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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2021

Stimmig, berührend und unterhaltsam

Was Preema nicht weiß
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Inhalt:
Und plötzlich ist alles weiss und still, Preema steht alleine da und fragt sich, wie zum Kuckuck dies passieren konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft sie auf einen weiteren Menschen, der ...

Inhalt:
Und plötzlich ist alles weiss und still, Preema steht alleine da und fragt sich, wie zum Kuckuck dies passieren konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft sie auf einen weiteren Menschen, der sie auf eine grüne, paradiesähnliche Lichtung führt, auf der sie fortan leben soll. Doch Preema will nicht einfach akzeptieren, dass die Welt scheinbar untergegangen ist und beginnt, Fragen zu stellen. Sie spricht mit den Menschen, die auf der Lichtung leben und hört die unterschiedlichsten Theorien. Ausserirdische? Digitale Wirklichkeiten? Künstliche Intelligenz? Zusätzlich wird sie von nicht nur schönen Erinnerungen aus ihrem früheren Leben heimgesucht und nach und nach setzt sich ein Puzzle zusammen, das weitere Rätsel aufwirft und verblüfft...

Meine Meinung:
Dieses Buch ist mir schon einige Male begegnet und stand seit seinem Erscheinungstermin auf meiner Wunschliste. Erst Aleshanees eindringliche Empfehlung aber hat es mich endlich kaufen lassen, was wirklich ein Wunder ist, da ich keine guten Erfahrungen gemacht habe mit Büchern, die im Selbstverlag erschienen sind. "Was Preema nicht weiß" hat mich aber positiv überrascht, mich eines besseren belehrt, mich unterhalten, berührt und begeistert.
Eindringlich wird geschildert, wie verloren Preema sich in ihrer neuen Wirklichkeit fühlt, wie sehr sie zweifelt und immer wieder versucht, zu verstehen, was genau mit ihr und mit dem Rest der Welt geschehen ist. Dazu gehört auch, dass sie niemandem - auch nicht sich selber und eigentlich auch nicht ihren Erinnerungen - trauen kann, was die Unsicherheit und Verlorenheit noch grösser macht. Einzig eine kleine Länge zwischen Seite 150 und Seite 200, sowie zwei Entwicklungen, die ich vorhergesehen habe (die ich aber natürlich hier nicht erwähnen werde), haben mich ein wenig gestört.
Die Kapitel sind abwechselnd aus Preemas neuer Welt "Heute" und in Rückblicken (stets mit Datum versehen) erzählt. So setzen sich Preemas Erinnerungen Stück für Stück zusammen und so lernen auch wir die Protagonistin immer besser kennen und verstehen, welche Ereignisse ihres früheren Lebens sich in ihrem Gedächtnis besonders stark manifestiert haben. Dazu gehört auch eine Liebesgeschichte, die mir sehr, sehr gut gefallen hat und die so frei von Stereotypen und ohne Label auskommt, dass es einfach nur eine grosse Freude war, sie zu lesen.
Das Ende und des Rätsels Lösung haben mich unerwartet emotional erwischt und ich bin nach wie vor komplett begeistert von dieser Spannung, dieser schlüssigen Zusammenführung aller losen Enden und dieser aussergewöhnlichen Plotdee.

Die Aufmachung:
Besonders zu erwähnen sind ausserdem die wunderschön gestalteten Kapitelanfänge. Erst nach und nach habe ich verstanden, was es damit auf sich hat und möchte dies - natürlich spoilerfrei - hier schildern. Der allererste Kapitelanfang ist von einer Illustration umrahmt, die unzählige Scherben zeigt, Glasscherben oder Glassplitter, die fast über die ganze Seite verteilt sind. Bei jedem weiteren Kapitel beginnen die einzelnen Scherben, sich zu formieren und sortieren. Sie ergeben ein Bild, welches ganz direkt mit der Handlung verknüpft ist. Dies habe ich zuerst gar nicht richtig wahrgenommen, als aber das Bild irgendwann klarer wurde, habe ich verstanden, welche grossartige Idee und - mit Sicherheit - immense Arbeit dahintersteckt.

Meine Empfehlung:
Von der Aufmachung über die Figuren, die Entwicklung der Handlung und die Erzählsprache bis hin zum stimmigen Ende: dieses Buch hat mich für sich eingenommen, berührt und unterhalten. Von mir gibt es eine herzliche Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Fesselnd, düster und hoffnungsvoll zugleich

Mars
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Inhalt:
In zehn Erzählungen schildert Asja Bakić die befremdlich und zugleich seltsam vertraut anmutenden Lebensrealitäten von zehn Protagonistinnen. In allen Erzählungen stossen die Hauptfiguren an die ...

Inhalt:
In zehn Erzählungen schildert Asja Bakić die befremdlich und zugleich seltsam vertraut anmutenden Lebensrealitäten von zehn Protagonistinnen. In allen Erzählungen stossen die Hauptfiguren an die Grenzen ihrer Welt und ihres Verstandes, werden eingeschränkt und schaffen es, sich zu befreien, zu sich selber zu finden, oder gehen in ihrer eigenen Welt verloren. Dabei begegnen sie Schwierigkeiten, welche wir alle aus unserer eigenen Welt auch kennen, haben aber zugleich Fähigkeiten oder machen Erfahrungen, die fremder und aussergewöhnlicher nicht sein könnten.

Meine Meinung:
Bereits die erste Erzählung hat mich komplett für sich eingenommen. Asja Bakić spielt dabei mit einer kafkaesk anmutenden Verwirrung der Sinne und obwohl ich Kafkas Literatur sehr gerne mag, kann ich sagen, dass Bakić viel eindringlicher, modernder, unverblümter und definitiv auch unheimlicher schreibt. Bereits die zweite Erzählung hat mich aber wieder in eine ganz andere Realität entführt und so hat sich schnell herausgestellt, dass jede der zehn Erzählungen über eine sehr eigene Grundstimmung und Wirklichkeit verfügt. Alle diese Wirklichkeiten existieren scheinbar nebeneinanderher und oft ist die Atmosphäre der Erzählungen dabei sehr melancholisch oder sogar düster. Einige wirken eher aussichtslos, andere enden positiver als sie beginnen oder sorgen zumindest dafür, dass die Protagonistin ein wenig mehr über sich selbst herausfinden kann.
Besonders begeistert hat mich, wie es Bakić gelungen ist, jede einzelne Erzählung so zu gestalten, dass ich das Gefühl hatte, nur schnell durch ein kleines Fenster in das Leben eines Menschen zu blicken und dieses Fenster auch kurz danach wieder zu schliessen. Manchmal bin ich ratlos zurückgeblieben, manchmal erleichtert und manchmal versöhnt.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine sehr herzliche Empfehlung für diese schöne, spannende und auch ein wenig unheimliche Sammlung von Erzählungen.

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  • Erzählstil
Veröffentlicht am 12.05.2021

Leider sind wir nicht miteinander warm geworden...

Das Flüstern der Bienen
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Inhalt:
Simonopio wird am Dorfrand gefunden ist ist nicht nur kräftig und munter, sondern ist auch von einem friedlichen Bienenschwarm umgeben und hat eine Hasenscharte, was zu dieser Zeit (um 1900 herum) ...

Inhalt:
Simonopio wird am Dorfrand gefunden ist ist nicht nur kräftig und munter, sondern ist auch von einem friedlichen Bienenschwarm umgeben und hat eine Hasenscharte, was zu dieser Zeit (um 1900 herum) als Todesurteil gilt und zudem von der abergläubischen Bevölkerung mit Verachtung bestraft wird. Aber wie durch ein Wunder überlebt Simonopio und wird von seiner Nana Reja mit viel Liebe und dem Honig seiner Bienen aufgepäppelt. Von reichen Gutsbesitzern wird er als Ziehsohn aufgenommen und er schafft es, seine Lieben vor dem sicheren Tod durch die spanische Grippe zu bewahren, indem er seinem sechsten Sinn, den Bienen, vertraut. Doch sein Ziehvater Francisco hat als erfolgreicher Geschäftsmann nicht nur Freunde und auch Simonopio wird immer noch von einigen Menschen im Dorf verachtet und es geschehen Verbrechen und Unglücke, welche die Dorfgemeinschaft erschüttern.

Das Lesegefühl:
Selten ist es mir so schwer gefallen, in Worte zu fassen, ob und wie sehr (oder wenig) mir ein Buch zugesagt hat... Zuerst einmal muss ich erwähnen, dass ich dieses Buch in einer Leserunde bei Instagram gelesen habe. Respektive: die Leserunde ist schon lange vorbei, ich habe mich irgendwann ausgeklinkt, weil ich mich so sehr durch die Seiten gequält und mich vom Buch habe bremsen lassen. Trotzdem kann ich nur schwer beschreiben, was mich am Buch gestört hat. Es ist nämlich grandios recherchiert, lässt zahlreiche historische Ereignisse und Figuren in das aussergewöhnliche Setting einfliessen, beschreibt eine herzliche und von Liebe und Vertrauen geprägte Beziehung zwischen Simonopio und dem Sohn seiner Ziehfamilie, den er wie einen Bruder liebt und ist sprachlich enorm vielfältig ausgearbeitet. Ausserdem hat es unsere Leserunde gespalten und die einen Leserinnen komplett begeistert, die anderen eher abgeschreckt und auch ich hätte das Buch mehrmals fast abgebrochen, wollte aber einfach unbedingt erfahren, wie es enden würde und hatte vor allem nach über 300 Seiten das Gefühl, es nun einfach beenden zu müssen, ich war ja schliesslich schon so weit.

Warum mir dieses Buch nicht zugesagt hat:
Tatsächlich habe ich das Buch heute früh beendet und bin leider - trotz vieler Meinungen, die von einem rasanten und packenden Schluss sprechen, nach wie vor nicht begeistert. Doch warum?
Grundsätzlich mag ich langsame, detaillierte Beschreibungen. Beschreibungen, welche einen warmen, schweren Sommer, kalte Winternächte, Angst, Freude und ganz viele optische Details einfliessen und spüren lassen. All dies kann "Das Flüstern der Bienen" bieten, aber leider wird es dadurch nicht einfach nur langsam, sondern langweilig, langatmig, ziellos... Es mischt verschiedene Elemente aus den Genres Liebesgeschichte, Familienchronik, historischem Roman und Krimi, tut dies aber nicht wirklich konsequent. Historische Ereignisse nehmen manchmal sehr viel Raum ein und werden wenig später komplett ausgeblendet, die Gefühle der Liebesgeschichte sind nicht zu mir durchgedrungen. Der Krimi war vorhersehbar und die Familienchronik zu ausufernd erzählt. Ausserdem bleibt die Erzählung bis zum Schluss ein wenig oberflächlich und kriecht zäh vor sich hin. Keine der Figuren hatte ich beim Lesen vor Augen, auch die schmerzlichsten Gefühle (für die ich sehr empfänglich wäre) und die glücklichsten Stunden bleiben blass und haben sich nicht auf mich übertragen. Trotzdem weiss ich, dass dieses Buch gut geschrieben ist, das es humorvoll, spannend und emotional sein kann und dass es einen anderen Platz finden und dort sicher geschätzt und vielleicht sogar geliebt werden wird.

Fazit:
"Das Flüstern der Bienen" und ich sind keine Freundinnen geworden und werden es auch nicht mehr. Was andere vielleicht als Qualität sehen und zwischen den Zeilen gelesen haben wollen, ist mir verborgen geblieben oder hat mich gelangweilt. Schade.

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Veröffentlicht am 10.05.2021

Resant erzählt, skurril, philosophisch und äusserst unterhaltsam

Nussschale
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Inhalt:
Es wird enger in Trudys Bauch und das ungeborene Kind beginnt, sich auf die Geburt vorzubereiten. Vorher aber wird es noch Zeuge eines perfiden Planes, der von seiner Mutter und deren Liebhaber ...

Inhalt:
Es wird enger in Trudys Bauch und das ungeborene Kind beginnt, sich auf die Geburt vorzubereiten. Vorher aber wird es noch Zeuge eines perfiden Planes, der von seiner Mutter und deren Liebhaber Claude ausgeheckt wird. Der Plan richtet sich gegen Claudes Bruder John, den Vater des ungeborenen Kindes. Ein für alle Mal sollen die Beziehungen geklärt werden, welche die drei Erwachsenen miteinander verbinden. Das Kind als stiller Mitwisser erfährt aber auch, wie seine Mutter ihren emotionalen Schmerz mit Alkohol stillt und welche Gefühle sonst in ihr toben.

Meine Meinung:
Nachdem ich von "For You" von Ian McEwan komplett begeistert war, habe ich die Augen nach einem weiteren Buch von McEwan offen gehalten und deshalb "Nussschale" im April beim Stöbern im Bärner Brocki secondhand für lediglich zwei Franken entdeckt und sofort gekauft. Den Klappentext kannte ich beim Lesen noch nicht, weshalb ich um so überraschter und begeisterter war vom Schreibstil und der äusserst ungewöhnlichen Erzählperspektive. Wann liest man schon die - intellektuel hochstehenden und äusserst unterhaltsamen - inneren Monologe eines Kindes im Mutterleib?
Besonders gut gefallen hat mir, dass "Nussschale" alleine aus der Perspektive dieses Kindes erzählt ist und dass es dem Autor dieser starken Einschränkung zum Trotz gelungen ist, so eine vielschichtige Erzählung zu konstruieren. Das Kind sieht ja schliesslich nicht, wie die äussere Umgebung aussieht, wie sich die Figuren bewegen usw., sondern nimmt lediglich Geräusche, Gerüche, den Herzschlag und die Atmung der Mutter, sowie die gesprochenen Unterhaltungen wahr. Trotzdem wird eine Geschichte mit Hand und Fuss gesponnen, die sich spannend und äusserst rasant entwickelt.

Schreibstil:
Wie auch schon bei der Lektüre von "For You" hat mich der besondere Humor des Autors beeindruckt und bestens unterhalten und innerhalb von wenigen Seiten bin ich zwischen Liebesroman, Familiendrama und Krimi hin und her gependelt. Dabei haben mich die Schilderungen des ungeborenen Kindes, das sich aufgrund seiner Sinneswahrnehmungen und den mitangehörten Dialogen seine Umgebung zusammenfantasiert und interpretiert, was manchmal zu äusserst skurrilen, manchmal aber auch verstörenden und oft auch ziemlich philosophischen Gedankengängen und Beschreibungen führt.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine überzeugte Leseempfehlung für dieses unterhaltsame, skurrile und intelligente Buch.

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Veröffentlicht am 06.05.2021

Brutal, packend und absolut lesenswert

Wildauge
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Inhalt:
"Wildauge" ist eine angesehene Hebamme. Sie gibt Leben und sie nimmt Leben. Mitten im Krieg ist sie es, welche den Frauen unter der Geburt beisteht und zahlreiche Mittelchen kennt, um diverse Wehwechen ...

Inhalt:
"Wildauge" ist eine angesehene Hebamme. Sie gibt Leben und sie nimmt Leben. Mitten im Krieg ist sie es, welche den Frauen unter der Geburt beisteht und zahlreiche Mittelchen kennt, um diverse Wehwechen zu lindern, aber auch grosse Operationen durchzuführen. Sie ist ungezähmt und willig zugleich, leidenschaftlich, eifersüchtig und selbstbewusst und als sie sich in den deutschen Offizier Johannes Angelhurst verliebt, ist es um sie geschehen. Sie riskiert Kopf und Kragen und folgt ihm als Krankenschwester in ein Kriegsgefangenenlager. Dort sieht sie die Hölle und wird Teil von Kriegsmechanismen, welche sie weder überblicken, noch steuern kann.

Meine Meinung:
Ich habe dieses Buch aufgrund der begeisterten Rezension von Mareike Fallwickl gemeinsam mit Melanie von @nocheinbuch gelesen und bin wirklich froh, dass Melanie und ich uns intensiv darüber austauschen und unsere persönlichen Erfahrungen miteinander teilen konnten. "Wildauge" ist ein Buch, das fordert. Es ist roh und hart und kalt. Es beschreibt zuerst, wie Menschen und Orte riechen (und meistens ist das ein entsetzlicher Gestank), bevor es die Blicke beschreibt, welche sich die Figuren über Lazarette und Schlachtfelder, über gefrorenes Wasser und unsägliches Leid hinweg zuwerfen. Ja, ich habe mich geekelt und dabei fasziniert der Hebamme "Wildauge" über die Schultern geblickt, die im einen Moment bis zu den Ellenbogen in einer Gebärenden drinsteckt und im nächsten Augenblick ohne Schmerzmittel ein Bein amputiert. Voller Abscheu habe ich gelesen, wie sehr sich ihr Geliebter Johannes Angelhurst vor der Wirklichkeit und seinen eigenen Taten verschliesst und dabei natürlich auch bemerken müssen, dass er auch nur ein kleines Rädchen im System ist und dass Krieg nun einmal genau so ist, wie die Handlung sich in diesem Buch entwickelt: chaotisch, schmutzig, leidvoll, unschön und grausam.

Schreibstil:
Zuerst einmal möchte ich erwähnen, dass "Wildauge" von Angela Plöger hervorragend übersetzt und mit einem ausführlichen Nachwort ausgestattet worden ist. Dieses Nachwort, sowie der Glossar und die Quellenverweise machen dieses Buch erst so richig komplett. Es fällt mir nämlich nach wie vor schwer, Worte zu finden, um die aussergewöhnliche Sprache von Katja Kettu zu beschreiben. Erst beim Lesen des Nachworts hat sich mir auch ein wenig erschlossen, woran das liegen könnte: Katja Kettu hat eigene, passende Wortkreationen oder sogar ganz neue Wörter erfunden, um zu beschreiben, was ihre Protagonistin erlebt und vor allem auch fühlt. Die Übersetzerin musste es ihr folglich gleichtun, was ihr grandios gelungen ist.
Kettu beschreibt liebevoll, fast zärtlich, wie sich die Gezeiten verhalten, wie sich das Meer kräuselt, der Himmel sich verfärbt oder das Wasser zufriert. Dieser Zartheit und Schönheit setzt sie die Gräuel des Krieges - menschliche Abgründe, klaffende Wunden, stinkende Fäulnis, rohes Töten, gierige Geilheit - gegenüber und verwendet dafür eine brutale, zupackende, derbe Sprache, an der Natur und Tierwelt angepasste Formulierungen (Frauen kalben oder werden besprungen) und detaillierte Beschreibungen von Taten und Geschehnissen. Dies alles wird in Etappen und Zeitsprüngen erzählt und setzt sich erst nach und nach aus Tagebuchberichten, Erinnerungen und Erzählungen zusammen. Dort, wo alles seinen Anfang nahm und vielleicht oder vielleicht auch nicht enden wird: in der Bucht des toten Mannes.

Meine Empfehlung:
"Wildauge" bewegt, begeistert, widert an und entsetzt und doch habe ich mich von der Protagonistin und den atemberaubenden Naturschilderungen an der Hand genommen gefühlt und dieses Buch in kleinen Etappen und mit Gänsehaut verschlungen. Seid mutig und lest es.

Mareike Fallwickl hat für dieses Buch übrigens die passendste Empfehlung getextet, die man sich nur vorstellen kann:
"Traut euch an dieses Buch heran, wenn ihr etwas spüren wollt bei eurer Lektüre, wenn ihr euch fürchten und ekeln wollt, wenn ihr eine Axt wollt für das gefrorene Meer in euch."

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