet sie schleichend voran, bis Helene immer wieder davon läuft und sich nicht mehr richtig anziehen kann. Traurig, anrührend und so klar und hart. Grandios.

Fazit
Der Erzählstil von Lucca Müller gefällt mir sehr gut und ich kann verstehen, dass sie Drehbücher schreibt. Die Szenen laufen wie in einem Film vor meinem geistigen Auge ab. Die Geschichte wird flüssig erzählt und an genau den richtigen Stellen wird der Spannungsbogen angezogen und es entstehen neue Wendungen innerhalb der Geschichte, die mich nicht aufhören lassen zu lesen. Mir persönlich gefällt die Figur der Marie grundsätzlich schon, aber ich hätte sie mir noch ungestümer und manchmal scharfsinniger gewünscht. Sie erscheint sehr romantisch verträumt und in vielerlei Hinsicht naiv. Gegen ihren klarsichtigen Mann steht sie dabei häufig zurück. Das finde ich schade, zumal deren Beziehung als ebenbürtig und harmonisch beschrieben wird. Ich kann verstehen, dass aufgrund des Bildungsgrades von Frauen und Männern die gesellschaftlichen und politischen Kenntnisse variieren müssen, aber am Ende ist es ein Roman. Ich hatte mir einfach eine weitsichtigere Marie vorgestellt.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 23.11.2024

Schockierende Aufklärung mit positiven Zukunftchancen.

Was wir nicht kommen sahen
0

Worum geht es?
Ada ist eine junge Frau kurz vor dem Abitur und ambitionierte online Gamerin. Sie versucht virtuell Aufmerksamkeit zu gewinnen, bis sie in den Fokus eines männlichen Mobs gerät, der weibliche ...

Worum geht es?
Ada ist eine junge Frau kurz vor dem Abitur und ambitionierte online Gamerin. Sie versucht virtuell Aufmerksamkeit zu gewinnen, bis sie in den Fokus eines männlichen Mobs gerät, der weibliche Gamerinnen attackiert und dominant männliche Strukturen einfordert. Um sich zu wehren, postet sie anstatt ihres Gaming Contents ein feministisches heroisches Video. Aus dem anfänglichen positiven Feedback entwickelt sich ein Horrorszenario, dass sie in den Suizid treibt.
Neben Adas Retrospektive tauchen wir in die Welt ihrer Eltern ein, die mit dem Verlust umgehen müssen. Aus der Trauer wird schnell Wut, als sich über die virtuellen Kanäle und das Handy der verstorbenen das Ausmaß des Mobbing eröffnet, unter dem Ada leiden musste. Jenny, Adas Mutter, schildert ihre eigene Gedanken- und Gefühlswelt und den Versuch, ihren Mann Dominik zu verstehen und als Paar zusammen zu finden. Beide begeben sich in die virtuelle Welt, um einen Grund oder eine Schuldigen zu finden.

Meine Meinung:
Katharina Seck schreibt neben Fantasyromanen auch zeitgenössische Literatur, wie diesen Roman „Was wir nicht kommen sahen“. Auf ihrer Homepage bekommt man einen Eindruck über ihre Ambition zum Schreiben, nämlich ein wenig Gerechtigkeit in das Leben zu bringen. Dieser Roman ist einer von zwei Neuerscheinungen aus diesem Jahr und mein erstes Buch von Katharina Seck. Dieses Buch hat mir in vielerlei Hinsicht so gut gefallen, dass ich sehr interessiert daran bin, mich auch in ihr zweites Genre mit den Dunkeldorn Chroniken hinein zu lesen.
„Was wir nicht kommen sahen“ lässt uns eintauchen in die Welt von Ada. Eine junge Frau, die in der digitalen Welt, aber auch einer liebenden Familie mit ihren Eltern Jenny und Dominik zu Hause ist. Bereits in den ersten Kapiteln begleiten wir Ada in die kalte Nacht, aus der sie nicht wieder Heim kommt. Ab diesem Punkt fühlen wir mit Jenny die erdrückende Trauer und die alles begleitende Frage: warum. Jenny nimmt uns mit auf ihren schwierigen Wegen durch den Alltag, während ihr der Boden unter den Füssen weggerissen wurde. Diese Episoden der Gegenwart werden unterbrochen durch Retrospektiven von Ada, die uns Einblick in das Geschehen, das Mobbing und ihre Ängste gibt, die sie schlussendlich zum Suizid treiben.

Der Schreibstil dieses Romans hat mir sehr gut gefallen. Zwar ist das Thema und sind die Schilderungen in Bezug auf das Mobbing und die Täter sehr hart und schonungslos, aber die Wortwahl ist so gefühlsgewaltig, dass ich von Gänsehaut und Tränen durch jede menge Gefühlschaos mitgewandert bin. Auch wenn ich keine Kinder habe, wird der Schock und die Trostlosigkeit der Eltern Jenny und Dominik, durch ihr Handeln und die poetischen Beschreibungen ein Teil von mir und ich kann es nachempfinden.
Auch wenn Ada den Freitod wählt, finde ich sie sehr mutig in Bezug auf ihre Entscheidungen bzgl. der Konfrontation auf der virtuellen Ebene und der Bloßstellung der Täter und ihrer primitiven Einstellung gegenüber Frauen. Ihre Entscheidung und die darauf folgenden Ängste zeigen einfach, dass sie noch sehr jung ist und die Reaktionen auf ihr Video überhaupt nicht einschätzen konnte. Es wird sehr behutsam und liebevoll der Zwiespalt zwischen dem Gefühl erwachsen zu sein und noch immer unerfahren und voller kindlicher Erwartungen und Hoffnungen zu agieren dargestellt. Eine Phase, durch die jeder Mensch geht, bevor er oder sie sich als Erwachsener findet.
„Ich bin stark, sagt sie sich, seit die Welle sich angebahnt hat.
Ich bin stark, sagt sie sich, seit die Welle sie überrollt.
Aber so stark dann doch nicht.“ ADA, Seite 11
Ich denke, es ist ganz natürlich, dass sie als junge Erwachsene mit all ihren Gefühlen kämpft und meint, ihre Eltern beschützen zu müssen. Sie fühlt sich ja nicht alleine gelassen, sondern sie entscheidet sich bewusst dagegen, ihre Eltern einzubinden, um diese zu schützen. Eine plausible Reaktion für jemanden, der seine Eltern liebt und zuvor nicht so einem Hass und Bedrohungen ausgeliefert war.
„Und nun hat er einen Mantel über seinen Schmerz geworfen, nur ist er diesmal mit einer anderen Naht geflickt, nicht aus Abwehr, sondern aus dem Gefühl, nichts tun, nichts ändern zu können, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft.“ JENNY, Seite 171
Diese Ausführung ist eine poetische Visualisierung der Machtlosigkeit von Dominik, dem Vater. So schön geschrieben, dass es mir unter die Haut geht. Eine „geflickte Naht“ aufgrund des Schmerzes und nicht genäht, weil der Schmerz nicht gleichförmig und ideal ist wie eine Naht, sondern voller Kanten und Risse und nicht schön, wie ein Flicken. Ein Notzusammenhalt quasi.
„Tragödien verbinden, dachte sie, aber gemeinsam für etwas kämpfen eben auch. Sie schloss sich dem großen weichen Körper an, und das war gut , sie fühlte sich wie ein Teil eines Ameisenhaufens, ein wichtiger, relevanter Teil, auch wenn er winzig klein war.“ DIE ANONYMITÄT, Seite 362
Das war auch eine Besonderheit dieses Romanes, dass es Zwischenkapitel gab, in denen in der Anonymität Menschen ohne Gesicht aus dem Hintergrund für ein Kapitel in den Vordergrund treten. Ihre Sichtweise und ihr eigenes Leben schildern und ihre Beweggründe, die Dinge zu tun, die zu Folgen innerhalb Adas Leben führten. Eine spannende und neue Sichtweise innerhalb des laufenden Plots, der mich teilweise auch zum Nachdenken brachte und in Teilen Verständnis. Hätte man es genauso gemacht oder sich gegen die Welle gestellt?
Das vorgenannte Zitat ist mit sehr ans Herz gewachsen, weil es immer einen Sinn ergibt, seinen Idealen zu folgen und sich jeder, auch wenn man sich nur als Staubkorn in einem großen Ganzen bewegt, doch zu einer gewissen Dynamik treiben kann. Da wird jemand, der immer ausgeschlossen und einsam war, Teil eines großen und Ganzen und fühlt sich auf dem richtigen Weg.
Das Ende des Buches hat mir sehr gefallen, weil es eine positive Aufbruchstimmung mit sich bringt. Nicht nur der Aufruf, sich gegen Mobbing und Missbrauch zu stellen, sondern auch das Wissen, dass Jenny und Dominik eine Therapie machen und an sich als Paar festhalten. Der Suizid und die Geschichte um Ada ist sehr herzzerreißend, so dass es mir einen Funken Hoffnung lässt, dass zumindest ihre Eltern trotz der Trauer einen Weg finden können – gemeinsam.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 13.05.2024

Lebensroman mit ganz viel Herzenswärme

Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen
1

Worum es geht:
1974 - Die junge Erwachsene Pippa versucht sich in der eigenen Gegenwart zurecht zu finden und eine eigene Sicht und Meinung zum Leben und den Erwartungen an sich selbst und die Etikette ...

Worum es geht:
1974 - Die junge Erwachsene Pippa versucht sich in der eigenen Gegenwart zurecht zu finden und eine eigene Sicht und Meinung zum Leben und den Erwartungen an sich selbst und die Etikette der Gesellschaft, in die sie geboren wurde zu finden. Aus Langeweile rebelliert sie und findet auf diesem Weg ihre große Liebe - Oz. Oz ist ein Punk und lebt in der sozial untersten Schicht, die von Pippas Eltern verachtet wird. Er öffnet Tür und Tor für Zweifel an dem bisherigen Lebensstil von Pippa und sie muss erkennen, dass sie für sich und diese Liebe Risiken eingehen muss. Es stellt sich die Frage, ob diese Risiken den von ihr erhofften Erfolg versprechen...
Gegenwart - Gilly ist eine junge Erwachsene im heutigen London. Sie muss zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen, weil sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Da sie sich selbst nicht gefestigt fühlt und ihren Platz im Leben für sich noch nicht gefunden hat, zweifelt sie an sich, der eigenen Meinung und heroisiert ihre Schwester und Freundinnen. Jeder in ihrer Umgebung scheint genau zu wissen was er für sein Leben will, nur sie selbst nicht.
Mit der ersten eigenen Wohnung wird sie jedoch vor die unlösbare Aufgabe gestellt, für sich und andere einstehen zu müssen. Sie lernt die Hausgemeinschaft und damit sich selbst besser kennen und entdeckt ein Geheimnis, das es zu lösen gilt.

Meine Meinung:
"Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen" von Kathinka Engel ist der erste Roman der Autorin, den ich gelesen habe. Die deutsche Autorin und Lektorin lebt in Berlin, ist aber in London zu Hause. Diese Liebe zu London finde ich in den Beschreibungen der einzelnen Szenerien, Wegebeschreibungen und liebevollen Ortbeschreibungen innerhalb des Romanes wieder.
Die Autorin beschreibt alle Szenen, Räume und Orte so magisch und bildreich, dass ich mitten in der Szene stehe und mit angehaltenem Atem den Protagonisten durch die Straßen und ihre Gefühle folge.

Der Roman hat mich bereits mit seinen ersten Worten gepackt. Ich stolpere mit der liebevollen und engagierten Gilly durch ihr Leben in der Gegenwart. Verliebe mich gemeinsam mit ihr in Orte, Gebäude oder einfach Gemälde. Wir werden vertraut mit ihren Wohnnachbarn. Ich möchte sie manches Mal ein wenig schütteln, weil sie selbst nicht erkennt, wie großartig sie sich entwickelt und was sie alles für die Menschen in ihrer Umgebung tut und ist. Zum Glück findet sie jemanden, der es erkennt und vor allem ihr auch zeigt.

Pippa wird von der kleinen gelangweilten Göre zu einer ebenfalls engagierten und bewundernswerten jungen Erwachsenen. Sie erkennt ihren eigenen Wert und hinterfragt die Werte, die ihr anerzogen wurden. Manches Mal muss sie über ihren eigenen Schatten springen. Das macht sie ganz bravorös und charmant.

Während ich die beiden Protagonistinnen in den einzelnen Lebensumständen verfolge, die überhaupt nicht vergleichbar erscheinen, frage ich mich permanent, wie diese beiden Geschichten am Ende zu einer gemeinsamen verwoben werden sollen. Kathinka Engel schafft es auf eine zauberhafte Weise die Vergangenheit und Gegenwart zusammenzuführen. Das magische Band, das hier gewoben wird, führt zu einem sehr spannenden Ende mit Tränengarantie bei mir. Ich hätte es mir nicht denken können, aber es ist genau so, wie es sein muss.

Fazit:
Der süße Liebesroman, den mir der Klappentext mit meiner Erwartung brachte, wurde für mich zu einem Lebensroman. Zu zwei Frauenleben, die irgendwie miteinander verwoben werden und am Ende sind sie gar nicht so unterschiedlich. Im Hintergrund sehr aktuelle Themen der Emanzipation und Fragestellungen, was will ich eigentlich, wo will ich hin und muss ich hierfür irgendwelche gesellschaftliche Erwartungen erfüllen.

Diese Fragestellungen werden auf liebevolle, aber auch leidenschaftliche Weise in diesem Roman gestellt und für die einzelnen Protagonistinnen sehr unterschiedlich beantwortet.

Ich bin so begeistert von dem Roman, dass ich ihn unbedingt auch verschenken werde und danke der Autorin für dieses emotionale und kritische Buch. Es wird nicht mein Letztes von Kathinka Engel sein.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre