Cover-Bild Kollisionen
19,95
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 377
  • Ersterscheinung: 22.08.2016
  • ISBN: 9783608980318
Florian Scheibe

Kollisionen

Roman
An einem Sommertag fährt die Architektin Carina mit dem Fahrrad die sechzehnjährige Punkerin Mona an. Für beide verläuft der Unfall glimpflich, und doch verknüpfen sich ihre Lebenswege auf dramatische Weise. Denn Mona ist schwanger – und Carinas Kinderwunsch seit Langem unerfüllt. Ein Roman über die Kollisionen unterschiedlicher Lebensentwürfe.

Carina und ihr Partner, der Journalist Tom, wohnen in einer Dachgeschosswohnung mit Blick über die Stadt. Dass der Park vor ihrer Haustür nicht der sauberste ist, stört sie genauso wenig wie die unmittelbare Nähe zur Drogenszene. Dort, unter der Hochbahn, lebt die sechzehnjährige Mona, seit sie von zu Hause abgehauen ist. Normalerweise gibt es zwischen beiden Welten nur wenige Berührungspunkte, doch nun werden sie auf schicksalhafte Weise zusammengeworfen: Denn während sich Carina und Tom seit Langem vergeblich ein Kind wünschen, ist Mona ungewollt schwanger … Scharfsichtig erzählt Florian Scheibe vom Zusammenprall sozialer Gegensätze, ohne dabei das Gespür für die inneren Nöte seiner Figuren zu verlieren. Mit einem Sinn für die bisweilen absurde Komik menschlichen Strebens entwirft er einen schillernden Gesellschaftsroman über die Konflikte unserer Gegenwart.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.06.2022

Lebenswege mit Kollisionen

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sind es, die Florian Scheibe in diesem Roman beschreibt, die Lebenswege von Carina und Mona vor allem, aber auch von Tom, Carinas Lebensgefährten. Es sind keine geraden Straßen, sondern eher verwinkelte ...

sind es, die Florian Scheibe in diesem Roman beschreibt, die Lebenswege von Carina und Mona vor allem, aber auch von Tom, Carinas Lebensgefährten. Es sind keine geraden Straßen, sondern eher verwinkelte Pfade - solche, die sich gegenseitig überkreuzen, aber auch sonst mit der ein oder anderen Gestalt, mit verschiedenen Ereignissen und erlebnissen kollidieren.

Dabei sind Carina und Tom zunächst sehr geradlinig unterwegs: es sind Karrieretypen, denen eigentlich nur eines im Weg steht, um uneingeschränkt glücklich zu sein: der unerfüllte Kinderwunsch. Und da soll kein Weg, keine Methode außer Acht gelassen werden, um diesen zu erfüllen, koste es, was es wolle!

Natürlich gibt es kleinere Unwägsamkeiten, die sich aber bislang immer gut ausräumen ließen - eine davon ereignet sich gleich zu Beginn der Geschichte: da nämlich kollidiert Carina mit Mona, einem 16 Junkie, die auch noch schwanger ist...

Und irgendwie ist dies der Beginn dafür, dass bei Tom und Carina so einiges aus den Fugen gerät, bei Mona ist dies ja sowieso schon der Fall.

Ja, es wäre eine gute Möglichkeit, eindringlich aufzuzeigen, wie die Welt eines Einzelnen durch die Verkettung unterschiedlicher - und beileibe nicht nur unglücklicher - Ereignisse mir nichts dir nichts aus den Fugen gehoben wird. Zwar nicht von Jetzt auf Gleich, aber doch in relativ kurzer Zeit.

Irgendwie passiert das aber nicht: die Verwinkelungen passen irgendwie nicht, sie sind so absurd un unlogisch, dass sie für mich nicht mehr passen, sie lassen die Figuren unglaubwürdig erscheinen.

Und das ist für mich in einem Roman, in dem exemplarisch Brüche aufgezeigt werden sollen (und das - so scheint es mir zumindest - war eines der Ziele) ein No-Go. Diese Verwicklungen, die zu einem zugegebenermaßen relativ runden Ende führen, sind nicht authentisch, sie sind extremst konstruiert und sehr weit hergeholt. Zudem jagt - gerade im Hinblick auf die Figuren Mona, Carina und Tom und deren Umfeld - ein Klischee das andere, was ich als ziemlich nervig empfand.

Vielleicht empfindet es nicht jeder so, denn der Roman ist durchaus angenehm geschrieben, Stil und Form passen, aber irgendwie wird aus meiner Sicht aus den vielversprechenden Ansätzen leider kein stimmiges Gesamtformat. Aber wie gesagt, das wird nicht jeder so sehen und ich möchte niemanden davon abbringen, sich selbst einen Einblick in dieses Berliner Stimmungsbild mit Veränderungen zu verschaffen!

Veröffentlicht am 12.12.2016

Gegensätzliche Welten

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An einem warmen Sommertag kollidiert das Fahrrad der Mittdreißigerin Carina mit der 16jährigen Mona. Ihre Leben weisen erstaunliche Parallelen auf: Carina wünscht sich schwanger zu werden, Mona ist es. ...

An einem warmen Sommertag kollidiert das Fahrrad der Mittdreißigerin Carina mit der 16jährigen Mona. Ihre Leben weisen erstaunliche Parallelen auf: Carina wünscht sich schwanger zu werden, Mona ist es. Erstere injiziert sich deswegen Hormone, letztere drückt ihr tägliches Quantum Heroin. Beide wohnen sie im selben Viertel, an entgegengesetzten Enden der sozialen Leiter und treffen im Laufe der nächsten Wochen und Monate immer wieder aufeinander.

Florian Scheibes Roman zeigt gute Ansätze, konnte meine Erwartungen jedoch nicht gänzlich erfüllen; immer wieder ist die Handlung leider zu vorhersehbar, zu klischeebeladen (ich denke hier z.B. an Toms Reaktion auf den gesteigerten Druck o.ä.), was mir doch ein bisschen den Lesespaß genommen hat. Die Gegensätze der beiden Frauen werden anhand verschiedenster Situationen dargestellt, die dann doch öfter mal völlig konstruiert wirken; nicht zuletzt, weil die beiden in der ach so großen Großstadt wohnen und sich mit einer Häufigkeit über den Weg laufen, die dann doch eher zu einem 100-Seelen-Dorf gepasst hätte. Scheibe greift aktuelle Themen auf, unbequeme Themen wie vorgetäuschte Toleranz, Armutsgefälle, Menschen, die durch soziale Raster fallen etc., nicht immer erlaubt er sich dazu jedoch mehr als einen oberflächlichen Blick, sodass der sozialkritische Aspekt dann doch schnell mal unter den Tisch fällt. Positiv bleibt mir Scheibes Erzählstil im Gedächtnis, sein Gespür für gelungene Szene- und Perspektivwechsel, sein flüssig zu lesender Stil. Ein Körnchen Wahrheit steckt in vielen seiner Aussagen, er hat sie jedoch für mich unter Wert verkauft.

Veröffentlicht am 23.10.2016

Dieses Werk lässt mich zwiegespalten zurück…

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Die gut verdienende Architektin Carina vermag nicht mehr rechtzeitig zu bremsen, als ihr die sechzehnjährige Mona unerwarteter Weise vor das Fahrrad läuft. Auf ihre Versuche, sie anzusprechen, reagiert ...

Die gut verdienende Architektin Carina vermag nicht mehr rechtzeitig zu bremsen, als ihr die sechzehnjährige Mona unerwarteter Weise vor das Fahrrad läuft. Auf ihre Versuche, sie anzusprechen, reagiert der Teenager ebenso wenig, wie auf ihr immer energischer werdendes Anstupsen. Doch irgendwann bemerkt Carina den Grund für das merkwürdige Verhalten des ihr unbekannten Mädchens: Offensichtlich steht sie unter dem starken Einfluss von Drogen. Nach dieser Feststellung steigert sich ihre Wut jedoch noch weiter, als sie auf die leichte Wölbung des Bauches aufmerksam wird.
Wieso wird ein obdachloser, jugendlicher Junkie schwanger, während sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Tom verzweifelt versucht, eine Familie zu gründen? Diese Ungerechtigkeit ist Carina unbegreiflich.
Und so fasst sie den Entschluss, dass Tom und sie sich untersuchen lassen sollen – länger möchte sie auf ein eigenes Kind nicht warten müssen. Nach den nicht ganz so rosig ausfallenden Untersuchungen entscheiden sich die beiden für eine Kinderwunschbehandlung.
Während das gut gestellte Paar mit aller Kraft versucht, ein Kind zu bekommen, ist Mona, die, von der Kälte in ihrem reichen Elternhaus aus der Bahn geworfen, auf der Straße lebt, Drogen nimmt, ungewollt schwanger geworden.
Es folgen weitere Kollisionen, welche dazu beitragen, dass sich Toms, Carinas und Monas Leben immer weiter verstricken, obwohl sich die Lebensentwürfe der drei zunehmend verändern.

Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, war ich auf das Buch sehr gespannt. Zum einen denke ich, dass das Thema des unerfüllten Kinderwunsches sehr viel Potential bietet und Raum für einen bewegenden Roman schafft und zum Anderen war ich der Überzeugung, dass die verschiedenen aufeinanderprallenden Lebenswelten zahlreiche weitere Möglichkeiten bieten, Kontraste darzustellen oder die Charaktere eine (Weiter-)Entwicklung durchlaufen zu lassen.
Als ich dann mit dem Buch begann, konnte ich bereits nach wenigen Sätzen in die Erzählung abtauchen. Der häufig bildhafte Schreibstil ermöglicht ein lockeres Lesen, sodass man bereits nach kurzer Zeit die 337 Seiten durch hat. Aufgebrochen wird dieses unbeschwerte Lesen meines Erachtens durch die ständigen Perspektivwechsel, denn sowohl Mona als auch Carina und Tom berichten aus ihrem Leben. Dabei geschieht Beschriebenes manchmal nacheinander, immerzu jedoch auch zur selben Zeit. Darüber hinaus weiß man nicht, aus welcher Perspektive gerade geschrieben wird, was bei mir des öfteren zu Verwirrung führte.
Sobald allerdings eindeutig wurde, um welchen Charakter und um welche Zeit es sich handelt, wurde der Abschnitt für mich wieder spannend. Da die unterschiedlichen Figuren eine individuelle Sicht auf die Welt haben, konnte man sich so ein besseres Bild von den Protagonisten machen und die Unterschiede in ihrem Leben besser erkennen.
Allerdings stellt mich die Figurengestaltung vor ein weiteres Problem: Auch wenn ich die Wut von Tom und Carina über den unerfüllten Kinderwunsch, auch aufgrund der meist in diese Richtung gehenden Beschreibungen, gut nachvollziehen konnte, wirkten weder ihr Verhalten noch ihre Gefühle so richtig stimmig auf mich. Denn sie verspüren keineswegs nur Wut, sondern ihr Zorn schlägt sich immer wieder sogar in aggressivem, ja sogar gewalttätigem, Verhalten wider. Für dieses gibt es aus meiner Sicht jedoch nie einen wirklichen Grund – keinen Auslöser, welcher ein solches Benehmen rechtfertigen würde.
Darüber hinaus verliert sich ihre Authentizität beim Zurückgreifen auf eine Vielzahl von Vorurteilen: Das glückliche Paar, welches bemerkt, dass es neben der Karriere auch noch etwas anderes, vielleicht sogar wichtigeres, gibt. Der Lebensgefährte, der, von dem unerfüllten Kinderwunsch und der entwürdigenden Diagnose bezüglich seiner Zeugungsfähigkeit, deprimiert, sich in eine Affäre mit einer jungen Kollegin stürtzt – und dann inflagranti von seiner Freundin erwischt wird. Die Liste könnte man noch ein ganzes Stück fortsetzten, darauf verzichte ich an dieser Stelle jedoch. Treten solche Klischees vereinzelt auf, ist das für mich keineswegs ein Störfaktor, häufen sie sich allerdings, verstärkt sich das Gefühl, etwas Konstruiertes zu lesen.
Des Weiteren waren mir sowohl Tom als auch Carina nach einer Weile des Lesens recht unsympathisch. Konnten mich ihre Verzweiflung und ihr Wunsch nach einem Kind am Anfang noch berühren, wurden sie mir irgendwann immer fremder und unverständlicher. Mir wurde zunehmend die karrierebezogene und auf eine gewisse Art unehrliche Weise der beiden zu präsent.
Mona hingegen, die zu Beginn als Junkie auftritt, der bereits im Jugendalter verloren zu haben scheint, gewinnt Seite um Seite. So weiß sie beispielsweise um den Vater, kann ihm davon erzählen und sich Gedanken zu ihrer (vielleicht gemeinsamen) Familie machen. Dabei entwickelt sie sich Stück für Stück zu einer jungen Frau.

So sind die Charaktere durchaus unterschiedlich und wandeln sich auch, aber jeder auf seine Art und keineswegs immer zum Besseren. Manche Handlungen erscheinen mir wie Trotzreaktionen, andere sind mir einfach so unverständlich, wiederum andere hingegen wirken stimmig auf mich. Der Schreibstil ist ansprechend und die Erzählweise bewirkt, dass die Seiten nur so fliegen. Die vielen Kollisionen wirken gekünzelt, da zwischendurch einfach zu dick aufgetragen wird.

Insgesamt lässt mich „Kollisionen“ zwiegespalten zurück, sodass ich auch für meine Bewertung genau die Mitte, also 2,5 Sterne, wähle.

Veröffentlicht am 15.10.2016

ein polarisierendes Buch

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Auf der einen Seite das priviligierte Paar Carina und Tom, die sich sehnlichst Nachwuchs wünschen und die, weil es auf natürlichem Wege nicht klappt, zu einer Kinderwunschbehandlung gehen.
Auf der anderen ...

Auf der einen Seite das priviligierte Paar Carina und Tom, die sich sehnlichst Nachwuchs wünschen und die, weil es auf natürlichem Wege nicht klappt, zu einer Kinderwunschbehandlung gehen.
Auf der anderen Seite steht Mona. 16 Jahre, drogenabhängig und schwanger.
Immer wieder - gerade zwischen Carina und Mona - kommt es zu Kollionen, ein Zusammenprall mit dem Fahrrad, ein zufälliges Treffen im Park, im Krankenhaus, vor dem Sexshop.....manchmal bewusst wahrgenommen, manchmal nicht.

Florian Scheibe erzählt in einem sehr flüssigen, sehr gut lesbaren Schreibstil, die Entwicklung der drei Protagonisten in ihrem jeweiligen Umfeld.
Absolut positiv ist dabei die perspektivischen Wechsel, ein Kapitel reiht sich ans nächste, immer wieder aus Sicht eines anderen Protagonisten. Dabei weiß man anfangs nicht immer, wer ist gerade gemeint, ein schöner Reiz, und vielfach werden die einzelnen Szenen der Kollisionen aus zwei Perspektiven erzählt. Dabei treten immer wieder große Unterschiede der Wahrnehmung auf. Jeder erlebt dabei das Ereignis etwas anders.

Ja - die Protagonisten.
Carina, die Architektin, die als Maklerin Luxus-Lofts verkauft, die unbedingt Kinder möchte und nicht schwanger wird. Die durch verschiedene Ereignisse immer mehr Bodenhaftung verliert (wenn sie denn jemeils welche hatte) und immer extremer wird.
Tom, ihr Lebensgefährte, Journalist, der durch die Erkenntnis, dass er zeugungsunfähig ist, aus alleln Wolken fällt und in eine Lebenskrise fällt.
Mona, die aus superreichem Hause stammt (Geld vorhanden, Liebe und Beachtung nicht), abgerutscht ins Drogenmilieu und auf die Straße, schwanger von Petr, einem rumänischen Punk und Hausbesetzer.
Symphatisch ist mir keiner geworden, Am ehesten vielleicht Mona, die es irgendwie schafft. Dennoch ist es gerade das Ende das micht nicht überzeugen konnte. Lange haben mich die Szenenwechsel, die Kollisionen überzeugen können, doch am Ende war mir vieles zu viel. Zu extrem, zu abgedreht, zu häufig, zu zufällig und identifizieren konnte ich mich mit keinem.
Es ist ein extrem von reich und arm, von zwei absolut differenten Lebensweisen. Das Verhalten von Monas Eltern, die Praktiantin, Petr und Co, das Drogenviertel und das Luxusloft, Die Asche in der Urne, das "saubere" Ende im Drogenumfeld.

Es steckt viel wahres in dem Roman, aber die Häufigkeit dieser extremen Begebenheiten macht es wieder unglaubwürdig .
Und wenn man die Masse an Kollisionen als einfach als gelungenes gestalterisches Element des Autors ansieht, ist es für mich die Aussage am "glücklichen" Ende, das für mich einfach nur ein Bild des Ballast abwerfens um glücklich zu sein, bedeutet, das mir nicht gefällt.

Fazit:
Sehr gut geschrieben, eine tolle Idee, gelungene Szenenwechsel, aber letztendlich war es ein Zusammenprall von Extremen, von Menschen, die auf beiden Seiten keinen Glauben, keinen Halt, keine Grenzen kannten, das war mir auf beiden Seiten zu extrem, da die Anhäufung es unglaubwürdig gemacht hat. Das Ende konnte mich dann nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 01.10.2016

5 Sterne für Idee, Bildhaftigkeit, parallele Konstruktion – insgesamt 3 wegen dominanter Klischees

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Von den Schnittpunkten von Parallelen in der unendlichen Ferne

Die Immobilienmaklerin Carina kollidiert auf ihrem Fahrrad mit Mona.
Carina will ein Baby – und wird nicht schwanger. Mona ist schwanger ...

Von den Schnittpunkten von Parallelen in der unendlichen Ferne

Die Immobilienmaklerin Carina kollidiert auf ihrem Fahrrad mit Mona.
Carina will ein Baby – und wird nicht schwanger. Mona ist schwanger – und will kein Baby. Carina hat Architektur studiert und arbeitet als Immobilienmaklerin, weil sich damit mehr Geld verdienen lässt. Im Moment verdient sie keines, weil sie Lofts verkaufen will in ihrer Wohngegend – dort werden die gut betuchten Wohnungsuchenden von Junkies, Dealern und Obdachlosen abgeschreckt. Mona ist Junkie und lebt irgendwo, in einem besetzten Haus, einer Obdachlosen-Unterkunft. Monas Hand zittert beim Setzen des nächsten Schusses, weil sie bereits auf Entzug ist. Carinas Hand zittert beim Spritzen der Hormone, um den Eisprung zu stimulieren. Carinas Mann Tom, Journalist, vergleicht aktiv: die Kabine im Sexshop, die Kinderwunschpraxis mit dem Raum, aus dem er mit der Spermaprobe wieder herauskommt – in beiden Fällen hat er einen Bildschirm mit Pornos, Zellstofftücher.

Bis hierher und noch etwas weiter fand ich den Roman fantastisch, ich mag, wie Autor Florian Scheibe mit Sprache spielen kann: S. 9 „Sie bremste mit aller Kraft und in alle Richtungen, mit Händen, Füßen und sogar mit dem Oberkörper. Ihr Vorderrad prallte auf etwas Schweres, Hartes, das zugleich weich und biegsam war. Erst trügerische Schwerelosigkeit: Schweben, In-der-Luft-Liegen, getragen vom Adrenalin. Dann der Aufprall: Wie ein Lappen, der in einer schnellen Bewegung über einen verkrümelten Frühstückstisch gezogen wird, schrammte sie mit ihrem Sommerkleid über die Straße, und ihre Haut griff willig nach dem winzigen Splitt, der den Asphalt bedeckte.“ Der Autor übertreibt es nicht mit dieser Bildhaftigkeit, dadurch wird man ihrer nicht überdrüssig.

Bis hierhin? Nun, leider bin ich danach enttäuscht worden: als Tom auf die Praktikantin "Soph" trifft, die Sex von ihm will, zu dem es nicht kommt – und dann, natürlich, doch, wegen der Frustration über die Reduzierung der eigenen Partnerschaft auf Nachwuchs, wobei, natürlich, Carina hereinplatzt. Das ist nur ein Beispiel, es wurde mir der Klischees zu viel. Tom schreibt in seiner Kolumne: „Wir alle trauen uns nicht, ehrlich zu sein. Wir sagen, dass wir in einer bunten, durchmischten Gesellschaft leben wollen, aber tatsächlich hört der Spaß bei einem Graffito an der Hauswand auch schon wieder auf. Wir sagen, dass der Wohlstand in der Welt ungerecht verteilt ist, aber dem Obdachlosen in der U-Bahn geben wir höchstens mal fünfzig Cent. “ S. 276 und so weiter – und so fort. Das ist so wahr wie es gleichzeitig Gutmenschentum im wahrsten Sinne als Schimpfwort ist: Wer wäre so verlogen, sich über ein Graffito an der EIGENEN Hauswand zu freuen?

Rettung vor dem Versinken im Klischee bietet mir ausgerechnet Mona, die ich zu Beginn des Romans nie für eine Identifikationsfigur gehalten hätte: ein sechzehnjähriger schwangerer rauchender Junkie, die das Kind nicht will und zunächst alles gegen die Schwangerschaft tut. Klarer als die „Erwachsenen“ um sie herum erkennt sie die Grenzen ihrer Möglichkeiten, bleibt im Realismus verankert; stark auch ihr „Notwehr-Ich“. 5 Sterne für die Idee, die Bildhaftigkeit, die parallele Konstruktion – aber nur 3 für die dominanten Klischees. Ich habe wirklich mehrere Tage UND eine Leserunde hindurch mit dem Resultat daraus gerungen, mich aber für die 3 Sterne insgesamt entschieden, bei 4 Sternen wäre mir zu sehr die Botschaft gewesen, es „fehle nur ein wenig“.

Ich werde mir das Debütbuch des Autors besorgen, weil ich an das glaube, was er an Handwerk zeigt – bei den Klischees hätte ich mir hier ein aufmerksameres Lektorat gewünscht.