Eine wilde Geschichte über die Liebe - unbedingt für jedermann und -frau
WomenDer Inhalt
Die Autorin zieht in eine Großstadt und verliebt sich in eine andere Frau. Diese Liebe erscheint ihr einzigartig, weil sie sich selbst bisher nicht als lesbisch empfunden oder geoutet hat und ...
Der Inhalt
Die Autorin zieht in eine Großstadt und verliebt sich in eine andere Frau. Diese Liebe erscheint ihr einzigartig, weil sie sich selbst bisher nicht als lesbisch empfunden oder geoutet hat und sie bisher kein Mensch so sehr in den Bann gezogen hat. Die beiden Frauen sind besessen voneinander, aber Finn ist in einer Beziehung mit einer anderen Frau. Sie will und wird sich nicht für die Autorin trennen. Die Autorin erlebt ihre erste lesbische Beziehung als Geliebte und durchlebt extreme Höhen und Tiefen dabei. Wir folgen ihr durch all die Metarmorphosen der Liebe, bis hin zur Trennung und einer intensiven Auseinandersetzung aller gelebten Gefühle.
Meine Meinung
Chloé Caldwell lebt in New York und arbeitet dort als Autorin. Sie schreibt für die New York Times. Ihr Schreibstil ist leicht in der Art der Formulierungen und dem Storyplot, aber tiefgreifend in der Wortwahl und auch dem Umgang der Personen miteinander. Das Lesen wird zu einem Empfinden. Ich bin nicht Voyeur, sondern fühle mit den Protagonisten und möchte mein Handy vor Wut auf die Straße schmeissen, wenn Finn nicht zu der Autorin in die Bar kommt.
Bereits im Vorwort und in allen Hinweisen zu dem Buch findet sich der Grundsatz, dieses sei der Schlüssel, ja die Bibel für alle lesbischen Menschen.
Ich selbst bin nicht lesbisch, aber ich bin eine Feministin und tolerant. Mir hat der Roman aus vielerlei Gründen sehr gut gefallen. Ich war sehr neugierig, was genau dahinter stecken soll und warum dieses Buch eine Ideoligie und eine grundlegende Literarur für Menschen sein soll, die lesbisch sind oder noch nicht genau wissen, was sie sind. Ich kann diesen Grundsatz sehr gut verstehen. Ich sehe die Geschichte jedoch als tragische Liebesgeschichte. Hierbei ist es zunächst nicht relevant, dass es sich um zwei Frauen handelt. Es wird jedoch im Umgang miteinander sehr relevant. Aus den Gedanken und Handlungen der beiden Liebenden sprechen Klarheit und Offenheit in Bezug auf alle relevanten Aspekte einer Beziehung. Es ist von Anfang an klar, dass Finn eine Beziehung hat und diese Partnerin nicht verlassen wird. Wir lernen diese Partnerin aus Lesersicht nicht kennen, denn sie spielt nur eine Randfigur in der Geschichte. Es geht im Wesentlichen nur darum, dass sie existiert. Es spielt keine Rolle wie sie aussieht oder ist. Das hat mir sehr gut gefallen. Diese Freundin ist so zart in die Geschichte eingepflochten, wie sie relevant ist.
Finn und alle lesbischen Frauen innerhalb des Romans, u.a. in Beschreibungen zu Parties auf denen nur Lesben anwesend sind, erscheinen mir sehr klischeehaft. Zwar sticht das zauberhafte der Olivenhaut von Finn heraus und ich bin tatsächlich schnell im Bann von dieser Schönheit, aber das sehr maskuline der Lesben hat mich eher überrascht. Das mag an dem Erscheinungsjahr des Romans liegen und ggf. hat die Szene auch so einmal angefangen. Ich sehe jedoch in meinem Umfeld lesbische Paare, bei denen die Frauen äußerlich sehr feminin sind. Aus dem Grund empfinde ich die Beschreibungen teilweise als eher stereotypisch.
Die Unterhaltungen von Finn und ihrer Geliebten haben mich in jedem Fall hingerissen. Es wird mit so viel Intelligenz, Humor und Empathie miteinander kommuniziert, dass ich mich gleich in beide Frauen verliebe. Auf beiden Seiten herrscht eine Art Besessenheit der jeweils anderen Frau vor. Sie lieben sich und manches Mal hassen sie sich. Sie gehen aufeinander ein und finden die Triggerpunkte der jeweils anderen, um diese brutal zu nutzen und sie zu verletzen. Der Roman ist eine dramatische Liebesgeschichte.
Frau lernt Frau kennen. Beide verlieben sich ineinander. Finn hat eine Beziehung mit einer Frau. Die Autorin ist sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Klaren darüber, dass sie lesbisch ist. Sie hatte zuvor Beziehungen mit Männern. Mit Finn erlebt sie die erste lesbische Beziehung. Sie nähern sich einander an und reden über lesbische Beziehungen. Finn lässt sich auf eine Geliebte ein und führt die Autorin in die sexuellen Praktiken, aber auch die emotionale Tiefe einer lesbischen Beziehung ein. Die Treffen im "Aquarium", wie sie die Wohnung der Autorin nennen, werden zum Rückzugsort und später dem einsamen Rückzugsort der Autorin. Die emotionale Tiefe der Beziehung und der empathische Umgang beider Protagonistinnen miteinander bringt mir ein großes Verständnis für Beziehungen zwischen Frauen. Ich liebe es, wenn sie sich über Bücher und das Lesen unterhalten. Wie feinsinnig Finn bemerkt: "Ich find's süß, wenn Leute sich über Sonne freuen(...)", als die Autorin den Vorhang beiseite zieht, um das Wetter anzuschauen und die Sonne scheint (S.33). Mir gefallen die tragischen Emotionen, wie auf Seite 53: Ich bin mega angepisst und werfe mein Handy zwei Mal mit voller Wucht gegen die Wand, dann auf die Straße, wo es von einem Auto überfahren wird. - Die Autorin ist sauer auf Finn, weil diese sich nicht mit ihr in der Bar um die Ecke treffen will. Im Anschluss ist das Handy defekt und die Autorin kann nur noch Textnachrichten mit zwei Wörtern lesen. Wie zärtlich ist es, als Finn im Anschluss nur noch Nachrichten mit zwei Wörtern schreibt bzw. nach zwei Wörtern in die nächste Zeile wechselt. Ich kann mir kaum einen Mann vorstellen, der so viel Weitsicht mitbringt und so viel emotionale Wärme, dass er dieses berücksichtigen würde. Das ist eine typische Fürsorglichkeit von Frauen. Das ist so wahnsinnig zauberhaft.
Zusätzlich bekommen wir einen Einblick in die Beziehung der Autorin zu ihrer Mutter. Auch dieses hat mich sehr gerührt. Sie erzählt ihrer Mutter von Finn und diese versucht zarltlich mehr zu erfahren. Sie ist für ihre Tochter da und nimmt tolerant alle Informationen auf. Eine Mutter, wie sich jeder Mensch eine wünscht. Mir gefällt die gemeinsame Bindung und das Füreinander Da sein.
Aufgrund des poetischen Schriftstils habe ich unzählige Lieblingsstellen und Zitate in dem Buch. Hier sind meine liebsten drei:
1. Du bist sexy, wusstest du das nicht?, fragt sie. Nein, du, antworte ich. (Seite 57)
Ich liebe den Austausch zwischen den beiden. Das kann natürlich auch eine Konversation mit einem männlichen Partner sein, aber ich kann mir dabei kaum diese direkte Klarheit vorstellen. Das hat mich umgehauen.
2. Wenn du dich in jemand anders verliebst, sagst du's mir?, fragt sie. (...) Damit ich mich für dich freuen und für mich traurig sein kann, sagt sie, und wir lachen ein bisschen. Dann murmelt sie: Ich will nicht, dass du dich in jemand anders verliebst. (S.59)
Und plötzlich bin ich einfach nur noch verliebt. Verliebt in diese Konversation. Verliebt in die beiden Verliebten. Dankbar für diese beiden Seelen.
3. Er hält die Hände parallel zueinander, als würde er beten, aber mit zwei Fingerbreit Platz dazwischen. So sieht gesunde Intimität aus, sagt er. Aber viele Meschen wissen das nicht. Er bewegt eine Hand auf die andere zu, sodass beide Hände nach links kippen. Dann wieder nach rechts. Wie eine Wippe. Er erklärt, das sei, was Finn un dich tun. Wenn eine von uns zu viel Nähe will, bekommt die andere Angst und zieht sich zurück, dann wieder umgekehrt. (Seite 119)
Da wird mir so einiges klar. Tiefgreifende Erläuterungen. Einfach auf das eigenen Leben übertragbar. Ich liebe es.
Fazit
Ich wollte dieses Buch von Chloé Caldwell so unbedingt lesen. Das Buchcover ist so zauberhaft und die Farbwahl hätte mich in der Buchhandlung in jedem Fall zum Kauf bewogen. Auch wenn ich bei dieser Leserunde nicht dabei gewesen wäre, hätte ich mir das Buch gekauft und gelesen.
Die Kommunikation und die emotionale Auseinandersetzung der beiden Frauen miteinander sowohl in der Liebe, als auch in den Phasen des Hasses, ist lesenswert. Es wird miteinander kommuniziert. Auf beiden Seiten gibt es Verständnis für die Gefühle des jeweils anderen Partners. Es ist aufschlussreich und interessant. Es ist tief und emotionsgeladen. Der Erzählstil ist offen und klar, verständlich und fliessend. Der Roman lässt sich einfach und mit Genuss lesen. Ich konnte kaum aufhören zu lesen.
Ich werde durch diesen Roman nicht lesbisch werden. Ich bin jedoch dankbar für die Erfahrung dieses wundervollen Romans und die schönen Schilderungen der Beziehung.
Es wird nicht zu einem neuen Lieblingsbuch von mir und ich werde es auch nicht verschenken, aber ich habe es sehr gerne gelesen und genossen.