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Veröffentlicht am 15.04.2023

Urlaubskrimi mit viel Portugal-Feeling

Südlich von Porto lauert der Tod
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Mit "Südlich von Porto lauert der Tod" hat Mariana da Silva einen Cozy Krimi mit viel Portugal Feeling sowie Schlenkern zu den kulinarischen Verlockungen des Landes am Atlantik (Ich sage nur, Pasteis ...

Mit "Südlich von Porto lauert der Tod" hat Mariana da Silva einen Cozy Krimi mit viel Portugal Feeling sowie Schlenkern zu den kulinarischen Verlockungen des Landes am Atlantik (Ich sage nur, Pasteis de nata.... mmmmmm) geschrieben. Dabei ist ihr der landeskundliche Teil in meinen Augen deutlich besser gelungen als der Krimi-Plot und die Protagonistin, bei der ich mir ein bißchen weniger larmoyanten Blick zurück auf die offenbar traumatisierende Vergangenheit bei der Stuttgarter Kripo gewünscht hätte. Denn wirklich erklärt wird nicht, was Ria Almeida so nachhaltig schockte, dass sie sich in den Streifendienst versetzen ließ, mal abgesehen von der unharmonisch ausgegangenen Affäre mit dem Vorgesetzten.

Doch jetzt ist Stuttgart weit, Ria ist zu Besuch im Dorf, aus dem ihre Familie stammt. Der Tod und die Beerdigung des Großvaters sind der Anlass, eine längere Auszeit bei der Familie zu nehmen. Als eine tote Restauratorin gefunden wird und die Leiche kurz danach verschwindet, werden aber auch Rias Ermittlerinnen-Instinkte wieder geweckt. Kurzentschlossen unterstützt sie Joao, den Mann ihrer Cousine, der Dorfpolizist des Dorfes ist. Mordermittlungen gehörten bisher nicht zu seinem Erfahrungsschatz. Als der eher arrogant auftretende Ermittler aus der Stadt dazukommt, tun sie einfach so, als gehöre auch Ria zur örtlichen Polizei. Wie der Leser schon ahnt, die kleine Lüge wird noch Folgen haben.

Es geht um Kunst, Tourismus und Wirtschaftsaufschwung, um politische Ambitionen und private Passionen, aber irgendwie kratzt der Plot nur an der Oberfläche, da die Autorin sich übertrieben viel Zeit für ihre Protagonistin nimmt, die für eine erfahrene Ermittlerin irgendwie ziemlich unsicher, emotional und unanalytisch wirkt. Die Stimmungsschwankungen und Selbstzweifel Rias sind für mich dann irgendwann zuviel des Guten, die Beziehungen und Entwicklungen der Figuren lassen wenig Raum für Überraschungen und nur das Portugal-Ambiente versöhnt mit dem kriminalistischen Teil des Buches, das eher durchschnittlich gerät.

Nette Idee der Autorin ist, jedem Kapitel ein landeskundliches Schnipselchen voranzustellen und dann irgendwie im Text unterzubringen.

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Veröffentlicht am 15.04.2023

Kluger Beitrag zur Israe- - und Nahostdebatte

Über Israel reden
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Dass das deutsch-israelische Verhältnis ein ganz besonderes ist, ist angesichts der historischen Hintergründe wenig verwunderlich: Hier der Nachfolgestaat von Nazi-Deutschland, zu dessen historischem ...

Dass das deutsch-israelische Verhältnis ein ganz besonderes ist, ist angesichts der historischen Hintergründe wenig verwunderlich: Hier der Nachfolgestaat von Nazi-Deutschland, zu dessen historischem Erbe nicht allein der Mord an sechs Millionen deutschen und europäischen Juden gehört, sondern auch die Verantwortung all jener, die vielleicht nicht gemordet, aber zugelassen und weggeschaut haben. Dort der von Holocaust-Überlebenden gegründete Staat, der von Tag Eins an um das Überleben kämpfen musste, dessen Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten und Behandlung der arabischen Minderheit im eigenen Land auch in Deutschland auf Kritik stoßen.

Dazu die wiederholte Äußerung deutscher Politiker, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsraison. Israel fasziniert, sorgt für Kontroversen, weit weg von Gaza und Ramallah werden auch in Berlin oder Frankfurt polemische Debatten mit verhärteten Fronten pro oder gegen Israel geführt. Wie also umgehen mit einem Land, das vier Flugstunden entfernt liegt und doch so viele Nerven berührt? Ein kluger, sachkundiger, zum Nachdenken anregender Beitrag zu der Debatte ist Meron Mendels vor wenigen Wochen erschienene Buch "Über Israel reden".

Es dürfte wenige Autoren geben, die hier mit so viel Sachkunde mitreden können wie der Historiker und Pädagoge: Meron Mendel ist gebürtiger Israeli, in einem Kibbuz aufgewachsen, seit seiner Jugend politisch engagiert. Als Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank hat er die Einrichtung weit über die Grenzen Frankfurts bekannt gemacht. Die Bildungsstätte ist ein Ort von Diskurs und Diskussionen, von Demokratieförderung und Aufklärung, von Debatten über Antisemitismus, Rassismus oder Islamfeindlichkeit. Auch in der Debatte über Antisemitismus auf der documenta hat sich Mendel klar zu Wort gemeldet.

In seinem Buch beschreibt und analysiert Mendel die diversen Echoblasen der pro- oder antiisraelischen Gruppen, entlarvt antisemitisches Gedankengut und Stereotypen auch bei denen, die erklären, auf der "guten" Seite zu stehen. Doch was ist gut in Fragen, die auch die israelische Gesellschaft schon lange entzweien? Kann ein unkritisches, unverbrüchliches Bekenntnis zu Israel in der aktuellen politischen Situation des Landes womöglich gerade jene extremistischen Kräfte stärken, die Teil der neuen Regierungskoalition sind und etwa mit der umstrittenen Justizreform den einzigen wirklich demokratischen Staat im Nahen Osten schwächen können? Und ist - gerade in Deutschland - bei denjenigen, die Israel Apartheid oder gar einen Holocaust an den Palästinensern vorwerfen, nicht eine Flucht aus der eigenen historischen Vergangenheit mit dem Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr zugange?

Ob BDS, unkritische Israel-Liebhaber oder ebenso mit Scheuklappen versehene Palästinenser-Versteher - Parolen und Herdenmentalität werden hier auf allen Seiten entlarvt. Zugleich ist das Buch eine Einladung zu einer offeneren und weniger von der jeweiligen Ideologie geprägten Debatte. Hier hat ein kluger Kopf ein kluges Buch geschrieben, das hoffentlich viele Leser findet - egal, wie sie zu Israel stehen.

Veröffentlicht am 07.04.2023

Liebenswerte Pechvögel als Detektive

Die Hausboot-Detektei – Tödlicher Grund
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Immer, wenn ich in Amsterdam an den Grachten entlangspaziere, blicke ich auf die dort lagernden Hausboot und stelle, mir vor, wie schön es sein muss, auf so einem Boot zu leben. "Die Hausboot-Detektei" ...

Immer, wenn ich in Amsterdam an den Grachten entlangspaziere, blicke ich auf die dort lagernden Hausboot und stelle, mir vor, wie schön es sein muss, auf so einem Boot zu leben. "Die Hausboot-Detektei" von Amy Achterop weckte also gleich mein Interesse. Und tatsächlich habe ich diesen Cozy-Krimi mit großem Vergnügen gelesen, was vor allem an der liebenswerten Detektivgruppe liegt, die teils Außenseiter und Pechvögel sind, an der Liebe oder dem Leben gescheitert und die der Ex-Polizist Arie und Chef-Detektiv um sich gesammelt hat.

Arie ist der einzige Profi der Gruppe, aber seit er seinen früheren Partner und einst besten Freund im Bett mit seiner Frau überrascht hat, ist nicht nur die Ehe vorbei, sondern auch die Polizeikarriere. Maddie, kampfsporterfahren und mit Anger issues, kümmert sich um ihre jüngere Schwester, die das Down-Syndrom hat und davon träumt, Modedesignerin zu sein. Dann ist da noch Transmann Jan, mit Hipster-Bart und großem Herzen, der sich immer noch vergeblich danach sehnt, von der eigenen Familie anerkannt zu werden, die nach einer gescheiterten Liebe unter Schreibblockade leidende schwedische Krimiautorin Elin und der Engländer Jack, der mal Ingenieur war, aber jetzt nicht so recht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll.

Alles in allem also vielleicht nicht die qualifizierteste Detektivtruppe, auch wenn sie zwecks Mitarbeiterschulung auf dem Hausboot stundenlang Miss Marple-Filme schauen oder sich um das verwaiste Eichhörnchen Fru Gunilla kümmern, das vor allem von Jan liebevoll aufgepäppelt wird.

Dennoch kommen die Hausboot-Detektive, deren Schiff noch nicht einmal von einem Firmenschild geziert wird, schon bald an ihren ersten Fall. Man könnte auch sagen, es handelt sich um Industriespionage auf Sternen-Küche-Niveau. Denn zur Hochzeit seiner Tochter will ein Unternehmer zwischen zwei Spitzengastronomen wählen. Die sollen ihn zunächst aber mit einem außergewöhnlichen und noch nicht dagewesenen Dessert überzeugen.

Was die Polizei nicht weiß, die Leser aber schon sehr viel früher: Die beiden Gastronomen spielen gewissermaßen mit gezinkten Karten und haben so einiges zu verbergen. Die Hochzeit dürfte allen beteiligten in der Tat unvergesslich werden, allerdings nicht unbedingt aufgrund des besten Erinnerungen.

Turbulent geht es bei den Ermittlungen jedenfalls nicht nur wegen des temperamentvollen Eichhörnchens zu. Dieser Cozy-Krimi überzeugt mit seinen liebenswert-schrägen Figuren, die man beim Lesen richtig lieb gewinnt. Ich bin jedenfalls auf das nächste Abenteuer der Hausboot-Detektei gespannt. Hier kommt es weniger auf einen ausgefeilten, raffinierten Plot an als auf das Zwischenmenschliche. Zugleich ein Buch, das Toleranz und Inklusion groß schreibt, ganz ohne missionarischen Eifer, aber pragmatisch und mit warmem Humor. Spielt zwar in Amsterdam, erzeugt aber hyggelige Gefühle!

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Safari, Digitalisierung und Ubuntu

Gebrauchsanweisung für Tansania
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Eines wird schnell klar beim Lesen von Monika Czernins "Gebrauchsanweisung für Tansania": Die Autorin ist begeistert von dem ostafrikanischen Land und seinen Menschen, berichtet voller Begeisterung von ...

Eines wird schnell klar beim Lesen von Monika Czernins "Gebrauchsanweisung für Tansania": Die Autorin ist begeistert von dem ostafrikanischen Land und seinen Menschen, berichtet voller Begeisterung von Erlebnissen und Begegnungen in dem Land, das sie seit 20 Jahren immer wieder bereist. Für alle, die das "Afrikafieber" selbst kennen, also eine Lektüre, die die Zeit bis zur nächsten Reise ein bißchen verkürzen kann mit Erinnerungen, die vielleicht bekannt klingen.

Von den großen Seen im Westen über den Northern Safari Circuit mit Serengeti und Ngorongoro geht es bis hin zur Metropole Daressalam am Indischen Ozean und natürlich auf die Insel-Archipel um Sansibar und entlang der Küste. Die Autorin, die ihre Leser mit der "wir"-Ansprache gewissermaßen mitnimmt, bemüht sich auch, Kultur und Gesellschaft nahe zu bringen, wobei sie meiner Meinung nach die Lobpreisung des Ubuntu, des Prinzips von Gemeinschaft, etwas übertreibt und eine verklärte Sicht auf die Gesellschaft hat. Meiner Erfahrung nach ist das keineswegs auf das "Große Ganze" anzuwenden, sondern gilt in der Familien- und Dorfgemeinschaft, wobei es auch dort durchaus eifersüchtige Besitzstandswahrung geben kann und keineswegs alles bereitwillig geteilt wird.

Erfreulich ist, dass Czernin manchem Stereotyp der verarmten Afrikaner entgegen zu wirken versucht. Es gibt ja viele Touristen, die glauben, sie müssten Bonbons, Kugelschreiber und alte Kleidung an Hotelpersonal oder wildfremde Kinder verteilen "weil die Menschen in Afrika so arm sind". Czernin beschreibt die aufstrebende Mittelschicht, Unternehmergeist und digitales Wachstum, das nicht nur in Tansania, sondern in der gesamten Region verbreitet ist. Dass es dann immer hip, lässig und international urban mit Protagonisten in Dreadlocks zugeht, ist hingegen ein bißchen ein Tunnelblick - von der häufig ausgesprochen konservativen Gesellschaft, nicht nur auf den Dörfern, sondern auch in den Großstädten, auch in der Mittelschicht, ist jedenfalls weniger die Rede.

Abgesehen von den störenden langen Schachtelsätzen macht es dennoch Spaß, die Autorin zu begleiten auf ihrer Reise und Anregungen für künftige Besuche mitzunehmen. Wer noch nie in Tansania war und sich nach der Lektüre des Buches auf den Weg machen will, könnte dennoch einen Schock erleiden, denn in der "Gebrauchsanweisung" ist von Geld eher oberflächlich und nicht in konkreten Zahlen die Rede.

Denn Tansania ist ein teures Reiseland, der Safaritourismus schlägt im Geldbeutel deutlich mehr ein Loch als in Kenia oder Südafrika (wo es auch nicht unbedingt billig ist). Wenn die Autorin dann ausführlich ein kleines Öko-Hotel auf einer der etwas abgelegeneren Inseln vorstellt (mit dessen Eigentümern sie freundschaftlich verbunden ist und die Rundreise unternimmt), werden keine Preise genannt. Auch das Safari-Camp, das nur jeweils eine Handvoll Gäste aufnimmt und so sicherlich ein ursprünglicheres Safari-Gefühl bietet als eine Lodge mit 200 Gästen, dürfte seinen Preis haben. Für Afrika-Neulinge und Tansania-Interessierte wäre es sicherlich wesentlich transparenter, wenn etwa im Anhang Preisbeispiele genannt worden wären.

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Veröffentlicht am 06.04.2023

Tod eines Bürgermeisters

Ostseenebel
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Leichenfunde können die Urlaubsstimmung verderben. Vor allem, wenn man ohnehin einen Haufen persönlicher Probleme mit sich herumschleppt, so wie Alva Dohrmann, deren Urlaub auf einem Dorf an der Ostsee ...

Leichenfunde können die Urlaubsstimmung verderben. Vor allem, wenn man ohnehin einen Haufen persönlicher Probleme mit sich herumschleppt, so wie Alva Dohrmann, deren Urlaub auf einem Dorf an der Ostsee in Eva Almstädts Roman "Ostseenebel" ein jähes Ende nimmt. Statt dessen sieht sie sich der Lübecker Kommissarin Pia Korittki im nunmehr 18. Fall der Serie dieser Ostsee-Krimis gegenüber. Und da die Lübecker Kollegen noch in einen anderen größeren Fall eingebunden sind, muss sie mit der örtlichen Polizei ermitteln. Insbesondere der örtliche Revierleiter Holger Jansen ist anfangs wenig erfreut, die Großstadtpolizisten vor die Nase gesetzt bekommen.

Bei dem Toten handelt es sich um den Dorfbürgermeister, zu Lebzeiten ein echter Unsympath - so viel erfahren die Ermittler schnell. Andere Geheimnisse des Dorfes werden wesentlich länger verschwiegen. Zudem verschwindet Alva Dohrmann, die sich als Zeugin eigentlich weiter zur Verfügung halten sollte, eine weitere Leiche wird gefunden und es wird schnell klar, dass nicht alle mit offenen Karten spielen. So legt die Autorin eine Reihe falscher Spuren, die aber zu Nebenhandlungen führen, die am Ende nicht allesamt aufgelöst werden.

Wie bereits in den vorangegangenen Büchern wird dem Privatleben der Kommissarin viel Raum gegeben, wobei der alleinerziehenden Mutter bei den Ermittlungen fernab von Lübeck wenig Zeit für den siebenjährigen Sohn bleibt wie auch für ein klärendes Gespräch mit ihrer on-off-Beziehung Marten vom Kieler Landeskriminalamt.

Die Auflösung des Plots im letzten Teil des Buches kommt dann fast überstürzt und mit einem Alleingang Korritkis, der zwar für zusätzliche Dramatik sorgt, in der realen Polizeiarbeit aber ein absolutes no go wäre. Ich empfinde das immer als etwas störend, vor allem, da Almstädt ansonsten durchaus die Polizisten so ermitteln lässt, wie das eben in einer Behörde der Fall ist.

Ein bißchen habe ich den Eindruck, dass der Autorin im nunmehr 18. Band ein wenig die Luft und vielleicht auch die Lust ausgeht, zumal sie eine zweite Buchreihe begonnen hat und dort im Herbst ein weiterer Titel fällig ist. Ist "Ostseenebel" womöglich vor allem den Fans von Pia Korrittki geschuldet? Ich habe jedenfalls schon bessere Bücher der Reihe gelesen.

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