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Veröffentlicht am 02.06.2022

Die dunkle Seite der Bretagne

Der Dachs
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Seit einiger Zeit haben Urlaubskrimis Hochkonjunktur. Schaut man sich die beschriebenen Handlungsorte genauer an, wird man feststellen, dass die meisten davon in Frankreich und dort im Süden, oft in der ...

Seit einiger Zeit haben Urlaubskrimis Hochkonjunktur. Schaut man sich die beschriebenen Handlungsorte genauer an, wird man feststellen, dass die meisten davon in Frankreich und dort im Süden, oft in der Provence zu finden sind. Aber dann gibt es ja noch die Bretagne im Nordwesten, die seit der Kommissar-Dupin-Reihe von Jean-Luc Bannalec aka Jörg Bong kontinuierlich steigende Beachtung erfahren hat.

Die Zutaten dieser regionalen Krimis gleichen sich: Sympathische Ermittler*innen aus der Großstadt, die freiwillig oder gezwungenermaßen neu starten, pittoreske Dörfer, hilfsbereite Bewohner, landestypische Kulinarik und relativ simpel gestrickte Fälle. Allerdings haben letztere durch die Ortskenntnis Bannalecs fast schon Reiseführerqualitäten. Es gibt zwar Tote, aber auf explizite Gewaltdarstellungen und die Einbindung politischer Themen wird weitgehend verzichtet. Immer schön cosy ist die Parole.

Aber es geht glücklicherweise auch anders, wie ein Autor beweist, den ich bisher noch nicht auf dem Schirm hatte. Christian Buder zeigt in „Der Dachs“ die dunkle Seite der Bretagne, die wir so bisher noch nicht präsentiert bekommen haben, und das beschreibt er sprachgewandt und ziemlich noir, clever, komplex und sehr spannend.

Handlungsort ist ein bretonisches Fischerdorf, Hauptfigur Ronan Prad von der Gendarmerie Maritime. Ein Bürgermeister, dessen Security aus Fremdenlegionären besteht. Ein Fischer, der samt Boot spurlos verschwunden ist, ein Schicksal, das er mit Prads Frau teilt. Zwei Tote, die am Strand angespült werden, ein Schiffswrack voller Leichen. Alle Toten haben in „La Jungle“, dem berüchtigten Flüchtlingslager in Calais auf eine Passage nach London gewartet, das Prad daraufhin genauer unter die Lupe nimmt. Aber einigen Menschen mit Macht und Einfluss passt das so gar nicht in den Kram.

Ein Protagonist mit Ecken und Kanten, faszinierende und bildgewaltige Beschreibungen dieses rauen Landstrichs, die die Kraft des Meeres ahnen lassen, mehrere miteinander verwobene Fälle, in die politische Entscheidungsträger verwickelt sind, ein furioses Finale. Lesen!

Veröffentlicht am 31.05.2022

Scharfsichtiger Ausblick auf die Zukunft

RCE
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Sibylle Berg ist wütend. Und sie macht ihrem Ärger Luft. Das wissen alle, die GRM Brainfuck gelesen haben oder ihre Kolumnen im Spiegel kennen. Ich schätze ihre Kolummnen, ihren entlarvenden Blick auf ...

Sibylle Berg ist wütend. Und sie macht ihrem Ärger Luft. Das wissen alle, die

GRM Brainfuck gelesen haben oder ihre Kolumnen im Spiegel kennen. Ich schätze ihre Kolummnen, ihren entlarvenden Blick auf unsere gesellschaftliche Realität und den Zustand der Welt. Manchen mögen sie übertrieben vorkommen, zu pessimistisch sein, aber wenn man genau hinschaut, kann man ihnen weder den Wahrheitsgehalt noch die Relevanz absprechen.

Und auch ihr neuer Roman „RCE:

RemoteCodeExecution“ ist, wie bereits der Vorgänger „GRM. Brainfuck“, eine weitergedachte Gegenwartsanalyse, ein realistisches Szenario, das aufrütteln soll, denn mittlerweile sind einige Jahre vergangen, und der Zustand der Welt hat sich weiter verschlechtert. Der Neo-Kapitalismus trägt deutlich feudalistische Züge. Mittelschicht? Verarmt. Privater Grundbesitz? Nicht für „normale“ Menschen. Der Alltag? Deprimierend. Klimawandel, verödete Städte, Digitalisierung, umfassende Überwachung, die Politik hat ihren Einfluss verloren. Geld regiert die Welt und mit ihnen die Banken, Tech-Riesen, Großkonzerne und Oligarchen.

Kurzer Einschub mit Blick auf unsere reale Gegenwart: 2020 zeigt die Auswirkungen der Pandemie und die Richtung, in die die Entwicklung geht. Es gibt eine Schätzung der Weltbank, nach der dadurch mehr als 100 Millionen Menschen zusätzlich durch den Einbruch der Wirtschaft, Arbeitslosigkeit etc. absolut verarmt sind, während die ca. 2.700 Milliardäre weltweit ihr Vermögen um 60 Prozent gesteigert haben. Und durch den aktuellen Krieg wird es mit Sicherheit noch einmal einen größeren Zuwachs erfahren.

Ist eine Kehrtwende noch möglich? Zumindest versuchen wollen sie es, eine Gruppe von vernetzten IT-Nerds, die die Digitalisierung für ihre Zwecke nutzen wollen und vom Tessin aus weltweit Brigaden rekrutieren. Mit ferngesteuerten Zugriffen wollen sie in die Systeme der Herrschenden eindringen, den Stecker ziehen und einen Neustart erzwingen. Möge es gelingen.

Ist das fiktional? Eine Dystopie? Könnte man annehmen, aber das greift viel zu kurz. Es ist weit mehr als das. Frau Berg hat umfassend recherchiert, erschlägt den Leser fast schon mit den Fakten, die sie zutage gefördert hat und hier verarbeitet. Aber wenn man über den eigenen Tellerrand schaut, genauer hinsieht, weiterdenkt, scheint das Szenario, das sie hier kreiert, absolut realistisch und glaubwürdig. Eine Brandrede, die aufrütteln soll. Eine klug analysierende Bestandsaufnahme. Und gleichzeitig ein deprimierender Ausblick auf Veränderungen, die es zu verhindern gilt. Lesen!

Veröffentlicht am 29.05.2022

Adieu Le Lavandou

Stürmisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 8)
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Zum ersten Mal trifft sich die Surfergemeinde im provenzalischen Le Lavandou, um dort ihre Wettkämpfe auszutragen. Der gesamte Ort ist auf den Beinen, um den Großevent vorzubereiten. Aber dann wird ein ...

Zum ersten Mal trifft sich die Surfergemeinde im provenzalischen Le Lavandou, um dort ihre Wettkämpfe auszutragen. Der gesamte Ort ist auf den Beinen, um den Großevent vorzubereiten. Aber dann wird ein junges Paar am Strand tot aufgefunden. Brutal ermordet, wie der Rechtsmediziner Leon Ritter bei der Obduktion feststellen muss. Surfer, Touristen und Einheimische sind gleichermaßen verunsichert, und das Team um Capitaine Isabelle Morell, Ritters Lebensgefährtin, arbeitet mit Hochdruck, um den Mörder so schnell als möglich zu schnappen, zumal es weitere Opfer gibt. Die Ermittlungen führen allerdings zu einem überraschenden Ergebnis, mit dem weder Leon noch Isabell gerechnet hätten…

Bisher habe ich sämtliche Bücher der Reihe gerne gelesen, aber dieser achte Band „Stürmisches Lavandou“ war eine einzige Enttäuschung. Nichts Neues unter der provenzalischen Sonne, ein Déjà-vu reiht sich an das nächste. Unzählige Elemente, die man bereits aus den früheren Krimis kennt, mittlerweile abgenutzt: der psychopathische Mörder, die Garrigue, der Thymianduft in der Luft, das unvermeidliche Boule-Spiel, die Beschreibung der forensischen Arbeitsräume, der obligate FAZ-Kauf, Isabelles Tochter und das geplante Wochenende, das einen tragischen Verlauf nimmt. Nicht zu vergessen der Radiosender mit den klassischen Chansons, in dem natürlich genau in dem Moment, in dem Ritter ihn einschaltet, immer Trenets „La Mer“ gespielt wird. Alles wie gehabt.

Die alles lässt vermuten, dass die dichterische Fantasie Eyssens offenbar erschöpft ist, denn es sind noch nicht einmal Variationen, sondern immer wieder die gleichen Motive, die er aus seinem Baukasten holt und hier zu einer langatmigen und langweiligen Geschichte zusammensetzt. Spätestens dann, wenn mich ein Autor nicht mehr überraschen kann, wird es Zeit für mich, eine Reihe zu beenden. Und dieser Zeitpunkt scheint jetzt gekommen zu sein. C’est assez. Adieu, Le Lavandou.

Veröffentlicht am 28.05.2022

Winslow spielt sein ganzes Können aus – großartig!

City on Fire
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Am 23.04.23 hat Don Winslow bekannt gegeben, dass er seine schriftstellerische Tätigkeit an den Nagel hängen wird. Zukünftig möchte er seine Zeit darauf verwenden, eigenfinanziert mit digitalen Kampagnen ...

Am 23.04.23 hat Don Winslow bekannt gegeben, dass er seine schriftstellerische Tätigkeit an den Nagel hängen wird. Zukünftig möchte er seine Zeit darauf verwenden, eigenfinanziert mit digitalen Kampagnen demokratische Anliegen zu unterstützen und damit Donald Trump und den "Trumpismus" in den Vereinigten Staaten bekämpfen. Zum Abschluss gibt es aber noch, wie schon bei seiner herausragenden Kartell-Trilogie, ein Epos in drei Bänden, dessen erster Teil „City on Fire“ gerade erschienen ist. Band 2 und 3 sind seiner Aussage nach bereits geschrieben und werden 2023 und 2024 veröffentlicht.

Dogtown im Süden von Providence, Rhode Island, Mitte der achtziger Jahre. Ein Einwandererviertel. Zuerst kamen die Iren, danach die Italiener. Zwei Familienclans, die Murphys und die Morettis, leben dort in friedlicher Eintracht, haben ihre Geschäfte untereinander aufgeteilt. Gewerkschaften, Bestechung, Diebstahl, Kredite, Schutzgelderpressung und seit neuestem auch Drogenhandel werfen genug Profit für beide Seiten ab. Noch begegnet man sich mit Respekt, aber die Zeit der Familienoberhäupter neigt sich dem Ende zu, und der Generationenwechsel lässt nichts Gutes erahnen. Und schneller als man denkt, setzt ein nichtiger Anlass eine Gewaltspirale in Gang, einen blutigen Kampf bis aufs Messer, der sich zu einem Krieg entwickelt, in dem es schlußendlich um die Kontrolle des organisierten Verbrechens zwischen New York und Boston geht. Mittendrin Danny Ryan, derjenige mit dem moralischen Gewissen, dessen Vater früher einmal Oberhaupt der irischen Mobster war, mittlerweile mit Terri Murphy verheiratet. Ob er will oder nicht, die unzähligen Toten auf beiden Seiten drängen den bisherigen Befehlsempfänger in die Rolle des Strategen, des Anführers. Eine große Verantwortung, könnte doch eine einzige Fehlentscheidung die endgültige Auslöschung des irischen Clans zur Folge haben.

Und wieder einmal spielt Don Winslow sein ganzes Können aus. Ein extrem spannende Story, die einzelnen Szenen haben eine stark visuelle Kraft und können es durchaus gleichberechtigt mit den Klassikern des Genres aufnehmen. Für Sentimentalitäten bleibt kaum Platz, es geht sehr brutal und blutig zur Sache. Die Sprache ist der Handlung angepasst (wie immer in einer exzellenten Übersetzung von Conny Lösch). Hart, klar und präzise, reduziert auf das Wesentliche. Ohne Drumherumgerede.

Sämtliche Charaktere sind komplex, bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, auch eine Stärke des Autors, was auch eine Erklärung für den eher verhaltenen Einstieg in die Story sein könnte. Bei einem Dreiteiler müssen die Personen Fleisch auf den Knochen haben, brauchen einen Background, denn sonst können sie das Interesse des Lesers nicht bis zum Ende binden. Alles richtig gemacht, Mr Winslow.

Veröffentlicht am 26.05.2022

Urlaubsflair auf dem Teller

Einfach griechisch kochen
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Falls es mit der geplanten Auszeit einmal nicht klappen sollte, kann man sich auch in der heimischen Küche Urlaubsgefühle auf den Teller holen. Das neue Kochbuch von Katerina Dimitriadis „Einfach griechisch ...

Falls es mit der geplanten Auszeit einmal nicht klappen sollte, kann man sich auch in der heimischen Küche Urlaubsgefühle auf den Teller holen. Das neue Kochbuch von Katerina Dimitriadis „Einfach griechisch kochen“ eignet sich dafür bestens und versorgt uns mit authentischen, bodenständigen Rezepten aus der „Zu-Hause-Küche“ der Autorin, die zeigen, dass es neben den bei unseren griechischen Wirten üblichen Gyros, den Poseidon- und Dionysos-Platten noch viele Spezialitäten zu entdecken gibt.

Was macht nun aber die griechische Küche aus? Diese Fragen beantwortet die Autorin in den einleitenden Kapiteln. Zum einen wären da die zahlreichen Hauptmahlzeiten aus Gemüse und Hülsenfrüchten und die zahlreichen Backofen-Gerichte, zum anderen aber auch die Zutaten, die für den typischen Geschmack verantwortlich sind. Olivenöl, am besten von einem lokalen Erzeuger, Kräuter (z. B. Oregano, Thymian, Rosmarin, Minze), Gewürze wie Zimt, Piment und Nelken, und nicht zu vergessen Zitronen, die nicht nur gebratenen Kartoffeln den besonderen Twist verleihen.

Der Rezeptteil startet mit Salaten. Viele kennt man, aber auch Neues wie Koliva mit Granatapfel ist zu finden. Und natürlich darf auch der allgegenwärtige Bauernsalat nicht fehlen.

Mit Abstand das größte Kapitel ist den verschiedenen Mezedes plus Dips, den kleinen Leckereien vorweg, gewidmet, die man aber jederzeit auch als Hauptmahlzeit zu sich nehmen kann. Keftedakia (Fleischbällchen) mit Dill und Minze gewürzt, Zucchini in Variationen oder Gigantes mit Feta, da ist für alle Esser etwas dabei.

Die Fleischrezepte fand ich etwas enttäuschend, da sie sich ausnahmslos auf Rind und Hähnchen konzentrieren. Hier hätte ich mir gewünscht, dass auch Lamm berücksichtigt wird, denn das ist es, was ich aus den Tavernen der griechischen Dörfer kenne.

Leider orientiert sich auch der Abschnitt mit den Fischrezepten meiner Meinung nach etwas zu sehr am deutschen Geschmack. Kabeljau? Wäre mir jetzt nicht bekannt, dass dessen Fanggebiete im Ägäischen, Ionischen oder im Libyschen zu finden sind. Dennoch, lecker sind auch diese Gerichte allemal.

Das Kapitel mit Gemüserezepten wird dominiert von Eintopfzubereitungen mit Hülsenfrüchten und hätte durchaus auch etwas umfangreicher sein können.

Bei den abschließenden Desserts hingegen befinden wir uns wieder auf bekanntem Terrain: Loukoumades, Halva oder Portokalopita, genossen mit einem Frappé, runden ein leckeres Essen ab, bei dem man in Erinnerungen an vergangene Urlaube schwelgen kann.

Alle Rezepte sind präzise beschrieben und werden mit ansprechenden Fotos vorgestellt. Die Zutaten überall erhältlich, die Zubereitungszeit überschaubar. Alles in allem ein ansprechendes Kochbuch, dessen Gerichte Urlaubsflair auf den Teller bringen.