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Veröffentlicht am 19.04.2025

Eine Zeitreise, die ein Pageturner ist

Das Ministerium der Zeit
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Aus dem ewigen Eis direkt nach London, aus dem viktorianischen England ins Hier und Jetzt – hört sich unglaublich an? Vor allem klingt es nach ganz viel Spaß und einer richtig originellen Geschichte! Nach ...

Aus dem ewigen Eis direkt nach London, aus dem viktorianischen England ins Hier und Jetzt – hört sich unglaublich an? Vor allem klingt es nach ganz viel Spaß und einer richtig originellen Geschichte! Nach Stoff, der fasziniert und mitreißt und nach Fantasie und Fantasy vom Feinsten. Und das trifft so und noch viel mehr zu! Und hat mich „Das Ministerium der Zeit“ lieben und verschlingen lassen.
Für die junge Ministeriumsangestellte und Dolmetscherin ändert sich das Leben radikal als sie den Job als „Brücke“ annimmt. Sie ist damit persönliche Assistentin und Begleiterin eines Zeitreisenden. Der gerade noch auf der „Erebus“ in der Arktis festssaß und nun durch ein geheimnisvolles Portal zu uns gelangt ist. Und damit ist er nicht allein. Auch weitere Expats wurden vom Ministerium auserkoren, ihr Leben unter Bedingungen fortzusetzen, die nicht nur radikal anders sondern für sie auch radikal unverständlich und furchteinflößend sind. Ein Kulturschock, der für beide Seiten erheblich ist.
Doch damit nicht genug. Das Universum lässt sich selten in die Karten schauen oder durch selbsterschaffene Portale austricksen. Das Reisen durch die Zeit hat also Nebenwirkungen. Und Folgen. Und da wir spätestens seit Star Trek wissen, dass Zeit keine Einbahnstraße ist, kommt auch die Zukunft ins Spiel. Erst nur ganz in Andeutungen, schemenhaft, dann futuristisch im Auftreten und erschreckend in den Konsequenzen.
Und noch etwas anderes entsteht über die Jahrhunderte hinweg. Zart und überraschend. Erst kaum zu glauben, dann doch geschehen. Und macht die Geschichte neben all der Spannung, Action und einem großen Showdown zu einer, die ans Herzen geht. Ganz tief. Und damit gleich doppelt schön.
Damit ist der Roman für mich so viel: ein Feuerwerk an Fantasie und Kreativität, das fasziniert, fesselt und bitte nicht enden soll. Eine Zeitreisegeschichte, neu, anders und so besonders. Und vor allem ein neues Lieblingsbuch. Das ganz nebenbei auch optisch überraschend – schaut auf den Buchdeckel! – und ein absolutes Highlight ist.

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Veröffentlicht am 05.04.2025

Wenn Alkoholismus eine Traurigkeit ein

Das Schwarz an den Händen meines Vaters
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Intensiv in der Geschichte, klar und ausdrucksstark in der Sprache und von einer Deutlichkeit und Prägnanz in Aussage und Thematik, die mit Tiefgang und doch ganz ungezwungen den Weg zu den Leser*innen ...

Intensiv in der Geschichte, klar und ausdrucksstark in der Sprache und von einer Deutlichkeit und Prägnanz in Aussage und Thematik, die mit Tiefgang und doch ganz ungezwungen den Weg zu den Leser*innen findet – „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ hat mich beeindruckt. Sehr.
Doch der Reihe nach. Motte, die junge Ich-Erzählerin, ist mit der Erfahrung und dem Erleben aufgewachsen, dass Alkohol mehr ist als der Genuss und die gute Stimmung – auf der Feier zum Geburtstag, zu besonderen, ausgewählten Anlässen. Alkohol kann zerstören. Den Vater, dessen Wesen und Geist zunehmend verschwinden, seinen Körper, nachhaltig und tödlich. Und auch die Familie, die unter der Sucht leidet. Diese weitergibt. Über Generationen. An die Kinder selbst, in ihrer Partnerwahl.
Doch Alkoholismus ist eine Krankheit. Kein Vergehen. Kein Verbrechen. Und somit ist Schuld auch kein Motiv, welches Lena Schätte wählt oder Klischee, welches sie bedient. Denn trotz der dramatischen, desaströsen Auswirkungen des unkontrollierten Trinkens, immerfort, des Vaters, ist ihre Beschreibung der Figur frei von Verurteilung, geprägt von der Liebe der Kinder ihrem Vater gegenüber, dem Ringen der Mutter um das eigene Überleben und das ihrer Partnerschaft und Ehe.
Es ist vielmehr die Traurigkeit, die sich durch die Erzählung zieht, eine Traurigkeit darüber, dass die Dinge so sind, wie sie eben sind. Dass Kindheit und Jugend geprägt und möglicherweise zerstört wurden. Dass Traumatisierungen Alltag sind und das eigene Leben auffressen und begrenzen. Und dass sich nichts mehr ungeschehen machen lässt.
Und ebenso eindringlich wie die Geschichte selbst, kommt auch die Sprache daher. Sie ist schnörkellos und direkt, klar und schonungslos. Die Sätze sind kurz, pointiert, die Worte treffend. Oftmals das Herz. Und genau da bleibt die Erzählung für mich auch, lang über die letzte Seite hinaus. Schmerzt und hat zugleich so viel Schönes. Und ist so groß wie einzigartig.

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Veröffentlicht am 22.03.2025

Eine zarte Liebe – ausdrucksvoll und fesselnd erzählt

Für Polina
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Eine Liebesgeschichte der sanften, leisen Klänge, die sich in Deinen Kopf und tief in Dein Herz spielt. Und dort weiterklingt. So ist „Für Polina“. Und Polina für Hannes. Vom allerersten Tag an.
Und dies ...

Eine Liebesgeschichte der sanften, leisen Klänge, die sich in Deinen Kopf und tief in Dein Herz spielt. Und dort weiterklingt. So ist „Für Polina“. Und Polina für Hannes. Vom allerersten Tag an.
Und dies ist in dem Fall wörtlich zu verstehen. Denn die Begegnung der jungen Mütter Fritzi und Güneş im Krankenhaus prägt nicht nur das Leben der beiden Frauen, sondern verflechtet auch ihre Kinder und deren Lebenswege miteinander. Und lässt ein Band entstehen, das Zeit und Raum überdauert, das stärker ist als Wut, Verlust und Traurigkeit und die Suche nach dem eigenen Selbst und Sinn.
So wie Polina zu Hannes‘ Zentrum, zu seinem Grundton im Leben wird, so ist es auch die Musik, die für ihn klingt, immer da ist. Schon ganz früh, erst ausschließlich in seinem Kopf, später auf dem alten Klavier in der verfallenen Villa im Moor, welche Hannes mit seiner Mutter und dem Einzelgänger Heinrich bewohnt. Und in welcher er seine Kindheit und Jugend verbringt. Gemeinsam mit Polina. Zwischen den Blättern der Rhabarberpflanzen im Garten. Im Abendlicht auf der Steintreppe vor dem Haus. In der Sonnenwärme auf dem alten, staubigen Teppich im lichtdurchfluteten Raum.
Als zu Nähe und Vertrautheit Liebe und Begehren hinzukommen, lässt Hannes diese Gefühle in einer Komposition aufgehen, die all das enthält, was Polina für ihn ausmacht. Sie verkörpert und ihr Wesen in einer Melodie vereint, die für Polina Offenbarung, Verstehen und Geschenk zugleich sein soll.
Doch ein Schicksalsschlag verändert alles, schafft Distanz und Veränderung und Leben, die sich voneinander entfernen. Polinas Melodie jedoch spielt in Hannes weiter und sucht sie, die Frau, die sein gesamtes Leben ausmacht. Und erobert dabei die Herzen unzähliger.
Und auch mein Herz zählt dazu, denn Takis Würger hat es wieder vermocht, was ich mir so sehr erhofft habe: „Für Polina“ hat mich ab den ersten Klängen in seinen Bann gezogen, mich durch die Strophen und Kapitel getragen und mit der Klimax die Geschichte zu einem wunderbaren Abschluss geführt. Ein Meisterstück, erneut!

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Veröffentlicht am 11.03.2025

Du bist die ganze Welt

Walzer für Niemand
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Berauschend wie ein Tanz im Dreivierteltakt, intensiv wie ein Song, der Dein Herz rührt, fesselnd wie eine Geschichte voller Geheimnisse und deren Enthüllungen – „Walzer für Niemand“ ist ein Feuerball. ...

Berauschend wie ein Tanz im Dreivierteltakt, intensiv wie ein Song, der Dein Herz rührt, fesselnd wie eine Geschichte voller Geheimnisse und deren Enthüllungen – „Walzer für Niemand“ ist ein Feuerball. Der so unerwartet tief und heftig einschlägt. Die Sternstunde. Die leuchtet, strahlt und scheint, scheint, scheint. Und die Rakete, die in ferne Welten entführt.
Dabei beginnt die Geschichte so leise wie besonders. Die Ich-Erzählerin wächst als Tochter eines Schweizer Militärattachés behütet und zugleich räumlich enthoben in den verschiedenen Städten verschiedener Länder auf. Und ist dabei doch nie allein. Denn sie hat Niemand, ihren besten Freund, die Person, die immer an ihrer Seite, ihre andere Hälfte ist. Und Niemand macht sie in diesem Roman zur Wir-Erzählerin.
Doch nicht nur Niemand ist bei ihr sondern auch die Musik. Auf Vinyl, die Plattensammlungen ihrer Eltern, der ehemaligen Bewohner*innen der wechselnden Unterkünfte. Die Lieder, die Töne, die Interpreten. Und Niemand und die Musik sind ihr ein Zuhause. Eine Heimat.
„Niemand, siehst du's? Ich wachse nicht mehr“ – so heißt es in dem gleichnamigen Song von Sophie Hunger. Und so geht es auch der Erzählerin. Denn die Freundschaft, die Verbindung zwischen den beiden ist so eng, symbiotisch, parasitär. Und sie hält weit über die Kindertage hinaus an, durch die Pubertät bis in die frühe Zeit des sogenannten Erwachsenseins. Und sie ist ein goldener Käfig, ein Mikrokosmos, ein Schutzraum für die beiden. Und wird mehr und mehr zum Gefängnis für die Erzählerin. Die Glasglocke, die sie vor der Außenwelt bewahrt und zugleich abschirmt. Freundschaften, Beziehungen, Verbindungen unmöglich macht.
Was dann folgt, ist so folgerichtig wie verstörend. Ein Schreck und Befreiung zugleich. Und drängt zugleich die Frage auf: Was ist Fiktion? Was autobiographisch? Was ist Kunst? Und was das reale Leben? Was allerdings so offensichtlich ist: Dieser Roman ist sehr besonders – besonders schön, besonders poetisch, besonders tiefgründig.

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Veröffentlicht am 08.03.2025

Ein Fluch, zwölf Tage und Nächte Liebe und Leid

Twelve of Nights – Das gestohlene Herz
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Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, ...

Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, obwohl Geist und Körper weiterleben. Herzen, die in Silvester wieder in Takt gebracht werden. Und Herzen, die sogar aus der Brust geschnitten werden.
Hört sich geheimnisvoll an? Ja, sehr! Ekelig? Nein, das nun wirklich nicht. Eher schön. Sehr schön. Denn es geht um die große Liebe. Die einzig wahre. Die, die unverhofft kommt und dann wie ein Blitz einschlägt. Und vor Sehnsucht verbrennt.
So ist es zumindest bei Ioanna und Daphne. Und alles könnte so wunderbar sein, wäre Ioanna nicht ein Kalikanzari. Ein Wesen, das mit einem Fluch belegt seine Gefühle, seine Menschlichkeit eingebüßt hat und nur zu den Raunächten wieder Emotionen empfinden kann. Und in eben dieser Zeit verlieben sich Ioanna und Daphne im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich ineinander, bevor sie dann die restlichen Tage des Jahres getrennt voneinander verbringen müssen. Für die Kalikanzari bedeutet das, keine Gefühle und keinerlei Kontakt zu der Außenwelt zu haben. Die Menschen dagegen besitzen keinerlei Erinnerung mehr an die besagten zwölf Tage und Nächte. Und Daphne damit auch nicht an Ioanna.
Das wird tragisch, traurig, ein verzweifelter Kampf um die gemeinsame Liebe – erzählt aus zwei Perspektiven und in verschiedenen Zeitebenen. Und als ob das nicht schon Herzschmerz, fesselnd und schön genug wäre, stehlen auch Cover, geprägter Einband, Farbschnitt und Illustrationen einem das Herz.
Und das Gesamtpacket hat mir so wunderbare Lesestunden bereitet. Und den Viren und Bakterien sehr schnell den Gar aus gemacht.

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