Cover-Bild Nulluhrzug
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18,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Aufbau
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 142
  • Ersterscheinung: 10.03.2020
  • ISBN: 9783351037857
Juri Buida

Nulluhrzug

Roman
Ganna-Maria Braungardt (Übersetzer)

Eine große Parabel über die zerstörerische Kraft der Diktatur

Die Siedlung Nummer 9 ist ein kleines Glied in der endlosen Kette des Gulag-Systems. Ihre Einwohner haben nur eine Aufgabe: Sie müssen täglich um null Uhr einen rätselhaften Zug passieren lassen. Niemand weiß, wohin er fährt, und was er in seinen plombierten Güterwagen befördert. Die Leute leben ihren Alltag, trotz Hunden und Stacheldraht. So verdreht die schöne, verheiratete Jüdin Esphira allen Männern den Kopf. Auch Don Domino, der als Letzter in der Siedlung zurückbleibt, ist ihr verfallen. "Nulluhrzug" ist ein gewaltiger Roman über die Gewalt von Diktaturen - bewegend und unvergesslich.

„Wie in Buidas "Nulluhrzug" der Einzelne zum Verlorenen im Mechanismus eines Systems wird, das er nicht durchschauen kann, erinnert an Kafka und an Platonow.“ Julia Franck

„Ein auf brutale Weise kraftvolles Buch, das von Beckett stammen könnte, aber durchwoben ist von einer grotesken, surrealen Poesie.“ Time Out

„Erschütternd, brillant und sehr bewegend." The Observer

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.07.2020

Der Nullulhrzug

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Die Einwohner von Siedlung 9, einem Gulag, haben nur eine Aufgabe – der Nulluhrzug muss pünktlich und ohne Probleme durchfahren können, sprich, sie sind den ganzen Tag auf den Beinen um die Schienen zu ...

Die Einwohner von Siedlung 9, einem Gulag, haben nur eine Aufgabe – der Nulluhrzug muss pünktlich und ohne Probleme durchfahren können, sprich, sie sind den ganzen Tag auf den Beinen um die Schienen zu warten, die Lichter und elektrische Geräte. Während sich viele Bewohner fragen was der Zug eigentlich transportiert, wohin er fährt, was wird dort gemacht ist es Iwan Ardabjew egal. Er sorgt dafür dass alles reibungslos funktioniert und hinterfragt nichts. Und er mag auch nicht dass die Mitbewohner den Nulluhrzug beginnen zu hinterfragen…

1993 erschien dieser Roman unter dem Namen „Don Domino“, dies bezog sich auf den Iwan Ardabjew. Nun ist das Buch erneut erschienen als Parabel und hat mich ganz schön ins Grübeln gebracht.

Ich glaube nicht dass dies ein Buch für jedermann ist. Es ist vom Schreibstil schlicht, einfach und fast gefühlslos und doch macht dies genau das aus was man liest, was man empfindet, was einen überlegen lässt. Ich bin fasziniert wie der Autor es geschafft hat dies in seinen Schreibstil so einzupacken.

Der Nulluhrzug. Er soll pünktlich durchfahren und keiner darf überhaupt nur nachdenken warum, wieso, weshalb. Der Nulluhrzug steht für viele Dinge die in der Geschichte von Ländern, von Völkern, vorgekommen ist, was uns verändert, wie gefährlich manche Ansichten oder der blinde Gehorsam ist.

Der Zug kann alles transportieren, von geschichtlichen Dingen gesehen bis zu technischen Dingen, Züge werden für viele Dinge eingesetzt, schon immer. Früher waren sie die Erfindung die einen schneller von A nach B brachte. Sie waren starke Maschinen die laufen mussten, die verehrt wurden, die begeisterten. Und die eben viel transportieren.

Die Beschreibung des Gulags ist sehr gelungen, es ist grau, dreckig, düster, ungemütlich, kein Ort an dem man leben möchte, an dem man seine Familie aufziehen will. Und darum hinterfragen viele diesen Ort, den Zug, das Handeln ihrerseits. Und während es immer mehr kritische Stimmen werden, so bleibt Iwan ruhig, besonnen und möchte es gar nicht hinterfragen…denn wer weiß was er erfahren würde…würde es sein Leben positiv oder negativ verändern? Die Konsequenzen von Hinterfragen und Neugier werden auch hier aufgezeigt.

Iwan steht für viele in einem System, meist nicht im positiven Sinne. Ich denke es ist kein Verbrechen neugierig zu sein, es ist kein Verbrechen etwas zu hinterfragen, nachzudenken, mitzudenken und im Notfall zu handeln. Wenn es mehr machen ist ja bewiesen dass man auch viel verändern und umstürzen kann.

Das Nachwort von Julia Franck erklärt dem Leser nochmals ein bisschen was gemeint sein könnte, was dieser Zug alles darstellt, womöglich für jeden Leser etwas anderes. Und das macht dieses Buch, in meinen Augen, auch so interessant, wichtig und in seinem Konzept brillant.

Ob es jedem gefallen wird bleibt dahingestellt. Mich hat es auf jeden Fall zum nachdenken angeregt.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Juri Buida - Nulluhrzug

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Die Siedlung Nummer 9 wird aufgebaut, irgendwo im weiten Sowjetgebiet, um den Nulluhrzug zu sichern. Täglich um Mitternacht kommt er vorbei, von den Siedlern beäugt fahren zwei Lokomotiven und hundert ...

Die Siedlung Nummer 9 wird aufgebaut, irgendwo im weiten Sowjetgebiet, um den Nulluhrzug zu sichern. Täglich um Mitternacht kommt er vorbei, von den Siedlern beäugt fahren zwei Lokomotiven und hundert verrammelte Waggons durch ihre Station, die aus wenigen Häusern, einem Sägewerk, einer Bierstube und den notwendigen Instandhaltungen für die Gleise besteht. Wohin er fährt und was er transportiert, ist nicht bekannt. Das müssen die Menschen dort auch nicht wissen, sie haben eine spezifische Aufgabe zu erfüllen, für die mehr Information nicht erforderlich ist. Unter ihnen ist Iwan, genannt Wanja oder Don Domino, nach dem frühen Tod der Eltern aufgewachsen in den Institutionen des totalitären Staates und pflichtbewusster Diener, der keine Fragen stellt, die er nicht stellen soll und bis zum letzten Tag das tut, was man von ihm erwartet.

Juri Buidas kurzer Roman erschien in Russland schon vor fast 30 Jahren, kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion. Auch wenn diese schon der Geschichtsschreibung übergeben wurde, prägt sie doch den Charakter der Figuren und des Systems, in dem sie leben. Die Handlung ist begrenzte und überschaubar, ihre Deutung jedoch recht offen und wie das Nachwort von Julia Franck zeigt, weit über das konkret Erzählte hinausreichend. Sie spannt den Bogen vom Beginn zum Ende des 20. Jahrhunderts und sieht sowohl die industrielle Revolution wie auch die Industrie 4.0 in der Erzählung kritisch hinterfragt.

Auf der Erzählebene verbleibend präsentiert Buida ein deprimierendes Szenario, das den Menschen ihre Vergangenheit raubt und keine Zukunft verspricht. Die Kinder sterben entweder direkt oder hauen irgendwann ab. Der Mensch wird funktional als kleines Rädchen im System betrachtet, das entweder wie vorgesehen rundläuft oder ausgetauscht wird und ansonsten nicht weiter relevant ist.

Folgt man Julia Franck in der Betrachtung des Textes als Parabel auf die totalitäre Gesellschaft und überträgt man die Aussage auf die globalisierte Gegenwart, in der das Individuum kaum einen Prozess mehr überblicken kann, nur sein begrenztes Tätigkeitsfeld erfassen und bearbeiten kann, die komplexen Prozesse jedoch nicht mehr zugänglich sind, ist Buida auch 2020 so aktuell wie 1993. Im Raum steht jedoch die Frage, ob man ebenso wie in einem sozialistischen Unterdrückungsstaat die Gegebenheiten als gegeben und unveränderbar hinnehmen muss.

Eine düstere und sperrige Erzählung, die weit von Unterhaltungsliteratur entfernt ist, aber aufgrund des kafkaesken und doch realen Szenarios seinen Platz in der Literatur verdient hat und finden wird.

Veröffentlicht am 06.05.2020

Zerfall

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Mitten im russischen Nirgendwo liegt Bahnstation Neun. Früher einmal eine produktive Stätte, es gab viele Arbeiter, die in Sägewerk und in der Fabrik für Schwellenimprägnierung malochten und in den Baracken ...

Mitten im russischen Nirgendwo liegt Bahnstation Neun. Früher einmal eine produktive Stätte, es gab viele Arbeiter, die in Sägewerk und in der Fabrik für Schwellenimprägnierung malochten und in den Baracken hausten. Und natürlich den Nulluhrzug, hundert Wagons lang, der jede Nacht pünktlich um Mitternacht durch die Station saust. Ursprung: unbekannt, Ziel ebenso. Und doch bestimmt der Zug das Leben, sogar noch als alle Arbeiter nach und nach abgezogen und nur noch einige wenige Bewohner zurückbleiben.
Buidas Parabel ist in ihrer Kürze doch sehr intensiv und erschütternd. Die Monotonie und Einsamkeit des Tuns der Siedler stimmt genauso nachdenklich wie die in einem Nebensatz ausgelebte Grausamkeit des Systems. Wer etwas hinterfragt, Sinn und Zweck des Zuges etwa, verschwindet über kurz oder lang. Überhaupt ist der Zug der Inbegriff der Sinnlosigkeit, niemand weiß wozu er fährt, warum er Lebensinhalt aller sein soll. Als Leser bleibt man genauso ahnungslos wie die Protagonisten, die deprimierende Grundstimmung kommt ebenso nahtlos rüber. Ich konnte mich sprachlich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, war aber trotzdem davon an die Seiten gebunden, eben auch, weil man wenigstens einen kleinen Silberstreif am Horizont erhofft. Im historischen Kontext (tolles Nachwort) bekommt „Nulluhrzug“ noch einmal etwas mehr Tiefe, die mir sonst vielleicht entgangen wäre. Keine einfache Kost, aber in ihrer Kürze umso aussagekräftiger.
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Veröffentlicht am 10.03.2020

Rätselhaft, aber intensiv

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Zur Zeit beschäftigt mich die zeitgenössische russische Literatur sehr, zum Beispiel Sasha Filipenko oder der leider schon verstorbene Leonid Zypkin. Juri Buida und sein Buch Nulluhrzug von 1993 gehört ...

Zur Zeit beschäftigt mich die zeitgenössische russische Literatur sehr, zum Beispiel Sasha Filipenko oder der leider schon verstorbene Leonid Zypkin. Juri Buida und sein Buch Nulluhrzug von 1993 gehört auch dazu. Er verfügt über eine starke Sprache, die zu bemerkenswerten Sätzen führen.
Der Roman ist seitenweise kurz, jedoch sehr intensiv. Die Handlung bleibt aber teilweise rätselhaft, auf jeden Fall den Leser fordernd. Das Nachwort von Julia Franck (Die Mittagsfrau) gibt einen aber einen Schlüssel an die Hand. Ich denke, es ist ein Buch, das man mehr als einmal lesen muss.

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