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Veröffentlicht am 07.04.2024

Neues Leben

Und dann sind wir gerettet
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Und dann sind wir gerettet, ein unglaublich ergreifend und emotionaler Roman der Autorin Alessandra Carati.

Es ist im April 1992 als sich die junge Familie entschließt aus dem ehemaligen Jugoslawien zu ...

Und dann sind wir gerettet, ein unglaublich ergreifend und emotionaler Roman der Autorin Alessandra Carati.

Es ist im April 1992 als sich die junge Familie entschließt aus dem ehemaligen Jugoslawien zu fliehen. Fatima ist hochschwanger und kommt aus einem kleinen bosnischen Dorf indem sie ihre Eltern zurück lässt. Dabei ist die kleine Aida die die Flucht hautnah miterlebt. Kurz vor der Grenze treffen sie dann auf den Vater und planen ein neues Leben in Mailand...

Ein ganzes Leben vor und danach. Erinnerungen über die Jahrzehnte geschildert und zum Thema die Verarbeitung eines Kriegstrauma und die Eingliederung in ein neues Leben.

Sehr ergreifend, berührend und poetisch geschrieben. Ein tolles Buch das lange nachwirkt.

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Cheesecake0112s avatar
Cheesecake0112vor 2 Tagen
Kurzmeinung: Mir war es zu oberflächlich geschrieben
Mir fehlte es an Tiefe
Die ersten 100 Seiten haben mir gar nicht gefallen. Es las sich alles irgendwie so herunter ratternd. Als wäre diese Erzählung eine Aufzählung an Ereignissen.

Erst ab Seite 150 sprach mich das Buch an und erweckte einige Emotionen in mir. Im gesamten Buch bekam ich dreimal Feuchte Augen.

Leider konnte ich nicht wirklich Bezug zu den Figuren aufbauen weil es sich eben nicht so schön gelesen hat wie ich es von einem Roman erwarte.

Inhaltlich befinde ich mich auch im Zwiespalt. Ich verstehe schon den Hintergrund des Buches, hätte mir es aber intensiver und detaillierter gewünscht.

Einige Ereignisse waren vorhersehbar.



Zitat: "...zeigt die Verwüstungen auf, die der Krieg in einem ganzen Volk bis hinein in die Psyche jedes Einzelnen anrichtet."



Ja, das Verhalten von Fatima, Damir und Aida sind nachvollziehbar. Nachdem was sie erleben mussten. Allerdings finde ich es unangebracht dass die Krankheit von Ibro auf den Schultern der Eltern und der Auswirkungen des Krieges lastet. Ibro ist gar nicht in Bosnien geboren. Die Familie hatte die Flucht schon hinter sich. Da ich selber Mutter eines besonderen Kindes bin, finde ich es ebenso unmöglich dass dargestellt wurde, die Eltern seien schuld an seiner Krankheit. Es wurde ja gar nicht richtig aufgeklärt. Daher für mich fehlerhafte Informationen. Als Thema also unpassend so ineinander greifend mit dem Krieg und seiner Nachwirkungen. Passt für mich nicht zusammen.

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Alice21s avatar
Alice21vor 4 Tagen
Kurzmeinung: Eine bewegende Reise durch die Wirren des Krieges und die Kraft der menschlichen Resilienz.
Eine bewegende Geschichte von Überleben und Wiederaufbau
"Und dann sind wir gerettet" von Alessandra Carati ist ein Buch, das nicht nur fesselnd und emotional berührend ist, sondern auch eine tiefgreifende Perspektive auf die Auswirkungen des Krieges bietet. Trotz seines schlichten Covers verbirgt sich hinter diesem Buch eine Geschichte von Überleben, Verlust und Wiederaufbau, die den Leser von der ersten Seite an mitreißt.


Die Handlung beginnt im April 1992, als Aida gerade einmal sechs Jahre alt ist und der Krieg das ehemalige Jugoslawien zerstört. Das kleine bosnische Dorf, in dem sie lebt, wird von den Grausamkeiten des Konflikts heimgesucht, und Aida und ihre Eltern sehen sich gezwungen, eine abenteuerliche Flucht anzutreten. Sie landen schließlich in Mailand, wo Aidas Bruder Ibro geboren wird. Doch das neue Leben in einem fremden Land ist geprägt von Trauer, Verlust und der unermesslichen Leere, die der Krieg hinterlassen hat.


Carati entführt den Leser auf eine Reise durch die Kindheit und Jugend von Aida und ihrem Bruder Ibro, während sie in einer Welt aufwachsen, die von den Schrecken des Krieges gezeichnet ist. Die Autorin schafft es auf einfühlsame Weise, die Verwüstungen darzustellen, die der Krieg nicht nur in einem ganzen Volk, sondern auch in der Psyche jedes Einzelnen anrichtet. Durch die Augen der Protagonisten erlebt der Leser hautnah mit, wie der Krieg ihre Heimat auslöscht und ihre Familie auseinanderzureißen droht.


Was dieses Buch so außergewöhnlich macht, ist nicht nur die eindringliche Darstellung der Ereignisse, sondern auch die zarte Hoffnung, die trotz allem in den Herzen der Protagonisten weiterlebt. Carati zeigt auf eindrückliche Weise, wie Menschen selbst in den dunkelsten Zeiten ihre Menschlichkeit bewahren und sich gegenseitig unterstützen können, um gemeinsam durchzuhalten.


Das Cover jedoch sieht leider sehr langweilig aus und da hätte man bestimmt noch ein paar Details einbauen können, was das Buch noch hervorheben könnte. Den so finde ich das Cover einfach nichtssagend Uhr unpassend zur Geschichte.


Hinter dieser schlichten Fassade verbirgt sich jedoch eine Geschichte, die tief in die Herzen der Leser eindringt und noch lange nach dem Zuklappen des Buches in Erinnerung bleibt.

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GLs avatar
G
Lvor 5 Tagen
Kurzmeinung: Einfühlsame Geschichte über den Umgang mit Kriegstraumata
Berührende Geschichte über das Leid der Überlebenden
Der Roman "Und dann sind wir gerettet" erzählt die Geschichte von Aida und ihrer Familie, die vor dem Jugoslawienkrieg nach Italien fliehen müssen. Das Trauma von Krieg und Flucht prägt das Leben von Aida nachhaltig. Besonders bedrückend ist der Zustand ihrer Mutter, den die junge Aida kaum begreifen kann. Die Autorin zeigt einfühlsam, wie Aida in Italien schon bald zwischen zwei Welten lebt.
Aidas Familie findet Hilfe und die enge Beziehung zu Emilia, obwohl von ambivalenten Motiven geprägt, spielt eine zentrale Rolle in ihrer Integration in die italienische Gesellschaft. Die Entscheidung zwischen zwei Heimaten und Identitäten wird für Aida immer drängender. Die Vernachlässigung der Schule durch geflüchtete Jugendliche aus Hoffnung auf Rückkehr in ihre Heimatländer wird ebenso wie Aidas persönlicher Kampf mit den eigenen Bedürfnissen und Verantwortlichkeiten authentisch dargestellt.

Die realistische Darstellung der Hilflosigkeit der Familie und die Unterstützung von außen, die das Innenleben der Familie nicht verstehen und dementsprechend nicht helfen kann, zeigen eindringlich die Einsamkeit im Umgang mit solchen Herausforderungen auf. Dazu trägt außerdem die poetische und einfühlsame Sprache der Autorin bei, welche die Auswirkungen des Krieges auf individueller Ebene greifbar macht, ohne explizit zu erklären.

Insgesamt überzeugt "Und dann sind wir gerettet" durch seine einfühlsame Darstellung der Flucht, der schwierigen Integration in einer fremden Gesellschaft und des familiären Dramas. Die poetische Sprache und die detaillierten Charakterstudien machen den Roman zu einem berührenden Leseerlebnis, das die Leser:innen auf eine emotionale Reise mitnimmt. Dabei schafft es die Autorin, die Schwere des Themas immer wieder auch mit einer gewissen Leichtigkeit zu erzählen, ohne dabei die tiefgreifenden Auswirkungen des Krieges zu vernachlässigen.

Das Buch wurde zudem durch die Europäische Union gefördert - was für eine gute Erinnerung, wählen zu gehen, damit solche Projekte bestehen bleiben und für Verständigung unter den Menschen sorgen können.

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Klugscheissers avatar
Klugscheisservor 6 Tagen
Kurzmeinung: Rezension 1. Teil: Kritik an Erscheinung und Form
Rezension Teil 1: Erscheinung und Form
Und dann sind wir gerettet



Rezension Teil 1: Äußere Erscheinung und Aufbau

Da ich das Buch noch nicht zu Ende gelesen habe, gibt es nun erstmal meine Kritik an Erscheinung und Aufbau.

Ich danke für die Zusendung des Rezensionsexemplares, denn die Wahrscheinlichkeit, daß ich dieses Buch in der Buchhandlung in die Hand genommen hätte, tendiert gegen Null.

Wie so viele kleinere Verlage scheint auch der NONSOLO-Verlag der Meinung zu sein, daß es bei einem Buch nur auf den Inhalt ankommt und die äußere Erscheinung des Buches von sekundärer Bedeutung ist.

Das wäre dann etwa wie ein Spitzenkoch der sein Menü direkt auf ein Kantinentablett klatscht.

Die einzige, aber auch große Chance, daß man sich als Leser für Bücher unbekannter Autoren interessiert, liegt in der äußeren Erscheinung des Buches.

Daß dies eine unbestrittene Tatsache ist, sieht man an den vielen Büchern die mich als Leser durch ihre Gestaltung (OMG Farbschnitt!) magisch anziehen, bis ich feststelle, daß der Inhalt für die Tonne ist.

Wenn einen die wirtschaftlichen Gegebenheiten dazu zwingen „nur“ ein Taschenbuch herauszugeben, dann besteht die einzige Chance darin, mit einer Cover-Illustration das Interesse des Lesers zu wecken. Im besten Falle so, daß er mit einem Blick sieht, worum es in diesem Buch geht und es für vielversprechend hält.

Ein weinendes Kind hinter Stacheldraht oder die Mutter, die mit dem Kind im Arm flieht, im Hintergrund Rauch und Soldaten. Oder der nächtliche Wald mit Silhouetten und Taschenlampenkegeln.

Es hätte auch eine Kinderzeichnung genügt, die zum Ausdruck bringt, was den Leser erwartet.

Der Kosten wegen muß so eine Illustration gar nicht aufwändig farbig ausgeführt sein, eine gute Zeichnung würde genügen.

Zu reißerisch ? „Sowas haben wir doch nicht nötig !“

Na gut, wenn schon keine Illustration, dann muß aber die typographische Gestaltung des Covers Top sein !

Die Covergestaltung des hier vorliegenden Buches hätte vermutlich bei einem Wettbewerb den Sonderpreis für die langweiligste und nichtssagendste Buchgestaltung bekommen.

Nun zur inhaltlichen Form:

Hier hätte ich mir ein Vorwort gewünscht, damit ich weiß, was ich eigentlich in Händen halte:

Vorwort

Die Autorin hat die Erlebnisse einer bosnischen Schülerin in einen Roman gegossen. Dieser besteht aus vier Teilen. Jeder beschreibt ein bis zwei Jahre. Zwischen den einzelnen Teilen wird jeweils ein Zeitsprung von zehn Jahren gemacht.

Die den einzelnen Teilen vorangestellten Zitate mögen in anderem Zusammenhang passend sein, hier sehe ich leider keinen Bezug zum Inhalt des jeweiligen Abschnittes.

Wie beim Lesen vieler übersetzter Werke bin ich auch bei diesem Buch ständig am Überlegen, ob die Übersetzerin gut oder schlecht ist, wenn mir stilistisch etwas missfällt.

Wenn man die Übersetzerin nicht bereits von anderen Büchern her kennt, hat man leider kaum eine Chance festzustellen, ob Defizite in der Ausdrucksweise, wie z.B. die Holprigkeit eines Textes oder unpassende Floskeln, der Autorin oder der Übersetzerin anzulasten sind.



Wenn ich das Buch fertig gelesen habe, folgt der zweite Teil meiner Rezension, dieser betrifft dann den Inhalt.

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galaxauras avatar
galaxauravor 7 Tagen
Kurzmeinung: Das Buch hat für mich bis zum letzten Satz einfach alles eingehalten, was ich mir von einem Buch nur wünschen kann.
Ein Leben mit einer ständig aufgeklappten Schere im Herzen
„Und dann sind wir gerettet“, das Romandebut von Alessandra Carati, erschienen 2023 im nonsolo Verlag, ist eines dieser seltenen Bücher, die mensch nicht mehr aus der Hand legen möchte: Ein Ausnahmebuch, das es verdient, auf den Bestsellerlisten ganz weit nach oben zu wandern. Ein Buch, dem ich nicht mit einer kurzen Rezension gerecht werden kann.

Die Autorin beschreibt die Situation einer Familie auf der Flucht vor dem Bosnienkrieg so klar, schnörkellos, gedrängt, teilweise gewaltvoll aber vor allem immer auch poetisch, dass es einen direkt packt. Vor allem die Sprache ist einfach wunderschön, es sind so viele so eingängige Sprachbilder, die Carati findet. Nur ein paar Beispiele aus dem Buchanfang: "Er packte seine ganze Enttäuschung darüber, dass er mich nicht schlagen durfte, in seine geschlossenen Fäuste und rannte weg." (S. 15) "...schon immer hatte sie sich wie zu Besuch in ihrem eigenen Leben gefühlt." (S. 16) "Ich löste mich auf und wurde zu Wasser..." (S.20) "Das einzige Mal, dass ich das Wort "auslöschen" gehört hatte, war in einem Dokumentarfilm über die Dinosaurier gewesen. Nach ihrer Auslöschung war nichts von ihnen übriggeblieben, nicht mal ihre Jungen." (S. 24) Ich könnte endlos weiterzitierten. Ein ganz starker Start in den Roman.

Der erste Abschnitt April 1992/Flucht gibt vor allem indirekte Informationen über den Jugoslawienkrieg. Es ist eher der emotionale Gehalt, der einem mit aller Brutalität bewusst wird. Die Härte, mit der alle wehrfähigen Männer (und eigentlich noch Kinder, 12 Jahre ist ja weit weg von Erwachsen) im Land gehalten werden, das Eingesperrtsein auf engem Raum, mit dem die Flucht von Grund auf verhindert werden soll, die Bedrohung durch die Milizen und die damit einhergehende Willkür, die dauerhafte Traumatisierung durch das Grundgefühl der Angst, das immer mitschwingt. Was mich sehr berührt hat, ist die Unmöglichkeit, Kindern den Krieg zu erklären als das, was er ist - und somit von einer Lüge in die nächste zu schlittern, was dazu führt, dass Kinder, in diesem Fall Aida, ihren Eltern nicht mehr glauben, ein Vertrauensverlust, der immer weitreichende Konsequenzen hat. Ich fand die Beschreibung auf der ersten Seite ganz toll, denn irgendwie gilt sie für alle Menschen, nicht nur für Kinder - wer kann sich Krieg schon vorstellen?: "Wir wussten nicht, was Krieg war, für uns war er nur ein geflüstertes Wort, das die Macht besaß, die Erwachsenen unsicher und böse werden zu lassen." Auch sehr deutlich wurde für mich, wie der Krieg jegliche Individualität aufhebt und den Menschen in eine Masse umformt, eine Funktion. Angesichts des aktuellen Ukrainekriegs, der teilweise durchaus ähnliche Züge hat, sind diese Gedanken sehr bedrückend.

Im zweiten Abschnitt, 1992/1993/Die Familie zieht mit der Geburt von Ibro auch das Thema "Geschwister" in den Roman ein. Ich hatte mich schon davor gefragt, wie es wohl sein muss, wenn ein Geschwisterkind Krieg, Flucht und alte Heimat am eigenen Leib erlebt hat und erinnert und das andere nicht. Beide sind zwar Teil derselben Familie, wachsen aber unter so unterschiedlichen Voraussetzungen auf, das stelle ich mir schwierig vor. Zumal die Eltern sich zunehmend so traumatisiert zeigen, dass hier wenig Unterstützung vorhanden ist: Der Vater, der immer aggressiver und gewaltvoller wird, weil er keine Lösung für all die Probleme finden kann und die Mutter, die sich immer weiter zurückzieht und apathisch schweigt, keine Liebe mehr geben kann. Beide Eltern erzeugen wirklich heftige und gewaltvolle Momente in ihrer Hilflosigkeit. Es muss furchtbar sein, als Kind so aufzuwachsen, wenn man noch dazu selbst auch Traumatisierungsspuren trägt. Auch da findet Carati wieder tolle Worte: "Samir und ich nannten das ihre "Bosnitis" (S. 95), weil wir dachten, die hätte Heimweh." Die Familie zeigt ansonsten erstaunlich wenig Anpassungsprobleme, verdrängt aber mehr oder minder erfolgreich durchweg, dass der Krieg noch länger dauern kann. Immer wieder wird das Hier und Jetzt als Provisorium angesehen, wird beschworen, dass man zurückgehen wird. Das macht es schwierig anzukommen und sich weiterzuentwickeln.

Bedrückend, wie sehr der Krieg auch zehn Jahre später noch das Leben der Familien bestimmt. Sehr plastisch wird für mich beschrieben, wie absurd die recht willkürliche Neuaufteilung in neue autonome Länder ist - mit weitreichenden Konsequenzen für die Bevölkerung, die entwurzelt wird und neu zugeordnet, was auch zu extremem Misstrauen unter Menschen führt, die früher alle zusammen an einem Ort gelebt haben. Sehr klar zusammengeführt in einem Dialog zwischen Großmutter und Soldaten: "Das hier ist ein serbisches Dorf", hatten die russischen Soldaten gesagt, als sie zusammen mit den UNO-Blauhelmen gekommen waren. "Muslime können hier nicht mehr bleiben." (...) An der Spitze der Gruppe hatte meine Großmutter laut gesagt: "Geht mal auf den Friedhof, wenn dort auch nur ein einziges christliches Kreuz steht, dann ist das Dorf serbisch." Alle Grabsteine waren muslimisch. Der Krieg war zu Ende, die Grenzen waren wiederhergestellt worden, und uns hatte man zu Fremden in unserem eigenen Dorf gemacht. (S. 113) Die daraus abgeleiteten Gedanken, dass man nun für immer im Exil ist und seine Heimat verloren hat, dass sie nicht wieder herstellbar ist, finde ich zutiefst schmerzhaft. Verrückt, wie die Elterngeneration dann dennoch weiter an einer Rückkehr klammert und sich einfach nicht neu in Italien zuordnen und einleben kann. Ein Leben auf gepackten Koffern, mit einer ständig aufgeklappten Schere im Herzen.

Carati schildert all dieses so dicht und emotional stark und mensch ist durchgehend sehr berührt von allen Figuren. Es fühlt sich an, als wären sie alle in Schraubzwingen gepresst, beim Lesen oft kaum auszuhalten. Man wünscht ihnen allen so sehr Luft unter den Flügeln. Der, der scheinbar am besten mit allem klarkommt, ist Ibro. Und doch gibt es auch in ihm immer wieder eine Unruhe und eine überschießende Kraft, die zeigt, dass auch in ihm etwas brodelt. Ein Satz, der für mich einfach alles beschreibt: "Ich hielt mich auf Abstand zu allem, als wäre meine Haut zart und dünn wie nach einer Verbrennung." (S. 141) Dauerhafte Vorsichtigkeit. Wie ein Hase auf offenem Feld.

Der letzte Abschnitt bringt noch einmal eine starke Wendung mit sich, die ich hier auf keinen Fall spoilern möchte. Was ich aber noch sagen kann: Fertig mit dem Buch und auch ein bisschen fertig mit der Welt war für mich im letzten Abschnitt sehr eindrücklich, dass es einfach nie ein vollkommenes Ankommen in der neuen Welt gibt. Aida macht eigentlich eine Vorzeigeintegrationsgeschichte durch und dennoch verfolgt sie bis zum Schluss der Krieg, das Trauma, die Zerrissenheit. Wie muss es sein, immer aus einem empfundenen Defizit heraus zu leben (und sich zeitgleich immer schuldig zu fühlen und das Gefühl zu haben, aus allem das Maximum rausholen zu müssen, denn man hat es ja herausgeschafft, anders, als viele andere)? "Ich fand, mir stehe für das Leben, welches mir das Schicksal beschwert hatte, eine Entschädigung zu..." (S. 182) "Sie hatte geglaubt, ihr Opfer werde mich retten, aber niemand kann einen anderen retten. Ich musste einfach nur lernen, in mir selbst Frieden zu finden." (S. 280)

Alle Wege führen letztlich immer wieder zurück nach Bosnien, für die ganze Familie schließt sich dort immer der Kreis. Die Heimat lässt sie nicht los.

Auch in diesem letzten Abschnitt ist der Krieg präsent, wie eine mahnende Wolke, die über allem schwebt und sich nie richtig auflöst. Vor allem aber erscheint der Krieg hier auch als Erblast, als etwas, aus dem man als Sieger:in im neuen Leben hervorgehen muss: "Wir waren seine geliebten Enkelkinder, die den Krieg und die Armut überlebt hatten, und die er sich immer aus der Ferne vorgestellt hatte." (S. 260) Dieser Druck auf einer Generation, für die die Eltern alles aufgegeben haben. Wie kann man dem standhalten?

Das Buch hat für mich bis zum letzten Satz einfach alles eingehalten, was ich mir von einem Buch nur wünschen kann. Sprachlich einfach ganz besonders ausgezeichnet, durchweg zutiefst berührend, eine so kluge Geschichte über das, was Kriege EIGENTLICH auslösen, in uns, in den Menschen, im Miteinander, wie weitreichend die Folgen über Generationen hinweg sind, ich bin auf eine sehr gute Art vollkommen zerstört 5-Sterne-deluxe, ich würde gerne 6 Sterne geben können. Einzig die einleitenden Zitate vor den Abschnitten hätte ich nicht gebraucht. Sie geben für mich nichts dazu, das ist so ein komisches Dekor, das gegen den Roman sowieso nur abfallen kann. Und wenn ich mir etwas für die nächste Auflage wünschen dürfte, wären das noch ein paar mehr Begriffserläuterungen. Aber das sind Marginalitäten angesichts dieses wirklich großen Wurfs. Ich hoffe, wir werden noch ganz viel von Alessandra Carati zu lesen bekommen.

Ein großes Dankeschön an lovelybooks.de und den nonsolo Verlag für das Rezensionsexemplar!

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Weiße Wolken, war mir, wie gesagt, zu explizit und wenig literarisch. Es gibt in meinem Profil auch eine Rezension.

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