Solider Roman, dessen Figuren sich leider nicht richtig öffnen
Der LiliengartenLillys Großvater war ihr seit Kindheitstagen Licht und Glanz, ihr ein und alles. Da ist es nicht verwunderlich, dass sein Tod eine große Lücke reißt und Lilly glaubt, diesen Verlust nicht überwinden zu ...
Lillys Großvater war ihr seit Kindheitstagen Licht und Glanz, ihr ein und alles. Da ist es nicht verwunderlich, dass sein Tod eine große Lücke reißt und Lilly glaubt, diesen Verlust nicht überwinden zu können. Einzig das Erbe, ein Gutshaus in Ostholstein, kann sie ein wenig trösten. Ein Haus voller Erinnerungen, voller Andenken an den geliebten Menschen und dem Tagebuch ihrer Großmutter, das neben persönlichen Gedanken auf ein vergilbtes Foto und getrocknete Blüten enthält. Während Lilly eine Reise zurück in die Vergangenheit unternimmt, kommt sie einem Geheimnis auf die Spur, das nur mit der Sprache der Blumen entschlüsselt werden kann..
Jana Seidel habe ich als Autorin der Reihe „Gegen den Wind“ kennengelernt und ich muss sagen, dass sich ihr Schreibstil im Vergleich zur Buchreihe sehr verändert hat – er ist erwachsener, reifer und gefühlvoller geworden und das gefällt mir sehr gut.
Lilly wirkt wie eine exotische Blume unter all den Menschen, die ihr lieb und teuer sind. Auch wenn sie mit ihrem berühmten Großvater den Glanz und den Ruhm gewöhnt ist, so scheint sie mir eher wie eine Motte das Licht zu umschwirren, immer auf der Suche nach Anerkennung. Bei ihr wirkt es aber recht verkrampft...dabei habe ich das Gefühl, dass sie doch eigentlich eine schöne Kindheit mit viel Liebe und Anerkennung erfahren hat. Zwar nicht unbedingt im Überfluss von ihren Eltern, aber wie sie von ihrem Großvater erzählt - da geht mir das Herz auf und ich kann richtig die Liebe zu ihm spüren.
Auch Isabelles Liebe zu der Farben- & Blütenpracht in ihrem Garten wird sehr schön transportiert und es entstehen wundervoll komponierte Blütenbilder, die Jana Seidel hier ihren Lesern zugänglich macht.
Doch so schön die Grundidee der Geschichte ist, ich lese sie wirklich gerne und finde das Gutshaus und seinen Garten einfach traumhaft, hat die ganze Sache aber einen Haken -die Geheimniskrämerei um das Geheimnis macht den Roman ein wenig schleppend. Mir fehlt hier ein wenig die Spannung, die Aufregung, um vollends von der Geschichte und ihrer Entwicklung überzeugt zu sein. Es ist keine bestimmte Stelle oder kein Ausdruck, an dem ich das jetzt festmachen könnte. Es ist vielmehr das gesamte Bild, das hier vermittelt wird. Es wird aller eher getragen und "vorsichtig", anstatt mal etwas zu wagen oder mehr den Konflikt zu beleuchten, in dem sich die Figuren befinden.
Ich weiß zwar, dass etwas passiert sein muss, aber das Herbeisehnen der Antwort auf die Fragen nach dem Warum oder dem Was ist jetzt nicht unbedingt das, was hier unter den Nägeln brennt. Ich lese zwar von einem Geheimnis, aber die Lösung bzw. die Ergründung dessen bleibt eher nebulös und verläuft recht seicht. Mir fehlt dieses Gefühl, dass ich direkt in die Ereignisse aufgesaugt werde oder das "Jetzt oder nie"...wenn sie das jetzt nicht so oder so macht, dann wird sie nie dahinter kommen...
Das lässt die Figuren in wenig mechanisch wirken und bremst die ganze Wirkung des Romans richtig aus. Am Ende gibt es zwar die Auflösung, aber auch diese verpufft eher im seichten Morgennebel, als dass sie für großen Wirbel sorgt.
Alles in allem eine solide Geschichte um eine Familiengeheimnis, die ruhig ein bisschen mehr aus sich herausgehen könnte, damit die Akteure, wie die Blüten im Garten, aufblühen, sich öffnen und sich ihrer Rolle vollends hingeben können.