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Veröffentlicht am 27.05.2025

Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ist Geheimnis und jeder Augenblick ein Geschenk. – Ina Deter

Zypressensommer
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Die 28-jährige Hamburger Goldschmiedin Julia Matthiesen möchte das Vermächtnis ihres verstorbenen italienischen Großvaters Gianni Conti erkunden und reist dafür erstmals in das toskanische Dorf Lucignano ...

Die 28-jährige Hamburger Goldschmiedin Julia Matthiesen möchte das Vermächtnis ihres verstorbenen italienischen Großvaters Gianni Conti erkunden und reist dafür erstmals in das toskanische Dorf Lucignano in der Nähe von Siena. Gianni hat Zeit seines Lebens nie über seine Heimat und seine Familie gesprochen, nun möchte Julia anhand einer ihr hinterlassenen Liste Fragen beantwortet haben und mehr über ihre Familiengeschichte herausfinden, die auch ihrer Mutter Anna bisher unbekannt ist. Die zufällige Begegnung mit dem charmanten Matteo Conti sowie dessen Familie birgt nicht nur eine Namensgleichheit mit ihrem Nonno Gianni, Matteo unterstützt Julia auch bei ihren Nachforschungen und öffnet ihr so manche Tür, um die Geheimnisse Giannis nach und nach ans Tageslicht zu bringen. Dabei spielen die Verbrechen der Nazis ebenso eine große Rolle wie die italienische Resistanza, denen so viele Menschen zum Opfer fielen und bis heute in einen Mantel des Schweigens gehüllt werden...
Teresa Simon alias Brigitte Riebe hat mit „Zypressensommer“ einen wunderbar tiefgründigen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur die historisch verbriefte Vergangenheit der 1940er Jahre lebendig vor Augen führt, sondern ihn durch eine verzweigte Familiengeschichte auch an Geheimnissen teilhaben lässt, die bisher viel zu wenig an die Oberfläche gelangten. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil macht es dem Leser sehr leicht, in die Handlung einzutauchen, wo er sich durch wechselnde Zeitebenen mal an der Seite von Julia in der Gegenwart des Jahres 1998, mal an der Seite von Gianni und Giulia in der Vergangenheit wiederfindet und sie bei ihren Erlebnissen begleitet. Julia, die kaum etwas über ihre italienischen Vorfahren weiß, möchte dies anhand der kryptischen Liste ihres Großvaters ändern. Schon bald stapft der Leser neben ihr durch den malerischen Ort Lucignano auf der Suche nach Entschlüsselung. Als sie auf Matteo Conti trifft, ist sie unbewusst nicht nur der Familie ihres Großvaters schon sehr nahe, sondern mittendrin in einem familiären Krimi, der sowohl durch den Zweiten Weltkrieg als auch durch politische oder persönliche Entscheidungen sowie Missverständnisse verursacht wurde. Das Schicksal von Großvater Gianni und dessen Bruder Vito verlief in unterschiedlichen Bahnen, der eine kommt in Kriegsgefangenschaft nach Deutschland, der andere verschreibt sich der Resistenza – diese Umstände sowie die Liebe zu Giulia entzweit die Brüder bis zu deren Tod. Während der Leser die toskanische Sonne und die italienische Lebensfreude mit Julia genießen möchte, sind es vor allem die schrecklichen Lebensumstände der Kriegsgefangenen bzw. der italienischen Bevölkerung unter der Naziherrschaft, die die Kälte über die Haut bis ins Herz kriechen lassen. Während die Autorin den Leser mit zauberhaften Landschaftsbeschreibungen den nächsten Urlaub herbeisehnen lässt, sind es gerade die sehr akribisch recherchierten historischen Gegebenheiten, die ihn durch eine Achterbahn der Gefühle jagen und atemlos die spannende Handlung verfolgen lassen.
Die Charaktere sind wundervoll lebendig ausgestaltet und nehmen den Leser sofort für sich ein, der ihnen bei ihren Lebensweg regelrecht hinterherjagt. Julia ist eine liebenswerte, offene und starke Frau, die sich den Dingen stellt und die Veränderungen in ihrem Leben annimmt. Gianni ist ein ehrlicher Mann, der sich um andere kümmert und Verantwortung übernimmt, während sein Bruder Vito ein Hitzkopf ist, der nur an sich denkt. Giulia beweist Mut und Stärke, indem sie im Verborgenen für ihre Heimat kämpft und gleichzeitig allen Unterstützung gewährt. Marieke ist eine kluge, aber auch integre Frau, die hart anpacken kann, sich aber auch ihr Lebensglück sichern will. Matteo erweckt im ersten Moment den Eindruck eines Frauenhelds, doch dahinter steckt ein lebenslustiger, verantwortungsbewusster Mann, der seine Familie beschützt und hart arbeitet.
„Zypressensommer“ vereint neben einer dramatischen, geheimnisvollen Familiengeschichte eine ausgezeichnete historische Recherche, starke Protagonistinnen, Zusammenhalt, Romantik, Liebe und italienische Lebensfreude. Absolute Leseempfehlung für eine Geschichte, die die Seiten nur so durch die Finger des Lesers fliegen lässt!!!

Veröffentlicht am 05.05.2025

Von einer, die auszog, die Welt für sich zu erobern

Das Licht in den Wellen
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Inge Martensen steht kurz vor ihrem hundertjährigen Geburtstag, den die Familie und Freunde groß auf Föhr feiern wollen. Aber Inge hat da ganz anderes im Sinn. Zu gern möchte sie noch einmal nach New York, ...

Inge Martensen steht kurz vor ihrem hundertjährigen Geburtstag, den die Familie und Freunde groß auf Föhr feiern wollen. Aber Inge hat da ganz anderes im Sinn. Zu gern möchte sie noch einmal nach New York, wo sie als junge Frau nach dem Krieg gearbeitet hat. Gemeinsam mit ihrer 20-jährigen Urenkelin Swantje geht sie heimlich an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf die Reise, wo Swantje so einiges über die Vergangenheit ihrer Urgroßmutter erfährt, die insgeheim hofft, damit ihrer Urenkelin deren Lebensmöglichkeiten aufzuzeigen. Aber auch für Inge soll diese Reise ein Abschluss zu alten Kapiteln sein...

Janne Mommsen hat mit „Das Licht in den Wellen“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser regelrecht in die Seiten hineinsaugt und mit den liebenswerten Protagonisten auf eine wunderschöne Zeitreise schickt. Der flüssige, farbenfrohe und warmherzige Erzählstil lässt den Leser schnell an Inges Seite gleiten, um ihr bei ihrer abenteuerlichen Reise über die Schulter zu sehen, während deren Gedanken- und Gefühlswelt offen vor ihm liegt. Inges mutiger Schritt, als junge Frau ohne Englischkenntnisse ganz allein die Überfahrt nach New York zu wagen und sich von ihrer Familie und ihrem gewohnten Umfeld auf Föhr von jetzt auf gleich zu verabschieden, ringt dem Leser jede Menge Respekt ab. New York selbst wird für Inge zu einem Überraschungsei, denn dort arbeitet sie in einem Deli, dass von Föhrern geführt wird. Die fremde Sprache sowie das hektische Leben in der Riesenstadt jagen ihr einige Angst ein, doch Inge kämpft sich durch und erarbeitet sich mit kulinarischen Eigenkreationen schon bald einen Namen sowie den Respekt aller um sie herum. Ein eigenes Lokal sowie einige Prominenz säumen ihren New Yorker Weg. Der Autor lässt den Leser sehr plastisch an Inges Leben teilhaben, während er gleichzeitig die damalige Zeit und das gesellschaftliche Leben sehr gut in Szene setzt. 30 Jahre bleibt Inge ihrer Heimatinsel Föhr fern, doch dann zieht es sie doch dorthin zurück, um hier ein glückliches Leben mit ihrer Familie zu führen. Nun hofft sie, dass Swantje ebenfalls ihren Weg findet als Modedesignerin und greift ihr deshalb etwas unter die Arme. Mommsen verbindet Vergangenheit und Gegenwart geschickt miteinander, dabei zeigt sich auch seine akribische Recherchearbeit in den vielen bisher wenig bekannten Informationen über die Föhrer Auswanderer, die die Handlung so greifbar, realistisch und lebensnah machen. Die Geschichte lässt den Leser ein wahres Gefühlsbarometer durchlaufen, während die Seiten nur so durch seine Finger rinnen und das Kopfkino nicht stillstehen lassen.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wie alte Freunde, denen der Leser nicht von der Seite weichen möchte. Inge ist im Alter eine tatkräftige, mutige Frau mit eigenem Kopf. Sie ist warmherzig, liebenswert und wirkt geradezu furchtlos, während ihr jüngeres Ich Angst vor der eigenen Courage hat, jedoch eine Zähigkeit besitzt, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen und sich durchzukämpfen. Swantje ist wie ein Abbild ihrer Urgroßmutter in jungen Jahren. Sie zweifelt an sich selbst, ist unsicher und traut sich nicht viel zu. Dabei besitzt sie viel Kreativität und hat ein Händchen für Mode.

„Das Licht in den Wellen“ hat alles für ein zauberhaftes Lesevergnügen: starke Protagonistinnen, generationenübergreifende Familiengeschichte nebst Geheimnis sowie tolle Beschreibungen von Föhr und New York. Eine spannende Handlung, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet und den Leser auf eine wunderbare Zeitreise schickt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.04.2025

Wer zu träumen wagt, dem öffnet das Leben neue Türen.

Montmartre - Licht und Schatten
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1866 Paris. Marianne muss als Hebamme an einem Sommertag gleich zweimal einem neuen Leben auf die Welt helfen. Erst steht sie der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Jeanne Lambert bei, die sich ihren ...

1866 Paris. Marianne muss als Hebamme an einem Sommertag gleich zweimal einem neuen Leben auf die Welt helfen. Erst steht sie der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Jeanne Lambert bei, die sich ihren Lebensunterhalt als Wäscherin in Montmartre verdient, als deren Tochter Elise das Licht der Welt erblickt. Danach wird Marianne zur wohlhabenden Familie des Kunsthändlers Alphonse Dumas gerufen, um dessen Frau Amélie bei der Geburt ihrer Tochter Valérie zu unterstützen. Während Elise neben ihrem Schulbesuch mit harter Arbeit in einer Wäscherei zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen muss, träumt sie vom Tanzen und hofft, eines Tages der Armut entfliehen zu können und als Tänzerin berühmt zu werden. Valérie dagegen wächst in Wohlstand auf und hat in ihrem Vater ihren größten Förderer, wenn es um ihr malerisches Talent geht. Er verhilft ihr zum Besuch der Kunstakademie, wo sie als einzige Frau ihr Studium beginnt. Doch sowohl Elise als auch Valérie müssen auf dem Weg zur Erfüllung ihrer Träume so manchen Stolperstein aus dem Weg räumen und sich einigen Herausforderungen stellen...
Marie Lacrosse alias Marita Spang hat mit „Licht und Schatten“ den ersten Band ihrer Montmartre-Reihe vor historischer Pariser Kulisse vorgelegt, der neben starken Frauencharakteren auch die damalige Zeit hervorragend widerspiegelt und dem Leser bei der Lektüre eine Reise in die vergangene Zeit des 19. Jahrhunderts spendiert, wobei er bestens unterhalten wird. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil sowie wechselnde Schauplätze lassen den Leser eintauchen ins alte Paris, wo er mal an der Seite von Elise, mal an der von Valérie deren jeweilige Lebensumstände hautnah miterleben darf, während ihre Gedanken- und Gefühlswelt wie ein offenes Buch vor ihm liegt. Elise lebt mit ihrer Familie unter den Ärmsten der Armen in der Butte, einem Teil von Montmartre, derweil Valérie im wohlhabenderen Teil in begüterten Verhältnissen aufwächst. Durch ihre Freundin Louise, die im Moulin Rouge als Tänzerin schnell Karriere macht, wird bei Elise der Traum vom Tanzen geweckt, den sie bald ernsthaft verfolgt. Doch bis sie am Ziel ist, muss sie viele Hindernisse überwinden. Valérie dagegen muss sich nicht groß anstrengen, um als Frau einen Platz an der Kunstakademie zu erhalten, denn ihr Vater ist in der Kunstszene einflussreich und öffnet ihr somit die Tür zum Studium. Aber auch sie muss sich vielen Herausforderungen stellen, um als Frau ernst genommen zu werden und sich durchzusetzen. Die Autorin lässt während ihrer Handlung das Who is who der damaligen Kunstszene am Leser vorbeiziehen, so dass dieser vor Neid erblasst. Gekonnt skizziert sie die damalige Gesellschaft und deren Konventionen, aber auch der Kampf der beiden Frauen, ihre eigene Position in dieser zu finden und welche Schwierigkeiten sie überwinden müssen, wird wunderbar dargestellt. Der historische Hintergrund ist hervorragend recherchiert und mit der Handlung verwoben. Die Seiten flattern nur so durch die Hände des Lesers, während er bei der Lektüre zeitgleich ein bildgewaltiges Kopfkino sowie eine Achterbahn der Gefühle erleben darf.
Die Charaktere sind lebensecht mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und in Szene gesetzt. Der Leser ist von Beginn an mitten im Geschehen und heftet sich abwechselnd an die Fersen von Elise und Valérie, um keinen Augenblick zu verpassen. Elise ist eine Kämpferin, die schon früh lernen muss, dass nur mit harter Arbeit ihr Leben gesichert ist. Ihre Neugier und ihr Ehrgeiz lassen sie an ihren Träumen festhalten und sich ihren Platz erstreiten. Valérie muss wegen ihrer Herkunft erst später feststellen, dass sie ihr Können und ihren ernsthaften Willen beweisen muss. Auch sie ist eine Frau mit Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist. Sowohl Elise als auch Valérie müssen jeden Tag aufs Neue darum kämpfen, ihre Träume in Wirklichkeit zu verwandeln, sei es noch so schwierig. Aber beide Frauen lernen schnell und unaufhaltsam, wobei ihre Kraft deutlich heraussticht.
„Licht und Schatten“ ist nicht nur ein sehr unterhaltsamer und gut recherchierter Roman vor herrlicher Kulisse, sondern besticht vor allem mit starken Protagonistinnen und einem farbenfrohen Hintergrund, der von Beginn an zu faszinieren weiß und den Leser mit den ersten Zeilen in den Bann zieht. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner, der sich viel zu schnell liest und auch noch Kunst und Tanz ins sich vereint!

Veröffentlicht am 22.04.2025

Wer die Wahrheit sucht, darf nicht erschrecken, wenn er sie findet. - Chinesisches Sprichwort

Die Erbin
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50er Jahre Köln. Mit der Herstellung von Batterien hat Wilhelm Liefenstein ein Industrieimperium gegründet, dass nicht nur vor, sondern auch nach dem Zeiten Weltkrieg weiterhin sehr erfolgreich ist. Nach ...

50er Jahre Köln. Mit der Herstellung von Batterien hat Wilhelm Liefenstein ein Industrieimperium gegründet, dass nicht nur vor, sondern auch nach dem Zeiten Weltkrieg weiterhin sehr erfolgreich ist. Nach einem Unfall möchte Enkelin Cosima eine Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter ins Leben rufen, aber ihr Onkel Theodor, der das Vorhaben grundsätzlich unterstützt, zeigt Cosima ihre Grenzen auf. Die Begegnung mit dem Journalisten Leo Markgraf, der über den Tod des befreundeten Anwalts Walter Weber recherchiert, dessen öffentliche Anprangerung der Liefensteins für Unruhe sorgte, sowie ein Dachbodenfund alter Fotos lassen Cosima keine Ruhe. Gemeinsam mit Leo geht sie auf Spurensuche und recherchiert in ihrer eigenen Familiengeschichte. Schon bald sieht sich Cosima mit unschönen Wahrheiten konfrontiert. Ihre Recherche bleibt nicht verborgen, so dass sehr einflussreiche Menschen sie unbedingt davon abbringen wollen...
Claire Winter hat mit „Die Erbin“ einen sehr tiefgründigen und vielschichtigen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur deutlich macht, wie sehr Macht, Einfluss, Reichtum und Politik miteinander verwoben sind, sondern wie diese vor, während und nach dem Krieg immer noch miteinander verbunden sind und sowohl Politik als auch die Unternehmen voneinander profitiert haben. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil schleust den Leser mit den ersten Zeilen mitten hinein in die Handlung, die über zwei Zeitebenen stattfindet und ihn zum einen die Gegenwart in den 50er Jahren gemeinsam mit Cosima erleben, zum anderen die Vergangenheit der Liefensteins ab 1929 wieder lebendig werden lässt, in der auch die Nazis immer mehr an Einfluss gewannen. Die Einblicke von Cosimas Vater Edmund, ihrem Onkel Theodore und dem Kindermädchen Elisa Kopper liefern dem Leser den Rahmen für die in der Gegenwart angestellten Nachforschungen von Cosima. Der Autorin gelingt es hervorragend, die beiden Handlungsebenen miteinander zu verknüpfen. Der Roman gleicht einem Puzzle, dessen Steine nach und nach ein vollständiges Bild ergeben. Die Familiengeschichte der Liefensteins wird aus diversen Perspektiven wiedergegeben, wobei die Ansichten der einzelnen Protagonisten unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei greift Winter nicht nur Themen wie die Zwangsarbeit unter den Nazis auf, sondern spiegelt die Entwicklung der Industriellenfamilie, der Gesellschaft sowie den Kampf gegen damalige Konventionen auf herausragende Weise wider. Auch die unausgesprochenen dunklen Geheimnisse, das Schweigen und die unterschiedlichen Weltanschauungen finden ihren Platz in der Geschichte. Winter lässt den Leser tief in eine Familiengeschichte eintauchen, die genau so sicherlich in der Realität mehr als einmal stattgefunden hat. Die Autorin lässt den Leser das gesamte Gefühlsbarometer durchlaufen, während er an den Seiten klebt und dabei ein sagenhaft spannendes Kopfkino erlebt.
Die Charaktere wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten sehr lebendig und vermitteln dem Leser das Gefühl, sich mitten unter ihnen zu tummeln und ihr Schicksal hautnah zu verfolgen. Cosima ist eine Frau, die ihren eigenen Kopf hat. Sie besitzt Durchsetzungsvermögen, Integrität, Sensibilität, aber auch Kraft genug, sich Widrigkeiten in den Weg zu stellen. Sie ist mutig und dabei innerlich auch ängstlich vor den Dingen, die sie wohl herausfinden wird. Leo ist ein ehrlicher Mann, der den Dingen auf den Grund geht und sich davon auch nicht abbringen lässt. Theodor ist ein Patriarch, wie er im Buche steht. Er will die Fäden in der Hand behalten, egal was es kostet. Edmund hat seine Prinzipien und seine Tochter ist ihm darin sehr ähnlich. Aber auch die Bekanntschaft mit Elisa ist ein besonderes Geschenk für den Leser.
„Die Erbin“ ist ein herausragender historischer Roman, der keine Leserwünsche offen lässt. Dunkle Geheimnisse einer Familie gepaart mit ausgezeichnet recherchiertem Hintergrund sowie einer starken Hauptprotagonistin, die den unter den Teppich gekehrten Dreck endlich ans Licht bringt, verzaubern den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Der Gedanke, dass all dies bestimmt mehrfach so in der Realität geschehen ist, macht die Handlung noch faszinierender. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Superlative – Chapeau!!!

Veröffentlicht am 07.04.2025

Es ist nicht schwer, Entscheidungen zu treffen, wenn du deine Werte kennst. – Roy Disney

Ein Winter am Meer
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1819 England. Aufruhr im Seebadeort Sidmouth, als der Herzog von Kent mit seiner Familie nebst Mitarbeitern anreist, um dort zu überwintern. Auch das Gästehaus der Summers beherbergt drei Angehörige der ...

1819 England. Aufruhr im Seebadeort Sidmouth, als der Herzog von Kent mit seiner Familie nebst Mitarbeitern anreist, um dort zu überwintern. Auch das Gästehaus der Summers beherbergt drei Angehörige der Dienerschaft und wirbeln bald ungewollt die Gefühle von Emily Summers durcheinander. Emily, die mit ihren Schwestern Georgina und Sarah das Gästehaus führt, möchte eigentlich lieber Schriftstellerin werden. Das Angebot, einen Reiseführer über Sidmouth zu schreiben, geht sie mit Unterstützung des Herzogs Privatsekretär James Thompson an. Gemeinsam erkunden sie die Umgebung und kommen sich langsam näher. Als ihre Jugendliebe Charles unverhofft wieder in Sidmouth auftaucht, bringt das Emilys Lebenspläne gehörig durcheinander...
Julie Klassen hat mit „Ein Winter am Meer“ den zweiten Teil ihrer historischen Seaview---Schwestern-Reihe vorgelegt, der nicht nur nahtlos an den ersten Band anschließt und den Leser zurück ins 19. Jahrhundert reisen lässt, sondern diesen durch eine gefühlvolle und tiefgründige Geschichte wunderbar unterhält. Der flüssige, bildintensive und empathische Erzählstil lädt den Leser erneut ein, sich bei den Summers in der Pension einzumieten, um dort als unsichtbarer Gast das Leben der Familie weiterzuverfolgen und deren illustre Gästeschar zu kennenzulernen. Hauptprotagonistin ist diesmal Emily, die endlich ihren Traum von einem eigenen Roman verwirklichen will. Doch unerwartete Begegnungen und Überraschungen bringen ihr Gefühlsleben völlig durcheinander. Sie muss weitreichende Entscheidungen für sich treffen. Die Autorin gewährt nicht nur einen wunderbaren Einblick in das Summersche Familienleben und deren Gäste, sondern vermittelt dem Leser mittels gekonnter atmosphärischer Beschreibungen der Örtlichkeiten das Gefühl, persönlich vor Ort zu sein und alles mit eigenen Augen zu sehen. Durch die Einbindung altbekannter Charaktere wird dem Leser zudem suggeriert, Teil des Ganzen zu sein. Überraschende Wendungen und romantische Entwicklungen ergeben einen wunderbaren Mix, der mit vielen persönlichen Entscheidungen angefüllt wird. Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander sind ebenso schön mitzuverfolgen wie die christlichen Botschaften von Nächstenliebe, Verantwortung und Hilfsbereitschaft. Der Leser kann das Buch kaum aus der Hand legen, während er bei einem herrlichen Kopfkino mit den Protagonisten mitfühlt und gespannt das Geschehen verfolgt.
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und zeichnen sich durch glaubwürdige menschliche Eigenschaften aus. Der Leser findet sich sofort mitten unter ihnen wieder und darf sie bei wichtigen Schritten begleiten. Emily steht vor großen Entscheidungen, die ihr Leben verändern werden. Zu Beginn wirkt sie unsicher und eingefroren, doch mehr und mehr kommt sie aus sich heraus und gewinnt an Sicherheit. Sarah ist der Fels in der Brandung, während Georgie mit ihrem losen Mundwerk auf sich aufmerksam macht. James ist ein in sich ruhender Mann, der hinter die Fassaden blickt und einen guten Blick für Menschen hat. Aber auch ehemalige Gäste wie der illustre Mr. Gwilt bereichern das Setting der Handlung und machen sie sehr unterhaltsam.
„Ein Winter am Meer“ hat alles, was das Leserherz begehrt: wunderbare Örtlichkeiten vor historischem Hintergrund, Protagonisten, die einem ans Herz wachsen und wie ein Familienmitglied wirken, schicksalhafte Entscheidungen, die gefällt werden müssen und Romantik, die Wärme und Sehnsucht schürt. Der Roman beschwört nicht nur ein zauberhaftes Kopfkino herauf, sondern lässt den Leser auch eine Achterbahn der Gefühle durchlaufen. Dafür gibt es eine absolute Leseempfehlung!