Cover-Bild Kindeswohl
Band der Reihe "detebe"
13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 24.08.2016
  • ISBN: 9783257243772
Ian McEwan

Kindeswohl

Werner Schmitz (Übersetzer)

Scheidungen, Sorgerecht, Fragen des Kindeswohls – das ist das Spezialgebiet der Richterin Fiona Maye. In ihrer eigenen, kinderlosen Ehe ist sie seit über dreißig Jahren glücklich. Bis zu dem Tag, als ihr Mann ihr einen schockierenden Vorschlag unterbreitet und ihr ein dringlicher Gerichtsfall vorgelegt wird, in dem es für einen 17-jährigen Jungen um Leben und Tod geht.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.05.2018

Ein hervorragender Roman um ein juristisches Urteil über Leben oder Tod.

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Fiona führt ein arbeitsreiches, aber zufriedenes Leben als oberste Familienrichterin, ihren Erfolg hat sie sich durch harte Arbeit und schwierige Präzedenzfälle erkämpft. Gerade als ihr Mann ihre Ehe in ...

Fiona führt ein arbeitsreiches, aber zufriedenes Leben als oberste Familienrichterin, ihren Erfolg hat sie sich durch harte Arbeit und schwierige Präzedenzfälle erkämpft. Gerade als ihr Mann ihre Ehe in Frage stellt, wird sie auch beruflich vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Der junge Adam Henry lehnt aus religiösen Gründen eine rettende Bluttransfusion ab. Seine Erziehung und der Einfluss seiner Eltern und religiöser Mitglieder der Zeugen Jehovas sorgen bei ihm für diese Entscheidung, die seinen Todesstoß bedeuten würde. Fiona hat nur einen Tag Zeit für ihr Urteil.


Bei diesem Roman wird mal wieder das einzigartige Schreibvermögen Ian McEwans sichtbar. Er führt uns in eine Welt voller gerichtlicher Fälle, in denen im Sinne des Kindeswohls entschieden werden muss. Fiona Maye führt uns bei ihrer Arbeit als Richterin in verschiedenste Fälle ein, es geht um Entscheidungen von Recht und Moral, bei denen man selbst ins Nachdenken kommen kann. Oberste Priorität hat stets das Wohl des betreffenden Kindes.



Im vorliegenden Fall des Adam Henry bekommt Fiona durch den persönlichen Kontakt, durch verbindende Hobbys wie Musizieren und Gedichte schreiben aufkommende Gefühle für den Jungen. Dennoch versucht sie ein unabhängiges Urteil zu fällen. Es ist gerade diese Diskrepanz zwischen rationaler beruflicher Entscheidungsfähigkeit und emotionaler Betroffenheit, die diesen Roman so spannend machen.

Dabei ist es beeindruckend, wie der Autor schwierige juristische Sachverhalte einbaut und dabei die rechtliche Standpunkte aus ethischer, religiöser und juristischer Sicht einfach und klar vorstellt oder begründet.



Es ist beeindruckend, wie feinfühlig Ian McEwan die Gedankengänge von Fiona schildert, man lernt auch die Zukunftswünsche der jungen Fiona kennen. Als fast 60 jährige Frau liebt sie das Musizieren von Klassik und fühlt sich in der Literatur zu Hause, sie ist eine interessante und hochintelligente Person.

Ihre Arbeit wird in Form einiger beispielhafter Gerichtsfälle vorgestellt, diese haben mich sehr interessiert und ich bin von Fionas Urteilen eingenommen, denn sie erscheinen voller professioneller Genauigkeit und zudem mit einem angenehm menschlichen Wohlwollen. Der berufliche Druck ist groß, das Urteil zu Adam lässt keine langen Entscheidungen zu und dabei steht sie privat unter dem Druck, ihre Ehe vor dem Verfall zu bewahren.

Doch Fiona ist trotz der innerlich ausgeübten Kämpfe eine glaubwürdige Figur. Sie ist die Mittlerin zwischen sozialem Gewissen und gesellschaftlicher Verantwortung und setzt sich für das Wohl von Kindern ein. Mit Adam hat sie einen besonderen Fall zu entscheiden, ihm kommt sie durch die gemeinsamen Interessen Musik und Gedichte gedanklich sehr nahe.


Dieses Buch regt zum Fachsimpeln an, es gibt Denkanstösse nicht nur in Sachen Rechtsprechung, sondern auch in Beziehungsfragen und verpassten Chancen im Leben.



Ein beeindruckender Roman über Schuld, Moral und Ethik, der den Leser über seine eigenen Wertevorstellungen nachdenken lässt.


Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn der Glaube bricht....

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Der junge Adam Henry leidet an Leukämie und nur eine Bluttransfusion kann sein Leben retten. Doch er und seine Eltern sind Mitglieder der Zeugen Jehova und diese verbieten die Gabe einer Transfusion. ...

Der junge Adam Henry leidet an Leukämie und nur eine Bluttransfusion kann sein Leben retten. Doch er und seine Eltern sind Mitglieder der Zeugen Jehova und diese verbieten die Gabe einer Transfusion.



Die Entscheidung über Adams Leben verfügt nun Fiona, die kinderlose Richterin, die sich zeitgleich in einer unglücklichen Ehe befindet und ihr Mann ihr mit dem Ende dieser droht.



Ein beeindruckender Roman über das wesentliche im Leben und die Liebe zweier Menschen zueinander!

Veröffentlicht am 03.12.2018

Kindeswohl

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Bei einer Seitenzahl von 224 denkt man sich, man wäre schnell durch die Geschichte, die uns Ian McEwan hier erzählt. Doch schon sein Roman "Abbitte" hat mich eines anderen belehrt und ist noch heute in ...

Bei einer Seitenzahl von 224 denkt man sich, man wäre schnell durch die Geschichte, die uns Ian McEwan hier erzählt. Doch schon sein Roman "Abbitte" hat mich eines anderen belehrt und ist noch heute in meinem Kopf allgegenwärtig.
Mit "Kindeswohl" hat mir der Autor wiederum ein sehr intensives Leseerlebnis hinterlassen.
Familienrecht ist das Spezialgebiet unserer Protagonistin Fiona Maye. Sie ist erfolgreich im Job und ist seit 30 Jahren glücklich verheiratet - denkt sie. Doch eines Tages erbittet ihr Mann Jack ihren Segen für eine außereheliche Affäre. Fiona fällt aus allen Wolken und denkt gar nicht daran den Wunsch ihres Mannes zu erfüllen. Kurz darauf bekommt sie es mit einem eher außergewöhnlichen Fall zu tun. Die Familie eines 17jährigen leukämiekranken Jungen verweigert aus religiösen Gründen die lebensrettende Bluttransfusion. Adam Henry, der Sterbenskranke selbst, lehnt diese, ebenso wie seine Eltern ab. Er kennt die Einstellung seiner Familie und Glaubensgemeinschaft seit seiner Kindheit und ist damit aufgewachsen. Fiona beschließt daraufhin den jungen Mann im Krankenhaus zu besuchen, um sich ein Bild von ihm zu machen. Sie weiß, dass sie im Sinne des Kindeswohl entscheiden muss, denn jeder Patient hat ein Selbstbestimmungsrecht. Adam ist jedoch noch minderjährig, steht aber kurz vor seinem 18. Geburtstag. Als sie ihn kennenlernt ist Fiona ist beeindruckt von diesem sensiblen Jungen, der berührende Gedichte schreibst, musiziert und doch so fest an seiner Meinung festhält. Sie findet eine besondere Verbindung zu Adam und er auch zu ihr. Und doch lädt Fiona eine schwere Schuld auf sich....

Ian McEwan zeigt in seinem Roman auf, wie schwer es für einen einzelnen Menschen ist, ein so weitreichendes Urteil zu fällen, welches über Leben und Tod entscheidet. Aber nicht nur darüber, sondern auch über Schuld, Moral oder Ethik. Fiona, die selbst in privaten Schwierigkeiten steckt, widmet sich diesen Fall sehr intensiv. Sie versucht ihre persönlichen Probleme damit zu kompensieren und handelt nicht mit der von ihr geforderten beruflichen Distanz, die sie sonst auszeichnet. McEwan stellt ihre Fähigkeiten in Form einiger Beispiele vor: Sei es die streng katholische Familie, deren Glaube es nicht zulässt Siamesische Zwillinge zu trennen oder der musllimische Vater, der sein Kind in sein Heimatland bringen möchte. Fiona entscheidet juristisch zu 99% richtig. Doch bei Adam steht die emotionale Betroffenheit im Vordergrund und die geforderte berufliche Distanz fällt.

Die justischen Feinheiten erklärt der Autor so, dass es auch ich verstanden habe ;) Er beleuchtet wirklich alle Seiten sachlich und begründet diese auch aus ethischer, religiöser und juristischer Sicht. Die inneren Kämpfe, die Fiona mit sich selbst ausmachen muss, werden sehr feinfühlig, realistisch und emotional dargestellt. Gleichzeitig regt der Roman zum Nachdenken an und wirft viele Fragen auf, die man sich beim lesen (und auch danach) selbst immer wieder stellt.

Die Problematik rund um die Ehe von Fiona und Jack war mir allerdings zu wenig tiefgehend und hätte auch weggelassen werden können.

Der Schreibstil ist eher anspruchsvoll, aber lässt sich flüssig lesen. Die Charaktere sind stimmig, wobei mir Jack etwas zu blass blieb.
Musik spielt ebenfalls eine große Rolle im Roman, genauso wie Schuld, Moral und Ethik


Fazit:
Ein Roman, der zum Nachdenken anregt und bei dem man sich selbst immer wieder fragt, wie man gehandelt hätte. Es geht um Schuld, Moral, Ethik, aber auch um Treue, Familie und die verlorene Liebe. Mein nächster Roman des Autors liegt schon bereit....