Cover-Bild Memory Wall
14,95
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 135
  • Ersterscheinung: 10.02.2016
  • ISBN: 9783406689611
Anthony Doerr

Memory Wall

Novelle
Werner Löcher-Lawrence (Übersetzer)

Unser Leben, unsere Welt werden durch unsere Erinnerungen zusammengehalten. Was geschieht mit uns, wenn wir sie verlieren, und welche Möglichkeiten tun sich auf, wenn andere unsere Erinnerungen wiederbeleben können? Der 74-jährigen Alma Konachek, die in einem Vorort von Kapstadt lebt, widerfährt genau dies. Sie verliert ihr Gedächtnis. Unbekannte brechen mehrfach in ihr Haus ein, auf der Suche nach Hinweisen zu einem spektakulären Fossilienfund ihres plötzlich verstorbenen Mannes. Denn Alma hat eine Wand voller Fotos, Gedächtnisstützen, Speichermedien, in der sich irgendwo der fehlende Hinweis zu dem gesuchten Fossil befindet. In dieser lichten, wunderschönen Novelle gelangt schließlich ein Junge in den Besitz des Geheimnisses dieser alten Frau und ihres Mannes, einer Episode aus ihrer Vergangenheit mit der Macht, ein Leben zum Guten zu wenden. Der Junge reist dazu in die Karoo-Wüste und setzt sich dieser wilden Landschaft aus. Wie alle Werke Doerrs zeugt auch dieses von der Größe des Lebens – von der geheimnisvollen Schönheit der Fossilien, Wolken, Blätter – vom atemberaubenden Glück, in diesem Universum zu leben. Die Vorstellungskraft und Sprachmacht, das Einfühlungsvermögen und die Erzählkunst Anthony Doerrs sind unvergleichlich.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2018

Wie wertvoll sind Erinnerungen?

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Für mich war es sowohl das erste Buch von Anthony Doerr als auch meine erste Novelle und so ließ ich mich erwartungsvoll auf das Neue ein.

In der Geschichte geht es um die Demenzkranke Alma, die plötzlich ...

Für mich war es sowohl das erste Buch von Anthony Doerr als auch meine erste Novelle und so ließ ich mich erwartungsvoll auf das Neue ein.

In der Geschichte geht es um die Demenzkranke Alma, die plötzlich all ihre Erinnerungen verloren hat. Wie geht man damit um und wie wichtig sind Erinnerungen eigentlich für unsere Existenz?

Mir fiel in erster Linie der unglaublich intensive Schreibstil auf. Die Sätze umschmeichelten förmlich mein Leserherz. Auch wenn das Buch nicht sonderlich seitenstark ist, so musste ich mir doch zahlreiche Zitate notieren, weil ich die Sätze einfach nur großartig fand. Der Autor beschreibt mit solch einer Intensität und so viel Gefühl, dass ich Herzklopfen bekam.

Die Novelle regt in jedem Fall zum Nachdenken an, denn die große Frage ist: Wie wichtig sind Erinnerungen? Was sind wir ohne diese? Ist ein Leben ohne Erinnerungen vergangener Tage überhaupt lebenswert? Haben sie sogar Einfluss auf unser Glück?

Alma als Hauptcharakter ist nicht sonderlich sympathisch, aber man versteht, warum sie so ist wie sie ist. Gefangen in den Zwängen ihrer Ehe hat sie sich eben zu der Person entwickelt, die sie heute mit 74 ist. Ihr Angestellter Pheko, Mädchen für alles und schwarz, wächst einem deutlich mehr ans Herz, denn er hat nicht nur die Launen seiner Chefin zu ertragen, sondern ein krankes Kind und meistert dennoch sein Leben. Gerade seine liebevolle Art mit Alma umzugehen, hat ihn mir ans Herz wachsen lassen.

Die Handlung spielt in Kapstadt und behandelt am Rande typische Themen für Südafrika wie zum Beispiel die Rassenunterschiede oder die klaffende Lücke zwischen arm und reich.

Fazit: Dieses kleine Büchlein ist etwas ganz Besonderes. Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Von diesem Autor muss ich unbedingt mehr lesen...

Veröffentlicht am 19.12.2016

Sich erinnern

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Anthony Doerr erschaffte mit dieser Novelle Figuren, deren einzigartige Lebensgeschichten den Leser in den Bann ziehen können. In Memory Wall dreht sich alles hauptsächlich um Alma, die an Demenz erkrankt ...

Anthony Doerr erschaffte mit dieser Novelle Figuren, deren einzigartige Lebensgeschichten den Leser in den Bann ziehen können. In Memory Wall dreht sich alles hauptsächlich um Alma, die an Demenz erkrankt ist und ein großes Geheimnis hütet. Aber auch die beiden Nebencharaktere Pheko und Luvo nehmen in der Geschichte wichtige Plätze ein. Aus der Perspektive dieser drei werden unterschiedliche Probleme aufgegriffen. Die Geschichte spielt in Südafrika, wo noch schwarz-weiß gemalt und arm-reich getrennt wird.

Die 135 Seiten beinhalten -so kurz das Buch auch scheint- jedoch genug, um eine komplexe, eindringliche und lesenswerte Geschichte zu sein. Der Autor findet immer die richtigen Worte für Gefühlsregungen und Gedankengänge und formuliert diese auf eine berührende Art und Weise. Er versucht den Kern von Erinnerungen aufzudecken und setzt dazu paralell die Suche nach wertvollen Fossilien, die die Zeit überdauert haben und von denen nur Skelette zurück geblieben sind

So ganz konnte ich nicht alles greifen. Manche Beziehungen untereinander, Gegebenheiten oder Situationen blieben mir fremd oder waren etwas konfus. Trotzdem hat der Autor die Krankheit Demenz sehr gut dargestellt und ihren weitreichenden Folgen Raum gegeben. Er hat versucht sich in einen Kopf hineinzuversetzen, der nicht mehr richtig funktioniert. Es ist schwierig zu sagen, wie ein dementes Gehirn wirklich von den Betroffenen wahrgenommen wird. Doerr schafft es, dies authentisch zu beschreiben und kurz, aber eindringlich zu erzählen.



Fazit

Eine kurze Geschichte über die Vergänglichkeit von Erinnerungen, über deren Macht und Beschaffenheit. Kluge Beobachtungen und eine schöne Sprache runden diese Novelle zu einem gelungenen Gesamtwerk ab. Doerr hat wiedermal wunderbare Figuren zum Leben gebracht und ihre Lebensgeschichte festgehalten.

Veröffentlicht am 13.11.2016

Memory Wall

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Alma lebt als eine reiche Weiße über siebzig in Südafrika und hat ihr Gedächtnis verloren. Sie hat nur noch sehr selten klare Momente, in denen sie weiß was sie tut. Damit sie sich wieder erinnern kann, ...

Alma lebt als eine reiche Weiße über siebzig in Südafrika und hat ihr Gedächtnis verloren. Sie hat nur noch sehr selten klare Momente, in denen sie weiß was sie tut. Damit sie sich wieder erinnern kann, hat sie im Gästezimmer ihres Hauses eine Memory Wall erstellt. Unzählige beschriftete Zettel, Fotos und Kassetten hängen an dieser Wand und sind miteinander verbunden, damit sich Alma der Zusammenhang zwischen den Ereignissen und Informationen erschließt. Zudem ist sie in Behandlung bei einem Spezialisten, der ihr vier Ports in ihre Schädeldecke eingepflanzt hat. Wenn sie diese mit einer Apparatur verbindet, kann sie die Kassetten abspielen und so in Erinnerungen schwelgen. Hier lehnt sie sich in ihren Sessel zurück und taucht in eine andere Welt ein. In eine schöne Welt, in der ihr Mann noch lebte und sie noch alles wusste.

In Almas Haus wird regelmäßig eingebrochen. Die beiden Einbrecher suchen fieberhaft nach einer Kassette mit Erinnerungen, auf welcher Almas Mann sie zu einem Fossil mitten in einer Wüste führt. Sie wollen das Fossil bergen, es verkaufen und Schulden begleichen. Doch die Zeit rennt ihnen davon, dann Almas Haus soll sehr bald schon verkauft werden und die alte Dame in ein Pflegeheim umziehen.

Als Nebenstrang wird das einfache Leben von Almas langjährigem Hausdiener Phako und seines fünfjährigen Sohnes beleuchtet. Er lebt in einer armseligen Wellblechhütte am Rande der Stadt, besitzt nur einige von Alma und ihrem Mann aussortierte Gegenstände und arbeitet von morgens bis abends bei Alma. Er kümmert sich um den Haushalt, fährt sie zum Arzt, geht einkaufen und ist nun kurz davor seinen Job zu verlieren, da Alma in das Pflegeheim eingewiesen werden soll.

In diesem kurzen Buch treffen zwei Welten aufeinander, die der Autor spielend miteinander verbindet. Er greift Themen auf, die viel Platz zum Nachdenken lassen und klar machen, dass unser Gedächtnis, unsere Erinnerungen mit das Wichtigste sind das wir haben. Ohne diese wandeln wir verwirrt umher, vergessen zu essen, zu schlafen, zu atmen. Ohne unser funktionierendes Gedächtnis sind wir bloß eine Hülle ohne Inhalt.

Meines Erachtens ist dies ein sehr beeindruckendes und tiefgründiges Buch, welches sehr gut geschrieben ist und einen nicht so schnell los lässt

Veröffentlicht am 01.10.2016

„Ich hatte jemanden“

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In Memory Wall kommt ein Gerät zum Einsatz, mit dem demente Menschen ihre Erinnerungen quasi „abzapfen“ und auf Kassetten speichern können, sie oder andere können diese dann abspielen. Die wohlhabende ...

In Memory Wall kommt ein Gerät zum Einsatz, mit dem demente Menschen ihre Erinnerungen quasi „abzapfen“ und auf Kassetten speichern können, sie oder andere können diese dann abspielen. Die wohlhabende Witwe Alma ist dement. Mit der Therapie bei Dr. Amnesty (!) versucht man, beschädigte Neuronen zu lehren, tauglichen Ersatz zu schaffen. „Sie erinnert sich, wie sie sich erinnern soll.“ S. 17 Ihr werden vier Löcher in den rasierten Schädel gebohrt, dort werden bei der Therapie die vier Schrauben eingeführt in die gesetzten Ports. Bei der Behandlung sieht sie Erinnerungsfetzen wie Filmausschnitte, die eigentliche Erinnerung wird auf Kassetten gespeichert. Einige Patienten nutzen wieder und wieder die Kassetten mit den schönen Erinnerungen, an die Hochzeit zum Beispiel. Alma nutzt außerdem die titelgebende „Memory Wall“ in ihrem Hause, gespickt mit den genannten Kassetten, Fotos, Notizen – Erinnerungsstücken.

Alma und ihr verstorbener Mann Harold waren Immobilienmakler, aber als Rentner hatte Harolds Leidenschaft für Fossilien zunehmend Raum eingenommen. Kurz vor seinem Tod hatte er noch einen bedeutenden Fund gemacht und war gestorben, bevor er diesen der Öffentlichkeit mitteilen konnte – so ein vollständiges großes Skelett ist für einen Sammler viel wert, gerne 40, 50 Millionen Rand. „Die Wissenschaft…will immer den Kontext. Aber was ist mit der Schönheit? Was ist mit der Liebe?“ S. 64, so der Hehler für Fossilien.

Jede Nacht bricht Roger Tshoni ein in das Haus Almas; er hat einen Jungen dabei, der quasi als „Abspielgerät“ fungieren soll - so will man Almas Erinnerungen den Fundort entlocken. Alma bemerkt jeden Einbruch, was ihr ihrem Zustand jedoch nichts nützt. „Manchmal droht sie damit, die Polizei zu rufen. Manchmal nennt sie ihn Harold [der Name ihres verstorbenen Mannes], manchmal Schlimmeres: Laufbursche. Kaffer. Schwarzer. Wie in An die Arbeit, Bursche.“ S. 34 Die Handlung des Buches spielt sich ab in Kapstadt, aber in Almas Erinnerungen ist noch das Südafrika der Apartheid.

Welche Realität zählt? Was macht einen Menschen aus? Was bleibt von uns, wenn wir gehen? Autor Anthony Doerr verwebt geschickt die Parallelität von Alma in Folge der zunehmenden Demenz und einem Fossilienfund, schon an sich Symbol für etwas, das war, und der hier auch noch verloren scheint, verloren in den Tiefen von wiederum Almas Erinnerungen, die in einem klaren Moment sagt: „Zu sagen, jemand sei ein glücklicher Mensch oder eine unglücklicher Mensch, ist lächerlich. Wir sind in jeder Stunde tausend verschiedene Menschen.“ S. 72 Dazu kommen noch die wunderbaren weiteren Charaktere wie der Hausdiener Pheko oder das „menschliche Abspielgerät“ Luvo, beide vor die Frage gestellt, wie sie sich angesichts existentieller Bedrohung verhalten. Ein kurzes Buch mit einem langen wundervollen Nachklang.

Auf einer ähnlichen Idee, nicht für Demente, damals sah man das noch nicht als so großes Problem, fußt der Film „Projekt Brainstorm“ mit Natalie Wood (ihr letzter Film, sie ertank während der Dreharbeiten). Hier benötigte man keine implantierten Ports im Kopf, es genügte ein simpler Helm. Im Film wollen Militärs das Gerät missbrauchen. Ich empfehle den wirklich grandiosen Film als Folgewerk nach diesem Buch:
https://www.amazon.de/Brainstorm-Blu-ray/dp/B007NR9WBG/ref=sr11?s=dvd&ie=UTF8&qid=1475250177&sr=1-1&keywords=projekt+brainstorm

Veröffentlicht am 15.09.2016

wunderschön

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Der Einband des kleinen Büchleins „Memory Wall“ ist wunderschön mit seinem seidigen schimmernden Papier und den vielen spiralförmigen Schneckenhäusern. Er verspricht einen Anspruch, der sich durchaus in ...

Der Einband des kleinen Büchleins „Memory Wall“ ist wunderschön mit seinem seidigen schimmernden Papier und den vielen spiralförmigen Schneckenhäusern. Er verspricht einen Anspruch, der sich durchaus in der Novelle von Anthony Doerr widerfindet.
Ich habe nach dem Vorgänger „Alles Licht das wir nicht sehen“ nicht lange überlegen müssen, um mich für dieses neue Buch von Doerr zu erwärmen. Die Geschichte war für mich umso mehr eine Überraschung, da ich vorher die Inhaltsangabe nicht gelesen hatte. Erzählt wird von Alma Konachek, einer 74-jährigen weißen Südafrikanerin, die allein in einem großen Haus wohnt, nur tagsüber betreut von ihrem dunkelhäutigen Diener für Alles, Pheko. Almas Mann ist vor 4 Jahren gestorben und seitdem ist sie an Demenz erkrankt und verliert Stück für Stück alle Erinnerungen. Aber es gibt inzwischen eine Firma, die eine Möglichkeit gefunden hat, Erinnerungen in kurzen Abschnitten auf Kassetten zu speichern, so dass man sie immer wieder in einem Gehirn abspielen kann. Alma hat inzwischen hunderte solcher Kassetten und schaut“ sie sich ständig aufs Neue an; vor allem diejenigen, in denen sie sehr glücklich war.
Nachts, wenn Alma alleine ist, kommt der Gauner Roger in ihr Haus. Er hat den Jungen Luvo dabei, mit dessen Hilfe er in Almas Kassetten nach einer ganz bestimmten Erinnerung sucht. Einer, die ihm sehr viel Geld verspricht, so er sie denn finden sollte und die Informationen darauf an einen anderen verkaufen kann. Dank Almas Demenz kann er immer wieder kommen und niemand weiß davon.
In dieser Novelle, die ja nur 134 Seiten umfasst, steckt ein ganzes Universum voller interessanter Figuren und ein Panoptikum an menschlichen Gefühlen, Wünschen und Fragen über den Wert der Erinnerungen und was das große Vergessen mit den Betroffenen macht.
Obwohl Alma sicherlich vor ihrer Erkrankung eine sperrige Persönlichkeit hatte, war sie mir sympathisch. Vielleicht auch, weil der liebenswerte Pheko sie so sorgfältig und fast hingebungsvoll versorgt, dass ich seine Fürsorge für Alma nachempfinden konnte. Die Frage, ob es nicht eine Bereicherung wäre, wenn man tatsächlich Erinnerungen speichern könnte, ist nicht nur eine rein philosophische, denn es wird ja hier sogar versucht sie zu stehlen. Es gibt wohl einen Markt für gestohlene Erinnerungen und das Ganze hat bereits eine Dimension, die nicht nur positiv für die Betroffenen ist.
Besonders hervorheben möchte ich die wunderschöne Sprache, die nicht nur neue Wortschöpfungen kreiert, die mit der Erinnerungsspeicherung einhergehen, sondern auch Stimmungen, Augenblicke und Gefühle auf eine eindringliche und warme Art und Weise beschreibt. Auch das Setting Südafrika erhält hier viel Raum und ist wichtig für die Handlung.
Es gibt mehr als eine überraschende Wendung und das Ende ist für mich weder zu kitschig-glücklich noch allzu deprimierend.

Ich bin begeistert von dieser Novelle und kann es nur wärmstens empfehlen.