Mittleres Mädchen
Dorf ohne FranzAls mittleres von drei Kindern und einziges Mädchen fehlt Maria von Anfang an die Liebe ihrer Eltern. Während der Vater den älteren Josef fördert, ist Nesthäkchen Franz der Liebling der Mutter. Maria indes ...
Als mittleres von drei Kindern und einziges Mädchen fehlt Maria von Anfang an die Liebe ihrer Eltern. Während der Vater den älteren Josef fördert, ist Nesthäkchen Franz der Liebling der Mutter. Maria indes muss stets fleißig zupacken am elterlichen Hof und auch später als Erwachsene alle Rollen als Ehefrau, Mutter, Hilfsarbeiterin und Altenpflegerin ausfüllen. Gibt es in einem österreichischen Dorf in den 1960ern tatsächlich keine andere Perspektive?
Titelbild und Klappentext laden ein auf spannende Erinnerungen der Ich-Erzählerin. Was den Leser dann tatsächlich erwartet, ist jedoch ein wenig ernüchternd. Maria sitzt in der Kirchenbank und sieht den Herrn am Kreuz an, hadert wohl mit ihrem Schicksal, fügt sich diesem aber im nächsten Moment klaglos, um wenig später eine Entscheidung zu treffen. Wie es dazu kommt, das erfährt man sogleich anhand einer monologähnlichen Schilderung der vergangenen Jahrzehnte. Maria berichtet über ihre Kindheit, das Gefühl, neben den Brüdern „übersehen“ worden zu sein, die List, sie vom Erbe auszuschließen mittels untergejubelter Verzichtserklärung, sodass sie wie selbstverständlich immer nur wie eine Magd für alle anderen zu funktionieren hat.
Verena Dolovais Erzählstil ist knapp und karg, spiegelt Marias Leben wohl sehr gut wider. Direkte Reden sind selten und in Kursivschrift nahtlos in den Text eingebettet, sodass sie sich unauffällig in den nüchternen Text einfügen anstelle für Lebendigkeit zu sorgen. Charaktere und ein enges Dorf als Schauplatz sind einerseits gut dargestellt, rufen aber beim Lesen keinerlei Gefühlsregung bei mir hervor. So bleibt mir Marias Tun über die gesamte Geschichte hin fremd und auch die Wende, welche die Handlung am Ende nimmt, gleicht einer Illusion und überzeugt mich nicht so recht.
Fazit: ein interessantes Thema, das auf besondere stilistische Weise aufgegriffen wird, aber für mich kaum Nähe zu den Geschehnissen zulässt. Drei von fünf Sternen.