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Veröffentlicht am 16.08.2019

Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau!

Die Unausstehlichen & ich - Das Leben ist ein Rechenfehler
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Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie ...

Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie nirgends lange. Bis sie in eine wirklich nette Pflegefamilie kommt, die sie wie eine Tochter behandelt. Ihr Pflegebruder Noah (12) ist einsame Spitze! Hier will sie nie wieder weg. Doch dann muß der Pflegevater beruflich in die Schweiz, da soll Enni dann doch nicht mit. Noah flippt aus und zieht Enni in seinen unüberlegten Plan mit hinein. Da ist Ärger vorprogrammiert und Enni landet in einem piekfeinen Privatinternat für Schüler mit besonderen Bedürfnissen. Eigentlich ist es dort gar nicht schlecht, selbst die Lehrer erkennen ihre mathematische Begabung. Doch Enni will abhauen und Noah finden. Leider gleicht Internat Saaks fast einer Festung und diese zu verlassen wird ihre kniffeligste Knobelaufgabe, bei der sie zwangsläufig Hilfe braucht....

Nach ihrer Ausbruchsaktion muß Enni zum Schulpsychologen, da erzählt sie dann die ganze, wahre ungeschönte Geschichte. Natürlich mit den in Saaks verpönten und strafbewehrten Flüchen und Schimpfwörtern. Aber was soll man schon sagen, wenn das Leben …. Eben! Der Psychologe lässt sie ungeschönt reden, aber in einem Kinder- und Jugendbuch? Da hilft nur die Zensur und an Stelle jedes unziemlichen Begriffes gibt es längere oder kürzere Zensurpiepse, je nachdem wie ausschweifend sie sich auslässt. Was beim Lesen lustig ist und seiner Schimpfkreativität freien Lauf lässt, kann beim Hören bisweilen ganz schön nerven, insbesondere wenn Enni auf 180 ist. Zum Einschlafen stört es ganz besonders, man gewöhnt sich langsam daran, aber es ist suboptimal.
Durch die Ich-Perspektive weiß der Hörer immer nur so viel, wie Enni bzw. so viel, wie sie von sich Preis gibt, denn über ihre Eltern spricht sie nicht und wehe wer sie bei dem Namen nennt, den ihr ihre Eltern gaben! Das dürfen nur diese.

Enni hat viel mitgemacht bisher in ihrem Leben und sich diverse Überlebensstrategien angeeignet, über die die meisten Hörer aus behüteten Elternhaus nur staunen können (und die sie hoffentlich nicht anwenden wollen).

Richtig toll finde ich den Inklusionsgedanken in dieser Geschichte. Alle haben ihren Ballast mit sich herum zu tragen, aber niemand möchte deswegen bemitleidet werden, sondern als Mensch für voll genommen werden. So lernt man durch Enni, die fast schon alles gesehen hat, ihre Mitschüler mit ihrem Blick kennen, immer erst die Person mit ihren Besonderheiten, bis auf das Handicap, das erwähnt sie immer so nebenbei. Das finde ich sehr charmant, mal den Focus weg von der Behinderung zu nehmen und sei es „Diätis“ (dieser Begriff, ist doch ein Knaller, oder?). Jeder von ihnen trägt sein Päckchen mit sich herum, dennoch hatte ich jetzt nie den Eindruck, daß die Autorin es jeder Minderheit recht machen wollte, damit sich jeder angesprochen fühlt. Nein, die Personen werden ungeschönt dargestellt, mit ihren Stärken, aber auch Schwächen. Die einen werden dadurch sympathischer, aber nicht alle - wie im echten Leben.

Enni ist so ungewöhnlich, daß die Geschichte zu überraschen mag. Es ist nicht von Anfang an klar, was mit Enni passiert, man weiß nur sie hat Ärger und echt was auf dem Kerbholz und muß nun mit einem Psychodoc sprechen, wer das aber ist, zeigt sich erst nach ein paar Kapiteln, weil diese Erkenntnis bereits etwas über das Ende verrät, aber es ist ja auch eine Fortsetzung mit den Unausstehlichen geplant, da wird Enni wohl kaum von diesen getrennt werden. Dennoch eine wirklich erfrischende Erzählweise.

Da ich beruflich den ganzen Tag mit Dingen zu tun habe die schief gehen und mein Mann Sonderpädagoge ist, war es mir wichtig, mit den Kindern Geschichten kennen zu lernen, in dem Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer Sicht schildern dürfen, denn dann klingt es oft ganz anders. Es geht mir auch um das Vermitteln von Respekt! Auch diesen Kindern gegenüber, die aus welchen Gründen auch immer, nicht bei ihren Familien leben. Das ist Vanessa Walder, der Autorin von „Das wilde Mäh“ und noch über 80 weiteren Kinder- und Jugendbüchern, ausgezeichnet gelungen. Dabei geht es nicht um pädagogische Phrasen, sondern es wird eine spannende Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau mit besonderen Schülern. Dabei wird es am Ende noch mal besonders spannend und mit einem ganz erhebenden Solidarisierungsende – da bleibt kein Herz unbewegt und das Auge nicht unbedingt trocken.
Maximiliane Häcke ist eine perfekt gewählte Sprecherin. Sie klingt jung, etwas eckig und kantig. Da klingt das „Vorsicht, nicht anfassen!“ gleich schon in der Stimme mit. Sie beherrscht die Emotionenklaviatur von rotzig-rebellisch bis unsicher und verstört. Das ist auch dringend nötig, da einige der Mitschüler sich nicht ganz so tough präsentieren wie sie. Die Lautstärke ist sehr gut ausbalanciert. Schwankungen sind lediglich gefühlt, aber nicht real, d.h. der Lautstärkeregler kann durchgehend auf einer Position bleiben. Alles ist gut verständlich. Im Innenteil der Klapphülle findet man eine farbige Illustration von Barbara Korthues mit den Hauptdarstellern und Infos zur Specherin und Autorin.
Die Geschichte und die Sprecherin haben uns ausgezeichnet gefallen, das Zensur-Gepiepse leider nicht. Beide Töchter (und die Mutter) warten schon ganz gespannt auf die Fortsetzung dieser außergewöhnlichen Geschichte für ältere Kinder ab 9/10 Jahren.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Lauft, Mädchen, lauft!

Der Blütenjäger
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Laura Kern ist Spezialermittlerin beim LKA Berlin und wird hinzugezogen, wenn es kniffelig wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn wie aktuell zwei sehr junge Frauen, kurz nacheinander erschossen im Spanndauer ...

Laura Kern ist Spezialermittlerin beim LKA Berlin und wird hinzugezogen, wenn es kniffelig wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn wie aktuell zwei sehr junge Frauen, kurz nacheinander erschossen im Spanndauer Forst gefunden werden. Beide barfuß und mit funkelnden Abendkleidern, eine Blüte neben sich und ein Foto, welches sie in provozierenden Tanzposen in der Disco zeigt. Ist dies der Beginn einer Mordserie und heißt das, daß weitere Morde zu erwarten sind? Während der Ermittlungen tappen die Kriminalisten lange im Dunkeln, doch Laura spürt die Dämonen der Vergangenheit sich nähern. Sie verbindet mit den jungen Opfern mehr, als ihre Kollegen ahnen, daher kniet sie sich besonders in die Arbeit. Es scheint eine Verbindung zwischen den Opfern zu geben, daher wird die Psychologin Dr. Niemeyer hinzugezogen, um ein Täterprofil zu erstellen. Dennoch scheinen alle Überlegungen im Sande zu verlaufen, bis sie mit ihrem attraktiven Kollegen Taylor nachts bei einer illegalen Überwachung ein weiteres Opfer findet und dieses auf eine weitere Vermisste hinweist. Der Zeitdruck ist nun enorm!

Auch ohne Vorkenntnisse zur Reihe bin ich gut in den Fall hineingekommen. Laura offenbart dem Hörer ihr traumatisches Geheimnis, daß selbst ihre Kollegen und ihr Liebhaber Taylor nicht kennen dürfen. Zu empfindlich ist auch nach 20 Jahren ihre Seele noch in Bezug auf das Erlebte. Für Neueinsteiger ist eine solche Schlüsselszene natürlich optimal.
Laura ist verschlossen, aber durchaus sympathisch und engagiert. Gerne arbeitet sie mit anderen zusammen, gerade wenn sie wie hier, völlig im Dunkeln tappt, da kann jeder neue Gedanke hilfreich sein. Sehr lange folgt man den Opfern nacheinander durch den dunklen Wald, verfolgt von einem Peiniger, den sie nicht sehen. Über Wurzeln stolpernd, einer vergeblichen Hoffnung auf Rettung folgend. Man lernt die Opfer in ihrer Gefangenschaft kennen, wie sie Kontakt zu einander aufnehmen und begreifen, daß sie auf Vorrat gefangen werden, damit sie ahnen, welches Schicksal ihnen bevorsteht. Die wachsende persönliche Bindung untereinander, machte das Grauen vor der bevorstehenden Jagd auf sie unerträglicher.

Zudem werden Rückblicke zu einem Familiendrama vor 20 Jahren eingeblendet, in welchem die konsultierte Psychologin Dr. Niemeyer behutsam versucht Jungen, die eine Tragödie erlebt haben, bei der Freilegung ihrer Erinnerungen zu helfen. Doch wie gehören die beiden Fällen zusammen? Der Hörer beginnt sich zu fragen, was sie verschweigt.

Man folgt den Ermittlern in die Welt der Discotheken und zwielichtiger Gestalten. Nicht nur der Besitzer des Clubs ist suspekt und Laura zutiefst unsympathisch. Es bieten sich auch weitere Verdächtige an, aber keiner scheint so richtig zu passen.

Der Thriller baut seine Spannung aus dem Element der Verzweiflung, dem Wissen der Opfer, dass ihre Zeit bald abläuft und dem stetig wachsenden Ermittlungsdruck auf. Wie eine Blüte entblättert sich Hinweis für Hinweis, unter Druck aber mit der erforderlichen Zeit, bis sich am Ende die Ereignisse überstürzen. Es geht um Psychologie und Geheimnisse aus der Vergangenheit, nicht um Ekel. Für einen Thriller ist dieser Fall recht unblutig und der Hörer steht auch nicht mit am Seziertisch. Dennoch fiebert man mit und möchte wissen, wer denn die Grausamkeit besitzt junge Frauen zu fangen, zu Jagen und aus dem Hinterhalt zu erschießen.

Soweit fand ich die Geschichte auch schlüssig. Was mich während des Hörens aber immer beschäftigte, war die Frage, weshalb Taylor der nun gerade seinen Profilinglehrgang beendet hat, kein eigenes Profil erstellt, sondern gleich eine externe Psychologin? Er ist ein gewiefter Ermittler mit brillanten Verstand und logischen Überlegungen, aber das gerade Erlernte, wird noch nicht einmal ansatzweise eingebracht. So uneigenständig im Denken, daß er wegen einer beigezogenen Spezialistin auf eigenes Denken verzichtet, erscheint er mir nicht. Er ist sich seiner Fähigkeiten eigentlich durchaus bewußt, ohne falsche Scheu.

Mit diesem Band der Reihe wechselt die Sprecherin von Svenja Pages zu Beate Rysopp. Svenja Pages ist auch eine gute Wahl, die ich mir sehr gut vorstellen kann, aber auch Beate Rysopp finde ich gelungen. Der Prolog beginnt aus Sicht des jüngsten Opfers, was mich etwas zweifeln ließ, denn nach Partymäuschen klingt sie nicht so recht, dafür ist ihre warme Stimme zu reif, aber für die erfahrene Ermittlerin, die bisweilen zwischen ihren eigenen Ängsten, Bedürfnissen und ihrer eigenen Anspruchshaltung hin- und her gerissen ist, passt sie sehr gut. Sie schafft es gekonnt die Klaviatur der Gefühle stimmlich in voller Bandbreite abzurufen. Wie alt Laura Kern ist, erfährt man zumindest in diesem Fall nicht.

484 Minuten rätselhafte Spannung, bei der ich gebannt mitfieberte und über mögliche Täter und Zusammenhänge nachgrübelte. Ungekürzt.

Veröffentlicht am 06.08.2019

Sei neugierig und offen für andere!

Kiesel, die Elfe - Libellenreiten für Anfänger
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Kiesel ist ein kleines, neugieriges Steinelfenmädchen. Steinelfen haben leider ziemlich kleine Flügel, da ist es mit dem Fliegen nicht immer ganz so leicht. Auch wenn sie sich mit den übrigen Elfenvölkern ...

Kiesel ist ein kleines, neugieriges Steinelfenmädchen. Steinelfen haben leider ziemlich kleine Flügel, da ist es mit dem Fliegen nicht immer ganz so leicht. Auch wenn sie sich mit den übrigen Elfenvölkern gut versteht und sie viele Freunde hat, machen sich die anderen Elfenkinder schon mal über ihre kleinen Flügel lustig. Aber Kiesl lässt sich nicht unterkriegen und will sogar bei ihrer Freundin Unda, der Flusselfe Libellenreiten lernen, dabei kann sie gar nicht schwimmen! Das stellt sich aber gar nicht als das größte Problem dar, denn ganz unbewusst kommt ihr etwas dazwischen! Schade, nun darf sie nicht mehr an den Fluss und geht daher auf die Suche nach ihrem besten Freund, Mino, einem Minster, der in der Dunkelheit des Berges wohnt. Im Berg wohnen die Finsterlinge, die größten Feinde der Tagelfen. Vor diesen Nachtelfen muss sie sich hüten! Daher ist die Verbindung zwischen dem Veilchental und der Bergwelt der Nachtelfen durch ein Silbergitter versperrt, bis eine ebenso neugierige Nachtelfe wie Kiesel, dieses Tor öffnet!
Diese Geschichte wird ab 8 Jahren zum Selberlesen empfohlen, ab 6 Jahren zum Vorlesen. Meine Tochter ist gerade 10 Jahre alt geworden. Ich hatte etwas Sorge, sie könnte die Geschichte zu kindisch finden, da habe ich mich aber völlig geirrt! Diese Tochter war völlig begeistert und hat sich immer wieder das kindle fire geschnappt und von sich aus weitergelesen. Die Große (12) hat z.T. zu gehört und sich beschwert, daß die Geschichte doch so schön wäre, warum wir denn ohne sie lesen würden…. Nun ja, irren ist mütterlich!
Kiesel ist sehr neugierig und offen. Nicht nur für neue Abenteuer, sondern auch für neue Freundschaften. Daher wagt sie es auch mal für das Veilchental neue Wege zu gehen und Dinge zu probieren, die Steinelfen doch nie tun! Aber warum eigentlich nicht?! Dies ist der zweite Band der Reihe und wir kennen den ersten noch nicht. Zu Beginn des Buches gibt es aber eine schöne Übersichtskarte mit allen wichtigen Orten im Veilchental und den Bewohnern. Da wir es auf einem Lesetablet gelesen haben, konnten wir also die Illustrationen heranzoomen und vergrößern und alles hingebungsvoll anschauen und bestaunen. Auch die übrigen Illustrationen sind alle in Farbe und sehr niedlich. Billy Bock hat den magischen Nerv der Leserinnen getroffen.
Kiesel ist nicht nur neugierig und magisch (leider hat sie ihre Magie noch nicht unter Kontrolle, was sie manchmal in Schwierigkeiten bringt), sie hält sich nicht immer an die Regeln. Nicht so vorbildlich, aber wer immer nur das macht, was er darf, bringt es auch zu nichts! Dabei ist Kiesel aber auch bereit über den Tellerrand zu gucken und Vorurteile über Bord zu werfen, sofern sie nicht mit ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen übereinstimmen. Das ist eine sehr schöne Botschaft. Suche Dir Deine Freunde nach Deinem Bauchgefühl aus und nicht nach der Erwartungshaltung der anderen. Du bist frei zu mögen, wen immer Du willst! Sei mutig und abenteuerlustig, vertraue Deinen Freunden und gibt nicht auf. Dabei ist es gemeinsam nicht nur schöner, sondern auch einfacher und sicherer. Eine sehr schöne Geschichte, die Mut macht und mit einem Lächeln im Gesicht einschlafen lässt. Ach ja, auch sehr spannend, aus junger Elfenfansicht.
Die Schriftgröße lässt sich beim ebook anpassen, was gerade bei Kindern, die sich mit dem Lesen etwas schwerer tun, oder einfach nur etwas bequem sind, sehr angenehm ist. Sprachlich kommen manchmal Wörter vor, die man als Mutter erklären muss, aber nur wenige. So bereichert man seinen Wortschatz.
Nina Blazon ist eine Fantasy-Autorin, die meistens für größere Mädels schreibt, der mit der Kieselreihe es jedoch auch gelungen ist, die Herzen der Nachwuchsleserinnen zu erobern. Es macht Sinn, die Reihe chronologisch zu lesen, es ist aber auch möglich bei diesem Band einzusteigen, ohne Verständnisschwierigkeiten. Aber: die Töchter wollen dann anschließend immer noch Band 1 lesen, da kann man auch gleich mit Band 1 anfangen.
So macht Lesen Spaß, auch den eher lesemüden jungen Damen!

Veröffentlicht am 04.08.2019

tolle Teenagerreihe, informativ und begwegend

Meine Ökokrise und ich
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Sina ist inzwischen 16 Jahre alt und von ihrem Sandkastenfreund und Nachbarn Yannis getrennt. Nun schwebt sie im 7. Himmel mit Carlos, dem Mitbewohner ihrer besten Freundin Kleo. Dieses Glück wird unterbrochen, ...

Sina ist inzwischen 16 Jahre alt und von ihrem Sandkastenfreund und Nachbarn Yannis getrennt. Nun schwebt sie im 7. Himmel mit Carlos, dem Mitbewohner ihrer besten Freundin Kleo. Dieses Glück wird unterbrochen, als sie mit ihren Eltern in den Nordseeurlaub muss! Doch als sie bei einer einsamen Wanderung eine Kegelrobbe in Not entdeckt und rettet, lernt sie den Umweltschützer Ben kennen, der ihr bisheriges Weltbild ganz schön erschüttert. Fortan kreisen ihre Gedanken um den Umweltschutz, der schon im Kleinen beginnen kann. Als sie mit Kleo aber zufällig eine verletzte Katze aus ihrem Hauswald zur Tierärztin bringt, erfährt sie, daß diese eine geschützte Wildkatze und der Wald von einer Umgehungsstraße akut bedroht ist. Davon hatte sie keine Ahnung und erzählt es empört ihrer Familie und ihren Nachbarn. Diese werden auch sofort aktiv, nur Carlos, der eigentlich Umwelttechnik studieren will, ist mit seinen Gedanken ganz woanders. Sina, Kleo und Yannis treten einem Aktionsbündnis bei und stellen fest, daß Mut und Ideenreichtum gefragt sind, wenn man etwas ändern will. Allerdings stürzt die ihr immer bewusster werdende Umweltbedrohung Sina in eine echte Sinnkrise.

Sina ist ein nettes, intelligentes Mädchen, sehr hübsch, aber mit großen Füßen, großem Herz und großem Freundeskreis und einer intakten Familie (auch ganz erfrischend in einem Buch mal wieder von einer intakten Familie zu lesen). Sina und ihre Freundinnen und Familie kann man in einer ganzen Buchreihe durch die Pubertät mit ihren Hormonwirren begleiten und ihre Höhen und Tiefen mit allen Teeniefragen und -dramen verfolgen. Dies ist der letzte Band, empfohlen ab 12 Jahren, aber auch für Einsteiger verständlich. Dieses Thema hätte meine 12 jährige Tochter auch wirklich interessiert, vor allem da es super aufbereitet ist, mit Infokästen zu den einzelnen Themen, auf die Sina immer wieder stößt, während sie mit offenen Augen durchs Leben geht, allerdings ist Sina beziehungs- und jungstechnisch auf einer Stufe, die für meine Tochter zu erwachsen ist. Oder eben „iiiih, Knutschi, Knutschi“. Sina, hält nicht nur Händchen, sie knutscht auch nicht nur, sie will bei Carlos übernachten, was ihre Eltern nicht wollen, obwohl der Rest ja eh schon läuft... Die Altersempfehlung hängt also ein wenig vom hormonellen Reifegrad und dem Interesse an Beziehungen ab. Wobei mir gut gefällt, daß Sina schon weiß, warum ihre Eltern dagegen sind, nämlich weil sie Carlos nicht kennen, ein Umstand über den Sina dann beginnt nachzudenken... Neben den Umweltaspekten, sind auch Beziehungswarnsignale eingearbeitet und sehr einfühlsam aufgearbeitet, so daß ich dieses Buch älteren Leserinnen so um die 14 Jahre sehr gut empfehlen kann.

Dieser Band erschien 2014, d.h. die Zahlen sind nicht nicht mehr alle ganz aktuell, heute ist es meistens noch viel drastischer, so sind nicht mehr nur 50 % des deutschen Waldes geschädigt, sondern sogar 90 % auf Grund der trockenen Sommer und der immer stärkeren Unwetter, nicht mehr gesund. Dennoch sind auch die Aspekte gedanklich aktuell, was der Einzelne tun kann, auch wenn ich 2019 eher zur LED-Lampe als zur Energiesparlampe greifen würde. Solche technischen Gedankenanpassungen schaffen Leser aber durchaus selbst. Sehr schön, fand ich auch die Autodiskussion von Sinas Eltern, über die Anschaffung eines neuen Dienstwagens, der noch vor dem Dieselskandal stattfand, aber durchaus Feinstaub und Co. berücksichtigt. In diesem Punkt finde ich es eher erschreckend, wie wenig sich in den letzten 5 Jahren getan hat, trotz der Konsumhaltung immer neues und immer mehr haben zu wollen. Wirklich saubere Autos gibt es immer noch nicht, denn der Strom kommt ja nicht aus der Steckdose! Auch die Stromgewinnung und die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden ist Stoff für einen Infokasten. Wer sich also für das Thema Umwelt interessiert, findet viele Infos und Anregungen, die auch den eigenen Alltag beeinflussen können. Wer sich mehr für Sina und ihr Liebesleben und ihre Freundinnen und sonstige Teeniesorgen interessiert, kann sie auch überlesen, was ich aber nicht empfehle. Die Infokästen stören die Lesbarkeit überhaupt nicht und die Geschichte bleibt weiterhin packend!

Als die Tierärztin die Wildkatze als solche entlarvt und auf die Chance des Nabu hinweist, dachte ich sofort: Oh ja, jetzt wird vor dem Verwaltungsgericht geklagt, das kann und darf der Nabu nämlich! Es werden zwar die juristischen Konsequenzen bei Demos und das Versammlungsrecht (so gut habe ich es in keinem meiner Bücher im Grundstudium erklärt gefunden) erörtert, aber die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden fehlt leider gänzlich. Gerade bei einer bedrohten Tierart wäre dies im Eilverfahren sehr vielversprechend für einen vorläufigen Baustopp. So ist die Rodung des Hambacher Forstes juristisch gestoppt worden und das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich ging nach nur 100 Tagen vom Netz, weil von der Genehmigung abgewichen wurde, und der Bau wegen einer tektonischen Platte um 1 m von der Genehmigung abweichend errichtet wurde. Manchmal, kann man große Umweltdinge, auch rechtlich lösen und erreichen. In der Liste der Öko-Berufe, über die Sina nach dem Abi nachdenken könnte, fehlt also eindeutig der Umweltrechtler (dafür braucht man einen langen Atem, es ist ein sehr trockenes und sehr langwieriges Rechtsgebiet, das dafür manchmal wahre Wunder wirken kann). Engagement lohnt sich, wie Sina und Yannis beweisen, ich habe nur etwas Bauchschmerzen, bei dem von ihnen gewählten Weg und legalere Mittel wären mir lieber gewesen. Der Zweck heiligt für mich nicht immer die Mittel. Für einen Roman ist so ein Rechtsstreit aber sicherlich etwas trocken und wenig mitreißend, da ist die gewählte Handlung schon interessanter. Im Übrigen gibt es aber sonst keinen Umweltaspekt der nicht behandelt wird.

Mit diesem Band wird die Geschichte von Sina abgeschlossen und abgerundet. Es ist klar, daß Sina, nach all ihren Umwegen und Krisen und Problemen schon ihren Weg finden wird und es wird ein guter sein. Pubertät ist eben auch die Zeit der Selbstfindung und das ist ihr gelungen. Ein toller Mix aus persönlicher Entwicklungsgeschichte und Ökoaufklärung - ein Thema, das uns alle angeht und die Generation „Fridays for future“ besonders bewegt.

Veröffentlicht am 04.08.2019

klaustrophobisches Setting, kniffelige Hochspannung

Die Tote vom Titlis
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Dies ist der 5. Fall des türkisch/schweizerischen Mordermittlers Cem Cengiz vom Luzerner Morddezernat (oder Abteilung Leib und Leben, wie es korrekt heißt). Nach Lilas spektakulärer Flucht sind Cem und ...

Dies ist der 5. Fall des türkisch/schweizerischen Mordermittlers Cem Cengiz vom Luzerner Morddezernat (oder Abteilung Leib und Leben, wie es korrekt heißt). Nach Lilas spektakulärer Flucht sind Cem und Staatsanwältin Eva sich nicht nur näher gekommen, sondern haben auch kurzentschlossen geheiratet. Ihr Flitterweekend (mehr Zeit bleibt nicht) verbringen sie in einem Luxushotel in Evas Heimatkanton. Zur Krönung des Wochenendes soll Cem sie mit der Kabinenbahn auf den Titlis begleiten. Der Türke in ihm, fühlt sich nicht vom Berg gerufen, sondern beäugt misstrauisch das aufziehende April-Unwetter über den Gipfeln. Dort oben ist Ausnahmezustand. Eine Schicki-Micki-Hochzeit ist ausgerechnet in der Eisgrotte geplant und ihr Benehmen ist schon vor dem Großevent so selbstverliebt, daß Cem und Eva über ihre eigene bescheidene Feier und echten Freunde beglückt sind. Bis sie einen Schuss aus der Eisgrotte hören. Sofort schalten sie von Romantik auf Berufsmodus um, sammeln die Handys aller Gäste ein, evakuieren den Tatort zur Spurensicherung, nehmen die Personalien auf und bringen Umstehende vom Berg. Doch das Unwetter kommt schneller als die Unterstützung aus dem Tal. So bleiben die frischvermählten Ermittler mit zwanzig Gästen und dem Personal auf dem Titlis zurück. Ein Albtraum wird wahr, denn es ist nicht alles Gold was glänzt und ein Mord, bleibt selten allein.

Ein Szenario das stark an Agatha Christie erinnert, mit einer ihr ebenbürtigen Auflösung, aber mehr Gewalt und Spannung. Dies ist kein Cosy-Crime trotz Hochzeitsgesellschaft. Der Berg ruft, aber nicht zum Tanz. Bereits von Anfang an spürt man die Spannung in der Luft, schon als Cem ganz zu Beginn mit einem Rüpel vor dem Hotelzimmer zusammen stößt. Bereits auf S. 30 fällt der erste Schuss und in dem rasanten Tempo geht es weiter. Statt eines kuscheligen Honeymoon-Weekends erwartet Cem und Eva ein klaustrophobisches Wochenende, bei dem die Nerven aufs äußerste gespannt werden. Das gilt auch für den Leser. Hinter meinem Sitz fuhr ein Krankenwagen (ohne Blaulicht) her und ich habe es nicht gemerkt, obwohl ich ihn erwartet habe. So versunken war ich in das Drama auf dem Titlis.

Das Einzige was mich etwas störte: Die Cousins der Braut sind eineiige Zwillinge. Forensisch betrachtet ein Albtraum, da sie identische genetische Fingerabdrücke haben, jedoch sind ihre echten Fingerabdrücke nicht identisch. Auch haben sie unterschiedliche Charaktere, die sich im Gesichtsausdruck widerspiegeln. Auf den ersten Blick ist es stets schwierig, sie zu unterscheiden, aber wer eineiige Zwillinge besser kennt, dem wird es immer gelingen, sie auseinander zu halten, das ist bei uns nicht nur Familie und Freunden geglückt, sondern auch Lehrern. An diesem Punkt schwächelt die Geschichte leider. Diese Zwillinge kleiden sich identisch und führen seit 20 Jahren ihre Mitmenschen an der Nase herum. Dafür gefällt es mir sehr gut, wie Monika Mansour es gelingt, dem Leser das in den Köpfen der Gesellschaft verankerten Misstrauen gegen Ausländer vorzuführen. Der Koch der Bergstation ist Syrer und jeder, bis auf seine Kollegen, die ihn besser kennen, ist versucht daran zu glauben, daß dieser in dieses Netz aus Intrigen, Verbrechen und Boshaftigkeit verstrickt ist. Bei dieser Hochzeitsgesellschaft ist nicht alles so wie es scheint. Die Charaktere sind mehrschichtig und bisweilen scheinen sie unergründlich zu sein. Wem können Cem und Eva vertrauen? Wen können sie um Kooperation bitten? Unschuldig kann eigentlich nur sein, wer neben ihnen stand, als sie den Schuss hörten. Auch bei nachfolgenden Taten scheint es unter derartigen Aspekten Ausschlusskriterien zu geben. Im Übrigen muss sich Cem auf sein Bauchgefühl verlassen, denn als Täter kommt eigentlich nur ein Mitglied der Hochzeitsgesellschaft in Frage, womit die Mitarbeiter entlasten wären und zur Kooperation geeignet. Denn wie sollen Cem und Eva es alleine schaffen, die immer unruhiger werdende Meute in Schach zu halten? Als noch eine 2. Leiche gefunden wird, wird die Lage noch verworrener und es ist klar, daß sie alle in Gefahr sind.
Die Auflösung entspricht wieder der meisterlichen Agatha Christie, allerdings mit mehr Action und Spannung. Der Täter hatte in seinem Plan alle möglichen Pannen und Probleme mit einbezogen, nur nicht die Möglichkeit, daß ein Kommissar einer Mordkommission und eine Staatsanwältin sofort vor Ort sein würden, um das Ruder an sich zu reißen. Neben der emotionalen Ausnahmesituation, die man mit Cem und Eva durchlebt, macht die Ungewissheit Cems Kollegen wahnsinnig. Sie wollen eingreifen und unterstützen, aber das Wetter und der Berg haben andere Pläne. Fast zu Untätigkeit verdammt, setzt dies innerhalb des Teams bemerkenswerte Kräfte und Entwicklungen frei.

Monika Mansour ist Schweizerin und das merkt man nicht nur bisweilen an den verwendeten Ausdrücken, die z.T. hinten im Glossar erklärt werden, es werden auch bisweilen Verben reflexiv benutzt, die im Hochdeutschen nicht reflexiv sind. Auch einige juristische (wahrscheinlich) Begriffe ließen mich rätseln, ich konnte nur schlussfolgern, daß der geladene Schauspieler ein Insolvenzverfahren am laufen hat oder eine Vermögensauskunft abgelegt hat. Es spielt keine große Rolle für die Auflösung des Falles, unterstreicht aber noch einmal das Lokalkolorit der Schweiz.

Man kann diesen 5. Fall ohne weitere Vorkenntnisse lesen, aber ich würde es dennoch nicht empfehlen. Zum einen lohnen sich die vorherigen 4 Fälle auf jeden Fall und die persönlichen Feinheiten machen in der richtigen Reihenfolge einfach mehr Spaß. Am Ende dieses Buches werden Cem und Eva von ihrer Vergangenheit eingeholt und somit kündigt sich anscheinend schon der nächste Fall an. Der offensichtlich politisch brisant, sehr persönlich und lebensgefährlich werden wird.

Fazit: unbedingt lesen, wieder absolut fesselnd und spannend und für diejenigen, die gerne Klatsch- und Tratschgeschichten in Illustrierten lesen, ein extra-Schmankerl wie sich diese selbst ernannte bessere Gesellschaft nahezu selbst zerfleischt.